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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188502076
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850207
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850207
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-02
- Tag1885-02-07
- Monat1885-02
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1885
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Erscheint tckgUsh früh S'/.llhr. ^röactim nnd Lr-t-Mon Iohannttgasse 33. SprrchKun-rn -rr Neisrlis«: vormitteg» 10—18 Uhr. Nachmittag« r,—6 Uhr. »! >»« »NI»»«»« rtn,Na»»ttr M-nuicrchi, ^ > ««»»«tc ^ tu I äc«» utcht »«»«»tich. tttaa», .»Vtzr. «»«ahme »er für die «ichftfO>>e»tz« Nnminer drstimmtrn Anse rat« cm W«chc»«a„en bis 8 Nür Nachmittch in, Leim- uns Festtagen früh bi»'/ Zn ür» /ilialk» sor Ins.-AnnalMe: kttp klemm. NnioersttälSstraßt 81, Leut» Lolche, Kalhoru»enstraße 18» p. nur bi« '/.» Uhr. riMigcr.TllAMlltt Anzeiger. Organ för Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd GeschWverkehr. ^ 38. Gommbe»- den 7. Februar 1885. Auflage L8.7S0 Ädounnventspreis viertelt. 4'/, MN. iurl. Bringerlohu b Mk. durch di« Post bezogen 6 Mk. Jede einzel n Nummer 80 Pf Belegexemplar 10 Pi. Gebüdreu lür Extrobeilaaen (in Tageblatt-Format gesalzt« «tne !b,ftbei»rderong 38 Mk. »ttt Postdefvrdrrnug 4« Mt. Inserate 6gespaltene Petitzeile 20 Pf. Gröbere Schrillen laut um. Preisoerzeichniß. Tabellarischer u. Zlfferniatz nach höher« Tarif. Nrclamrn unter dem RedaetionSstrich dleäaesoalt. Zeile 50 Ps. vor den Fomilieu »achrichteu die «gespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind ncis an die EppeSitiou zu lenden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pnwuumerauäc» oder durch Post. Nachnahme. 79. Jahrgang. Jur gefälligen Vtllihillilg. Unsere Expedition ist morgen Sonntag» den 8. Februar, Bormittag» nur bi» 1-S Uhr geöffnet. Expedition des I-elpxlxvr l'LxvdiLttes. Amtlicher Theil. fllatz-vcrvaihliing. Der an der Berliner Strafte Skr. ISS gelegene. der Stadtgemrinde gehörige Bauplatz Parzelle Nr. 1895 ck de» Flurbuch! sür Leipzig von 53 Qu.-R.--» 9.78 Ar Flächen- gehalt, jedoch mit Ausschluß eines davon an der Eüd- westseite al» Zugang zur Parlhe für Zwecke der städtische» Verwaltung vorzubehallcnden 6 Meter breiten Streifen», soll rar Benutzung als Werk« oder Lagerplatz vom L. April d. I. an gegen '/.jährliche Kündigung Donnerstag, den 18. ds. Mo»., Vormittags II Uhr auf dem Rathbau», 1. Etage, Zimmer Nr. IS, an den Meist bietenden verpachtet werden. Die Versteigerung»- und Berpachtung-bedingungrn liegen ebendaselbst aus dem Saale bei den dleusthadenben Ralhs- dieneru zur Einsichtnahme au». Wegen Besichtigung de« Platze- wolle man sich bei der Tirfbauverwaltung de» Bauamte», Ra.hhauS, 2. Et.» Zimmer Nr. 14, anmelven. Leipzig, am 3. Februar 1886. Drr Mat- der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Cerutti. -rksintmachmig, dir Schluftzrl« bei der Eaffenfteve für die Se. metndekranlkenverficherang, tvle der Ortskrauken- raffen Leipzigs und Umgegend, s»»ie de» sousttgen Berrehr bet der tkaffenstelle brtr. Für Einzahlungen der Mitallederbeiträgr ist die Eaffr vom 16. lsd. Mt», ab nur bis Abend» 5 Uhr geöffnet. Zugleich wird darauf hingewiesen, daß die Zahlungen für die Gemeindekraukenverficherung am Moatag, für OrtSkrankencafle I—VI am Dienstag, » - VII—XU a« Mtttmoth und « - XIII—XVIll am Donnerstag zu bewirken sind, und daß Arbeitgeber, welche solche leisten, die ihnen mit dem Contobuch zuarfertigteu Quittungen durch Einschreibung de» für den detr. Zeitraum zu entrichten den Betrag- auSgesüllt vorzulegen habe«. