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Wochenblatt für Zschopau und Umgegend : 27.08.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512512809-188708273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512512809-18870827
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512512809-18870827
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- ZeitungWochenblatt für Zschopau und Umgegend
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seine Augen rieb und dann ebenfalls hinausschaute, »glaubst Du es?" „Nach dem, was man uns berichtete, scheint e- mir gewiß zu sein. Wir wollen uns gleich davon überzeugen. Heda, Schwager, weißt Du, wer hier wohnt?" Der Postillon wandte sich um, nahm die Pfeife aus dem Munde und sagte: „Hier wohnt der Herr Major von Brand und das ist sein Gut. Der ganze Wald gehört dazu, der Acker da drüben auch, und die große Wassermühle unten vor der Stadt ebenfalls. Er hat aber alles verpachtet." „Er ist also wohl nicht hier?" „Ja freilich ist er hier, in dem Hause wohnt er ja." „Hat er keinen Sohn?" „Einen Sohn hat er, der ist aber weit fort. Er ist beim obersten Gerichte." „Töchter hat er auch?" „Zwei hat er. Ein Fräulein ist schon groß und eins ist noch klein und bekommt Unterricht von einem Lehrer, den sie im Hause haben." „Du weißt ja sehr gut Bescheid, wie's da zu geht," lachte der Reisende. „Warum sollt ich nicht?" erwiderte der Postillon. „Ich bin ein paar Jahre bei ihn: gewesen, darauf bin ich Postillon geworden. Aber ich wollte, daß ich es nicht gethan hätte." „Schäme Dich," scherzte der Fremde, „man muß niemals bereuen, was man gethan hat." „Das ist wohl wahr," meinte der Postillon, „ge schehene Dinge sind nicht zu ändern und gefallen kann man sich auch nicht alles lassen." „Es ist also wohl ein böser Herr?" „Böse ist er eigentlich nicht, das kann man nicht sagen, aber hitzig. Alle Donnerwetter kriegt man auf den Hals, so wie das Geringste los ist." „Da muß mit ihm schlecht Kirschen essen sein." „Wenns Fräulein nicht wäre, so wärs noch schlimmer," sagte der Postillon. „Im Grunde ist er auch gut, denn Geld ästimiert er nicht und wo was zu'.geben ist, ist er allemal da." „Hat'er denn so viel zu geben?" fragte der Fremde. „Na, er nimmt schönes Geld ein, aber übrig wird wohl nichts bleiben. Wie er im vorigen Jahre die Mühle neu baute, hat er borgen müssen. Es geht alles drauf. Wer da kommt, ist gut aus genommen und früher gings noch größer her, aber das Fräulein ist jetzt an der Spitze und hälts besser zusammen." „Wohnt er schon lange hier?" „An die zehn, zwölf Jahre. Er hat alles geerbt." „Den Acker hat er verpachtet?" „Den hat er verpachtet, bloß die Jagd hat er behalten, denn das Jagen ist seine Sache und darin versteht er keinen Spaß. Wenn sie ihm Holz stehlen, das kann er leichter ertragen, aber mit Wilddieben Hot er kein Erbarmen. Einen hat er lahm geschossen, es ist noch nicht zwei Jahre her. Der Fuß wird dem Mathis nicht wieder gerade." „Das ist ja ein alter Sakermenter!" „Er ist lange Offizier gewesen unter dem Na poleon, hat den spanischen Krieg mitgemacht und auch den gegen die Russen. Der fragt wenig da nach, wenn er in Wut ist; hinterher hat's ihm leid gethan, obwohl er freigesprochen wurde in dem Prozeß, den sie ihm machten. Während Mathis im Gefängnisse saß, hat er Frau und Kind er halten und jetzt, wo jener wieder los ist, giebt er noch. Es solls keiner wissen, aber es ist doch be kannt, wenn auch der Mathis schimpft. Nah!" Der Postillon nahm sein Horn an den Mund, denn der Wagen rumpelte jetzt über das Pflaster an der Thorbrücke und somit hörte das Gespräch auf, während dessen Dauer die beiden Reisenden verschiedene Blicke gewechselt hatten. Jetzt lachten sie zusammen und sprachen dabei, aber der Postillon hörte nichts davon, auch kümmerte cs ihn nicht. Er fuhr zwischen den beiden alten Thortürmen die schmale krumine Straße hinauf, an der Kirche vorüber auf den Marktplatz, wo sowohl die Post wie der Gasthof zum roten Bären standen, und da dieser der anerkannt beste von den dreien war, unter