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Wochenblatt für Zschopau und Umgegend : 03.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512512809-189301036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512512809-18930103
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512512809-18930103
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- ZeitungWochenblatt für Zschopau und Umgegend
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kies, und Beppo sprang heraus, um sie vollends ans Land zu ziehen. „Wir wollen die Signorina zu meiner Mutter bringen, Herr," sagte er; „sie muß ins Bett kommen und heißen Thee trinken und dann in andere Kleider fahren, ehe sie wieder in die Villa hinaufgeht. Und der Herr selber —" Ewald schnitt ihm die weiteren Worte mit der kurzen Erwiderung ab: „Ihr habt recht, wir wollen zu Eurer Mutter —" Und während Beppo nun sich in einer lang atmigen Danksagung gegen die Madonna erging, die heute wieder einmal ein Wunder vollbracht habe, von dem man lange noch im Orte reden werde, und Salvatore erzählte, wie denn eigentlich alles gekommen sei, und rechtfertigte, daß es so hatte kommen müssen, trat Ewald an das Mädchen heran und fragte sie, ob sie sich stark genug fühle, zu gehen. Sie bejahte das und versuchte sich zu erheben. Aber dabei klammerte sie sich fest an den Arm, den er ihr darbot, und doch wäre sie noch umgesunken, als sie nun aufrecht dastand, denn ein plötzlicher Schwindel packte sie und ließ sich alles wirbelnd vor ihr im Kreise drehen, hätte er nicht ihren Leib umschlungen gehalten und sie gestützt. Als sie dann immer schwerer in seinen Armen wurde und die Augen nicht wieder aufschlagen wollte, riß er sie, kurz entschlossen, vollends zu sich empor, trug sie ans Land und schritt so mit seiner holden Last auf das kleine Haus zu, das der voraufschreitende Beppo ihm als das seiner Mutter wies. Er fühlte, wie der schlanke Mädchenleib in seinen Armen bebte und sein eigenes Herz schlug ungestümer bei dem Wogen ihres Busens dicht an seiner Brust; aber er widerstand dem Verlangen sie fester an sich zu pressen, bändigte den irr auf tauchenden Wunsch nieder, sie als seine Braut, die er sich mühevoll mit Gefahr seines eigenen Lebens erkämpft, als sein Weib mit fortzutragen, mit ihr in die Welt hinaus zu fliehen, die ihm bis zu dieser Stunde keinen Sonnentag des Glückes ge bracht hatte und nun durch sie, mit ihr zu einem Paradiese werden konnte, dessen Seligkeit schon in dieser Minute über ihn herabschauerte; festen ruhigen, Schrittes strebte er vorwärts, trat durch die niedere Thür des Hauses in ein kleines, sauberes Gemach und bettete dort das Mädchen auf ein Ruhelager, das die schnell durch Beppo verständigte alte Frau ihm anwies. Dann gab er in kurzen Morten seine Anordnungen, welche die Alte mit großer Zungen geläufigkeit guthieß und pünklich auszuführen ver sprach, wartete noch einen Augenblick, bis Edith zum ersten Male wieder die Augen ausschlug und mit wiederkehrendem Bewußtsein um sich blickte und schritt dann, von Beppo gefolgt, mitkurzemGruß hinaus. Draußen stand er eine Weile unter dem Rahmen der Hausthür und starrte vor sich hin auf den wogenrollenden See, als ob er seine Fassung zurück gewinnen müsse, oder sich auf das besinnen wolle, was nun zu thun sei. Dabei nahmen seine Miene» wieder einen ernst-ruhigen, fast traurigen Ausdruck