Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.01.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188501176
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850117
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850117
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-01
- Tag1885-01-17
- Monat1885-01
- Jahr1885
-
-
-
296
-
297
-
298
-
299
-
300
-
301
-
302
-
303
-
304
-
305
-
306
-
307
-
308
-
309
-
310
-
311
-
312
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.01.1885
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Wrsch*i»t täglich früh 6»/.HHr. Ne-««>a und Lkpe-ition Johsnne-qasse 33. -Pkrih-un-en -er Leüarliou BormittagS 10—12 Uhr. Nachmittag« ü—8 Uhr. »Mt ffir sie ntchfts»!««,-« 4k»««er »esttmmten Inserate an S«ch»»ta«en bis .4 Nhr Nachmttt«»». anvnnn-nn» Feftt««en früh »iS '/,9 Uhr. I» Zen Fttiitr» für Ins.-XnmUsine: Otto Ule««, UmversitatSstrabe 21. L«ut« Lösche, Kacharineustraße 18, p. nnr »iS '/,L Uhr. tlpMtr.TagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. ^ 17. Sonnabe»- dm 17. Januar 1885. Auflage L8,7S» Abonnnnentsprris viertel;. 4'/, Mk. iucl. Brinaerlohn b Mt., durch dir Post bezogen 6 Mk. Jede eiazelne Nummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren iür Extrabeilagen (in Tageblatt-Formal gesalzt) ahne boslbeiLrderuiig 38 Mk. «tl Poftbesörderoug 48 Ml. Inserate figespaltene Petitzeile SO Pf. »r-ßere Schriften laut uns. PreiSverzeich»,,. Ladellarischrr u. stiffernjatz nach höher« Tarif. Ueriänien «nter dem RedactionSstrich dlethrspalt. geile 50 Pf., vorden Jam ilirn Nachrichten die «gespaltene geile 40 Ps. Inserate sind «telS an die Urprhiti«, zu senden. — Rabatt »vird nicht gegeben. Zahlung prnenannr»uäo oder durq Last- »achvahme. 79. Jahrgang. Zur gMigen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 18. Januar, Vormittags nur bis Uhr geöffnet. LxpMItlou Uvs I^elprlxer ^»Ls6dl»tt68. Amtlicher Theil. Vekaimlmachung. Da« ve« Stfftsralhe Or. Johann Kranz Born für «inen in Leipzig geborenen, die Reckte studirenden Sohn ») eine« Beisitzer« der hiesigen Juristenfacullät, oder, da dere« keiner vorhanden, l») eine« Beisitzer« de« vormaligen hiesigen Schöppen- stuhle«, oder, da ein solcher auch nicht wäre, H eine« Rathsherrn allhier, und wenn deren ebenmäßig keiner zu finden. ck) eine« hiesige» Bürger« gestiftet« Stipendium ist aus die Jahre 1885 und 1888 zu vergeben und beträgt aus diese beiden Jahre je 170 ^ 58 H. Der Empfänger diese« Stipendii hat jede« Jahr am 12. Jnni, oder, dasern letzterer auf einen Sonn» oder Feiertag fällt, am 13. Juni Uder ein ^argumentum juricticum zu peroriren" und diese Oration schriftlich bei un« einzureichcn. Wir fordern diejenigen Herren Sludirenden, welche um obige- Stipendium sich bewerben wollen, hierdurch aus, sick unter Besckeinigung ihrer stiftungögemäßen Qualifikation bis zum 3. März dieses Jahre« sckriftlich bei un« anzumelden, widrigenfalls sie diesmal unberücksichtigt bleiben. Leipzig, den 14. Januar >885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Kretschmer Nach Z. 8 der orlSstatutarischen Bestimmungen Uber den SöhalauSfchuA der Stadt Leipzig haben in letzteren all jährlich 4 stäudige Schulmänner, unter denen mindestens 2 Direktoren sein mnffen, neu