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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.05.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188505176
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850517
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850517
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-05
- Tag1885-05-17
- Monat1885-05
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.05.1885
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Erscheint täglich früh S'/.UHr. Ae-«rti«» und Llprtitioo Jobanne-gaffe 8. Sprechkuußrn -er Ne-arliou: Vormittags 10—13 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. F«r d< »iia,-d> N»«ei-I>»lkr «imiicrgn, »»cht sich »« »er»nu>- mchl »«rvuMich. «„»tzme »« für »ir §i«««er »«fttmmten Inserate an Sachrnta,en »i» S Uhr Rachmitta,». an Tan», nn» Keftta,rn früh hi«'Uhr. I> -en Filialen für Ins.-Jnnalime: Ott» klemm, Universitätsstraße L. Laut« Lüsche, Kalhanneastr. 23, p. »nr ht« '/.» Uhr. nWgtr,T«lgMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. Auflage ZlionnrmentSPrris vienelj. 4' /, Mir. »acl. Bringrrlohn 5 Mt., durch die Post bezöge» 6 Mt. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegezemplor 10 Ps. Gebühren ,ür Lktrabrilaae» lin Tageblatt. Format gesalzt) ahne Postbesörderung 30 Mt. »lt Poftdesörderung «8 Mt. Inserate 6gespaltene Prtitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut »ns. Preisverzeichniß. Tabellarischer u. Ziffernsatz nach HSHerm Tarif. tleclamen anter dem Redaktion«strich die4gespalt. Zelle SO Ps., vor den Familiennachrichtea di« Ogespaltene Zeile 40 Ps. Inserate sind stet- an die Sr»e»itia« zn jenden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prueoiuveraolia oder durq Post. Nachnahme. 1Z7. Sonntag vm 17. Mai 1885. 79. Jahrgang. Amtlicher Theil. Veffentllche Sitzung -er Sla-tveror-netru Mittwoch, a» S0. Mat I88S, Ab-ad» «'/. Ntzr im Paale der I. Vürgerschale. Tagesordnung: l. Bericht de« Bau», Oekonomie» und Finanzausschuffe« über Erweiterung der Stavtwasserkunst. II. Bericht de« BauauSschussc« über: ». Specialbudget „Städtische« krankenhau- zu St. Jacob" Ausgaben Pos. 74. 75, 76. 88. 96. NO de» HauSballplcme« pro 1885; d. Etablirung der III. Polizeibezirkswache in das Flecsch- hallengebäude am Johannisplatz. HI. Bericht de« Stislung«. und Bauau-schusse- über: ». Specialbudaet „Släctisches Krankenhaus zu St. Jacob" Ausgaben Pos. 89 — 93 de« 1885er HauShaltplaneS; d. Hußbodenerneuerung im Städtischen Krankenhau« St. Jacob. IV. Bericht de« Stiftung«-. Bau- und OekonomieausscbuffeS über n. ein Abkommen mit Herrn Wenck wegen Areal- überweisuug in Reudnitz; d. einen AreolauSlausch be züglich der den Gvigt'schen Erben gehörigen Parzelle w 310 in Reudnitzer Flur und der ebendaselbst gelegenen Parzelle m 309 de« JohannisbospitalS. V. Bericht des Oekonomieausschiiffes über: u. Beschaffung zweier Sprengwagen-b Erbauung zweier Hauptschleußen- siränge am neuen Börsengebäude; e. Aufforstung der Parzelle m 233 deS Flurbuchs für Leutzsch; ä. Umbau der Plagwitzer Brücke. VI. Bericht über die Rathsvorlagen, betr. ». Abänderungen an den Beleuchtungsanlagen in der Theatergaffe; d. Be» lcuchtung-verbefferung am Ausgonge der Windmühlen» gaffe; c. Abänderungen an den Beleuchtungsanlagen in der Marienstraße. " Bekanntmachung. Wir machen hierdurch aus die hierort« bestehende Be stimmung aufmerksam, wonach, wenn eine Familie mehr al» drei Kinder zu gleicher Zeit zur Volksschule schuM