an, und hinter seiner hohen Stirn mußten sich schwermütige Gedanken kreuzen. „Das war Hilfe in der Not, Herr," sagte Beppo, der ihn eine Zeitlang verwundert betrachtet hatte, plötzlich neben ihm, „und es mußte, wohl der Wille der Madonna gewesen sein, daß Sie hierher kamen, um viel gutes zu stiften. Wenn wir nicht hinausgegangen wären, hätten wir die Signorina wohl nicht wiedergesehen. Denn Salvatore kann schwimmen und die Signorina hatte sich vor her darüber vergewissert, als sie ihn bat, mit ihr zu fahren; aber er hätte sie nicht auch noch retten können, wenn ihn die heilige Jungfrau gnädig be schützt hätte. Und sonderbar bleibts, Herr, daß die Signorina darauf bestanden hat, selbst das Ruder zu führen, obgleich der See hoch ging und der Wind konträr war, und daß dann ihr Ruder zerbrach und das Boot im Kreise umgetrieben wurde, war gerade kein Wunder. Salvatore sagt, er hätte es nicht ändern können, und wie nun die Signorina gar das Bewußtsein verlassen hätte, daß es für ihn nur die Wahl gab, entweder sie unter gehen zu lasten oder die Barke, die von der nächsten Welle niedergerissen werden mußte, wenn er sein Ruder ini Stiche ließ und der Signorina bei sprang; da sei ihm zu Sinne geworden wie nie in seinem ganzen Leben, und er hätte — Gott verzeih ihm die Sünde! — denken müssen, die Signorina wolle ja wohl sterben, und er kann ihr den Willen lassen und sich selbst retten. Aber als sie dann wirklich über den Rand herabgeglitten ist und die Sturzwelle über sie hinging, da hat er doch laut aufgeschrien vor Schmerz und ist ihr besinnungslos nachgesprungen und hat sich zuge schworen, entweder wolle er sie retten oder mit ihr untergehen. Und untergegangen wäre er ja denn wohl auch, wenn wir nicht gerade zur rechten Zeit angelangt wären, und wenn Sie nicht — aber Sie sollten auch nach Hause gehen und Ihre Kleider wechseln, Herr! Sie sehen aus, als könnte Sie das Fieber packen. Das wäre ein übles Nachspiel, Herr —" Ob Ewald alles gehört hatte, was er ihm berichtet, wußte Beppo nicht zu sagen, denn dieser blickte so starr und teilnahmlos hinaus, daß es auch spurlos konnte an ihm vorübergegangen sein, aber die letzten Worte mußte er vernommen haben, denn er nickte jetzt kurz und sagte beistimmend: „Ja, ich will gehen. Gebt acht aus die Signorina, Beppo! Gegen Abend bin ich wieder hier. Wenn sie eher den Wunsch ausspricht, nach Hause zu kommen, so ruft mich und laßt sie nicht eher gehen, bis ich da gewesen bin und mich überzeugt habe, daß ihr Zustand die Uebersiedelung erlaubt. Ich verlasse mich auf Euch —" Beppo wollte dem Davonschreitenden zur Seite bleiben, aber Ewald winkte ihm, er möge zuriick- bleiben, nickte ihm noch einmal freundlich zu und wanderte die schmale, dunkle Gasse des Städtchens hinauf, um den Blicken des Nachschauenden zu verschwinden. Als er in sein Zimmer gelangt war, warf er sich ans sein Lager und blieb dort, sich zur Ruhe zwingend, bis der Abend hereinbrach. Nur einmal in der Zwischenzeit ließ er sich von Signora Giustina eine Flasche Wein bringen und erteilte ihr gleichzeitig den Auftrag, es ihm unverzüglich zu melden, sobald der Herr, der gestern in Geld geschäften aus der Villa Edith gewesen sei und den sie wohl kennen werde, wieder in der Locanda eintreffe. Signor Giustina hatte ihn scheu und fast arg wöhnisch bei diesen Worten angesehen, dann aber kopsnickend erwidert: „Signor