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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188503061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850306
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850306
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-03
- Tag1885-03-06
- Monat1885-03
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1885
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iikrfchetnt täglich früh 6'/,Uhr. Uedaction unü Lrpkdition Johannesgasse 33. SprrchKnndkn der Le-acti«»: vormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 5—6 Uhr. gar di« Ruck«ad, rm,r,»»di«r R»,ulcru»t« »ach t>« R«t»«u>» myi ««duidUch, IU» A««at«e »«r für »t« «Lchftf,l,«»»e »«««er destimmteu Iüsrrat, an Sachrutaaeu bis 8 Utzr Nach«»t»n>«. an Sann« unv Festtagen fr üh b>« '»,9 Uhr. 2» den Filialen für Zns.-Tlnnahme: . Ltto Klein»«, Universüätsstraße 21, Lonis Lüsche» Kathariuenslcaße 18, p. nur bis '/,L Uhr. eiWger.TagtblM Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage L8,»SV ^bonnemrnts-rkis viertelj. 4'/, tncl. Bnngerlohn 5 Mt., durch die Post bezogen S Mt. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren «ür Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) ohne Postbesörderung W Mk. mit Poftbesörderung 48 Mk. Inserate ögespaltene Petitzeile 20 Pf. Gröbere Schriften laut uni. PreiSverzeichniß. Labellanlcher u. Ziffernsay nach höherm Tarn. iierlamrn »nter dem RedaclionSstrich dlesgespalt. Zeile 50 Pf.. vor den Fanlilieniiachricht-il die Ogefpalteue Zeile 40 Ps. Inserate sind sietS an die bexpedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumeriuiäo oder durcy Post- Nachnahme. 85. Freitag den v. MLrz 1885. Amtlicher Theil. Veimnulmechung. Wir bringen hiermit zur allgemeinen Kennlniß, dag eine Spülung des Röhrcnnrtzes der Wasserleitung vvrgeuvmme» werden und zu diesem Bcbuse den 9. bi« 12- Marz d. I. des NachtS die Spülung der Hauptrvkrcn durch die Spülschicber nach den Schleußen soivie doin 13. desselben Monats an die Spülung der Zweigröhren durch die Feuerwehr am Tage stattsinden soll. Leipzig, am 4. März 1885. De» Rath der Htadt Leipzig. Vr. Georg«. Gringmuth, Assessor. Bekanntmachung. Der im hiesigen Georgenhause deiimrte, am 23. November 1861 hier geborene Schloffergeselle Wilhelm Eduard Adolph UÜHn ist bo» dem ihm am 13. und 14. dieses Monat« verstaiteleu Ausgange nicht «ieder zurückgekehrt und treibt sich vermulhlich arbeitslos und bettelnd umher. Dir bitten, aedachten Kühn im Beiretmigssalle zu verhaften und puS schleunigst Mittheilung davon zu mache«. Leipzig, am 28. Februar 1885. Da» Polizeiamt her Stabt Leipzig. "" r. Rsdr. Bretschnelder. - Faldix. Nichtamtlicher Theil. Aus dem Keichslage. Der Reichstag bat die 20,000 für den zweiten Direktor im Auswärtigen Amt mit 172 gegen >53 Stimmen bewilligt und die für den Generalkonsul' in Capstadt geforderlkn 24,000 welche in zweiter Lesung aus 16,000 ./k herab gesetzt waren, wiederhergesiellt. DaS war in der Hauptsache daS Ergebniß der Sitzung vom 4. März. Die Bewegung, welche die Ablehnung der 20,000 .<5 am 15. Deceinber erzeugt hatte, hat also ihren Zweck erreicht, wenn auch nur eine geringe Mehrheit, nämlich IS Stimmen, die Annahme der geforderten Summe entschieden hat. Die Sitzung Kal zum Berständniß unserer Parteiverhältnisse einen lehrreichen Bei trag geliefert. Für den Reich-taa ist die öffentliche Meinung nicht maßgebend, sontem die Meinung der Parteiführer; entscheidet die öffentliche Meinung gegen die Parteiführer, so ist sie im Jrrthum oder irre geleitet. Mit eiserner Stirn haben die Deutschsreisiniiigen »nd das Ceulrum an der Be Häuptling festgehalte», dag die Bewegung nach dem l5. December nicht urwüchsig auS der Volksseele heraus entstanden, sonder» künstlich gemacht worden sei. Den Beweis sind sie