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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188503280
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850328
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850328
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-03
- Tag1885-03-28
- Monat1885-03
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1885
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Erste Beilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Z 87. Sonnabend den 28. März 1885. 7S. Jahrgang. Parlamentarische Rückblicke. * M in schreibt u»S au- Berlin: Dreigliedrig gestaltet sich die erste Session der nenen ! kaMlurperiode veö deutschen Reichstags, der die Prrsie der mschieaciien Parteien ein so kurze- Dasei» prophezeit hatte. AlS die Reichsboten in die Weihnacktsscrien gingen, da !s->!» es ja in der Thal, al- ob der Session nur eine sehr hrze Dauer beschieoen wäre. Eine Niederlage nach der ^ wlern hatte die Regierung zu verzeichnen, Freisinnige, Social- »wekratcn und llltramontane bildeten bei jeder Frage eine «schlösse»? Majorität, der gegenüber alle Anstrengungen der konservativen und Nationalliberalen, die Regierung zu unter- Dtzen, fruchtlos sich erwiesen. Da mußte freilich der Gedanke w eine Auslösung des Reichstags in Erwäguug gezogen perlen, und er würde wohl auch zur Thal geworden sein, renn nicht die Nothwendigkeit der Etotsberathung Vor gelegen hätte. Unter so ungünstigen Aussichten aber der Reichstag 'am i. Januar in de» zwiten Abschnitt der Session eintrat, so sehr haben diese Auspicien getäuscht. Zeichnete sich der erste lheil der Session durch absolute Unsrnchtbarkeit au», so ist ler zweite, entgegen jeder Erwartung, ebenso reich an posi tiven Erfolgen als an harten Kampfe» gewesen. Noch hallt rot da» wilde KriegSgeschrei in de» Ohren, aber die Arena iü leer, die Vertreter de» deutschen Volke- sind zu den heimath- lilhen Gefilden zurückgekehrt und überlasten eS den Journalisten, -re Troplüieu und ibre Verluste zu sammeln, zu sichten und ibersichtlich dem Publicum darzmteUeu. DaS ist nickt so leickt, denn selten oder nie wohl ist so »iel über alle Gebiete de- öffentlichen Leben- debattirt worden. ,IS in diesen 2V» Monate». Welche Fülle von Betrach tungen itzt nicht allein die Etatsberathung au! Da ziebeu kaleido- swfartig an u»S vorüber die säst heftige,, AuSeinander- sHungen deS KriegSministerS mit der Opposition, die ßorLernnaen für die Marine, für die Cotonicn. für die »iffeiisckastlicken Bestrebungen zur Erschließung Cen- tnüasrikaS, für den zweiten Direktor im Auswärtigen lind Kamerun, Togo. Angra Peqnena, Küstendampscr. kampsbarcaste — welch' seltsame Erscheinungen im deutschen stkichShauShaltSetat! Und wie gefährdet sah daS AlleS aus, »ti daS neue Jahr in die Erscheinung trat. Jetzt ist e- «der alles Erwarten unter Dach und Fach, und zwei kampserlinien, nach, Ostasie» und Australien, dazu. DaS sind bie wichtigsten Trophäen der Regierung auö der gegenwärtigen kampagne. Im klebrige» brachte unS die EkatSdebatte kmea kiihncu Handstreich gegen unsere erprobte und viel beneidete Goldwährung, der einstweilen abgeschlagen ist, dessen Wiederkehr aber mit Sicherheit zu erwarten ist. Wen» die Evlonialpolitik, welche sich wie ein rother Faden i»rch die Etatsberathung zieht, eine» besondere» Reiz erhielt barch ihre Neuheit, durch die Einführung der auswärtigen Politik in die ReichStagsverhanklungen und durch die pilönliche Befürwortung seitens des Fürsten BiSmarck, so wurden die Gemüther nicht minder lebhaft erregt durch die Novelle zum Zolltarif, insonderheil durch die Getreivezoll- EibiÜ'ung und durch die Holzzölle. Hier haben wir noch kein abschließendes