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschriften haben die Zahlenden sich zu gewärtigen, daß sie gänzlich zurückgewirsen werden, jedenfalls aber denjenigen, welche in vorschriftsmäßiger Form und an dem bestimmten Zahltage Zahlung leisten, nachzu- siehen haben. Im Uebrigeu bleibt die Verfügung iu Abs. S der dem Kalasterconlo beiaehestrten Gcschäst-ordnung unverändert. Die Auszahlung»» der Krankengelder «. s. ». erfolgen bis AbcndS v Uhr. Leipzig, den S. Februar 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. (KrankenverffchcruugSamt.) . Winter. Vekannlmachuug, die Auszahlung der Kranken» «ad Sterbegelder bet der Genietndekranke«»erffcher«ag, A»t« bei de» OrtSkrankencaffen betr. Um di« Auszahlung der Krankengelder schneller erledigen zu können und damit den Empsangnehmern selbst das bi» jetzt unvermeidliche lange Warten zu ersparen, sollen vom 15. lsd. Mt», ad die Krankengelder für Mitglieder drr OrtSkrankencaffen I—VI Freitags, - - - VII—XII, sowie der Gemeindekranlenversicherung So»»abr»ds und Mitglieder der OrtSkrankencaffen XIII—XVIN Montags auSgezahlt werden, dagegen können Sterbegelder mit Aus nahme der Sonn- und Festtage täglich» erhoben werde». Leipzig, den 3. Februar t885. Der Rath drr Stadt Leipzig. (Kra»ke»vrrficher«ug»a«t.) Winter. örkaantmachnng. Von dem Unterzeichneten Armenamte sollen im Stadthaus« ollhier (Einqang Mühlgaffe Rr. 7) Montag, den S. Februar »- Vormittag- von O Uhr an eine Partie getragener Kletd»»g«stffökr, Möbel. Hau»- und KUcken-Geräthe, Betten u. dgl. m. meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 4. Februar 1885 Da- Armenauet. Lubwig-Wols. Innghähnel. Nichtamtlicher Theil. Der Fall Khartums. Ein Zusammentreffen der seltsamsten Art muß es genannt werden, daß Khartum unmittelbar vor der Ankunft des Oberst Wilson in die Hände de» Makdi gefallen sein soll. Dir haben schon wiederholt aus die Thalsache bingewieseu. daß Alle», was seit Monaten Uber Kordon nnd Khartum veröffentlicht worden ist, den Stempel der Erfindung an der Stirn trägt. Depeschen, wie ^btt rigbt" oder: „Khart»m kann sich noch fünf Jahr« halten", konnten ans ernste Beachtung keinen Anspruch erheben, sie waren höchst wahrscheinlich vom Mahdi selbst vw- saßt und daraus berechnet, die Engländer irre zu führen, wenn ihr Ursprung nicht vielleicht noch bedenklicherer Natur war. DaS Schicksal Khartums war allem Anschein nach schon damals entschieden, al» Oberst Stewart, der Adjutant Gordon'«, von den Anhängern de- Mahdi ermordet wurde. Damals traf in Kairo die Nachricht vom Fall Khartum« ein und der Khedive theilte da- Geschehene der Königin von Eng land und dem Prinzen von Wale» mit. Diese Nachrichten machten in London ungeheure» Aussehen, und deshalb mochte es Gladstone für gemthen erachten, sie abzuleugnen. Ob dann später gezenrheilige Meldungen au» dem Süden des Sudan verbreitet wurden, welche ans den Mahdi atS Urheber zurückzusühren waren, wollen wir dahi» gestellt sein lasten. Wir wollen zur Ehre der englischen Regierung annchme», oaß sie