freilich schuldig geblieben. Winvthortt sagte: „In den Wahlkreisen, in denen Couscrvative und Nalionalliberale gesiegt Halle», sind auch Adressen zu Stande gekommen, und nur da. Will man sich davon überzeugen, so wirb man daS ja nach der Auslösung des Reichstage» thu» können." Damit stehen die Thatsachen >» klarem Widerspruch. Die Adregbewcgung war über ganz Deutschland verbreitet unv sie trat mit einer Wucht und Ärogartigkeil aus. dag die Freunde einer gedeihlichen Entwickelung des deutschen Reiches sich i» dem Wunsche begegneten, es möge diese Stimmung zur Auslösung des Reichstages benutzt werde». Wir behaupten aus Grund der Thatsachen. dag diese Bewegung eine» große» Theil Der jenigen mit sich sortgerisstn hat, welche Abgeordnete zur deutschsreisinnige» Partei und d«S CenlrumS gewählt haben. Einflußreiche Blätter, welche vor dem 15. December die Sache der Freisinnigen führten, sind in das nativnallibcrole Lager zeitweise znrückgekehrt, wie die „Weserzcitmig". die „Magde- vurgische Zeitung" und die „Nalionalzeiluiig". Es ging wie ei» Sturm der Entrüstung durch daS deulsche Volk von der Nordsee bis an die Alpen. Wen» heule Dculschsreisinnige unv Centrum die Miene des Erstaunens über solchen „Un verstand" a»»ehmen wollen, so zeigen sie damit nur, daß ihnen jede« Bcrständniß der öffentlichen Meinung in Deutsch land abgcht. Es ist vom Reichskanzler klar auSkinaiider gesetzt worden daß die Kosten für die Führung der auswärtigen Angelegen heiten durch Nichtbewilligung der 20,000 .F für den zweiten Direktor nur vermehrt werde», weit er zur Bewilligung der nöthigen Arbeiten dann zwei Hilfsarbeiter eiiistellen muß während eine Organisation, welche den Bedürfnissen ent spricht, eine anverweite zweckmäßige ArbeitSvertheilung er möglicht, durch welche die Arbeitslast in der Person des zweiten Direktors coucentrirt werde» kan». Den, gegenüber zu erörtern, daß cs sich nur um Hinausschiebung der Be willigung für die Dauer eines Jahres bandelt, ist ein eitles Beginne», dessen innere Unwahrheit jedem unbefangen Urthei- lendeii einleuchtet. Nein, es war der alte Eigensinn, welcher darin seinen Triumph findet, den Reichskanzler dre Macht der Parteiführer fühlen zu taffe», ihm Nadelstiche zu versetzen und ibi» Steine in den L?.g zu rollen. Die Ausführungen der Richter, Rickert, der Franckeilstein und Windihorst werden in Deutschland Niemanden überzeugen, daß die Abstimmung vom 15. December eine unbedeutende Bndgetfrage war. son dern man wird allgemein an der Auffassung festbalten. daß sich in dieser Abstimmung der Haß der beiden Parteien gegen den Reichskanzler Ausdruck verschaffen wollte, und dieser Haß ist unvereinbar mit der Durchführung der Aufgabe des Ab geordneten im höheren Sinne. Welche Elemente i>» Reichstage beute Sitz und Stimme haben, das lehren die Reden der Herren Liebknecht und d. Bollmar. Liebknecht bebauptet frank und frei, daß es nicht die Geschicklichkeit des Reichskanzlers war, durch welche seit dem Jahre 1871 der Friede erhallen worden ist. sondern die Demokratie in Frankreich Dieser Ausspruch ist so wahn sinnig. daß er keiner Widerlegung bedarf, aber festgenagelt zu werde» verdient, damit die Wähler darüber zur Klarheit kommen, welche Leute sie i» den Reichstag gesendet habe». Der Abgeordnete v. Bollmar sagt: „Ter Reichskanzler hat nicht Deutschland in den Sattel gehoben, nein, die Sache liegt ander-: Das Lasttlner ist Deulschlanv, und der im Sattel sitzt, ist der Reichskanzler." Also nach Herrn Bollmar war es dein Fürsten Bismarck, als er Deutschland einigte, nur darum zu Ihn», seine Mafttt zu vergrößern »nd dem deutschen Volk den Fuß aus de» Nacken zu setzen. Wir denken größer >wn dem deutschen Reichskanzler, wir sind der Meinung, daß hu seine Vaterlandsliebe befähigt, über seine Schmäh« und Gerächter bi« Achseln zu zucken. Sagte