Resultat vor unS, imtten in der Zollkaris- Debaltc ermatteten die Kämpen, kein Wunder „ach der langen, mühseligen Arbeit. Dieter Theil ihre» Pensums wird in daS tehle Drittel der Session fallen und noch manch' hartes Wortgefecht Hervorrufen. Insbesondere wird die McinungS- Serlchicbenheit, welche zwischen BundeSrath und Reichstag Iber die Auslegung de- Sperraesetzeö entstanden ist, beigelcgt »erden müssen, wozu alle Aussicht vorhanden ist. Noch unsicherer als daS Schicksal des Zolltarifs ist das jenige VcS Börsensteuergesetzenlwurss, der ursprünglich von t« Regierung auSgegaugen, dieses Mal al- Initiativantrag eines Abgeordneten seine Wiederauferstehung gefeiert hat. Wir habe» es hier mit einer sehr schwierigen Materie zu lhnn, über welche dir Regierung selbst die Acte» keineswegs «ls geschlossen erachtet. Beweis dafür ist die Berufung de- Preußischen StaatSraths lediglich zur Berathung dieses Ge- sch'nlivursö. Ebenso wenig gesichert erscheint in, Augenblick de Ferm, unter welcher d,e höhere BesteuerungSsähigkeit deS kpirilnS für die Balancirunz de» Budgets nutzbar gemacht »erde» scll. Zwar liegen in dieser Hinsicht zwei Anträge der, eine Klärung der Meinungen aber ist »och keineswegs hcrbeigcsührt. Aon den wichtigeren Regierungsvorlagen ist, abgesehen Ibcu, Etat und der dazu gehörigen Anleihe, sowie von der iTempfcrsubventionSvvrlage, nur der Zollanschluß Bremens ! erledigt, harrt der Erledigung vorzugsweise die Novelle zum Illujallvcrsicherungsgesetz, daS aus das Transportgeworbe und I tie dandwirthschast ausgedehnt iverden soll. Während be- siizlich der Ausdehnung aus daS Transportgciverbe Schwierig- leilen nicht bestehen, ist die aus die Laudwlrthsctast in dieser Ikession noch fraglich. Weit mehr indeß als durch diese I Regierungsvorlage wurde die sociale Frage durch Jnitiativ- hlt jeder — kvunen alle Parteien, Evuservalive wie Liberale, ltramontane wie Svcialveniokraten, ein gut Stück Wege- rinlrächtig mit einander gehen. Die Anträge, wetche nach dieser Richtung von fast allen Parteien eingebracht sind, »eisen eine Reibe von Berührungspunkten aus, und insofern hat der zweite Theil dieser Session auch in dieser wichtige» -rage eine gewisie Klärung gebracht. Aber wie auf keinem »»deren Gebiete gilt hier das deutsche Sprücbwort .Vorsicht Ist die Mutter der Weisheit" und das sranzösisch« „wer »viel umsaßt, erreicht wenig". Der Meister ü> der socialen Gesetzgebung wird sich hier in der Beschränkung zeige» müssen, »ill ma» Nicht da» Kind mit dem Bade au-scbütten, d. h. di« Industrie, die Amme de- industriellen Arbeiter-, lahm lege», »m dem letzteren zu helfen. Dir wünschen, daß u»S der Rest der Session noch eiaea Schritt vorwärt» aus dem Gebiete der Soeialpolitik bringe« möge, aber »ir hoffe», daß »an sich nicht durch die extravagante» Fordern»gen der soeialdemokratischen Partei von einer rnhigen and besonnene» Erwägung aller Bedenken «bhalten lasse» wird. Eine weitere Gefahr erblicken wir in de« eooservativ» I klerikale» Antrag ans Einführung de» Befähigungsnachweise« str die Handwerker und «,r können «n» nach den jüngsten Erfahrungen mit den von der Diseretion der Regierung «-hängigen Privilegien für die Innungen nicht der schwere» Berge erwehr«,, daß die bisher verhältnißmäßig so günstig »rrlaiisenc Session mtt einem Rückschritt abschließt, welcher die I Gewerdefreiheit ernstlich gefährdet. Ei» Gute» freilich würde dir Ilnnahme de« Antrag:« Ackermann haben; sie würde de» I Handwerkern klar machen, daß die Zwang«i»»»ung Ihnen die I erhofften glücktichen Zustände nicht zurückznsühre» vermag, j-ic zur Blüthezeit de» Handwerkerstandes her ' von hoher Dichtigkeit, welche de» i NeichStag beschästiat Haien, tritt