auf An suchen der Eltern ober deren Stellvertreter nur sür die drei jüngsten Kinder Schulgeld erhoben werden soll. — Diese Bestimmung kann selbstverständlich dann keine An wendung finden, wenn schon einem oder mehreren Kindern einer Familie freier Schulunterricht gewährt wird. Leipzig, am 7. Mai 1885. Der Rath der Ptavt Leipzig. vr. Georgi. Lehnert. Vekanntmachung. Die Abputz- und Anslrelcherardeileu am Windmühlen- und Münzthvrhause find vergeben, und werden daber die unbe rücksichtigt gebliebenen Herren Bewerber ihrer Offerten ent bunden. Leipzig, am 7. Mai 1885. Der Rath der Ttadt Leipzig. vr. Georgi. Gringmulh, Assessor. Vekanntmachung. Nach tz. 7 de« Gesetzes Über die Ausübung der Fischerei in fließenden Gewässern vom 15. Oclober 1868 muß Jeder, welcher die Fischerei ausüben will, ohne an der Stelle, wo er dies vorzunebiyen beabsichligt, entweder als Fiscberciberech- tigter, oder als Pächter, oder als angestettter Fischer zur Ausübung der Fischerei befugt zu sein, mit einer von der Polizeibehörde beglaubigten Aisöhkarte versehen sein. Der Betreffende bat diese Karte ve» Ausübung der Fischerei stet- mit sich zu führen und darf dieselbe einer anderen Person zu gleichem Behuse nicht überlasten. Zuwiderhandlungen werden mit Geld bis zu 15 Mark oder entsprechender Hast bestraft. Die von der hiesigen Fischer-Innung für die fließenden Master in der Stadt und in der Umgegend, soweit derselben das Fischrecht darin zustcht, ausgestellten, aber nur zum Angeln und unter Ausschluß des Gebrauch- von Hecktbatcn berechtigenden, für da« lausende Jahr giltigen Fisckkarlen werden in unserem Pa--Bureau am Raschmarkte Rr. I, I., gegen Erlegung von Fünf Mark auSgegeben. Leipzig, am 16. Mai 1885. DaS Polireiamt -er Stadt Leipzig. Bretschneider. Daegner, S. Wat-graserei-Verpachtung. Im Forstreviere Eonuewitz soll Montag, deu 18. Mat d. I. die diesjährige GraSiiuhuiiq unter den im Termine noch näher bekannt zu gebenden Bedingungen und gegen sofortig« Bezahlung nach dem Zuschläge pärccllenwcise meistbietend verpachtet werden. Zusammenkunft: I. Vormittags 9 Uhr am Pftanzgarte» hinter dem Streittciche bei Connewitz. II. Vormittag» l l Uhr an der Wet-eu Brücke auf der Connewitzer Linie. Leipzig, am 8. Mai 1885. De» Rath» Forst-Deputation. Bekanntmachung. Die zu dem Umbau der Plagwitzer Brücke erforder liche Anlieferung und Monlirung de« eisernen Brücken-Ueber- baueS soll an einen Unternehmer in Accord vergeben werken. Die Bedingungen und Zeichnungen für diese Arbeiten liegen bei unserer Tiefbau-Verwaltung. Rathhaus. II. Etage, Zimmer Nr. 14. auS und können daselbst eingesehen resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten find versiegelt und mit der Aufschrift: Stferuer Uederha» -er Plagwitzer Brücke versehe» ebendaselbst und zwar bl« zum 29. Mai 1885, Nachmittag- 5 Udr, einzureichen. Leipzig, am 16. Mai >885. De» Rath» -er Stadt Leipzig Straße» bau. Deputat«»». VvffentHellv vnMLniIIei'-L.elii'Li»8lLlt. Iloat»s 6«v 18. Uni ftHb 7 Udr im Voeul« 6er »Iben Dkomnn- »«-»I« ^uwawusprUk»»» 6er usa »mseweläeten 8cdül«r. vr. Wille» 8»1tt. Bekanntmachung. Die Schlosser- und Malerarbeitea an dem Neubau der II. Bürgerschule sollen vergeben werden. Die Anschlags- sormulare und Bedingungen sind bei Herrn Hcsbaumeister Brückwald (Nürnberger Straße 44, II.) zu entnehme». Die Gebote sind versiegelt und mit der Aufschritt „II. Bürgerschule" versehen bi« Sonnabend, den 23. Mai, Nachmittag« 5 Uhr auf dem Bauamte (Rathbau«, 2. Etage, Nr. 