doch auch Herr Albert Traeger, als er hier in Leipzig für die deulsch- reisinuige Partei im vorigen Jahre Propaganda machte, daß )er Reichskanzler die deutsche Einheit nicht geschaffen habe, üudern daß sie ihm als reise Frucht in den Schooß gefallen ei. Dieser deukivürbige Ausspruch des Herrn Traeger ist -eute doppelt inleressant und das Gedächtniß desselben ver dient erneuert zu werden, da er sich in seinem llrtheil mit dem Sccialdemokrateu v. Bollmar so auffallend in Uebercin- 'tiniinung befindet. Die Adreßbewegung. welche der 15. December veranlaßte, at am 4. März ihre» Abschluß gesunde», aber dieser Ab schluß ist den Abgeordnete», welche im Reichstag das große Wort führen, »eck nicht zu», Bewußtsein gekommen; Herr v. Bollmar hat. abgesehen von seiner abgeschmackten Bemerkung Uber den Reichskanzler, die sich selbst richtet, auch etwas Wahres ge- agt. Er hielt nämlich Le» Deutschsreisiiniige» vor, daß sie chüll einmal angcsichts einer drohenden Auflösung um eine Entscheidung herumgegangei, seien. Bollmar meinte die Ab- liininung vom 10. Mai v. I.. durch welche die Verlängerung de» Socialisteiigesetze« aus zwei fernere Jahre ausgesprochen wurde. Di« deutschsrcisinnige Partei hat am 4. März zum weilen Male den Beweis geliefert, baß die Verschmelzung vom 6 März 1884 eine gewaltsame, mit den that- sächliche» Verhältnissen im Widerspruch stehende Maß regel war. Et besteht innerhalb dieser Partei ein Zwiespalt, der nicht eher ausgeglichen sein wird, al» bis die wider- trcbenden Theile wieder auseinander gefallen sind. Wir haben es schon wiederholt gesagt und wir kommen heute wieder daraus zurück, daß sich in unser« Parteiverhältniffm eine Aenderung vollzieht. Die alten Parteiuntrrschiede haben sich überlebt, Richter behauptet heute nur noch mit Mühe und unter Aufwand seiner ganzen ihm zu Gebote stehende« Beredtsamkeit künstlich die Stellung als Führer der deutsch freisinnigen Partei. Diese Partei kracht in allen ihren Fugen, die einzelnen Tbeile streben auseinander, sie fühlen sich in ihrer Haut nicht wohl Die Heidelberger Erklärung vom Jahre 1884 hatte den richtige» ?o» angeschlagen, in welchen alle wahrhaft liberale» den.scheu Männer einstiinmei, konnten Diese Erklärung vcv schweigt nicht, daß es Puncte giebt, in welchen zwischen dem Reichskanzler und den Vertreter» deS liberalen Gedankens Meinungsverschiedenheiten obwalten, aber wo herrschte volle Uebereiiistimliiung in allen Dingen? Kaum in der Famftie, der Bericht Sir Edward'- selbst die Thatsache constattrt, daß der Versuch, die französisch-deutsche» Beziehungen wiederum zu lockern, an der Ablehnung de« Fürsten BiSmnrck unter Bezugnahme aus die Pflichten gegen Frankreich scheiteric. Ganz unerfindlich ist der Grund, welcher den Lener der englischen Veröffentlichung dazu bewogen hat, Aeußerungen über den deutschen Botschafter, Grasen zu Münster, welche der Reichskanzler ln seinen vertraulichen Unterhaltungen gcthan habe» soll, der Leffcntlichkcit zu übergeben. Hierin liegt eine persönliche Gehässigkeit, für welche uu« jede Erklärung fehlt. * OssiciöS wird aus Berlin geschrieben: Der Versuch deS englischen Ministers des Auswärtigen, das jetzige Verhällniß zwischen Deutschland undGroßbritannien aus persönliche Veritimmung de« Fürsten Bismarck zurück- zusühre», weil angeblich sein Rath. Egypten z» anncctiren, nicht be folgt sei, hat dem Reichskanzler Gelegenheit gegeben, nicht nur vor Deutschland, sondern vor ganz Europa die charakteristische» Unter- schiede zwischen der deutschen und englischen auswärtigen Politik in voller Schärfe klarzulegen. Indem er hervorhob. daß er zwar iiiehrsach vo» England um seinen Rath in der egyplische» Frage angegangen sei, benselden aber stets verweigert und sich endlich nur ungern zu der Aeußerung der Meinung bewogen gesunden habe, England