so »anch« andere inter- leffante hinzu, die wir im Rahme» diese» Artikel» nur flüchtig ! berühren können. Wir erinnern »och an da» Postsparkassen- I zesetz, an deu dänischen Sprachenantrag, an den Antrag Kails Imis Aushebung deS Dictaturparagraphe». an den Antrag Wiudt- Horst aus Aufhebung de» ExvatrrirnngSgesetzeS. an de« Antrag Payer auf Ermäßigung der GcrichtSkosten, an den Antrag Lenz- I «an« ans Entschädigung unschuldig vernrtheilter; man denke ferner an die unerquicklichen Wahlprü'liiiqS-Debatten. an die DiS- cussion, welche sich an de» Rechcnschastsbceicht der Regierung über die Ausli'.ung des Cocialiilcu.zcsitzes knüpste — und man wiro gestehen müssen, daß bie Reichsboten, die Vertreter der Reg erimgen und schließlich auch bie Parlamenlsbericl't- erstatter die jetzige kurze ErbelungSpanle redlich verdient haben. Der zweite Tkeil der RcickstagSsession hat manche principiell wichtige Entscheidung gebracht; daS Schicksal vieler Regierungsvorlagen und Initiativanträge aber hängt, wie wir gesehen habe», noch iu der Schwebe. Möge eS der Weis heit, der Besonnenheit und dem Patriotismus der Erivähltcu des deutschen Volkes gelingen, im Bereu, mit der Regierung auch in diesen Fragen zum Heil« unsere» Vaterlande« die rechte» Wege zu finden I kaufmännischer Verein. * Leipzig, 27. März. Mit glänzend rhetorischem Schwung behandelte am jüngsten Freitag Abend Herr Pro fessor vr. W. Onckeu au- Gießen die letzten Jahre des durch außerordeutliche Gaben der Natur und de» Geiste» ausgezeichneten GrasMirabeau in einem längeren, außer ordentlich packend gehaltenen Bortrage. Die Nationalversammlung von 1789 hat aus di« Mitwelt einen Eindruck gemacht. Vesten Größe heute Niemand mehr zu beurtheilen vermag Die Macht jener damalige« neuen Weltanschauung, die dem humanen Ideali-niu» huldigte, charakterisirt am besten für sich ein Wort, welche« Schiller seinem Marani» Posa in den Mund gelegt: .Ein Fedrrzug von dieser Hand und ne» geschaffen ist die Erde, geben Sie Gedankenfreiheit!" Mit dem Glauben an die Un fehlbarkeit der Mrnschenseele verband sich die Begründung einer neuen Welt, eine» neuen Staate-, einer neuen Kirche, einer neuen Gesellschaft. Aber eine ganz entsetzliche Täuschung trat nach den ersten Monde,, der Versammlung ein. Ist die Constituante eine Tragödie im Großen, so hat sich innerhalb derselben eine kleine abgespielt und der Mann derselben ist HouorS Mirabeau Er war 40 Jahre alt, al» er unter den Abgeordneten de» dritten Stande- in BersailleS erschien. Sein Name war bekannt. Vom Vater in die Literatur eingeführt, machte er al« Pamphletist viel von sich reden; begabt mit sprudelndem Witz, Kraft, Feuer und Be geisterung und einer Unerschrockenheit der Polemik, wie man in Frankreich »och niemals kannte. An seinen Namen heftete sich ein fürchterlicher Rus. Sei» Iugendteben glich einer Kette von Skandalen. Ausschweifungen zugethan und an Gesänznisse gebunden, so hatte er bisher sich bewegt. Nur in seiner Heimath kannte man den Pampbletisten als etwas Andere«, als — Redner ersten Ranges, der e« verstand, die Hörer bis zur willenlosen Hin gebung Hinzureißen. Seine Bildung zum Staatsmann hat Mirabean durch einen Aufenthalt in Berlin, wo er in den letzte» LebenStagen Friedrich'« deS Großen und in den ersten Regierungstagen Friedrich'- II. weilte, vollendet. Tort hat er für sein Werk gesammelt. Als er zurückkehrte, war er wie der Vogel aus dem Zweige. Er fand keine Ver wendung. A» seinem sittlichen Ruse war weder zu bessern, noch zu veredeln; aber feinen patriotischen Rus hielt er als ein Capital für die Zukunst heilig; er bebülele ihn wie einen Augapfel. Für daS erste Ministerium lehnte er jede Thätig- keir ab; als aber