5) abzugeben. Leipzig, den 16. Mai 1885. Die Bau-eputation de» Rathe». erledigt bat sich unsere Bekanntmachung vom 6. S ptembrr 1884 — abgedruckt in Nr. 252 dieses Blatte- vom vorigen Jahre — deu Torrectionär Franz Emil Bünau von hier betreffend, durch dessen erfolgte Ausareisung. Leipzig, am IS. Mai 1885. DaS Poltzeiamt »er Stadt Leipzig. Bretschneider. K. Von dem Unterzeichneten Amtsgericht soll das zum Nachlaß de» Graveur» Gustav Hermann Julius Heitmann in Reudnitz gehörige, daselbst an der Schulstraße unter Nr. 4 gelegene, aus Folium 621 deS Grund- und Hypolbekcnbuches für Reudnitz und mit Nr. 235 im Brandcataster sür dielen Ort eingetragene Hausgrundstück Erb- theilungS halber auf Antrag der Grundstückseigner am 26. Mai 188» freiwillig versteigert werden. Es haben daher Diejenigen, welche dieses Grundstück unter den am Gcrichtsdret auShängeiiden Bedingungen zu erstehen gesonnen sind, an dem vorgedachten Tuge Mittag- vor 12 Uhr, widrigenfalls sie zum Bieten nicht mehr wrrden zugeiaffen werden, o» der im Schloßkelleretoblissement zu Reudnitz hierzu gewählten Gerichtsstelle sich anzumeldcn, über ihre Zadlung-sädigkect sich auszuweisen, ihre Gebote zu thun und zu gewärtige», daß Mittags 12 Udr nach Auciionsgebrauch werde verfahren, beziehentlich da» Grundstück unter den im Termin »och besonders zu eröffnenden Bedingungen dem Meistbietenden werde zugeschlagen werde». Leipzig, den 6. Mai 1885. Königliche« Amtsgericht. Abtheil. V. Lect. 2. von Elterlein. S. Die Organisten-Stelle an der cvaiigelijch-resormirten Kirche wird wegen vorgeschrittenen Alter« ihres gegenwärtigen Inhabers zum 1. October d. I. erledigt. Geeignete Beweib». ,>m dieselbe ersuchen wir, sich unter Einreichung ihrer Qualifikation«- und andern Zeugnisse alsbald, und spätesten- »iS zu« I Juli «. I.» bei un» zu melden. DaS Nähere über die Stelle ist bei unseren Predigern v. Dreydorff und I-ie. Simons zu erfahren. Leipzig, den 16. Mai 1885. Las rvangelisch-rrsormirte Cansiftorilim. Vekanntmachung. Die Arbeiten einer Veichleußungsanlage, uicl. Beischleußen zu den Grundstücken aus der Leipzig-Wurzencr Chaussöc in Ncuscllerhausen sollen vergeben werden. Solide Unternehmer erholten nähere An-kunst im hiesigen Ge meindebureau, wo auch Blankets zu Kostenanschlägen, sowie die Bedingungen gegen Zahlung der Copialicn zu erhallen sind. Neusellerhausen, vm 1b. Mai 1885. Lrr iÄrmcinderath. Seysferth, Gern.-Borst. Nichtamtlicher Theil. Die Neichstagssesfion. Da« Eraebniß der am 15. Mai geschloffenen ReichStagS- session läßt sich kurz dahin zusammensasien, daß der Reichstag die Colonial-, die Social- und Steuer-Politik derReichsregicrung genehmigt und sie demgemäß zu der Fortführung derselben ermuntert bat. Da» ist ein Ergebnis, aus welches beim Be ginn der Session nicht gerechnet werken konnte, es war viel mehr mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die Ablehnung der Postdampservorlage und der auf die Colonialbestrcbungen der Regierung bezüglichen Etakspositiouen zu erwarten. Diese Erwartung hal sich glücklicherweise nicht erfüllt und dadurch ist dem Reiche die Auslösung deS Reichstages und die daraus folgende Aufregung eines erneuten Wahlkampfes erspart geblieben. Daß eS so gekommen ist, hat seinen Hauptgrund in dem Protest eines sehr beträchtliche» TheilcS der Wähler gegen die Abstimmung vom 15. Dcccmbcr, durch welche der zweite Directorposten im Auswärtigen Amt in zweiter Lesung gestrichen wurde. Man nannte die tics gehende Bewegung, welche