selbst irre geführt wurde, denn sonst wäre die ganze Expedition nicht» a>S eine große Lüge gewesen, sie wurde dann nicht unternommen, um Gordon zu retten, sondern um Khartum für England zurückzugewinnen. Wa« die Depeschen Wolselcy'S anlangt, so ist zunächst zu beachten, daß die einzige Meldung, die von dem General selbst herrührt. den Zeitpunct de» Falles von Khartum nicht erwähnt. Sie lautet einfach: „Der Mahdi nah», Khartum durch Bcr- rath; Gordon ist wahrscheinlich sein Gefangener." Erst aus Grund ausführlicherer Depeschen Dolselcy'S machte dann da» Krieg-Ministerium bekannt, daß Kbartum am 26. Januar ge- fallen sei; als Wilson am 28. Januar dort eintraf, sei der Platz bereits vom Feinde besetzt gewesen. Der zweite Theil der Meldung ist daS allein Richtige, kenn wer hat Wilson mit- gelheiit. daß Khartum zwei Tage zuvor besetzt wurde? Mit dem Maodi hat Wilson darüber nicht gesprochen, und wenn er e» aus andere Weise erfahren hat, dann brauchte er sich nicht erst durch den Augenschein von dem Geschehenen zu über zeugen, er würde dann bester gcthan haben, schleunigst den Rück zug auzutreten. Auch mit den Dampfern, welche Wilson in Gubat vorfand, hatte eS seine eigene Bewandtniß; diese Schiffe waren nicht erst seit Kurzem auS Khartum eiugetroffen. wie die englische Meldung vermuthen ließ, sondern lagen schon feit drei Monaten bei einer Insel des NilS vor Anker. Seit dem Tage, an welchem Slewarl Khartum verließ, um Berber wieder zu erobern, hat überhaupt jede Verbindung mit Khartum aufgehvrt. WaS von da ab geschehen ist, hüllt sich in undurchdringliches Dunkel, welche» vielleicht nur die S? - titnvrr uns drr Muvir von' Dongola aufzudelleil vermöchlnk Im October waren die Borräthe, über welche Gordon in Khartum verfügte, aufgezehrt, und al» er den Durchbruch durch die Belagerungsarmee de» Mahdi zu erzwingen ver suchte, ist er wahrscheinlich gefangen worden. Die Expedition Wolselcy'S hatte vcrmnthlich den Zweck, daS, was Gordon, Baker Pascha und Grabam nicht zu erreichen vermochten, zu thun, nämlich den Mahdi zu schlagen und womöglich zu vernichten; aber der Anfang de» Feldzuges ist so unglücklich verlaufen, daß Wolscley von Glück sagen kann, wenn er mit den Trümmern seiner Armee Kairo wieder erreicht. Die Colonne des Obersten, jetzige» Generalmajors Stewart ist in Len Kämpfen vom 17. bis zum 24. Januar bis aus die Halste zusammcngcschrumpst. Etwa 190 Mann halten den Brunnen von Abuklea besetzt, falls sie nicht durch einen erneuten Angriff der Araber schon vernichtet sind, andere 309 Mann halten Gnbat und der Rest hat sich mit Wilson naL Khartum eingcschifft. Aus der Rückfahrt hat Wilson Schifsbrnch gelitten, und ob er und die Seinen ge rettet werden können, bleibt zweifelhaft. Nu» heißt eS frei lich, daß General Carle glücklicher gewesen ist und Birti ohne Kamps besetzt hat. Ader was geschehen wird, wenn er weiter vordringt, entzieht sich aller Vorausberechnung. Es fragt sich nun, ob der Fall von Khartum eine Veränderung in dem FeldzugSplan Wolselcy'S zur Folge haben wird, oder ob er ihn nur al» Borwanv benutzt, um den unvermeidlich gewordenen Rückzug seiner Truppen dadurch zu bemänteln und zu erklären. Die Colonne Stewart, welche von Wilson geführt wird, ist wohl schon heute als »»rettbar verloren zu betrachten; waS auö Carle und seinen 5000 Mann werden wird, müssen