da» zweite Ministerium und mit diesem die Wahl de- Reichstages der drei Stände kam, war Mirabeau entscblcssen, um jeden Preis Abgeordneter zu werde». Aber da» Kostgeld fehlte. Und so beging er. als Niemand ib», Mittel lieh, eine» Streich, den auszusühren kam» ein zweiter Mensch fähig. Aus den in Bert,» gesammelten geheimen Berichte,, hatte er Abschrift zurückbehalten. Er bot diese de», Ministerium für 300 LouiSd'or an; letzteres zahlte und meinte, daß der Staat gerettet sei. Kaum drei Wochen später er schienen dieselben Berichte im Druck, das Werk einer heil losen IildiScretion. Prinz Heinrich, der sich gerade in Paris aushielt, wurde bloßgestrllt; der Skandal stand aus seiner Höh«. Mirabean, der in Geldsachen schlechterdings wcder Ehre iiock Gewissen hatte, leugnete dazu noch die Autorschaft der Berichte. So kam Mirabean als Candidat für den Reichstag nach der Provence. .Der Man» der Verfassung, der Mann der öffentlichen Freiheit bin ich", sagte er. Vom Abel auS- gestoßen, wurde er von dem dritten Stand« mit offenen Armen ausgenommen. Von zwei Städten gewählt, erschien er im Mai 1789 alS Vertreter für Aix in BersailleS. Seine Er scheinung kam in einem breiten untersetzten Körper zum Aus druck, in einem Kops darauf mit dem Haarwuchs einer Löivenniäbne; Blatternarbe» im Gesicht von „imponirender Häßlichkeit", dazu ein paar Augen, herausfordernd und Denen Trotz bietend, die Mirabcau Verachtung zeigten. Blicke voll Empörung, voll Entrüstung fielen aus ihn. Doch die Zeit der Talente war gekommen, die Talente für den Politiker Er durste ohne Uebertreibung schon damals von sich sagen: .Endlich ein Franzose, der geboren ist mit de», Kopse und mit dem Herzen eine» Staatsmannes!" Mit diesem Staat» manne wollte er tilgen da» Schuldbuch seiner Vergangenheit nnd vornehmen die Wiedergeburt seines besseren Selbst. Am 5. Mai 1789 macht sich di« ungestüme Forderung nach Ab stimmung durch Kopfzahl und Aushebung der Abstimmung nach Ständen geltend. Aber nur auf dem Wege revolutionai- rer Eigenhilfe vermochte sich erst der dritte Stand dieses Princip zu ertrotzen, vorläufig kam eS nicht so weit. Rach einem AiaSco, da» einem Anderen tövllich geworden wäre, schwamm doch Mirabeau dem Strome entgegen, trachtete aber stet« danach, Mäßigung zu erringen. Sein Verfahren ist offenbar ein Vorbild für einen französischen Staatsmann unserer Tage gewesen, „vm Franzo en zu regieren, muß ma» heftig sein im Regieren und maßvoll im Handeln." Der Manu, der diesen Ausspruch aethan. heißt LÄn Gam« betta. Mirabean'« Ueberlegenheit r« Reden ist dergestalt augenscheinlich, daß Louis Blanc von ihr sagen kann: „End lich «ab es «och «ine Partei nnd da» war die Partei Mirabean. Sein Programm litt an inneren Widersprüche», an denen er sich ebenso al» Minister verblutet haben würde, al» er sich al« Abgeordneter verblutet hat. Seine große Ausgabe war, di« alt« Monarchie mit dem neuen StaatSrecht zu ver söhnen durch dir Bildung eine» parlamentarischen Cabinet« durch die Gründung eine- Ministerin«» au» de» ersten Kräften der Versammlung, unter Führung eine» großen Theil» de» Adel». Am 2«. September 178« errang Mirabean einen große» Triumph im Parlament, al» er für da» Ministerium m die Bresche trat und bei der Geldnoth de» Staate» der Selbsteinschätzung der Steuerzahler da» Wort redete. Ohne Wckerspench »attrte di« Versammlung die Vortage. Dan« begann Mirabean den Kamps gegen eine politische Irrlehre, die zu der LirblingSvorstekdrng der freisinnigen Partei jeden Tag gehörte und welch« die Stellung de» Ministerium« zu dem Parlamente betraf. Die vollziehende Gewalt und die gesetzgebende Ge walt: beide bildete» zwei vollständig getrennte Staatskörper. Mirabcau'» Antrag