damals die Bevölkerung ergriffen batte, auf deutschfreisinniger und ultramonlaner Seite eine künstlich gemachte, aber trotzdem haben sich beide Parteien zum Theil dem durch die Bewegung auSgedrücktcn BolkS- wille» gebeugt, und in dritter Lesung die vorher abgelehntc Position wieder bergestellt. Auch die Dampfcrsubvcntions- vorlage ist ungeachtet der außerordentlichen Verschleppung der Sache schließlich in annehmbarer Form bewilligt worden und der Nacktraqsetat sür den Gouverneur in Kamerun und dciS Beamtenpersonal in Augra Pequena sowie in den sonstigen deutschen Colonien an der Westküste Afrikas hat ebensalls die Zustimmung des Reichstags erlangt. Nicht ohne Einfluß aus da» Entgegenkommen de» Reichstags in der Colonialfrage war der Kampf, welcher unmittel bar vor Weihnachten bei Kamerun flattsand. Die aus gezeichnete Haltung unserer Marine bei diesem Anlaß hal die Climmung de» Reichstage- wesentlich gehoben und eine Mehrheit zu Stande gebracht, die obne solche- Ereigniß sich wohl in bescheideneren Grenzen gehalten hätte. Nachgewirkt hat diese Stimmung auch aus die Bewilligung der für die Marine geforderten Summen. Der Feuereifer eine- Eugen Richter reichte nicht hm. um einer so mächtigen Bewegung Hall zu gebieten, er selbst wurde durch sie mit sortgercffen und wohl nur dieser Anwandlung von .Schwäche" wird er eS zu danken haben, wenn er bei den nächsten Reichstags- wahjen nicht durchsällt. Der Durchschnitts-Philister ii den großen Städten bat zwar eine gehörige Dosis von Oppositionsgeist in sich, aber nur in ruhigen Zeiten, wenn Alles seinen gewohnten Gang geht Tan» ver spürt er etwas von der Kraft deS Weltverbesserer?, in sich, und diese Kraft krängt ungestüm nach Geltendmachung; sowie aber die Ereignisse eine ernste Wendung nehmen, welch? daS Eingreifen energischer und zirlbewußter Männer erheischt, daun ist er vernünftig genug, sich ihrer Führung anzuvertrauen. Die gesammlc Macht der Richter und Gc- noffen beruht aus der geschickten Benutzung dieser Schwäche eine» großen Theilcs der Wähler. ES ist für diese Kategorie ein unbehaglicher Zustand, daß die StaalSmaschine ihren Gang so vollständig ohne ihre Mithilfe gehen soll, sie haben ka» Bedürsiiiß zu tadeln, gleichviel ob sie etwa» von der Sache versieben oder nicht. Für solche Leute sind die Herren Richter, Baniberger. Braun und Genoffen wie geschaffen. Das Unsallversicberungsgesetz hat eine bedeutende Aus dehnung erfahre»; die Arbeiter de» Tran-portgewerbe» sind in den Kreis unfallversicherungspflichtiger Arbeiter einbezogen worden, ein sehr großer Fortschritt, und es bleibt nur zu wünschen, daß wir über die unerquicklichen Vorbereitungen der Anssührung de- Gesetze- schnell und leichter hinweg- kommen, als eS bei der Durchführung de» Krankenversicherung-» gcsetzeS geschehe» ist. Lehrgeld muß bei allen neuen Einrich tungen bezahlt werden; bas Kind darf deshalb nicht mit dem Bade auSzeschütlel werden, weil das Wasser nicht die richtige Temperatur gebabt bat. Die Socialdemokraten sind freilich mit dem bisher Erreichten nicht zufrieden, sie wollen den Zwang zur Sonntagsruhe. daS Verbot der Frauen- und Kinderarbeit, den NormalarbeilStag, den Wegfall der Ge- fangeiienarbcit sür industrielle Zwecke, die Invaliden versicherung. DaS sind zum Theil sehr berechtigte For derungen, die sich aber nicht alle zugleich erfüllen lasten, .kommt Zeit, kommt Rath", darf man den Heißspornen entgegenrusen, aber im Ganzen und Großen bricht sich in Arbeiterkreisen mehr und