werde zweckmäßig in Egypten im Einverständniß mit dem Sullau und im Name» desselben operiren, zeigte er, daß er von dem Geiste weiser Mäßigung, der Sorge um die Ausrecht- rrhallung bestehender Recht», und Vertragaverhaltnisse und der Harmonie uuier den Mächten Europas sich leiten läßt, während die englische Politik die Bahnen selbstsüchtigsten und gegen die Rechte anderer Staate» rücksichtslosen Vorgehens sortwandelt, welche- sie ru der Zeit der Hegemonie England« keanzeichnete, freilich nicht mehr mit der Krast und Energie jener Tage, sondern in greisenhaster, kleinlicher, mit den Müleln der niedrigsten Jutrigue arbeitender Weise. Da» Vertrauen zu der Vormacht Europa» und ihrer Frieden»- Politik kann durch solche Acußerungen nur wachsen, DcutichlandS Machtstellung nur gestärkt werde», während die von Mißgunst gegen die deutsche Colonialpolitik beherrschte Leitung der auswärtigen An- gelegenbeiten Englands eine schwere moralische Niederlage erlitten hat. Freilich wird der dauernde Erfolg der deutschen auswärtigen und insbesondere unserer colonialen Politik nur dann gesichert sein, wenn da» deulsche Kolk in voller Emmnlhigkeit hinter dem Leit« derselben steht. Daß coloaiale Unternehmungen in großem Stile, deren Früchte langsam reise» und erst in spaterer Zeit die Anfang« gebrachten Opfer entgelten, mit Erfolg nur dann begönne» werde» können, wenn die Nation in ibrrr Gesauimtheit oder wenigstens i» ihrem weit überwiegende» Theilc fest und sicher zu einer solchen Politik siebt, liegt aus der Hand. Allem auch aus dem Gebiete der aus wärtigen Politik im eigentlichen Sinne hängt der Erfolg zu einem großen Theilc davon ab, wie einig die Nation nach außen ihre SiaatSleitung unterstützt. Wo immer auSwärtigc Mächte laueren Zwiespalt in dem Grade als vorhanden erkennen, daß eine sactöse Opposition egen die Person des leitenden Staatsmannes sich richtet und ihre liebere,ilslimniuiig m allen Dingen? Kaum m der Fam>fte, gegen die Perlon des leitende» LkaalsmaniieS ,,ch richtet und thre viel wcnia'-r in der Politik Die menschlichen B,>chL.'»iiffeVb-uvta»f.ial'e darin sieht, demselben Schwierigkeiten zu bereiten, sind alle dem Jrrkbume unterworfen und e« haften ihnen j«.'hrnekmung d,e «usr-rdernng «ckenaa,. ihre u,-». «b„, kc»m ,M„> ... Deutschland einig sei», daß die Verdienste und die Vaterlands liebe des Fürsten Bismarck über jeden Zweifel erhaben sind. Leipzig, 6. März 1885. * Tie „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" vom Mittwoch Vormittag bringt abermals eine Belrachtung über die englischen Blaubüchcr. Dieselbe lautet: Unter den Indiskretionen, welche die jüngsten englischen Blaubücher enlhallen, ist die Veröffentlichung des Berichtes, welchen der englische Boischaiicr in Bcrlm am 25. Januar über eine Umerrediing n»l dem Reichskanzler erstattet hat, soweit unsere bis herigen Forschungen reichen, die auffälligste und bedauerlichste. Die Möglichkeit erfolgreicher Diplomatie beruht wesentlich aus dem Ver trauen, von welchem der persönliche Verkehr der Diplomaten und auswärtige» Minister beherrscht wird. Kann in demselben nur daS geipiochcn werden, was sich zu sosoriigcr polemischer Pnl-licalio» eignet, so wirb naiürlich die T häligkeil der Diplomatie eine ziemlich unsruchlbare und, man kann wohl iagen, überslüffige werden; denn die An deS Verkehrs, die dann übrig bleibt, kann, wie der Reichskanzler vor gestern richtig bemerkte, auch durch die Post besorgt werden; man braucht sich deshalb nicht den Luxus einer Botichast und den Steuerpflichligen die Koste» dafür anszulegen. Ter Reichskanzler ist durch seine sreimdschastlichen Beziehungen zu dem verstorbenen Lord Ämplhill gewöhnt gewesen, mit dem englischen Botschafter am diesseitigen Hose vertraulich und offen zu verkehren, und er hat diese Gewohnheit aus seinen Nachfolger um