Edmondo Pottazzi aus Como? Der Bankier? Ich werde es Ihnen melden, mein Herr!" Und ein paar Stunden später kam sie zurück, um mitzuteilen, daß der Herr eingetroffen sei und daß sie ihn benachrichtigt habe, man wünsche ihn zu sprechen. Der Signor Americano möge nur herüberkommen, er werde schon erwartet. Daraufhin erhob sich Ewald von seinem Lager, schüttelte den letzten Rest der Müdigkeit gewaltsam von sich ab und folgte der Padrona bis in das Zimmer, das sie ihm als die Wohnung des Bankiers bezeichnete. Als auf sein Klopfen ein „Avanti!" ertönte, trat er über die Schwelle und stand nun dem Manne gegenüber, den er gestern im Kahn gesehen und dessen Unterredung mit Edith er be lauscht hatte. Diese letztere Erinnerung trieb dem Eingetretenen das Blut noch einmal wieder stürmisch in die Schläfen hinauf, so daß er anfangs keine Worte finden konnte, um sein Erscheinen zu erklären, sondern fürchten mußte, die Empörung werde ihn fortreißen, wenn er spräche. Erst als der andere, der ihn gleichgültig musterte und die Cigarre nicht aus den Lippen nahm, als er sprach, in höflichem Ton fragte: „Womit kann ich Ihnen dienen, mein Hetr? Geldgeschäfte? Hm?" fand er seine Haltung wieder. „Sie sind derGläubiger des Herrn vonWinning?" fragte er kurz und kalten Tones, ohne Gruß oder sonstige Einleitung des Gesprächs. Offenbar war der Gefragte darauf nicht vor bereitet gewesen. Er trat unwillkürlich einen Schritt zurück, betrachtete den Fremden mit stechenden Blicken, nahm die Cigarre aus den Lippen und fragte dann zurück: „Weshalb wollen Sie das wissen, mein Herr, — mit wem habe ich überhaupt die Ehre?" „Mein Name ist für Sie bedeutungslos," gab Ewald zurück, „und meine Frage zu stellen, bin ich berechtigt, weil ich hierher kam, um die Schulden zu tilgen, die auf der Villa Edith kontrahiert sind und heute fällig werden —" Der andere war blaß geworden. „Sie?" stammelte er, „die Schulden? — Sie kommen im Aufträge von Fräulein Edith? Ah! Das — das überrascht mich —" „Es ist nichts Ueberraschendes dabei, wenn Schulden am Verfalltage ausgeglichen werden, dünkt mich," fiel Ewald gleichmütig ein; „wollen Sie also Ihre Belege vorweisen? Wenn ich alles richtig finde, werden Sie in zwei Minuten befriedigt sein." (Fortsetzung folgt.) Was soll unser Sohn werden- Je näher Ostern heranrückt, um so lebhafter be schäftigt viele Eltern die Frage: Was soll unser Sohn werden? um so mehr, als fast in allen Be rufszweigen arge Ueberfüllung herrscht. Da wird es nun für viele angenehm sein, zu hören, daß die untere und mittlere Beamtenlaufbahn im Gemeinde dienst und bei der Postverwaltung die günstigsten Aussichten gewährt. Denn in diesen Verwaltungs zweigen machen die mannigfaltigen Anforderungen, welche die Selbstverwaltung und die neuere sozial politische Gesetzgebung (Kranken-, Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetz) an die verschiedenen Be hörden stellt, andererseits das sich immer mehr er weiternde Verkehrswesen eine stetige Vermehrung des Beamtenmaterials nötig. Es ist auch ganz unzweifelhaft, daß die in der Volksschule erworbenen Kenntnisse heutzutage durchaus nicht mehr für irgend eine Beamtenkarriere ausreichen. Dazu gehört eine höhere allgemeine Bildung, die aber zugleich verbunden sein muß mit der praktischen Aus bildung der Schüler für ihren künftigen Beruf. Eine solche doppelte Ausbildung gewährt ihren Zöglingen