ging nun daran» hervor, dem Ministerium in de« verathunge» Sitz und Stimm« zu bewilligen. Sein Antrag wurde von vielen «»gesehene» unterstützt- aber Gegen anträge verriteltrn ihn nnd so scheiterte der Traum ferne« Leben». Mirabean gab di« Schlacht mit Wlirde aus. Da mit war dir parlamentarisch« Monnrchi« vernichtet. Znm Tode getroffen, wankte Mirabeau am 7. November 1789 nach >aulr. müve bi« zum Tode, und ereilt von einer Katastrophe, die nicht wieder gilt zu machen war. Wenn nun Mirabean im Dienste de» König» geheime Dienste geleistet, wenn er hinter dem Ministerium Geld empfing'? Das ist sein Schicksal geworden! Denn herauSzukommen an- einem Meer von erdrückenden Schulden, da» war nach der Katastropbe seine Absicht. Im Mai 1790 ändert sich auf einmal seine Lage. Er besitzt ein Hau», lfiilt Wagen, Pferde, Dienerschaft, ladet Freunde z„ sich, lebt wie rin Fürst und ahlt endlich wie ein anständiger Mensch. Wie daS zu- ammenhing, wußte Memand. Daß da eine große Ber- räkherei dahinter stecken mußte, war erst eine stille Bermuthung, da»» die laute Rede aller Feinde und Neider Mirabcau'». Erst „ach seinem Tode hat man Briefe gesunden, auS denen »ervorgeht. daß Gras Mirabean regelmäßige Summen vom König empfangen, für welche Dienste war anfangs nicht klar Später ergab sich, daß der König seit dem 10. Mai 1790 durch Vermittelung eine» nahen Freunde» in geheime Ver bindung mit dem Grasen getreten. Nachdem derselbe ein GlaubenSbekenntniß al» Monarchist abgegeben, gewann er die Gnnst de» König» und der Königin und empfing enorme Summen zur Bezahlung seiner Schulden. Mirabeau versprach dafür im Sinne der parlamentarischen Monarchie tbätig zu sein, wie er r» bisher ohne Bezahlung «wesen. Er wurde der Bertheidiger der durch Gesetze geregelten Monarchie und oer Apostel der durch die Mcnarchie verbürgten Freiheit. Er stimmte für die Rechte de» Thron-». Da« verhältniß endete mit einer Verwicklung, die er selbst verschnldet hat und die wir uns nicht grausig genug vorstellen können. Entgegen seiner Vergangenheit sing er im August 179«» an. ich für das Papiergeld der Assignaten mit dem Fanatismus eine» IacobmerS ansznsprechen. am 20. November 1790 hielt er ein« flammende Rede gegen die Priester, die den von der neuen Verfassung geforderten Eid geschworen. Am Hose herrschte über diese Sprache Mirabcau'» namen lose Entrüstung. Al» am 14. Januar 1791 die Versamm lung versuchte, den Weg gütlicher Beilegung de» Kirchen- chisteS zu beschielten, da brachte ein Entwurf Mirabcau'S etztere in eine schüfe Lage. Er war iu eine heillo» unnatür liche Lage sestgerannt. In den letzten Momenten hat er in seine lief zerrüttete Gesundheit i» einer Weise eingestürmt, al» fürchtete er, sich selbst zu überleben. Zuletzt hat er die glänzendsten Talente in Stegreisrede »nd Fragestellung in unvergleichlicher Weise entfaltet. Mit dem Worte Vormir" aus den Lippen ist er ruhig cingescklafen. Inmitten einer Lande-trauer, wie sic keinem legitimen König zu Tbeil geworden, wurde Mirabeau begrabe». Die Welt« gabt hielt den Alhem an, um die Sabbathruhe berzustellen, die sie ihrem Tribunen schuldig zu sein glanbke. Mirabcau'S Wort: .Ich nehme mit mir das Tranergewaiid der Monarchie, um seine Fetzen werden sich die Empörer reißen" ging in Erfüllung. WaS Mirabeau vor hatte? Er mochte e» nennen, wie er wollte, eS führte znm Bürgerkrieg, und um obzusiegen, fehlte eS an der Armee. Mirabeau hat sich nicht darüber getäuscht, aber daS hätte auch an der Lage nichts geändert. Frei willige Royalisten würden schwerlich auf den Rus eines Mirabean gekommen sein. Daher wäre ein solcher Kamps hoffnungslos von Hans auS gewesen, würde aber wenigsten- der historischen Größe