die nächsten Wecken oder vielleicht Tage lehren. Die Colonne de» Obersten Stewart wurde durch da» plötzliche Erscheinen von 8 bis 10,000 Mahdite» überrascht; über die Stärke de- CorpS, mit welchem General Carle sich herumzuschlagen hat, verlautet auch nichts. Inzwischen wartet General Wolscley in Korti die Ent wickelung der Dinge ab. nnd er wird nicht umhin können, seinen bedrängten Untergeneraleu zu Hilfe zu kommen, wenn auch dadurch nicht» Andere» als seine Berwickelung in den Fall derselben erreicht werden kann. Die mit so großen Hoffnungen in- Werk gesetzte Unternehmung ist schon jetzt als kläglich gescheitert zu betrachten. HickS Pascha, Baker Pascha, Graham und Wolscley lautet die Reihenfolge der Feldzüge, »velche zur Bekämpfung de» Mahdi unternommen wurden, und Alle sind sie vergeblich gewesen, die Macht de» falschen Propheten hat dadurch nur weitere Stärkung erfahren, und die Engländer haben ihre gänzliche Unfähigkeit bewiese», sich zu Herren der Lage auszuschwingen. Als die einzige Rettung erscheint jetzt da» Eingreifen der Italiener in die Action; und so meldet denn bereits Rcuter'S Bureau auS Rom, daß Italien sich in Folge der Weigerung der egyptischen Regierung, in die Abtretung MastauaS zu willigen, an den Bestrebungen England», im Sudan «ine regelmäßige Verwaltung herzustellcn. betheiligeu werde. Der Zusammenhang zwischen der Weigerung Egypten«, Massaua abzutreten. und der Betheiligung Italien« an der Ordnung der Verhältnisse im Sudan ist nicht zu verstehen; man könnte höchstens annehmen, daß Italien sich durch diese» Opfer den Besitz von Mastaua sichern voll«. Weit ein facher erschiene e». wenn die Italiener sich mit Gewalt in den Besitz MastauaS setzte«; ist doch ihr ganze» Auftreten an der Küste de» Rotheu Meere» nicht» Andere» als ei« Etewaltftreich. Man darf also jetzt einer Diversion der Italiener über Kastala nach Kbartum gewärtig sein, wo sie mit General Carle und dem CorpS. »vclcke- Wolsrley unter seinem Befehl vereinigt, Zu sammentreffen werde». Da« ist uu» allerdings etwa- sehr von Dem Verschiedene«, wa« Mancini ü» der Kammer an- kündigte. Er sagte, daß sich Italien innerhalb bescheidener Grenzen an dem Kampfe der Eivilisation gegen die Barbarei betheilige« »erde, ohne dabei große Gefahren »der Opfer zu übernehmen. Da« italienische V»Ik wird mit Recht die Frage stellen, wa« der Mahdi nnd seine Erfolge mit den Interessen Italien« zu thun haben. Erobern die Italiener gemeinsam mit den Engländern den Sudan znrück, dann muß ihnen auch al« Siege«vrei« da« Eigenthum an de« von ihnen eroberten Gebieten zusallen. Da« wäre dann al» Hinterland der Küste de« Rotben Meere» auszusaste». Da« englisch-italienisch« Zusammenwirken im Sudan er öffnet eine ganz neue Aussicht; e» sangen da an sich Verhält nisse zu gestalten, deren Entwickelung eine ganz außerordent lich« Tragweite gewinnen kann. Die englisch-italienische Allianz ist in erster Linie gegen Frankreich gerichtet. Die französischen Interessen stehe» den englischen in Egypten gegen über und im Rothen Meere muß sich der Kamps um den Suezeanal und die Herrschaft im Mittelmeer« entscheiden. Tiefe Herrschaft strebt Frankreich seit dem Tage an, wo es Algier und Tunis unter seine Botmäßigkeit brachte. Italien will aber nickt abwartcn, bis Frankreich auch Tripolis und Marokko seinem Machtgebiete