so leichter übertragen lünuen, als beide Herren seit länger al- 30 Jahren in Beziehungen stehen, die sich aus daS collegialii'che und sreuudschasiliche Verhälluiß »künden, welches in Frankfurt a. M. zwischen den Ellern des jetzigen perrn Botschafters und dem Hause des Reichskanzlers statisand. So erklärt es sich, daß Fürst Bismarck mit Sir Edward Malet, um diesem den Nachweis »einer ehrlichen, aber fruchtlosen Bemühungen um Englands Freundschast zu liefern, sich mit der ruckhaltlolcn Offenheit ausgesprochen hat. von welcher der darüber erstattete Bericht Zeugniß giebt. Daß dieser Bericht io der Art, wie er vor- licgt, überhaupl erstattet wurde, daria liegt nicht«, waS zum Vor wurf berechtigte; ober wir sind überzeugt, er würde nicht in diesem llniiange erstattet worden sei», wen» sein Verfasser daraus hätte rechnen können, daß er sosort und in eidenso veröffentlicht werden würde. In dieser Veröffentlichung liegt «lue JndiS- cretton, welche vertrauliche Auslastungen zwischen den ElaalS- männern beider Regierungen für die Zukunft adichneidet. Der praktische Zweck, den inan im Auge gehabt habe» kann, wenn man sich i» diesem Maße über die Tradition im Verkehr befreun deter Regierungen hinwegsetzte, ist schwer erkennbar. Man sagt, und entsprechende Zeitungsartikel lassen cs vermuihen, daß damit in Frankreich Mißtrauen gegen Deutschland hätte geschaffen werden »ollen. Ein solcher Wunich wäre ja begreiflich; der englischen Politik kann weniger an einer Feindschaft zwilchen Deuiichland und England al- an einer solchen zwischen Deutschland und Frankreich gelegen sein. England mag annebmen, daß e» Frankreich seinen Wünschen gcsügiger finden würde, wen» e- daraus rechnen könnte, daß Frankreich mit der Feindschaft Deutschlands von Hause au- belastet ist. Beide Nalionen sind gleich stark; stehen sie sich also feindlich gegenüber, so wird der Ueberschuß an Kraft, den eine von ihnen noch gegen eine dritte Großmacht verwenden könnte, immer nicht bedeutend sein. Air begreifen also, daß e- im Interesse der englischen Politik liegt, in Frankreich Mißtrauen gegen Drunchsaud zu erregen. Wird da« aber mit der Veröffentlichung dieser Depesche wirklich erreicht? Wir glauben e« nicht auch wenn der Theil der englischen und französijchen Presse, welcher das gleiche Interesse hat. sich noch weiter bemüht, die Veröffentlichung dahin auSzubeitteo. Der Bericht des englische» Botschafters liefert nur einen neuen Beweis sür die Geradheit und Offenheit der deutschen Politik. Am 5. Mai hat Graf Münster den Auftrag erhalten, zu verstehen zu geben, daß Deutschland, wenn England sich der Verständigung versage, eine solche mit Frankreich suchen werde. England hat sich dem deutschen Entgegenkommen versagt, und sobald das deulsche Eabinet sich biervon überzeugt, hat dasselbe, seiner in London gemachten Vorbersagiing cnilprechend, den Weg der Annäherung an Frankreich betreten. Derselbe hat zu der Verständigung zwischen Frankleich und Deutschland zunächst über die Eongosrage und die Eonserenz, dann aber auch Nbcr die eghptische Frage und zur Ilebereinstim- mu»g der coniinrnlalen Mächte in der letzteren geführt. Diese That- ! sachc» sind wcllkundig und liegt in ihnen nicht«, wodurch daS Vertrauen, welches die sranzösische Regierung in dir Ehrlichkeit der deutschen Politik ! setzt, abgcjchwächt wcrden kvnnic. Dies ist um so mehr der Fall, als so »n eigene» Lager gehemmten Gegner zu verfolgen. Sie werden aber auch geradezu zu dem Versuche ermuntert, die Elemente innerer Zwietracht unheilvoll zu schüren und Io die Uneinigkeit zun, Schaden der Machtstellung deS Reichs und zu ihrem eigenen Nutzen und Fromme» z» fördern und groß zu ziehen. Gerade für Deutsch land, da» Jahrhunderte lang an de» Folgen seiner nationale» Zerrissenheit io schwer gelitten hat, ist der Hinweis aus die