mehr die Ucberzeugung Bah», daß die Reichsregierung auf dem richtigen Wege ist, daß sie das rkut, waS die Arbeiter vernünftigerweise erstreben können. Goldene Berge verspricht die Reichsregierung nicht, wie es die Führer der Socialvemokraten vielfach thun, dafür ist sie aber wirklich thälig für die Verbesserung der Lage der Arbeiter, und das ist ein Fortschritt, der groß genug ist. um die dafür anfgewendeten Bemühungen zu belohnen. Fürst Bismarck ist der erste Staatsmann, welcher die Lösung der socialen Frage auf praktischem Wege ver sucht hat. Er ist mit dieser Riesenarbeit bereits sieben Jahre lang beschäftigt, er hat aber auch ein gutes Stück Arbeit vor sich gebracht. Die Kranken- und Unfallversicherung der Arbeiter ist zu einem erheblichen Theile abgeschloffen und die Invalidenversicherung in der Vorbereitung. DaS ist jeden falls mehr, als dir Socialvemokratie bisher au« eigener Kraft geleistet hat. Ein Hauptergebniß der verflossenen Session de« Reich«- lagek ist cie Erhöhung de« Zolltarif« sür eine lange Reihe f von Ge.-r,ständen, aber in erster Linie sür den Getreide- und Vcebzoli'. Diese Erhöhung entspricht der seit 1879 befolgten Zollpolitik, mit welcher wir nicht einverstanden sind. Die Meinungsverschiedenheit über die Zollpolitik der ReicbSrcgie- rung ist sehr durchgreifend, aber eS ist vor allen Dingen »ölhig, daß jetzt endlich einmal Ruhe eintritt auf diesem Ge biete. Die fortwährenden Schwankungen sind weit schädlicher, als eine bcstimmle Stellungnahme, welche es den Interessenten möglich macht, darnach ihre Maßregeln zu treffen. Wer im Rechte ist, das werden schließlich dir Erfahrungen in Zahlen ausgekrückt lehren, vorläufig läßt sich der Beweis nach dieser oder jener Richtung hin noch nicht mit Sicherheit führen. Daß die Börse höher besteuert wird, als dieS bisher geschehen ist, wird von vielen Seiten mit lauter Zustimmung begrüßt. DaS solide Waarengeschäst soll durch die jüngst angenommene Dörscnsteuer nicht getroffen werben, man will damit lediglich die Börse treffen. Es fragt sich, ob die richtige Form gesunden wurde, damit die Börsengeschäfte als solche und nicht die außerhalb der Börse stehenden Kreise ge troffen werden. Tie Börse hat daS natürliche Bestreben, eine ihr zugedachte Steuer aus Andere abzuwälzen. Die vergangene Session des Reichstage« schließt die An fänge eines großen Umschwunges auf den verschiedensten Ge bieten deS öffentlichen Lebens in sich, sie hat der Eolonial- politik, welche seit zehn Jahren vorbereitet wurde, die Wege geebnet, sie hat die seit sechs Jahren begonnene Zollpolitik gekrästigt und sie hat die Aussicht eröffnet, daß die sociale Bewegung unter dem Schutze der Reichsregierung allmätiq in gesetzliche Bahnen geleitet werden kann. DaS Ergebnis ift der großen und energischen Arbeit der deutschen Volksver treter wertb, sie ist nicht vergeblich gewesen, »nd wenn wir schließlich sagen, daß dieses Ergebnis der Verbesserung fähig ist. so ist damit über das Erreichte gewiß nicht der Slab gebrochen. * Leipzig, 17. Mai 1885. * Zum Schluß der Reichstagssession schreibt die „Nationallibcrale Correspondenz": Der Reichstag ist »ach sech-monatlicher, nur durch kurze Paulen unterbrochener Dauer geschlossen worden. Es war die erste Sesfion einer neuen Legislaturperiode, die sich von der vorcmgegangenen Periode hauptsächlich durch eine erhebliche Schwächung der lmkslibcrale» zu Gunsten der conservaliven Parteien unterschied. Die Zusammensetzung des Reichslag» war keineswegs