nickt entbehrt haben. Er würbe in vollem Maße sein Talent entfaltet haben an einer tragischen Ausgabe. Und die Stellung eine- regierenden Minister- blieb ihm vcrenthalten, blieb ihm versagt, weil ihm fehlte der Leumund deS selbstlosen Patrioten, der Ruf deS ehrlichen Mannes. So zeigt daS Schicksal Mirabcau'S unS im scharfe» Bilde. waS Ge»ialität vermag und was Genialität nicht vermag, wenn ibm fehlt jener echte Adelsbrief, der da« Vertrauen erzwingt nnd die Verleumdung entwaffnet. (Langanhaltender, lebhafter Beifall). Sachse«. * Leipzig, 27. März. Wir erhalten folgende Zu schrist: Die evangeNsche Gemeinde Agram, als der äußerste Bor Posten der evangelischen Kirche und dentichprotestantischen Lullur, hat eS alt besondere Pflicht erkannt, sich der zerstreuten Brüder in den südslawischen Ländern Oesterreichs anzuiiehmea, sie auszusuchen, zu sammeln und in der Treue zum Glauben der Bäter zu bestärken Sie hat darum bereit- im November 1880 den Evangelisten Palmer zu einer Evangelisation-reise nach Bosnien ausgesendet, welcher in Larn,ewo. Banjaluka und Priador dle Evangelischen ausgesucht und ihre Bereinigung angebahut hat. Und im Lctobcr v I. hat der derzeitige Pfarrer von Agram, vr. Kolatschek, unterstützt vom G -A -B., gleich!«!!- eine MissiouSreis« untcruommiu, dercn inter essante Ergebnisse er in der bei Albrecht t Fiedler m Agram er- schiene«« Schrist: „Elne Misflonsreise aach Bosnien" nieder! hat. Der Reinertrag diese- SchristchenS ist zum Beste» der Pastorä- tion der evangelischen Diaspora tu Bosnien bestimmt. Augrregt durch diese- Schristcheu, wurde Herr k. Vr. Ko latschek befragt, ob er nicht für die evangelische« Häuflein BoS- nie»- znm Haus- und gottesdienstlichen Gebrauch die bei un< ent behrlich gewordenen Neuen Leipziger Gesangbücher gebrauchen könne. Nachdem ihm ein solche- zur Ansicht gesandt worden war, ergriff er freudig da« Anerbieten und bat um etwa 600 stück (natürlich scheu» kiingSweise), da er eventuell da- treffliche Buch auch in Agram werde gebrauchen können. Die erst« Sendung von etwa 300 Stück ist in diesen Tage» nach Agram obgegangen. Da noch so mancher unserer Mitbürger für sein liebgewordene- Leipziger Gesangbuch ein« wirklich» segen-reiche Verwendung vergeblich gesucht haben dürfte, so bietet sich ihm hier Gelegenheit dazu und wolle «an die Bücher (gut- gehaltene Exemplare) recht bald an da» Bnrea« de- Gnftav- »dols-Berein« (Thoma-kirchhos »0, II) »klänge» loffe», welche« sich mit der Sammlung und Versendung besaffra Exemplare de» Lharalbuch» sind willkommen. —o. Wie un< mitgetheilt wird, find die im letzten Bericht Über die Versammlung de« .Verein» für di« Geschichte Leipzig«" erwähnten Erinnerung-gegenstände an deu verewigten betagten Lvgeuschließer beim hiesigen Stadttheater, Herrn Müller» nicht von dessen Hintrrlassenen üderhaupt, sondern, au» Pietät, allein von seiner Wittw«, Frau Müller, den VereinSsammlnnaen überlaffen worden. Hieran schließen wir di« ua» selbst seiner Zeit an« dem Mnnde de» seligen Müller zugegongene» Mittheilungen, daß derselbe noch zu de» Soldaten gehörte, welch« «an früher ohne Weitere» auffin. nnd in die Regimenter steckt«. Müller war Schneidergeselle, nnv «ine» Tagä wurde er. der damals gerade «cht in Ardrit stand, mit »och mehreren arbeitslose« Handwerksgesellen von Ratd«dienern au» der Herberge geholt und aus dem Ratyhaose in Verwahrung genommen. Hier ließ man e» ihnen an guter Verpflegung nicht fehlen, und aach kurzer Gefangenschaft lieferte man sie acht hei W bei Gelegenheit der Feier seine» fünfzigjährige» Jubiläum» als Ehrengabe von, Theaterpersonal. Q Miltweida. 