die Beamtenschule zu Nerchau. Der Lehrplan dieser neuen Schule ist nun derart eingerichtet, daß der deutsche Unterricht mit sechs Stunden in der Woche den Mittelpunkt des ge samten Unterrichts bildet. Großes Gewicht wird ferner auf Rechnen und Geometrie gelegt, wofür 6 Stunden wöchentlich im Lehrplan bestimmt sind. Um diese Fächer, die immer die wichtigsten bleiben und bleiben müssen, gruppieren sich nun die übrigen Lehrgegenstände: Französisch (4 Stunden), Englisch (2 St.), Geschichte und Geographie (4 St.), Physik (2 St.), Buchführung (1 St.), Stenographie (1 St.), Schreiben (1 St.), Zeichnen (1 St.) und Turnen (1 St.). Bemerkt sei hier noch, daß die beiden fremden Sprachen, Französisch und Englisch, nach der neuesten Methode erteilt werden, d. h. es wird möglichst bald mit Sprechübungen in den fremden Sprachen begonnen und als Ziel deS Unterrichts die Gewandtheit im mündlichen und schriftlichen Gebrauch der fremden Sprachen betrachtet. Während nun die Schüler im ersten Semester nur in den oben genannten Gegenständen, die natürlich auch in der übrigen Zeit die Hauptsache bilden, unter richtet werden, um vor allen Dingen ihre in der Volksschule gewonnenen Kenntnisse zu befestigen, zu erweitern und zu vertiefen, tritt im zweiten Semester die Unterweisung im Gemeinde-, Post- und Bahndienst hinzu; aber nur insoweit, daß die Schüler alles das kennen lernen, was für einen gebildeten Menschen wissenswert ist, und vor allem, daß sie sich leichter für ein bestimmtes Fach ent scheiden können. Bei dieser Entscheidung für den künftigen Beruf, die jeder Schüler nach Ablauf eines Jahres treffen muß, werden Schüler wie Ellern vom Lehrerkollegium aus Grund der Er fahrungen, die dieses in betreff der Fähigkeiten und Fortschritte der einzelnen Schüler gewonnen hat, bestmöglichst beraten. Nun werden sie gruppen weise, gemäß ihrer Wahl, in den praktischen Dis- ziplinien: Gemeindedienst (im Anschluß an die Ge schäfte und Arbeiten der Gemeindeverwaltung der Stadt Nerchau), Post-, Eisenbahndieiist und Tele graphie aufs gründlichste unterrichtet. Natürlich nehmen an den allgemein bildenden, oben ange führten Unterrichtsfächern auch im zweiten Jahre alle Schüler in der bisherigen Weise teil. In dem Umstand nun, daß die Zöglinge nach Verlauf eines Jahres, nachdem sie alle Zweige des fach wissenschaftlichen Unterrichts kennen gelernt haben, sich für ihren künftigen Beruf zu entscheiden haben, liegt ein großer Vorzug vor allen anderen Fach schulen, wo die Schüler von vornherein, ohne die Sache zu keiinen, sich entscheiden müssen. Denn es ist gar nicht ausgeschlossen und thatsächlich öfter vorgekommen, daß junge Leute nach längerem Be such einer solchen Schule entweder einsahen, daß sie nicht die nötige Lust und Begabung für das erwählte Fach hatten oder infolge eines körperlichen Fehlers, z. B. Kurzsichtigkeit, von der Behörde nicht angenommen werden konnten. Es ist dann schade um die verlorene kostbare Zeit. Zum Schluß sei noch erwähnt, daß das Direk torium der Schule und der Bürgermeister von Nerchau eifrig bemüht sein werden, allen Schülern nach beendigtem zweijährigen Unterrichtskursus ihren Fähigkeiten entsprechende Stellen zu verschaffen. Verantwortlicher Redakteur: A. Raschle in Zschopau. — Druck und Verlag von F. A. Raschle, Paul Strebclows Nachfolger in Zschopau,
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