eine de- friedigende. Der sür unsere gegenwärtigen Berbältniffe allein zu- träglichc und ersprießliche Zustand einer parlamenlarischen Mehrheit au- Eonservitivcn und Geniäßigtliberalen, aus die eia Jahrzehnt lang in den besten Zetten unsere ReichSqcsctzqebung sich stützte, war nicht erreicht. Wohl über bildeten da- Centrum und die beiden konservativen Parteien oder, wenn die Anhängsel deS elfteren mit helfen, selbst Klerikale und Deulscticonservative ohne die Reichspartei eine Mehrheit. Gesetze aus dem Zusammenwirken von Lonservotiven und Nationalliberalen konnten nur zu Stande kommen, wenn all dem Centrum oder der deulschfreisinnigen Partei noch etwa- Zuzug hinzukam. Dieses parlamentarisch? Grundverhältniß. weit ungün- stiger, als es im preußischen Abgeordnetenhaus bestand, bat zur Folge, daß, wenn überhaupt positive Leistungen zu Stande kommen sollen und so lange wir nicht einr Regierung haben, die sich unbedingt und rücksichtslos aus eine rcactionäre conservativ-klerikale Mehrheit von größter jtnavpheit stützen will, mit wechselnde» Mehrheiten ge- arbeitet werden muß, was eine konsequente zielbewußie Polittk aus- schließt oder sehr erschwert. Gl-ichwohl kann man mit dem Ver lause und den Ergebnissen der ReichSlagSsession noch ziemlich zufrieden sein. Dle Reaclwn bat Nicht allzu viel thalsächliche Ersolge anszuweilen, i,»d bei wichtigen nationale» Fragen erwies sich der Druck der öffentlichen Meinung noch so mächtig, daß sich ibm auch daS Cenlrum und die deutschsreisinnige Partei nicht ganz zu entziehen vermochten. Die VciorgNiffe vor einer Reichsiagsanflöiung, die den LpvositivnS- varieien leicht hatte gefährlich werden können, waren so wirksam, daß sich bei nationalen Fragen eine Rcichslagsmehrbeit. wenn auch widerstrebend, doch schließlich zue Unterstützung zusamineiisand. Da war namentlich bei der großen neuen Ausgabe, die au da» teulsche Volk herantra«. der Lolonialpolitik, der Fall. Der Reichstag Hot. wenn auch mtt einer bedauerlichen kleinen Bersiüininelnng. das DamvfersilbventionSgcsctz z» Stande ge. bracht, er l al die sür die ersten Berwaltungscinrichlnngen in den deulsch- asrikanischen Colonien gesorderkeu Summen genehmigt, er hat. nach- dem der volk-thümlichr Entrüstung-sturm etwa- nachgeholfru hotte, dem Reichskanzler die erforderlichen Arbeitskräfte zur ersprießlichen Füh- ru»g der auswärtigen Geschäfte bewilligt, er hat die Errichtung ver- sch'edener neuer Lonsulate zur Beförderung einer kräftigen über seeischen Politik gut geheißen. Er hat ferner den Rcichszuichuß sür den Zollanschluß von Bremen bewilligt und dann die volle Durchführung der deutschen Zolleinheit gesichert. Im Nebligen stand im Mittelpunkte der gesetzgeberischen Arbeiten vornehmlich der neue Zolltarif, der in monatelangen Berathungen die kräste de-Reichs lag» auf- Aeußcrste in Anspruch nahm. Der neue Zolltarif u»t seiner starken Vermehrung de» inhuftriellen und namcnilich des land- wirthschastlichen Zollschutze- ist schließlich mit einer ansehnliche» Mehr- heit zu Stande gekommen. Wir wollen nur hoffen, daß damit end lich Ruhe und Stetigkeit in unserer Zollpolitik eintritt. Die social- politische Reformgesetzgebung, die mit vollem Recht al-ein? der wichtigsten Ausgaben unserer Zeit hingestellt wird, ist in der ver flossene» Session gefördert worden. Nur die Ausdehnung der Uniall- und Krankenversicherung aus dir Tran-vortgewerbe ist zu Siande ekommrn, der wichtigere Entwurf über die Unfallversicherung der lrbeiter der