einverlribt. sonder« rechtzeitig dafür Sorge tragen, daß ihm Tripoli» nicht enteisten wird. Für Ta», wa» m Marokko geschehen wird, ist Italien der Bctheiligung Spaniens an dem Kampfe um diese» Gebiet sicher. TaS sind in großen allgemeinen Umrissen die Skizzen Dosten, waS sich in Nordasrika entwickelt. Der Sudan, welcher England noch vor Kurzem so werthlos erschien, daß eS ihn kampflos prriSgeben wollte, wird schließlich die Grundlage für die englische Macht in Egypten bilden, wenn «S nicht anders kommt. * Leipzig, 7. Febraar 1885. * Da» Auftreten des Aba. Richter iu der Reich-tagS- sitzung vom Mittwoch hat allenthalben den Eindruck hinter- lasten, daß jetzt die eine zeitlang durch den Druck der öffent lichen Meinung eingeschüchlerte Opposition der deutsch sreisinnigen Partei gegen di« Colonialpolitik sich zu neuen Angriffen ermulhigt fühle. Herr Richter hat eS am Mittwoch offen ausgesprochen, daß die Eolonialpolitik seiner Auffassung nach bereit» über den Rahmen hinaus getreten sei, de» der ReichSkanzlcr im Sommer v. I. aus gestellt und der eine freilich recht kühle und widerwillige Billigung seiten» der Ertremlideralen gefunden batte. Be kanntlich hat vor Kurzem Herr von Frankenstein Namen» des CcntrumS ganz dasselbe erklärt. Die Führer der Klerikalen und der Dcutschsreisinnigcn wollen also nicht mehr n.it» machen, und wenn sie wirklich ihre gesammten Froctiea-u hinter sich haben, so können wir un» aus demuächstlge Beschlüsse, welche vi>! Colonialpolitik vcrurtheileu und durchkreuzen, gefaßt machen. Vielleicht erleb«, wir rs al» Denkmal der colonialpolitischen Weisheit der deutschfrrisinniaen und klerikalen Partei, daß die berühmte Dampfbarkastc für Len Gouverneur von Kamerun bewilligt, der Gouverneur selber aber abgelehnt wird. Die Leutschsreisinnige Partei wird sich mit dieser neuesten colonialpolitischen Abschivenlung wieder in einen schroffen Gegensatz zu der öffentlichen Meinung setzen. Sie hätte schon bei den Wahlen vom vorigen Herbst wahrnehmen können, wie mächtig die coloniale Bewegung in unserem Volke ist und wie stark der Rückhalt, den die Politik des Reichskanzlers ans diesem Gebiete in den breitesten Schickten der Natien hat. Wenn ihre Haltung in der Coloniatsrage den Dentscl'sreisinnigcn nicht ncch mehr Schaden gebracht hat. als es der Fall gewesen, so kam eS daher, daß sie trotz allen» Borangegangenen die Meinung zu verbreiten wußten, sie machten in dieser Frage keineswegs principielle Opposition, seien vielmehr mit dem Reichskanzler völlig einverstanden. Jetzt glauben sie, wie e» scheint, sich erlauben zu können, die Maöke fallen zu lasten. Wir warten ab, wie eS ihnen be kommen wird. Wenn der Reichskanzler vor Kurzem auS- grfnhrt hat. er könne Colonialpolitik nur treibe», unterstützt von einer starken nationalen Strömung, so kann er sicher sein, diese Unterstützung zu besitzen, auch »venu sie in dem kleinlichen Fraclionskreiben deS dcrmaligen Reichstags nicht zum Ausdruck kommt. Ein Appell an das Volk aus dieser Grundlage wird seine Wirkung nicht verfehlen. ES mag ja in den letzlen Zielen und Folgm unserer Colonial- polilit noch Manches unklar sein; kein Mensch, auch der Reichskanzler nicht, wird heute vorauöschen können, welche Entwickelung diese Angelegenheit noch nimmt und was sie Alle» in ihrem Schooße birgt; eS mögen ja auch im Einzelnen manche