einzu- lrete» uud e« sind diese 4 Mitglieder von den Dirccloren und sämmtlichen ständigen Lehrern und Lehrerinnen der hiesigen städtischen Volksschulen zu erwählen. Indem wir hiermit die Wahl siir da« Jahr 1885 aus Sonnabend, den 17. diese- Monat-, Nachmittags von 3 bi- « Uhr anberaumen, ersuchen wir die Herren Directoren und länbiczen Lehrer und Lehrerinnen der hiesigen städtischen Volksschulen, die Stimmzettel in der genannten Leit im aale der I. Bürgerschule persönlich abzugeben. Leipzig, am S. Januar 1845. Der Schulau-schuß der Stadt Leipzig. vr. Panitz. Lehnert. Holz-Auction. Freitag, de» 23. Jannar sollen auf dem Mittel waldscklage in Abtheilung 34» und 35» de« Durgauer Forstrevier-, im sogenannten Niederholz«, binter dem neuen Schützenhause aus der rechten Seite der Fluthrinne u »v de n Fußwege vom Rosenthal nach dem Schützend«»- 27 Rmtr. Eichcn-Nutzscheite, 137 » Eicken- 47V, » Buchen- 12 - Rüstern- 6 » Linden 4 « Eschen unter den öffentlich auShan lenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung an den Meistbietenden verkauft werden. Zusammenkunft: Früh 8 Uhr aus obigem Schlage an der Hluthnnne. Leipzig, am 8. Januar 1885. De- Rathö Forstdeputation. u. Brenuschelte Tie bei dem diesigen Leibbause in den Monaten Januar, Februar, März «nd April 1884 versetzten oder er neuerten Pfänder, die weder zur Verfallzelt, noch bi« jetzt eingelöst worden sind, auch nickt bi« zum 31. Januar a. o. eingelöst werden, sollen den 2. März d. I. «nd folgende Tage im Parterre-Locale de« Leihhauses öffentlich versteigert werden. ES können daher die in den genannten Monaten ver setzten Pfänder nach dem 31. Januar d. I. und spätesten- am 4. Februar d. I. nur unter Mitentrichlung der AuctionSkostc» von 4 Piennigeu von jeder Mark de« Dar- ichns «iugelöst »der nach Befinden erneuert werden; vom 6. Februar ». e. an» an wclckem Tage der AuctionS- kataliw geschlossen wird, kann lediglich die Einlösung derselben unter Mitentrichlung der AuctionSkosten von 4 Pfennigen von jeder Mark der ganzen Forderung de« Leihhause« stattfinden, und zwar nur bi« zum 27. Februar d. I.. von welchem Tage ab Auckiouspsänder unwiderruflich weder etngelSst. noch prolongirt werden können. ES hat also vom 28. Februar d. I. an Niemand da« Recht, die Einlösung solcher Pfänder zu verlangen, und können dieselben daher von den Eigenkbümern nnr aus dem gewöhn lichen Wege des Erstebens wieder erlangt werden. Dagegen nimmt das Geschäft de« EinlöscnS und Ver setzen« anderer Pfänder während der Auclion in den gewöhn lichen Localen seine» ungcslörlc» Fortgang. Leipzig, den 15. Jcmuar 1885. De- Rath- Deputation für Leihhaus nnd Sparkasse. Die im Jahre 1870 mit Leichen Erwachsener, sowie in, Jahre 1375 mit Leickcn von Kindern besetzten Gräber au dem neuen Johanni-sriedbofe kommen in gegenwärtigem Jahre zum Verfall und kann deren Erneuerung nur nach Beibringung der Evncessionsscheine erfolgen Leipzig, den 7. Januar 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Kretschmer Vrennliolr-Auction. Mittwoch, den 28. Januar solle» im F»rst» reviere tkonnewttz, Abih. 37 und 38» von Vormittag« 0 Uhr an ca. 154 Haufen starker Abraum, - 178 - Schlagretßtg (Laagha«fr«) «nd » 190 Bund Dornen unter den öffentlich anshängenden