Land- und Forstwirthschaft ist nicht mehr zur Erledigung gelangt. Man wird überhaupt nicht erwarten dürfen, daß diese un gemein schwierige Gesetzgebung, für welche die berühmie kaiserliche Botschaft die Grundzüge sestgestellt hat, nun mit aller Beschleunigung Schlag auf Schlag zu Ende geführt wird. Wenn irgend wo, io ist hier vorsichtiges schrittweise- Borgehen geboten, und e» muß die prak- tische Bewährung der ja noch kaum in Kraft getretenen bisherigen Gesetzgebung abgewartet werden. Aus dem Sehiete der Steuer politik ist, abgesehen vom Zolltarif, ein Gesetz über Verlängerung der Giltigkeit de- Zuckersteuergesetze- und ein neue» Börsensteuer- gesetz zu Stande gekommen, vorausgesetzt, daß, wie zu erwarten, der Bunde-rath dem letzteren seine Zustimmung giebt. Bei dem Börsensteuergesetz sind die Wünsche der nationollideralcn Partei nicht überall durchgedrungen, da- Gesetz kam aber schließlich doch in einer Form zu Stande, daß auch sic zuzustimmen vermochte, so daß sich eine ganz überwältigende Mehrheit dafür ergab. Die Besorgnisse vor einer unheilvollen Belästigung de- soliden Geschäft- können zum größten Theil al- beseitigt gelten. Aus der Mitte de- Hause», wie der Börsensteuerentwurf, war auch der übliche Antrag Windthorst auf Abschaffung de» Ex» patrürung-gesetzes hervorgegangen, der im Reich-tag, Dank der Speculation recht- und link- aus ultramontane Wählerstimmen, eine große Mehrheit fand, vom Bunde-rath aber abgrlchnt werden wird. DaS Eintreten einer io großen. daS conservativ« und deutschsreisinnige Lager umiassenden Mehrheit sür die kircheapolitisidea Demonstration», anträge des Herrn Windthorst ist eine sehr unerfreuliche Eigenthüm- lichkeit deS Reichstags in seiner dermaligen Zusammensetzung. Die ebenfalls aus der Mitte deS Reichstag- hervorgegangenen Anregungen ur Verstärkung des Arbeiterschutze-, insbesondere Beschrün- üng der Sonnt»g-ardeit, haben zu keinem praktischen Ergedniß ge führt: nicht einmal die von «attonalliberaler Seite oeautragte Enquete ist beschlossen worden. Et traten dabet so maßlose, mit den Verhältnissen und Bedürfnissen de» praktischen Leben« in Wider spruch stehend« Ansprüche und Forderungen aus, daß in der Frage der Sountag-orbeir der Reichskanzler sich genüthigt sah, den lieber eifer der hvchconservativen und klerikalen Heißsporne zu dämpft». Wenn aus diesem Gebiete wirklich heilsame Fortschritte erreicht werde» sollen, so ist vor Allem Maßhalien und nüchterne Prüfung der tbat- sächlichen Verhältnisse geboten. Dasselbe gilt auch von den confer- valiv-klerikalen Anregungen zur Abänderung der Gewerbeord nung. Bon großen Regierungsvorlagen sind außer dem erwähnten Enlwurs über die Versicherung der landwiribschastlichea Arbeiter nur de Postspareassenvorlage, der russisch-deutsche Au»lie- serung-vcrtrag und der Juftizreformentwurs unerledigt geblieben. Die beide» letzteren Vorlagen sind so spät eingegangen, daß sie nicht einmal zur ersten Lesung kamen, sondern mit still schweigender Einwilligung der Regierung einfach liegen blieben. Gegen die Postsparcaffeuvorlage erhob sich theil- au- particularisn- schen Bedenken, theil- au» Sorge für die Blüthe der communalen Sparanstalten so viel Widerspruch, daß da- Gesetz diesmal nicht durchzudringea vermochte. E» wird aber ohne Zweifel demnächst wiederkehren. DaS sind in Kürze die wesentlichsten Gesetzgebung-- fragen, die den Reich-tag neben der Etat-brrathung, di« diesmal einen besonder- großen Umfang annahm, tu der verflossenen Session