Noth- wendigkeit, die glücklich erlangle äußere Einheit auch durch einige- Zil'aiimicnstehe» der ganze» Nation innerlich zu stärken, wen» anders nicht tue Eiruiigenichafte» deS nationalen Aufschwungs von 1,870 langsam wieder zerbröckeln und da« Reich von seiner stolzen Machtstellung an der Spitze Europas wieder herabsinkcn soll, be- sonder» geboten. Im Interesse dieser ausschlaggebenden Macht unseres Vater- landcS, welche zugleich die Burgichast sür die Erhaltung de« euro päischen Friede»« dielet, ist die Ueberwiiibung der sacliöscn Opposition durch die nationalen fest zp Kaiser und Reich stehenden Elemente »n unserem Volke in der Thal ein dringendes Bcdürsniß. * Dir «Nationalliberale Corres pondenz" schreibt zur parlamentarischen Lage: Der vielbcrusene neue Dtrectorposteu im Auswärtigen Amte ist heute mit 19 Stimmen Mehrheit bewilligt nnd damit der bedauerliche Beschluß vom 15. December widerrufe» worden. Die deutichsreisinnige Partei, die bei der zweiten Lesung mit einer einzige» Ausnahme gegen die Forderung gestimmt, hatte heute zu einem Drittel ihre» Sinn geändert und bewilligte die Position. Wir wollen uns de- Spotte« über diesen „Unfall" enlhallen, s, sehr ihn auch diese Partei verdient hätte, die sonst über den Wankelmuth der Nattonalliberalen und deren gelegentliche Abstimmung-Widersprüche zwischen zweiter und dritter Lesung nicht genug Hohn und Ent rüstung auszubringen wußte. Man wird ober au'hören müssen, Angesichts de« heutigen Votum- fernerhin sür den einmal aus- gesprochenen Entschluß der sortschrittlich-sreisinnigen Partei eine ganz besondere Festigkeit und Unerschütterlichkeit zu beanspruchen. Wir freuen uns, daß die deutschsrcisinnige Parte«, wenigstens in einer ausreichenden Anzahl, verständig genug war, den Umständen Rechnung zu tragen uud nicht abermals in Kleinigkeit vud Halsstarrigkett einen Sturm de« Unwillens gegen sich becauszu- beschwören. In dem heutigen Volum aber liegt die beste Rechlserttgung und Anerkennung der „EntrüstungSbewcguna"; sic ha« erreicht, was sie wollte, sic hat dem Reichstag ins Gewissen geredet und ihn ab gehalten, sich selbst und ganz Deutschland noch einmal vor den Augen aller Welt mit einem ärgerlichen und kläglichen Beschluß zu verum zieren und den Reichskanzler in einem Augenblick, wo seine au« «oärtige Politik wieder die glänzendsten Triumphe feiert, >a der Führung der Geschäfte kleinlich« Hindernisse zu bereiten. Wenn wirklich diese ..Entrüstungsbewegung" nicht c,n naturwüchsiger LuS- bruch de« Volk-Unwillen-, sondern eine künstlich von Strebern und KnechtLseelen in Tecne gesetzte Comüdic gewesen wäre, warum in oller Welt hat sich dan» ein erheblicher Theil der deutschsrcjsinnlgeu Partei vor einem solchen Poffenlpiel gebeugt? Nein. cS war ein NolkSgerich«, so mächtig und unzweideutig, wie man eS sich nur denken kann, und die dculschsreisinnige Partei wagte ein zweite- derart nicht über sich ergehen zu losten, woran sie sehr wohlgethan hat. Bon der deutsch-freisinnigen Fraktion haben sür den Directorposte» gestimmt die Abgg. Bchm, Bessert, Brömel, Fährmann, vvn Forckenbeck, Hoffman», Horwitz, Lipke, Lorenzen, Mener-Halle, Minich, Panse. Rickert, Schräder, Siemens, Thomsen. Witt, Witte. Wilbrandt. Bon diesen habe» am 15. December mit Nein gestimmt: die Abzg Behm, Hoffman«, Lipke. Lorenzen, Mever-Halle, Wille; nnt Ja: Horwitz, die übrigen fehlten in der Sitzung vom 15. December. Mit Nein haben gestimmt die Abgg. Aus seid, Bamberger. Baumbach. Bauingarten, Braun, Budde berg, Büxten, Dirichlet. Eysoldl, Grcve, Hanel, Halben. Holberstadt, HcrmeS, Hcrrmann, .Hinze, Huchting. Langerbans, Lerche, Löwe, Lüben. LüderS. Maagrr, Meidauer, Mohr. Miinckel. Paxellier, ParisiuS, Pflüger, Richter, Robland, Cchenck, Schmieder, Schneider, von Stattsscn berg. Stlllcr, Traeger, Birchow. * Die