Bedingungen und der üblickcn Anzahlung an Ort und Stelle an den Meistbietenden verkauft werden. Zusammenkunft: aus dem Mittelwaldschlag« in der Nonne am Schleußiger Wege. Leipzig, am 15. Januar 1885. De» Rath« Forst-Depntatio«. lkufrikrsch Behuf« Durchführung der Albertstraße soll da« lHzllj» vou Herrn Kaufmann Kngler erworbene Schemen-, Schuppen-, Stall- und Wohngebäude aus de» Abbruch verkauft werden und ist al« Berkaufstermin der IS. Januar 1885, vormittag« 11 Uhr auberaumt worden. Es werden Alle, welche gesonnen sind, diese Baulichkeiten zum Abbrechen zu erwerben, ausqesordert, sich zu obengedachtrr Zeit im Äeineindeamte allhier einzusinden und Gebote abzugebe«. Die Bedingungen sind daselbst zu erfahreu. Eutritzich, am 30. December 1884. Ter »e«et«dera1tz. ThomaS. Nichtamtlicher Theil. Der Antrag Hertling. Die beiden NeickStagSsitzungen vom Mittwoch und Donners tag waren der Berathung der Frage gewidmet, in welcher Weise die socialdemokratischen Forderungen nach Abschaffung der Frauen« und Kinderarbeit in den Fabriken, der Ein führung eine« Normalarbeitstage« und der Herstellung der Sonntagsruhe erfüllt werden können. Da« Eraebniß der Berathung war ein durchaus negative«, denn bet näherem Eingehen aus die vorliegenden Fragen wurde immer klarer, daß der neue Zustand mit erheblichen Nack-h^l-a für die Industrie und mittelbar für die Arbeiter selbst verbunden sein würde. Da, wo die Frauen- und Kinderarbeit besteht, würbe der Wegfall derselben die vorhandene Noth nickt mil dern, sondern vergrößern, die Ernährung der Arbeiterfamilien würde überhaupt unmöglich sein. Der NormalarbcitStag wird da, wo er besteht, wie in der Union, in der Schweiz und in England, nickt innegehalten, sondern die Arbeiter dringe» in Zeiten günstiger Eonjuncluren selbst auf die Uebersckreitung desselben. Endlick ist die Sonntagsruhe in allen Zweigen der Jndustriethätigkeit nickt durckzusühren, weil dann für die Reinigung der Maschinen keine Zeit übrig bleibt und weil Verkehrsstockungen eintreten würden. DaS ist der Gesammteindruck. welchen die Verhandlungen der beiden Tage zurückgelaffe» haben. ES stehen sich hier Theorie und Praxis gegenüber. I» der Theorie ist e« ganz unzweifelhaft richtig, daß dir Frauen- und Kinderarbeit in den Fabriken. zumal die Nachtarbeit, aus allgemein menschlichen und au« Gesundheitsrücksichten verwerflich ist. Das Familienleben wird gestört und geschädigt, die Frauen sind nicht im Stande, ihren Haushalt zu besorgen und noch weniger die Erziehung der Kinder zweckentsprechend zu leiten, da« Familienleben im eigentlichen Sinne hört unter solchen Verhältnissen überhaupt aus. Mit der Sonntagsruhe ist es derselbe Fall. Jeder Arbeiter bedarf nach allgemeinen Naturgesetzen der Ruhe nach sechstägiger Arbeit, die Männer ebenso wie die Frauen und Kinder, aber wenn diese Ruhe nur durch Hunger und Verzicht ans die unentbehrlichsten Be dürfnisse erkauft werden kann, dann ist die Ruhe keine Ver besserung, scndern nur eine Verschlimmerung. Derselbe GesichtSpunct ist für den Normalarbeitstag maßgebend. Unter normalen Verhältnissen ist al« Ideal sestzuhalten, daß von 24 Stunden 8 der Arbeit, 8 der Erholung und 8 dem Schlafe zu widmen sind. Aber wie steht es mit der Praxis? Da ist nun zum