beschäftigten. * Gras Herbert Bi«marck wird sich in den nächsten Tagen nach dem Haag begeben, um sein Abbrrufung-schreiben zu übergeben. * Der neue amerikanische Gesandte am Berliner Hofe Mr. Pendleton mit Frau und zwei Töchtern ist Mittwoch Abend 8'/, Uhr über Bremen in Berlin eingetrofsen und hat für längere Zeit Wohnung im Hotel Royal genommen * Der „Kölnischen Zeitung" wird über die Stellung Deutschlands zur afghanischen Frage aus Berlin Folgende- geschrieben: ..Gewisse französische Blätter, in erster Linie da- osficielle Organ der Prinzen von Orleans, der „Soleil", sodann aber auch der vom Herzog von Aumale gegründete, jetzt republikanisch gewordene „Deinpr", haben gelegentlich de» drohende» russisch-englische» Zer würfnisse- wiederholt behauptet, di« Entscheidung der Frage, ob cs Krieg geben oder Friede bleiben werde, hänge von den Entschließungen des Fürsten Bismarck ab. „Fürst Bismarck allein", so schrieb der „Soleil", „ist in der Lage, den Zorn von England und Rußland zu entwaffnen. Er brauchte nur den Finger zu erbeben und Friede» zu gebieten, und eS würde Friede bleiben. Aber der deutsche Reichs kanzler bätet sich wohl, die- zu thun; er scheint im Gegentheil be müht. da» glimmende Feuer zur Hellen Flamme anzusachen; den» ein Krieg zwischen Rußland und England würde unter allen Um ständen vortheilhast sür ihn sein; die Niederlage Rußlands würbe das mililairische Uebergewicht Deittschland- unantastbar »lachen, während die englische Niederlage dem Fürsten Bismarck gcstallcn würde, seine Ziele aus coloniolvolitischem Gebiete unbcbindert zu verfolgen. Aus diese Weise erklärt sich auch" — fügt „Soleil" a» einer anderen Stelle hinzu — „weshalb Deutschland der Türkei keineswegs den Rath erthrilt hat, die Dardanellen der englischen Flotte zu verschließen." In demselben Sinne äußert sich der „TempS". Jedermann müsse anerkennen, wurde dort gesagt, daß Deutschland allein in der Lage sei, den Krieg zu verhindern; wenn aber Fürst Bismarck Ruß land gewähre» saffe, so sei der Verdacht gerechtfertigt, daß Deutsch- land einen Kamps aus Leben und Tod zwischen den beiden Mächten gern sähe, von denen Rußland es durch leine Nachbarschaft. England durch seine Uebermacht zur See und durch seine liberale StaatS- eiurichlung beunrubige. Mit den angesühnr» Neußerongen konnte nicht» bezweckt werden, al- Deutschland zu verdächtigen, um spater, falls e» zum Kriege gekommen wäre, behaupten zu können, er sei da» Werk de- Fürsten Bismarck und dieser habe die Berantwortlickikeit dafür zu tragen. Tie orleaiiistischen Verhetzungen haben keinen Eindruck aus die öffentliche Meinung in Deutschland gemacht. Diese ist sich klar darüber, daß Deutschland seine Nachbar» nicht fürchtet »nd nicht zu schwächen sucht, und daß kein Grund vorliegt, weshalb die liberalen EiniiktNiinge» Englands Deutschland beunrubiqen sollten, zumal daS englische Wahlgesetz »och weil entfernt ist, so liberal zu sein wie das des deutschen Reiches. Alles. waS die orleonistische Presse in Bezug aus du Stellung de« Fürsten Bi-marck zur afghanischen Frage ausgestreut hat. ist eitle- Gerede, sür unwissende Leser be stimmt, die man durch den doktrinären Don, in dem jene politischen Alner.iheitki, vergclrogen wurden, zn bethören hoffte und «heilwcise brthörlr. In Deutschland sind jene Verdächtigungen, wie gesagt, linberücksichligt geblieben. Aber auch im Au-laade hat sich der gesund« Menschenverstand dagegen erhoben.
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