27. März. Im Lause de» verflossenen Iabre» war eine der drei Kirchenglockeu der benachbarten Kirchgemeive ONendorf desect geworden, und patt nur diese umgießen z« lassen, hatte der Kirchenvorstand den Beschluß gefaßt, ein ganz neue» Geläut« zu beschaffen. Da durch Eiupfarrung der bi» vor wenigen Jahren kirchlich zur Stadt Mittweida gehörigen Gemeinde Krnmbach die Kirchgemeinde Oltendors eine größere Ansdehnnng erfahren hatte, wurde für da» neue Geläut« «in tieferer Grundlos al» für da» frühere gewählt. Ursprünglich sollte die Weihe der neuen Glocken am Sonnabend vor dem S. Advent de« vorigen Jahre» vollzogen werden, mußte aber eine» Unfalls halber in der Gießerei verschoben werten und and am letzten Sonuabend nnd Sonntag statt. Da» neue leläute gereicht der Dresdener Glockengießerei gewiß zur ihre, denn eS besitzt nicht allein einen wunderfchöncn Klang, ondern bat auch einen etwa- tieferen Grnadto», al» es dem abgeschlossenen Vertrage gemäß haben sollte, nämlich K statt b'Is. wie ein Sachverständiger versicherte. — An Stelle de» disherigen Herrn Stadtrath Adolf Müller, welcher sich in ZreSden niedergelassen hat, ist Herr Kaosmann Emil tossiu« gewählt worden. Reichenbach i. V-, 2L. März. Am gestrigen Abend fielt der hiesig; nationalliberale Verein im Saale de« goldenen Lamm eine Versammlung ab, in welcher der Generalsecretair der nationalliberalea Partei, Herr vr. Jerusalem, über di« politischen, socialen und religissen Fragen der Gegenwatt referirte nnd dabei den Slandpunct »räcisirte, den die Fraktion der gedachten Partei hierin im seicbSkage vertritt. Der Vortragende erörterte da» Ver hallen der natto»alliberalen Fraction im Reichstage gegenüber dem Militairetat und verweilte längere Zeit bei den große» wirtl'schastlichei: Fragen, indem er dem direkte« und »ivlrecten Steuersystem, der sreibändlerischen und fchutz- vllnerischen Beivegung und dabei insbesondere den Hetreidezöllen. ferner dem Zolltarif, der socialen wie der coloniale» Frage und der TampfersubventionSvcr« lag« die weitgehendste Beachtung schenkte. In rückhaltloser Veise und von tiefer innerer Ueberzeugung getragen, gab >^err vr. Jerusalem seine auf reichem Wissen und vielseitig gemachten praktischen Erfahrungen gegründeten Ansichten über die politischen Tagesfragen zu erkennen und schloß mit einem warmen Appell an daS vertrauen und die loyale Te mming deS deutschen Volke- gegen seinen erlauchte» Kaiser und dessen zielbcwnßte Regierung. Hierauf entsprach der Verein-Vorsteher, Herr Kaufmann OScar Böhme, einem wohl allscikig gehegten Wunsche, indem aus drssen Ersuchen die Anwesende» zui» Zeichen deS Dankes für diesen klaren, ofsen- berzigen und frei von allem phrasenhaften Wesen gehaltenen Vortrag sich von ihren Plätzen erbobe». Nach einem von Herrn Böhme auSgebrachten dreimaligen Hoch auf Sc. Maj. den Kaiser, i» welches die Versammlung begeistert einstimnitH ging man hochbesriedigt wieder auseinander. I. Neust ädtel, 20. März. Gestern fand in der Man»« ckast-stllbe der Fundgrube .Gesellschaft" eine würdige Feier lichkeit statt. Es wurde nämlich durch Herrn Obcrdcrgrath Müller auS Ficiberg an drei Bergleute der genannte» Grude, den Zeugarbeitrr Karl Franz Puschmann au» Schneeberg, den Zimmerli»g Heinrich August Möckel eben- Gchlo an da» Militair ab. Iu der Wagram wurde Müller schwer verwnndet, auö sockt er später in anderen Schlachte«, so anch » der blutigen Schlacht bei Pododna. Der allaekannt« und namentlich beim Theaterpnblicu» sehr beliebte Greis erzählte gern au» feinem schicksalsreichen Leben und wußte den Vorwürfen, die man »hm vielfach wegen Annahme der vom Kaiser Napoleon UI. verli' Den Grs dal>er und den Doppelbauer Friedrich August Schulz a»S Neustädtel, die silberne Rctt»ngS»ievaille überreicht. Die genannten Bergleute