Beispiel der Reichskanzler, der doch gewiß nicht unter die Müßiggänger zu zLblen ist. Au« dessen eigenem Munde haben wir gehört, daß er früher bi« zu 16 Stunden täglich gearbeitet hat. Der berühmte Historiker Leopold v. Ranke ist jetzt im SO. Jahre und trotzdem sitzt er bereits um 5 Nhr Morgen« am Schreibtisch nnd gönnt sich nicht eher Ruhe, als bis die Nacht hereingebrochen ist. Und solcher Geistesarbeiter giebt es viele, die trotzdem nicht llber das ihnen beschiedene Loos klagen. Man kann dagegen einwenden, daß solche Anstrengungen nur unter günstigen äußeren Ver hältnissen möglich sind, vor ollen Dingen bei guter Er nährung. Das ist richtig, aber cS giebt auch unter den Fabrikarbeitern eine größere Anzahl, die sich in relativ un günstigen äußeren Verbältnissen befinden und zwvlfstündige Arbeitszeit dennoch nickt für übermäßig halten. Der NormalarbcitStag ist unter den bestehenden staat lichen und gesellschaftlichen Zuständen überhaupt nicht durch führbar, er ist eS nur im socialistischen Staate, also nur in der Theorie, denn der socialistische Staat ist ein unlösbare- Problem. Tie Dauer deS NormalarbeitStageS ist nach den verschiedenen Stadien, in welchen sich die socialistische Be wegung befindet, eine sehr verschiedene. Die Einen sind mit lostündiger Arbeit zufrieden, während Andere von zwei stündiger Arbeit träumen, wie ReinSdors. Forderungen stellen ist freilich leicht, wie der Reichskanzler neulich sagte, aber diese Forderungen m die Form praktisch ausführbarer Gesetze zu kleiden, ist schwer. Die Socialdcmokraten haben Gesetzes vorschläge für die Abschaffung der Frauen- und Kinderarbeit sowie der Sonntagsarbcit und Einrichtung des Normal- arbeitStagS in Aussicht gestellt, aber bisher noch nicht ein gebracht; man darf gespannt daraus sein, wie sie lauten werden. Vorläufig liegt von socialtemokratischer Seite nur Das vor, was der Abgeordnete Schuhmacher gesagt hat. Er empfiehlt vor allen Dingen Prüfung der Verhältnisse, steht also aus dem Standpunctc des Abgeordneten Bubl: Vas hält ihn jedoch nickt ab, ven Antrag Hertling zu befürworten, welcher den BundeSrath aussordert, noch in dieser Session einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die mebrrrwähnten Angelegenheiten regelt. Die lhatsäcklichen Verhältnisse prüfen nnd GesetzeSvyrschläge machen ist dock zweierlei, die Prüfung muß der Gesetzgebung voran gehen. Nach den Beobachtungen Schuhmacher'- liegen die Arbeiterverbällnisse besonders un günstig in Erefeld, Aachen, Solingen und Barmen, und darum sei eine Prüfung notbwendiq und nicht die Beibehaltung de« " enwärligen Zustande«, wie e« die Solinger Handelskammer geae ^ tmsürworle" DaS scheint un« ganz 'V . essendaber gerade darnm darf man nickt sofort neue Gesetze erlassen, sondern muß erst eine Untersuchung anstellen, wie sich daS Bedürfniß in Einklang mit den bestehenden Verhältnissen bringen läßt. Daran kann auch den Socialdemokraleu nicht« liegen, daß unausführbare Gesetze erlassen werden; dadurch wird da« Uebel nicht gehoben, sondern eS wird nur schlimmer. Dem gegenüber scheint da« Verlangen de« Reichskanzler« durchaus gerechtfertigt, daß die Antragsteller einen Gesetzent wurf vorlegen möge». „Wie ein Normalarbeitstag gemacht werden soll, weiß ich