denen die Auswahl offen stand und die Reisenden expreß nach dem besten verlangt hatten, fuhr er sie dahin und blies aus Leibeskräften, so bald er um die Ecke bog. Der Wirt kannte das Zeichen. Der Kellner lief vor die Thür, er selbst kam hinterher. Es langten nicht viele Fremde hier an, um zu über — KS6 — nachten, die meisten sichren weiter; eine Extrapost war aber immer ein wichtiges Ereignis. Ein Dutzend barfüßige Jungen rannten von allen Seiten herbei, am Brunnen blieben die Mädchen stehen und hinter den Scheiben der Fenster zeigten sich neugierige Gesichter. Vor dem Wirtshause standen eine Menge Bauernwagen mit Kornsäcken beladen, denn am nächsten Tage war Markt, und zur linken Seite im Hause befand sich in üblicher Weise die Schänkstube für das Volk, rechts dagegen ging es in die Gastzimmer für die vornehmere Gesellschaft. Der Wirt half den beiden Herren beim Aus steigen. Es war ein gemütlicher dicker Wirt von der alten Art, ohne übermäßige Höflichkeit, aber mit einem zutraulichen und herzlichen Anstrich. Er sah gleich ein, daß er es mit Leuten zu thun hatte, die ihn in Atem setzen würden. „Zwei Zimmer," sagte der seine, schlanke Herr, welcher mit dem Postillon gesprochen hatte. „Sehr wohl, mein Herr," erwiderte der Wirt. „Die besten," fuhr der Reisende fort. „Werde nicht ermangeln," sagte der Wirt. „Sie haben doch gute Betten?" „Ganz neue Betten." „Lassen Sie uns sehen," sagte' der Reisende, in dem er einen mißtrauischen Mick auf das Haus warf. In der Ueberzeugung aber, daß auf jeden Fall nichts übrig bleibe, als anzunehmen, was ge boten wurde, fügte er hinzu: „Lassen Sie die Koffer abschnallen und den Wagen räumen." „Es soll alles geschehen," versicherte der Wirt. „Halt! noch einen Augenblick," rief der Be gleiter des Reisenden, welcher sich ebenfalls heraus gemacht hatte. Der Wirt blieb stehen, der frenide Herr griff in den Wagen und brachte einen polierten Kasten niit Messinggriff zum Vorschein, an welchem er diesen trug. Der dienstfertige Kellner wollte ihm den Kasten abnehmen, allein er wies seinen Beistand zurück. „Ich kann ihn selbst tragen," sagte er mit einer keineswegs angenehmen hohen Kehlstimme, und daß dies der Wahrheit gemäß sei, ließ sich allerdings nicht bezweifeln, denn der Fremde war groß und stark, ein gutes Stück größer als sein Gefährte, doch von Gesicht bei weitem nicht so angenehm. Es war blaß und dick und hatte leblose, harte, wasserblaue Augen. Sie gingen nun alle in das Haus. Die Thür nach der Schänkstube stand offen. Ein dicker Tabäksnebel und schallendes Gelächter drangen daraus hervor. Auf den langen Holz tischen brannten ein paar Talglichter und beleuch teten Bierkrüge und schäumende Gläser, die Bänke und Schemel standen aber meist leer. Der aller größte Teil der Gäste in Kitteln oder Jacken und kurze Tabakspfeifen zwischen de» Zähnen hatte sich in der Mitte der Diele versammelt und bildete beinahe einen Kreis. In diesen, stampfte ein Kerl mit einer Krücke umher und schrie allerlei Worte, von denen die Vorübergehenden nichts ver standen. Der dicke Reisende wandte sich unwillig davon fort, sein Begleiter fragte den Wirt, was das zu bedeuten habe? „Es ist ein armer Kerl," erwiderte dieser, „der Mäuse und Vögel abgerichtet hat, die er marschieren und exerzieren läßt." „Solche Vagabonden sollte man nicht dulden," fiel der dicke Herr ein. Der Wirt zuckte die Achseln. „Es will doch ein jeder leben," meinte er. „Einen Augenblick, meine Herren; gleich sollen Licht und Schüssel be reit sein." Cr lief in die Gaststube. — „Da sind wir in eine schöne Höhle geraten," benierkte der dicke Herr. „Es bleibt nichts anderes übrig," sagte der Ge fährte. „Dergleichen alte Baracken sind oft besser, als sie aussehen." „Das ganze Ding ist von Holz und Fachwerk," fuhr der Dicke bedenklich fort, „wenn Feuer ent steht, sind wir verloren." „Um so vorsichtiger müssen wir sein," antwor tete der Kleine, indem er seine Augen schelmisch blitzen ließ. Der Wirt kam mit Schlüssel und Licht zurück und ersuchte seine Gäste, die Treppe hinauf zu steigen. Sie war breit