Arbeiterschutzgesetz - Commission de« Reichstags trat am Mittwoch Morgen 10 Uhr zu einer Sitzung zusammen, leistete aber, da schon um 11 Uhr das Plenum begann, nicht viel mehr als die Abstimmung über de» Passus des SeniitagSarbeitsparagraphcn, welcher be stimmt, was unter Sonn- und Festtagen im Sinne deS Gesetzes zu verstehen ist. Bisher hieß cS in tz. 105 der Gewerbeordnung: „Welche Tage als Festtage gelle», be stimmen die Landesregierungen." Nun ist statt dessen, mit einer Stimme Mehrheit, folgende vom Ceulrum beanlragle Fassung angenommen: „Welche Tage als Festtage gelten, bestimmen unter Berücksichtigung der örtlichen und consessio- ncllen Berhältnisse die Landesregierungen. An den besonderen Festtagen seiner Consesstou kam» kein Arbeiter zum Arbeiten verpflichtet werden." Es liegt aus der Hand, daß der zweite Satz unter Umständen den ersten vollständig werlhloS machen und die größten Unzuträglickkeiten herbeijühren kann. * In der „.Kreuzzeitung" ist Folgendes zu lesen: In der devttvürdigen gestrigen Rede des Reichskanzlers indel sich in, ersten Theilc bei der Colonialpolitik u. A. folgender Satz: „Wenn Sie heutzutage die englische» Blätter lesen, so finde» sie das mit derselben Motivirung, wie in unseren deutschen OppositonSblättcrn, mir einer so überein stimmenden Motivirung entwickelt, daß man versucht ist, an einen directercn Zusammenhang und an die Jnternalionalität der Opposilionspresse gegenüber der deutschen Reichsregierung im Allgemeinen zu glauben; cS finden sich die gleichen Artikel ziemlich gleichzeitig wieder in der „Times" »nd in anderen Blättern, die zu dem Cobden'schen Tristem gehören, die machen gegen mich, den unglückliche» Repräsentanten der deutschen nationalen Politik, mit einer Uebereinstimmung Front, die ich sür posilive Zwecke der aesammten Nation wohl wünschen möchte". Bei diesem Anlaß mag hier eine Beobachtung sehr bezeichnender Art erwähnt werden. AIS am 23. Juni 1884 der Reichskanzler Abends zu den Beratdungen der Commission über die Dampser- nbventionSvorlage im Reichstage erschien, war die Presse in ihre» Vertretern so zahlreich im Foyer de- Reichstag- erschienen, wie noch nie; auch zahlreiche Vertreter ouSwärttger, namentlich englischer Blätter waren anwesend. Wer irgend einen Bekannten tu dem EommissivnSzimmer wußte, ließ denselben cttiren, um je nach dem Vorrücken der Zeit (die Sitzung dauerte bi« nach 11 Uhr) noch «ine Miltheilung an die Provinzblätter gelangen lasse» zu können. Der „TimcS"-Eorrespondeut hier war auch erschienen uud aus sei» Er suchen erschien der Abg. Ludw. Löwe und unterrichtete ihn, und als der Informator der „Standard"-BertretrrS zeigte sich unmittelbar der Abg. Rickert. Wenn man sich daran erinnert, daß gerade diese Herren nicht selten da« Urthrtl der englischen Presse anaerusrn haben, so gewinnt diese geistige Beelnfluffung noch eine besondere Färbung I» ähnlicher Weise hatte sich bekanntlich auch der frühere amerikanische Gesandt« Sargent hier durch Mitglieder der stricken Opposition über deutsche Verhältnisse unterrichtet. * Ans dem dem Reichstag zugestellten Bericht der Retchsschuldencommission heben wir Folgendes hervor. Der Bestand des ReichsinvolidensondS betrug am Schluffe dcs Rechnungsjahres 1883—84 au Reichsaolechen, Anleihen tciliscder Bundesstaaten, Bahuprioritäten. Communalaulehcti 5l6.76!).6l4.