nicht", sagt Fürst BiSmarck. „aber sicher wissen e« die Antragsteller, sonst hätten sie ihre Anträge nicht gestellt." Ter Antrag Hertling verpflichtet die Ultramvntanen. einen Gesetzentwurf vorzulcgen, welcher den darin gestellten Forderungen Nechnnng trägt; da« scheinen auch die Social- Veiiiokraten einzuseben, sonst würden sie nicht selbst die Aus arbeitung eine« noch über den Antrag hinausgehenden Gesetz entwürfe« unternommen haben. Wir sind gespannt aus die weitere Entwickelung der Angelegenheit, denn jetzt muß es sich zeigen, wie weit die socialdemokratischen Wünsche über haupt in das praktische Leben übertragen werden können. Mil Deelamalionen über menschliches Elend, über gesund heitswidrige Zustände ist es nicht gethan, es gilt, wirklich praktische Verschlüge zu machen Der größte Widerstand er wächst den socialdemokratischen Forderungen aus den Kreisen der Arbeiter selbst, den» sie sehen sich genöthigt, um existiren zu können, die Arbeilszeit möglichst auSzudehnen »nd ihre Frauen und Kinder daran theilnelnnen zu lassen. Die Frage spitzt sich dahin zu, wie sie der Reichskanzler sormulirt hat: Wie sollen die Arbeiter für die ausfallende Arbeitszeit ent schädigt werden? Man könnte daraus erwidern: die Ent schädigung müssen die Arbeitgeber leisten. Dann würden sich die Arbeitgeber aber für die Fortführung ihrer Fabriken be danken und eS den Arbeitern selbst überlassen, für ihr Fort kommen Sorge zu tragen. Wir sind der Meinung, daß durch gewissenhafte Prüfung der Sachlage sich allerdings Verbesserungen erzielen lassen, aber nur schrittweise, nicht radikal Durch Verbot der Frauen- unv Kinderarbeit und der SonntagSarbeil, und durch Ein- sührnng eines NormalarbeitStageS würde nnr ein« Schädi gung der Industrie aus der einen Seite und der Existenz zahlreicher Arbeiter aus der andern Seite eintreten, da- Elend würde in anderer Form al« bither ,u Tage kommen, aber verschwinden würde e« nicht. Der fehlend« Arbeitslohn würde durch Diebstahl und Bettelei Ersatz finden und dadurch würden unsere socialen Zustände nicht verbessert, sondern nur ver schlechtert. Tie Socialdemokraten werden daraus antworten: Nur der socialistische Staat kann Abhilfe gewähren; wir ant worten darauf, daß die Socialiste« nur einen Theil der Menschen bilden und nicht verlangen können, daß die Welt nach ihren Ideen gestaltet wird, noch dazu aus die Gefahr hin, daß der Krieg Aller gegen Alle an die Stelle geordneter staatlicher und gesellschaftlicher Zustände tritt. * Leipzig, 17. Januar 1885. * Seit Donnerstag sind die beiden großen Parla mente deS Reichs und Preußen» wieder in gleichzeitiger Tbätigkeit und cS stellen sich wieder alle die Unzuträglich keiten und Schwierigkeiten ein. welche aus der concurrirendcn Arbeit der beiden Körperschaften entstehen und sattsam be kannt sind. Wie die Präsidien sich nebeneinander einrichte» werden, um den Zustand möglichst erträglich zu machen, steht augenblicklich noch nicht fest; voraussichtlich wird man sich zu nächst gegenseitig einzelne Tage in der Woche sreilaffen und an den übrigen Tagen dem Abgeordnetenbaus die Vormittags-, dem Reichstag die Nachmittagsstunden einräumen. Wie un ersprießlich aber und die Geschäfte störend und anshaltend eine solche zerhackte, ouseinandergerissene