und von altertümlichen Formen. „Die Treppe ist noch aus der alten Zeit," sagte der Kleine. „An hundert Jahre alt," erwiderte der Wirt. „Jetzt macht man drei Treppen davon." solch altes Haus kann plötzlich einstürzen." steht fest wie Eisen," beteuerte der Wirt; will Ihnen jedoch," setzte er hinzu, „lieber Zimmer in dem neuen Anbau geben, den habeich massiv im vorigen Jahre aufgesührt." „Das ist gut," rief der Dicke. „Dann bitte ich, noch eine Treppe höher zu steigen." „Zwei Treppen hoch wohne ich niemals," sagte der dicke Herr mit Entschiedenheit. „Es sind hohe, geräumige Zimmer," versicherte der Wirt, „auch sind sie ganz neu tapeziert und ausgestattet." Der Frenide nahm darauf keine Rücksicht, er wiederholte, daß er niemals zwei Treppen hoch wohnen wolle; der Wirt inußte somit die Zimmer im alten Hause aufschließen, allein er hatte auch hier noch Einsprüche iu Empfang zu nehmen. Der Fremde wollte kein Zimmer nehnien, welches nach beiden Seiten Thüren besaß, die in Neben zimmer führten. Er verlangte eines mit festen Wänden oder doch höchstens mit einer Seitenthür, und ein solches wurde zuletzt auch von ihm ge wählt, obwohl es die wenigsten Bequemlichkeiten bot. Die Koffer, Mäntel und alles Reisegerät auS dem Wagen wurden nun herbeigebracht, und der dicke Herr untersuchte vorsichtig, ob nichts fehle oder beschädigt sei, während sein Reisegefährte das große Nebenzimmer in Besitz nahm, das Bett einer augenblicklichen Betrachtung würdigte, sich dann aber gleichgiltig auf den: Sofa ausstreckte und eine Cigarre anzündete. In dieser Lage hörte er zu, wie sein Freund allerlei Fragen über die Sicherheit des Hauses und der Gegend an den Wirt richtete, und wie dieser darauf in bestimmter Weise beteuerte, daß keinen, seiner Gäste jemals etwas gestohlen, auch niemals Feuer ausgebrochen sei, von Gewaltthaten überhaupt selten einmal etwas vernommen werde. Als der Wirt hinaus war, nahm der dicke Herr das Licht, leuchtete unter das Bett, dann in die beiden Schränke und in verschiedene Winkel, und als er diese Musterung beendet, trat er zufrieden gestellt zu seinem Begleiter herein, der ihn durchaus nicht gestört -hatte. „Ich finde, daß Du recht hast," sagte er, „wir sind hier bester aufgehoben, als ich dachte. Es sieht reinlich aus, und die Betten sind gut und die Preise, nach denen ich mich erkundigte, mäßig." „Gestohlen wird auch nicht, gemordet noch weni ger und an Verbrennen ist kein Gedanke," lachte der Kleine. Sein Freund schien zu erschrecken. „Male den Teufel nicht an die Wand," sagte er, „ich kann dergleichen nicht hören." „Dieser Wirt sieht wie die Ehrlichkeit selbst aus." „Man kan» keinem Menschen ins Herz blicken," versetzte der dicke Herr, „und gerade diejenigen, die so aussehen, als könnten sie kein Wasser trüben, sind die allerschlimmsten." „Aber dann muß man niemanden, trauen." „Was das anbelangt, so traue ich auch nieman den,, das heißt," fügte er hinzu, „wo ich nicht bestimmt weiß, daß ich ganz sicher bin, wie bei Dir." „Um so größere Ehre für mich." „Du bist mein Freund, das weiß ,H, und bist ein gescheiter Kerl, das weiß ich auch. Ich bin froh, daß ich Dich mitgenommen habe, und wenn alles gut geht, so —" „So wirst Du noch vielmehr mein Freund sein." „Darauf kannst Du Dich verlassen. Aber was fangen wir jetzt an?" „Zunächst werden wir Erfahrungen sammeln, womit dieser ehrliche Wirt uns vor dem Verhungern retten kann." „Richtig, wir wollen essen." Nach einigen Unterhandlungen und nachdem der dicke Herr nochmals alle Schlösser untersucht, auch seine Kassette in den Schrank gesetzt und diesen doppelt verschlossen hatte, gingen sie beide in das Speisezimmer hinunter, wo der Wirt inzwischen längst angelangt war. — Im vorderen Teil des großen Gastzimmers brannte eine Hängelampe mit breiten, Schirm über einem runden Tische, auf welchem verschiedene Tagesblätter und mehrere Zeitungen lagen; im Hintergründe stand eine ge deckte Tafel. (Fortsetzung folgt.) Redaktion, Druck und Verlag »ou Paul Strebelow in Zjchopau
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