Mißgriffe gemacht werden, die erst bei besseren praktischen Erfahrungen sich al» solche erweisen. Der artige Erwägungen dürfen un» nicht abhalken, frisch und herzhaft auf der Bahn sortzuschreiten, die wir einmal mit einem kühnen Schritt betreten haben. Wir befinden un» aus einem so neuen und unbekannten Gebiet, daß wir un» von vornherein darauf gefaßt machen müssen, nicht überall gleich daS Richtige zu treffen, und eine« gewissen WagemuthS be- dürfen, der frisch und kräftig zugreist, auch wenn sich nicht immer zahlenmäßig berechnen läßt, ob wir auf unsere Kosten kommen. Mit kleinlichen Bedenklichkeiten und beschränkter philiströser Pedanterie lasten sich freilich Aufgaben von solcher Kühnheit und Neuheit nicht lösen, wie sie ber der wirlhschast- tichen und civilisatorischen Erschließung großer unauSgebeuteter Wclttheile winken. Mit Spießbürgern und Pfennig fuchsern ist keine Eolonialpolitik zu treiben. * Im Anschlüsse an die Nachricht, daß der Abgeordnete Brvmel den Commissionsbericht über die Dampfer- subventionSvorlage erst in vier Wochen erstatten könne und die betreffend« Vorlage dadurch unerledigt bleiben kann, schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung": „Dir Ablehnung der Dampservorlage wird von den verbündeten Regierungen nicht ander» verstanden werden können at» rln Protest gegen die Loloniolvolüik. Die sehr bedauerliche, aber schwer ab- znleugnende Wirkung wird also die sei», daß die Regierange» in ihren colonialpolitische, Bestrebungen entnutthigt und gelähmt werden. Wce aber auch die Entscheidung deS Reichstage» aassakle, Var Alle» koannt es daraus an, daß eine solche gefällt werde. Die Taktik, Fragen, zu deuen man weder Reia noch Ja sage« will, in der Lomwissio« zu begraben, »st neuerdings wiederholt mit Erfolg versucht worden, und sicherlich sind Fonschrüt und Lentru« geneigt» auch die Dampservorlage aus diese Weise aus drr Welt zu schaffen. Indeß diese» Mal dürste doch einem solchen versuche die öffentliche Meinung sich mit aller Energie entgegen- stelle». Von dem Schicksal der Dampsersubvention häng», wie gesagt, voraussichtlich unsere ganze Eolonialpolitik ad und an letzterer nimmt »nser ganze« Volk ei, täglich steigendes Interesse Wenn der Reichstag einer Angelegenheit, der eine entscheidende Br- deutnng für die Entwickelung unserer gelammten industriellen und commerzicllen Verhältnisse beigelegt wird, einfach in den Snmps würfe, s, würde die öffentliche Meinung da» einstimmig für eine srivote, für eine gewissenlose Behandlung der Interessen »nsereS Volke» erklären. Wir sind überzeugt, daß dann von kompetenter Sette der Nothweubigkcil einer bestimmten Entscheidung Ausdruck gegeben wird " „Herr vrlmil scheuet sanw» »ntschtnß, den Tommifsimwdettcht über di« Dampservorlage vier Wochen hinanSzuschiebrn, unter dem Eindruck von Bertiiqungsgerüchle» gefaßt zu haben. Wie diese Gerüchte haben entstehen tö.meu, ist nn» nicht erfindlich. Dem Reichstage liegt rin so bedenirudeS Arbeitspensum vor, daß der G, danke au Vertagung für eine gewissenhafte Volksvertretung aus geschlossen sein sollte." * Bi» zu welchem Stadium das Natioualgefühl de» Ultramoutani-mu« herabgefunken ist, dafür liefert rin Artikel der „Schlesischen BolkSzeituna" beredtes Zeugniß. Derselbe trägt die Uederschrist „Die Ehrengabe für den Reichskanzler" und lautet wie folgt: „Im deutschen Volke soll allerorten der Wunsch lebendig ge worden sein, dem Reichskanzler zu seinem 70. Geburtstage „eine Ehrengabe al» Anldruck de» Dankes der Nation zu überreich«»" . . . . Welcher Anlaß liegt denn überhaupt vor, dem Kanzler ei:, Rativnalgejchenk zu machen? Für seine persönlichen Bedürfnisse ist er, unsere» Wissen«, nach dem letzten Knege au»re,cheud dotirt worden. Für polnische Zwecke und in»besoudere colonial- volitlsche Zwecke braucht er auch keine» Extrafono«; mag er sich, wie e« sich gehört, an die Volksvertretung wenden, wenn er sür politische Zwecke Geld haben will. . . . Daß der Kanzler da» Ehrengeschenk nothwendig braucht, haben dle Eotrüstler nicht nochgewiesen. Blo» damit sie für sich Reklame machen, dazu haben wir Ultramontanen am allerwenigsten Geld. Aber auch selbst, wenn da» „Rationalgeschenk" absolut nichts mit der „Entrüstung" und den „Entrüsteten" z« thun hätte, könnten wir un» nicht an demselben vethetligr» E» »iedt aber überhaupt kein Gebiet der Politik, auf dem wir dem Kanzler ohne Einschränkung und Vorbehalt unser» Dank und unsere Zustimmung au-sprechen könnten. Die jo viel und so laut gepriesene au»wärtige Politik hat sehr viele», wa» wir entschieden verurtheilen müssen, von 1868 wollen wir weiter nichts erwähnen, als das Büudniß mit dem revolutionairen Italien und den „Gloßäa'S. Herz". Wir Ultramoutanen haben eben die Ansicht, daß auch i, der Politik der christliche Katechismus gilt. Könne» wir e« serner billige«, wie der Reichskanzler in verschiedcueu Ländern den legitimistische» Bestrebungen rutgegragearbeitet hat? Nun führt man nu- immer die ventsche Einheit vor, die wir dem „genialsten StaatSmanoe aller Zetten" verdanken sollen . . . Dem Grasen Moltke «nd den übrigen Heerführern gebüdrt mindestens eben so diel Tank für die deutsche Einheit, wie dem Reiei^kauzler. Tie find nur nickt, wie er. im Besitz« der Gewalt, daher denkt ma» an sie nicht, sondern legt da» ganze Verdienst wider seinen Willen dem Kanzler bei.... Da» katholische Blatt oder der katholische Führer, welche sür den „BiSmarcksondS" und den „Nationaldank" eintrrtr» wollte», würden den lauten U uwille« deS beleidigten katholij chen Volkes gegen sich hervorrnsea". Dazu demerkc die sreiconserdativ« .Schlesische Zei tung": So geschrieben «»d gedruckt z» Vrrsla» in Schlesien nnter dem Diöcesanregimente Raben'» ll.: tm LS. Reaterungosahre Wilhelm'» l., deutschen Kaisers und König» von Preuße»; fünfzehn Jahre na» dem von Deutsch«, aller Stämme errungenen Siege von Sedan: im vierzehnten Jahre nach Aufrichtung de« neuen dentschen Reiche»: im elfte» Jahre nach dem Kullmann'schen Attentate: sieben Jahre nach de» europäischen Congceß zu Berlin; im sechste» Jahre nach dem Abschlüsse de« deutsch-üftcrreichischeu Bündnisse-; im ersten Jahr« nach der Drcikaiser-Zusammenkunft in Skierniewicze und nach der Auspflanzung der deutschen Fahne aus afrikanischen! Boden. * Schon seit Jahren versucht die äußerst rührige pol nische Propaganda in Posen und Westpreußen, die polnisch-katholische Bevölkerung in Oberschlesien, wie »aineullich auch die evangelischen Masuren im Süden Ostpreußen», die einen polnischen Dialekt reden, in La» polnische Fahrwasser zu dringe» und den polnische» Agita tionen, die aus die Wiederherstellung des alten Königreiches Polen gerichtet sind, dienstbar zu machen. Bis jetzt haben diese Versuche nur einen geringen Erfolg gehabt: die 800,00!