und unterbrochene Arbeit ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Indessen die Sacke ist nun einmal nicht zu ändern und man muß sich eben einrichtcn, so gut eS geht. Vor Anfang Februar kann der Reichstag unmöglich vertagt werden, da er bi« dabin reichlich mit der Beendigung der EtatSberathung und den ersten Lesungen der anderen Vorlagen . zu thun hat. Andererseits ist auch da« Abgeordnetenhaus durch die Nothwendigkeit, den Etat vor dem 1. April serlig zu stellen, gebunden. Schon oft ist die Frage aufgetaucht, ob man nicht v,e beiden Parlamente ohne jede gegenseitige Rück sicht neben einander tagen lassen könne: es wird dabei auf die verhältnißmäßig nickt allzu große Anzabl von Abgeord neten hingewiesen» welche Toppelmonvate besitzen. Wir haben diese Zahl zusammengerechnet; es sind gegenwärtig 66, aller dings keine so große Zahl, daß die Bcschlußunfübigkcit einer der beiden Körperschaften zu befürchten wäre; in der national liberalen Fraktion sind z. B. gegenwärtig nur 5 Mitglieder mit Doppelmandatrn (die Ab'gg. von Benda, von Cunh, vr. Hammacher, Oetker, Francke). Indessen ist zu bemerken, daß unter den Mitgliedern mit Doppelmandaten bei allen Parteien sich gerade die Führer befinden, und schließlich hat doch nicht allein die Arbeitskraft der Parlamentarier, sondern auch die Aufnahmefähigkeit de» Publicum« für die gesetz geberischen Dinge ihre Grenzen. * Die Thronrede, mit welcher der preußische Land tag eröffnet worden, ist in sehr nüchternem, gcschäflSmäßigem Ton gehalten und von ungewöhnlicher Länge; sie bringt kaum irgendwo Ucberraschungen. Tie Finanzlage deS Staat« wird an sich als eine günstige bezeichnet, da alle wichtigeren Einnahmezweigr, in erster Linie die Staatseisenbahnen, erheb liche Ueberschüfle aufzuweisrn haben. Wenn trotzdem ein Deficit vorhanden ist, so kommt die» von der Finanzlage im Reich, welche dem preußischen Staat eine Erhöhung der Matricularbeiträge von mehr als 24 Millionen Mark aus erlegt. ES wird die Hcffnung ausgesprochen, daß im Reich bald neue Einnahmen in solcher Höhe eröffnet werden, daß die Matricularbeiträge ermäßigt und weiter für die Erleichterung der Eommunal- und Schul lasten, sowie für die Verbesserung der Beamtenbesoldungen die Mittel gewonnen werden können. Eine allerdings sehr ferne und unsichere ZukunstSanwrisung. Inzwischen müssen für den höheren Bedarf außerordentliche Einnahmen in Preußen beschafft Werden. Al« Weg hierzu soll znnächst «ine Anleihe ausgenommen werden. Man wird abzuwarten haben, ob nickt zweckmäßigere Wege zur Beseitigung de» DesicilS werden vorgeschlagen werden; namentlich wird in dieser Hinsicht die weitere Entwickelung der Dinge >m Reich abzuwarten sein. Sodann wird die Wiedereinbringung der au» der letzten Session bekannten Vorschläge zur Reform der direkten persönlichen Steuern und Einführung einer Eapitcil- rentensleucr angelünvigt. Hoffentlich wird diesmal die Ver handlung über die innere preußische Steuerreform zu besseren Ergebnissen führen. Bei der Gewerbthätigkcil im Allgemeine» constatirt die Thronrede einen Aufschwung; nur über den aus der Landwirtkschast lastenden Druck, über die den Betrieb nicht mehr lohnenden Preise der landwirthschastlicken Produkte wird geklagt. Die