< überhaupt 52l,14l,47l Di-an die Reichs- hauplcaffe abgelieferte Zinsenclunahme betrug 22,275,514 ^5, der Zuschuß des Staates zu den erforderlichen Ausgaben be- trug 6.153,140 ^5, gegen den Voranschlag 767,064 weniger. Der Bestand de« FestungsbausondS betrug zu Ende 1883 bis 1884 39,023,085 ^<5 Der Fond- sür Errichtung des RcichS- tagsgebäudcs halte Ende 1884 einen Bestand von 22,441,294 Mark, Ende 1884 besaßen die genannten drei Fond« 573.1 Millionen Mark an Effecten, darunter 202.3 Millionen Mark Communalanlehen, 247.4 Millionen Mark Anlehen des Reichs und deutscher Staaten. Bis zum Schluffe des Etatsjahres 1883—84 wurde die Reichsanleihe im Betrage von 365,731,219 Mark emittirt. Die Verzinsung der 4procentigen Rcichs- anleihe erfordert einen Betrag von 14.0 Millionen Mark. Ji» Rechnungsjahr 1883—84 waren 155 Millionen Mark Schatzscheiue ausgegeben und zum Schluffe des Etatsiahres waren 45 Millionen Mark »och nicht sättig An NeichS- casiciisckcinen waren beim Schluff« deS Rechnungsjahres 1b83/84 im Umlauf l 14.845,570 ^5 * Tie Betheiligung von patriotischen katholischen Geistlichen und angesehenen Laien an dem Ausruf zur Bismarckspende zeigt sich allerOrten, und die „Germania" dürste bald daran verzweifeln, diese vielkövfige Hydra zu vernichten. Ein Herr Benefizial Rehöach in bei» ostpreußischen Städtchen Bischosstein. der katholische Bürgermeister der Stabt Röstet und der katholische Gymuasialdireclor in dem selben Orte betheiligen sich au dem verpönten Werke, ja, die „Germania" muß es erleben, daß katholische Blätter, wie die „Fuldaer Ztg.", das Vorgehen einflußreicher Katholiken in Vieser Richtung zu verthridigen suchen. Am größten wird aber der Schmerz des ultramvntanen Blattes sei», daß selbst in Posen Polnische Mitbürger sür die Lismarckspende agitiren. Der „Oredownik" veröffentlicht nämlich eine Zuschrift auS dem Posen'schen Kreise Schroda, in der es heißt: „Ich habe im „Oredownck" gelesen, daß sogar die deulsche» Katholiken keine Beiträge zur BiSinarastiftulig gebe» wollen; indcß bei unS im Kreise Schroda giebt mail Beiträge zu diesem Zweck, so schwer auch die gegenwärtigen Zeile» sind. In einem Städtchen unseres KreiscS hat sich em Eoniitö zur Sammlung dieser Beiträge gebildet, an dessen Spitze ein zu den angesehensten Bürgern der Stadt gehörender Pole steht. Als derselbe Pole zum Mitgliedc der SicuereinschätzungS-Conimissioii gewählt wurde, naün» er die Wahl wegen mangelnder Zeit nicht an, obwohl cS sich um die eigene Tasche dabei handelte. Jetzt aber gebt er als Comitöinitglicd mit den Deutschen von HauS zu Haus und sammelt Beiträge zur Blsinarckstistung." * AuS Württemberg, 1. März, wird der „Kölnischen Zeitung" mitgetheilt: WaS gegenwärtig ftl unserer Volk-Partei vorqeht, bedeutet nicht mehr und nicht weniger als den unaushaltsamen Fortschritt ihrer allnrälige» Zersetzung, der von ausnierkiameu Beobachtern schon längst vorhergesagt und gelegentlich von Parleisühreru selbst öffentlich zugestanden worden ist. Der Reichstagsabgeordnete Karl Mayer, der am 28. Octobcr vorigen JabrcS durch 4000 ullramontane Stimme» noch nothdürftig über Wasser er- halten wurde, schrieb kürzlich einen jener ReichStagSbricse an den „Beobachter", welche sich durch weinerliche und widerliche lleber- treibung nicht zu ihrem Vortheil auszeichnen. „Berlin tst mit Schnee bedeckt, Alle- tu ein Leichenluch gehüllt, ein« Seenerie, die zur Arbeit des Reichstag« paßt, welcher setzt mit Annahme der Getreidezülle ein Hungeriuch zu weben sich onschickt sürs deulsche Volk". Der Redaclcur des Beobachters, Rechtsanwalt Eugen Stock- maycr, der. wie der volkspartelliche Abgeordnete sür Heilbronn, Härle, für die Gelreidrzölle eingetrclen war und nun o»ch von der Redaktion de- genannten Blatte« zurücklreten wird, behandelte den Unkenruf mit wohlverdienter Geringschätzung und erklärte, sedensall« stehe Eine- seftr d»ß die Vetrridezölle schon bei den Wahlen eine große Rolle gespielt hätte», daß die Mehrheit de« Volke« dieselben fordere und daß einer Partei» die stets das Mehrheitcpnncip hoch- gehalten habe, e« gezieme, auch dann den Willen der Mehrheit z» achten, wenn er ihr nicht angenehm sei. Ter Streit spann sich weiter und beide haben einander vor das Plenum der Portes
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