hatten sich an den Arbeiten zur Rettung zweier Bergleute, welche am 5. Januar diese- Jahre in, NenjahrSschacdt von plötzlich cinbrechelirem Wass r eiu- geschlossen »nd erst am anderen Tage Abend lebend zu Tage gebracht worden waren, hervorragend und mit Aufopferung aller Kräfte und unter eigener LebenSgesabr bethciligt. Dafür wurde ihnen allgemeine Anerkennung zu Theil und von Seiten des Vergbauconsorlilim- ein nambasteS Geldgeschenk über mittelt. Herr Oberbergrath Köttig cm« Obcrschlema sprach ihnen im Auftrag der staatlichen Bel örde und der Bergbau» qrsellschaft herzlichen Dank au- und zollte ihrem Verhalten in der Stunde der Gefahr höchstes Lob. Der Feierlichkeit wohnten außerdem die hiesigen Herren Berg- und Gruben- beamtrn und auch die gefammte zur Tagschicht angesahreue Mannschaft der Grube .Gesellschaft" mit „Neujahrsschacht" bei. — Die günstigen Erfolge, welche die bisherige» Lehr- Meiereien erzielt haben, veranlassen den lanewirthschast- lieben KreiSverem »u Dresden, vom l. April d. I. an ein« weitere derartige Anstalt, und zwar aus dem Rittergut« FreibergSdorf bei Freiberg, unter der Leitung de-dortigen Rittergut-Pachter« Lorenz und dessen Ehefrau in- Leben zu rufen. Anmeldungen von Schülerinnen, welche da» 10. Leien»- jahr überschritten haben müssen, sind au genannten Herrn Lorenz oder Herrn Krei-secretair Münzner iu Freiberg zu richten. vermischtes. --- Berlin, 26. März. Der Kaiser hörte heute die regelmäßigen Vorträge und nahm mehrere militairische Mel dungen entgegen. Nachmittag« hatte der Kaiser eine Eonserenz mit dem KnegSminister Generallieulenani Bronsatt v. Schellen dorff und arbeitete mit den, Militaircabinrt. ---- Berlin, 20. März. Der Kaiser hat dem königlich sächsische» Oberst-Lieutenant Schuster, etat-mäßigen Stabs» osfirier de« 9. Insanterio-Regüneat» Nr. l 33, und dem könig lich sächsischen Bezirk»gericht»-Afsessor a. D. Vr zur. Fra na« zu Dresden den königliche« Kronen-Orden dritter Elass, verliehe«. --- Berlin, 2«. März;. S. M. S. Stokch, >0 Ge- schütze, Eommandant Tapitaiu z. S. von Nostitz, ist a» 2L. März e. in Tooktown eingetrossea. — Gotha, 2«. März. Am Mittwoch. Mittag» 2 Nhr, ist in Gotha, wie telegraphisch gemeldet, der Oberhofpredlger und Generaksuperintendent vr. Karl Schwarz gestorben. Mit ihm scheidet einer der hervorragendsten Vertreter de» freien Protestantismus ans der Kanzel, in der theologischen Literatur und iu der Kircdenpolitik. Geboren war er 1812 zu Wied ans Rügen, der Sohn de» dortigen Pastor«. Die Orte seiner Wirksamkeit waren Halle «nd Gotha Dort al» Privatdocent, der wegen Theilnahme au deu Bersamn, langen der protestantischen Freunde 1849 al« außerordentlicher Pri war er 1848 von dem Kreise deutsch« National-Versammlung gewählt. Nach Gotha wnrv« er in der Reactionszeit 1856 al« Oberconpstorialrath nnd Hofprediger berufe»; seit 1878 bekleidet« er anch oie General- fuperintendentur. In dieser Stellung «acht« er da» Herzog thum Gotha zu einer Zuflucht-stätte des kirchlich freie» Geiste», hatte hervorragenden Elntheil au der Gründung de» Protestantenvereüi-, übte eine «»gemein arohr Wirksamkeit a!« Kanzelredner und wußte in der Geistlichkeit lebendige» wissenschaftliche« Streben zu erwecken oder zu erhallte^ zu einer Zeit, wo r» damit anderwärts reißeud ab- wi« der »yeunaymr cui oen verzamn, rennde gemaßregelt wurde, seit Professor der Theologie; auch eis« Lorgan Liebeuwerda in di« Zeit. enemmen hat. Durch sein« acht Sammlungen Predigten urch sein 185« zuerst erschienene« Werk „Zur Geschichte «enrsten Theologie" hat er ans Tausend« auch von Laien in ganz Deutschland befreiend »nd erbauend gewirkt, wie selten
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