Mittel zur Abhilfe sieht indessen die Re gierung offenbar in der Reichs-, nickt in der LanteSgesetz- gebung. Sodann wirb wieder der Erwerb einiger Privalbahnen angekündigl. Der Passus über die Verbesserung der Wasser straßen ist so allgemein gehalten, daß die Wiekercinbringung der bekannten Canalvorlage daran« nickt zu entnehmen ist. Zu weiterer Durchführung der Reform der inneren Verwaltung wird die KrriS- und Provinzialordnung für Hessen-Nassau angckünvigt, endlich wird ein Gesetzentwurf über die Zusammen legung von Grundstücken in den Rdeinlanben in Aussicht gestellt. Man sieht, eS ist wieder ein umfassender ArbeitS- stoff, und die Annahme, man werde mit einer ganz kurzen Session auskommcn, dürfte sich schwerlich bewahrheiten. Sehr bemerkenSwerth ist, daß von der kirchenpolilischen Frage nickt mit einem Worte die Rede ist; weder wird eine Vorlage aus diesem Gebiete angekunbigt, noch wird sonst das Berhältniß zur katholischen Kirche irgendwie berührt. *DerAbgeordnete vr. Lö we-Bocku m ist der national- liberalen Fraktion deS Abgeordnetenhauses beigetreten. Die Fraction zählt gegenwärtig 66 Mitglieder. * Aus Kiel. 14. Januar, wird der .Vossischen Zeitfing' geschrieben: .Nach den Erklärungen de« Chefs der Admiralität in der Budgetcommission muß der dem Mnrinebudget für »885—86 beigegebene JndiensthaltungS-Plan als aus- gegeben betrachtet werden. Unvorhergesehene Ereignisse haben ibn bereits modisicirt und weitere Abänderungen sind mit ziemlicher Sicherdeit zu erwarten. Die Admiralität hat also freie Hand und dabei die Verfügung über reichlich 4V, Millionen zur Jnbrcnsthaltung der Schiffe und Fahrzeuge oder 1,667,530 Mark mehr als im lausenden Etatjahre. Die budgetmäßigen Greinen —die Genehmigung durch den Reichstag vorausgesetzt — sind so gezogen, daß die Marine auch weitergehenden Anfor derungen des auswärtigen Dienstes wird entsprechen können, wenn von der im JndiensthaltungSplan projeclirtcn Bildung eines auS fünf Panzerschiffen bestehenden NebunqSgeschwaders abgesehen wird. Diese süns Panzer würden eine Besatzung von 3100 Mann erfordern, die nach Ausrüstung aller UcbungS- und Schulschiffe im Frühjahr kaum noch voll zur Verfügung stehen werden. Immerhin wird der Mannschastsbestand noch groß genug bleiben, um nötbigen Fall« die ganze Reserve der Kreuzer-Fregatten, Kreuzer-Corvetten und Kreuzern in Dienst zu stellen. Allerdings ist der größte Theil der deutschen Kreuzerflotte schon in Dienst und wenn man dazu die Kreuzer- Fregatte .Mollke", die Kreuzer-Corvette .Carola"und „Luise"' rechnet, an deren Ausrüstung aus der hiesigen Werst eifrig gearbeitet wird, so bleiben von den Kreuzer-Fregatten allein noch in Reserve .Leipzig' und .Stein', von den Kreuzer- Corvetten .Sophie', .Freha', „Augusta", „Victoria", von den Kreuzern „Adler" und „Habicht" und von den Kanonen booten „Wolf" und „Cyklop". Diese Schiffe also sind nach unserer Berechnung zu bemannen, wenn davon abgesehen wird, große Panzer für da« UebungSgeschwader in Dienst zu stellen. In der That kann es wohl al« sicher betrachtet werden, daß da« deutsche UebungSgeschwader in diesem Jahre ausschließlich au« Panzersahrzeugen und Torpedobooten ge bildet werden wird." * Die Reform des Einjährig-Freiwilligen- JnstitutS