> Polen in Oberschlesien haben bei den letzten RcichStagswahlen durchaus oeutsch-ultramontane Abgeordnete gewählt, obwohl die polnischen Blätter iu Posen sich stark sür polnische Can- didaten in- Zeug legten; die evangelischen Masuren haben desgleichen immer deutsch gewählt, obwohl e« an Berhetzungen gegen die Deutschen seiten« der polnischen Organe nicht gefehlt hat. Trotz de» geringen Erfolge« lasten jedoch die Leiter der polnischen Bewegung nickt davon ab, aus die Masuren wie aus die oberschlcsiscben Polen einzuwirkcn und dieselben für sick zu gewinne». Besondere Schwierigkeiten bietet die Agita tion gegenüber den evangelischen Masuren. Dieselben haben durchaus kein polnische« Nationalgesühl, fühlen sich vielmehr stet« alS gute Preußen und Deutsche und wollen nichts von einem feindlichen Auftreten gegen da» deutsche Volk wissen. Ernen masurischen Adel, der ein Stützpunct etwaiger polnischer Bestrebungen sein könnte, giebt e» nicht mehr; die masurischen Edelleute, wie die BoretiuS, Choleviu», GudovmS, Gregorovius u. a.» haben sich bereit- seil dem 16. Jahrhundert germanisirt. Alle großen Gllter in dem Sprachgebiete ber Masuren sind seit langer Zeit im Besitze von Deutschen. Eine eigene Literatur haben die Masuren nie gehabt; einzelne Männer haben allerdings den Versuch gemacht, eine solche anzubahnen, wie der Pfarrer Giseviu» in Osterode, aber ohne Erfolg. Auch der Lehrer Gers» gab verschiedene Bücher, eine Zeitung und einen Kalender in masurischer Mundart heraus, aber er that Alle» nur im rein deutsche» Geiste, um den masurischen Stamm fester an daS deutsche Volk zu fesseln. Ben den katholischen Polen waren die Masuren immer getrennt, se wohl durch den Glauben, al« auch durch politische Grenzen, al« endlich auch durch da» gothischc Alphabet unv die Bei behaltung der alten Orthographie und der Archaismen. Im Laufe der Zeit sind deSbalb auch nicht unwesentliche Theile de» masurische« GevieteS deutsch geworden; auch gegenwärtig noch, namentlich seit verschiedene Eisen bahnen in da» masurische Land geführt worden sind, macht da» Deutschthum daselbst entschiedene Fortschritte. Die Polen haben dies auch Alle» erkannt und erörtern häufig ge nug, auf welche Weise da» .arme masurische Volk" vor der sicheren Sermanisirung gerettet werden könnte. Al« Mittel »ur Aufrechterbaltnng de« masurischen Stamme« werden ins besondere empkoblen: Die Constituirnng eine» Ccntralwahl- comitä»; die Herausgabe einer billigen polnisch-masurischen Zeitung; die Ansiedelung von katboltschcn Polen im Ma surenlande und endlich die Gewinnung drr Masuren sür den katholischen Glauben. WaS di» letzten beiden Punkte an- langt, so sind schon Versuche mit der Einwanderung katho lischer Pslrn und mit dem Uebertritte evangelischer Masuren zum KatholictSmu« gemacht worden., Am ganzen Südrandc Ostpreußen« haben sich Tausende von Stvckpolen in den letzten Jahren niederaelagcn und fast ein DuSmd katholischer Kirchen errichtet. Diese katholischen Polen wirken in der That wie ein Sauerteig unter den evangelischeu Masuren, von denen viele Hunderte bereit« sür den katholischen Glauben gewonnen wurden. Hosscutlich behält die preußische Regierung diese Vorgänge fest im Angel X
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