wird schon — so meldet die „Kölnische Zeitung" au« Berlin — seit geraumer Zeit vielfach erörtert. Es kann ja nicht geleugnet werden, vaß dieser 'Einrichtung, wie sie sich im Lause der Zeit bei unS entwickelt hat, mancherlei Mängel anhaslen, und zwar liegen dieselben theil« aus pädagogischem, theil« aus militairischem Gebiete. Die höhern Schulen leiden unter der großen Zahl derjenigen, welche ihre Berechtigung zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst geradezu ersitzen, und die militairischen Interessen leiden, weil erstens daS Personal der Einjährigen wohl der Zahl nach zunimmt, aber sich der Tüchtigkeit nach vielfach verschlechtert, und zweitens weil bei den heutigen Anforderungen an eine kriegsmäßige Ausbildung der Osficiere cS sehr schwer hält, brauckarc Ncserveosficiere zu erziehen. ES soll hier nicht näher daraus eingrgangen werden, inwiefern eine Aenderung der bezüg lichen gesetzlichen Bestimmungen — sowohl derjenigen über die Berechtigung als auch der über die militairischc Aus bildung — nothwendig erscheint, sondern cs soll daraus hin gewiesen werden, daß die ganze Angelegenheit eine ungemein sorgfältige und vielseitige Prüsung erheischt. Deshalb sind aber auch alle Nachrichten hinfällig, welche ab und zu mil dem Anschein einer gewissen Zuverlässigkeit auslancken und die einen baldigen gesetzgeberischen Schritt in dieser Richtung an- kündigen. ES steht nur soviel fest, daß die betreffenden Behörde» die ganze für unsere socialen und militairischen Verhält nisse ungemein wichtige Frage näher inS Auge gefaßt habe», auch bezügliche Erbebungen anstellen lassen, ohne daß jedoch nach irgend welcher Richtung hin bestimmte Beschlüsse gefaßt worden wären. Die Meinungen, wie eine Reform — und eine solche gilt ja auch in de» maßgebenden Kreisen sür wünschens- werlh — anzustreben sei, gehen aber vor der Hand noch so sehr auseinander, so daß cS schwierig sein dürste, in naher Zeit eine Einiguna herdeiruführeu. WaS namentlich die Berecktigungssrage betrifft, io verlangt man in vielen P8da gogische» Kreisen die Abschaffung der Berechtigung überhaupt, insoweit dieselbe an die Erreichung einer gewissen Schulklasse ge bunden ist. undwill nur solchen Schülern dieBerechtiaung zumEln- jährig.Freiwilligen-Dienst znbilligen. welche die Abiturienten prüsung gemacht haben. Anderseits geht man nickt ganz so weit und will zwar auch die Berechtigung durch sogenanntes Ersitzen abgeschafft wissen, aber dafür die jetzt bestehenden Prüfungen für Erlangung der Berechtigung sür alle Bewerber verschreiben. Militairischerseits bringt man dem erster»» Vorschlag manche Svmpatbien entgegen, verhehlt sich aber dabei nickt, daß bann die Berechtigung zum Einjährig-Fiei- willigen-Dienst hauptsächlich Sacke de« Geldbeutel« werden würde, was mit ven ethischen Grundlagen der ganzen Ein richtung nicht in Einklang zu bringen wäre. JedensallS aber ist der aegenwärlige Zustand verbefferungsbedürstig und wird die Resormsräge keinen allzu langen Aufschub mehr erleiden können. * AuS der jüngsten Sitzung der D a m pse rs» bveu tio n «- commission verdient ein Zwischenfall besoiiders Hervor gehobe» zu werden. ES bandelte sich um die Nebenlinie Siknev-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht