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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188506136
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850613
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850613
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-06
- Tag1885-06-13
- Monat1885-06
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1885
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Erscheint täglich ftüh S'/,Uhr. Nr-artt«n und Lr-etMo» IohanneSqasie 8. -Pktchkundkn drr krdarlio«: vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. Für tu »!l,<Ij»d, nnzet-ndicr m»nulcr>»t, »ach« Fü «>« «««rinn «><»i »«ümütrch. >««atz«r »er fir »ie nS»fts«l,r»»e Nummer bestimmten An fr rare an Wochentagen »iS 3 Uhr Nochmitta-». a» ko»»- Festtagen früh bi«'/,» Ndr. Zn den /ilialrn für Zns.-Ännahme: Ott« Alrm», UnIversitätSstrahe 1. Lout« Lösche, Katharinenstr. 23, p. nur bis '/,S Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. 'Auslage Itt.ION. .Xlisnnkmrntsorris Merkels. H , MN. incl. Vringenolin 5 Mk., d«rch die Post dezogca 6 Mk. Jcvc emzelii- Nuiiilner 20 Pf. Belegexemplar 10 Pi. Slebüliren jur Eztrabeilaaea sin Tagedlatt-Format qesalzt) otinc choütejör>7rung 33 P>k. mir Loschest, rderlina 48 Mk. Inserate 6czeiva>lenc Pctitzrile 20 Pf. MeShcre Llvriiien laut uni. Pre.sverjeichuis. ZadeUanfche: u. .chsteraiap »ach höhenn lar>>. Nrrtamen -nter dem NedaciicnSstrich dielgetpalt. AeileöOPs., vor den siamitiennachrtchken die 6qeipalte»e 8r>le 40 Pt. Jnstrate sind » re an die EvvcSition za icndea. — Naball wird n chl gegeben. Zahlung pr»enu»»-,»lliio oder durry P:ft- aacniialinie. ^ 1K4. - ^ Sonnabend den 13. Juni 1885. 7!>. Jahrgang 1 L Zur gefälligen Venllslnng. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den LL Juni, Bormittags nnr bis j S Uhr geöffnet. Lxpe<1lt!vn ües I.eiprlxor I'nsv^Iattes. Amtlicher Thetl. Vrkaiinlmchuils. Die Stücke 17. 19. 19 und 20 de« diesjährigen Reick», gesetzblaltc» sind bei unS «ingegangen und werden bi» zun» 4t. Juli VS. IS. auf de», Ra'hhanssaalr zur Einsichtnahme öffentlich aushäiiaen. Dieselben enthaltcn: Nr. 1806. Bekanntmachung, betreffend die Redaktion de« Zoll- tarifgesekeS. Vom 24. Mai 1885. Nr. 1607. Gesetz, betreffend die Feststellung eine« Nachtrag» zum ReickshauSbalts - Etat für da« EtatSjayr 1885/86. Vom 23. Mai 1885. Nr. 1608. Gesetz über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung. Vom 28. Mai 1885. Rr. 1609 Gesetz, betreffend den Schutz deS zur Anfertigung von RcichOccissenscbeinen verwendeten Papier« gegen unbefugte Nachahmung. Vom 26. Mai 1885. Nr. 16l0. Convention zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Madagaskar. Vom 15. Mai 1885. Leipzig, den 9. Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgi. Krumviegel. Bekanntmachung. Wir bringen hiermit zur allgemeinen Keiintnik, daß den 2V. biO 21. ds«. MtS. RaöhtS die Hauptröhreu der städtischen Wafferlettuug durch die Spülschi-bcr nach den Sckteußcn und vom 21. bi«. Mtö. an die Spülung der Zweigröhren am Tage stallfinden wird. Leipzig, am 10. Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Gringmuth. Assessor. Grundstücks-Versteigerung. Da« der hiesigen Sladtgemeindc gehörige HauSgrundstück Rilterstraße ^ und Nr. 119, Abth. L deS Brand neue Nr. « cataster«, soll Montag, den 2tt. Juni L88S, Vormittag« II Uhr, im Saale der Alten Waage» Katharinenstraße Nr 1, 2 Etage, zum Verkaufe versteigert werden. Der Bersteigerungstermin wird pünctiich zur angegebenen Stunde eröffnet und di? Versteigerung selbst geschloffen werden, wenn nach dreimaligem Ausrufe kein weiteres Gebot mehr erfolgt. Die DwsteigerungSbcdingungen liegen schon vor dem Termine auf dem großen Vorsaale in der 1. Etage deS Nath- Hauses zur Einsichtnahme auS und werden Abschriften davon aus Verlangen gegen Bezahlung der Schreibegebtlhr abgegeben. Wege» Besichtigung deS Grundstück» wollen sich Er stehung-lustige in den Tagen vom 15. bi« 20. ds«. MtS., Vormittags zwischen 10 und 12 Uhr an unser Bauamt, Hockbauverirallung (RathhauS, 2. Etage, Zimmer Nr. 5) wenden. Leipzig, den 3. Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr Georgi. Kretschmer. Bekanntmachung. Die von unS angekündigte Umnumerirung der Häuser ist beendet; eS bleibt vorläufig und bi- aus Weiteres den Hausbesitzern freigcstellt, die frühere Hausnummer außer der neuen am Hause anzubringen, dasern erstere ausdrücklich als „alte Nummer" mittelst eines neben derselben angebrachten Schildes bezeichnet wird. Leipzig, am 9. Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. G- 1 - — . 2 2 3 10 5 3 2 160 1 Bekanntmachung. Im Monat Mai a o. gingen beim Armenamte ein 4 alS Sühne in Sachen S. '/. A. durch Herrn Friedensrichter Conrad. von Herrn Chr. Rob. Tauchnitz, verpflegkosten. Ucberschuß, 50 - Sühne (abzüglich von Kosten) in Privatklag, fachen deS Herrn 8tml. ptiil. Gustav Böhme '/. Herrn Buchhändler E. Gründel, gezahlt von Letzterem und der Armencasse von Elfterem überwiesen, 50 - Honorar von „Emilie" durch da- Bureau de- Leipziger Beamken-BereinS. — » al- Sühne in Sachen S. V. L. > durch Herrn D. G ) Friedensrichter Sch./.A. IG A. Jauck »en. H. R. W. B. H. M. -/. E. A. A W. E. V. R O N. -/. O. H I H. /. M F. C N. -/. C. W. 1 199 .-k — Dankend quittirt Leipzig, den 8. Juni >885 Der Rath der Stadt Leipzig. (Ar«eaa«t.) Lodwig-Dolf. Junghähnel. Vermlrlhuiig „n Seschüllslocalilillen. Tie z. Zt. an Herrn Kaufmann Otto Kamper uen. vermietheten GeschästSlocalitäten in der I. <?tage der der Stadtgcmeinde gebörigen Hause« Reicksstraße alle Nr. 5l (neue Nr. 7), welche au« einem «tsenstrigen und einem Üsonstrigen Zimmer nach der Neichssiraße. je einem drrgl. nach dem Hose, einem Alkoven und sonstige», Zubehör bestehen, solle» yom I. Dekoder dS. IS. an gegen einhaldjahrliche Kündigung anderweit vermiethet werden. M ethgesuche werden auf dem Nathhause, I. Etage, Zim mer Nr. l7, entgegengenonimen. auch können ebendaselbst die VermiethungSbedingungen nebst Jnvenlarinm der zu ver- mictbenden Localitäten eingelehen werben Leipzig, den 9. Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Stöß. Bekanntmachung." Wir bringen hierdurch zur öffentlichen Kenntniß. daß in dem Pferdestalle deS FuluwerksbesiyerS <k. T> BarthelS, hier, Berliner Straße Nr 19, unter den Pferden desselben die Notzkrankheit anSgebrochen ist. Leipzig, am ll. Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Hentfchel. Bekanntmachung. Die EisrnconstructionSarbettrn beim Neubau der Plag- wiher Brücke hier sind vergeben und werden die unberück sichtigt gebliebenen Herren Submittenten ihrer Offerten entbunden. Leipzig, am S Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. O. Bekanntmachung!" Die zur Submission ausgeschriebenen Maler» und Schlosser-Arbeiten am N ubau der II. Bürgerschule sind vergeben, uns Werder, daher die unberücksichtigt ge- dlikbenen Herren Bewerber hiermit ihrer Gebot« entlassen. Leipzig, den 4. Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Wilisch, Ast. Wolf, vier Oscar, geb. am 28. Januar 1873 ,u Leipzig. hat sich aus mütterlicher Wohnung heimlich entfernt und treibt sich vermuihlich vagabondirend l» der Leipziger Gegend umher. Kleidung: braune Jacke und dunkle Hose. Festiiabme und Nachricht. BolkmarSdorf-Lelpzig, am 10. Juni 1885. Tle Pollzetverioaltung. Lehmann. W. Nichtamtlicher Thetl. Mramontane Anmaßung. * Seit Monaten wird die Frage der Wiekerbesehnng de? Posener ErzbisthnmS in der Presse erörtert, die verschiedensten Persönlichkeiten wurden als solche bezeichnet, welche von der preußischen Negierung vorgeschlagen und von der Curie ab- gelehnt worden seien, „Germania" und „Journal de Nome", „Osservatore" und „Kölnische VolkSzeitung" brachten täglich neue Nachfichten, um Da», waS sie heule gemeldet, ander» Tag« z» widerrufen. Und dieses wenig bclnstigende Spiel dauert fort. Schneller machte sich die Sacke mit der Besetzung de? Kölner BischofSsluhlS. Vr. Crementz. bis jetzt Bstckos von Ermland. bot nach der persönliche» Seite bin keine Schwierig keiten dar. AiS in der Wolle gefärbter Ullramontaner war er der Curie durchaus genehm, und auch am preußischen König-bvfe ist er wohl gelitten, da Herr Crementz sich au» den fünfziger Jahren, als da» Hcrrsckerpaar in Coblenz lebte und er daselbst als Militairgeistlicher wirkte, da» Wohlwollen deS Kaiser» und drr Kaiserin zu erwerben und b>« heute zu erhalten gewußt bat. Freilich war vr. Crementz bekanntlich der erste preußische Bischof, welcher im Jahre 1872 mit dem Minister Falk in Eonflict gerieth. Aber wie keiner seiner AmlSbrüder hat er e» verstanden, ohne dem ultramontane» Slandpuncte irgend etwas zu vergeben, allen Schwierigkeiten der neueren kirckenpolitischen Gesetze zu begegnen. Tie Schwierigkeiten der Wiederbesetzung der Posener Diöccse liege» vornehmlich ans nationalen, Gebiete. Die nationalen Rücksichten sind e» ja, wie Fürst BiSmarck wiedcr- bolt und mit überzeugender Klarbcit auSgesübrt bat, an denen der Culturkamps zunächst entbrannt ist. Es ist unbestreitbar er wiesen, wie sehr gefahrvoll e» für Preußen und Deutschland ist, an der Spitze de» Posener Klerus einen undeutsch, eine» polnisch gesinnten Fanatiker zu haben, und Preußen ist eS sich und dem Reiche schuldig, zu verhindern, daß wieder ein Mann wie Gras LetockowSki zum Erzbischof von Posen-Gnescn ge macht wird, daß diese einflußreiche Stelle wieder von einem Mannt besetzt wird, welcher sich selbst für den „PrimaS von Polen" ansieht und bemüht ist, dieser abgeschafflcn .Würde" wieder Anerkennung und Geltung zu verschaffen. Eine ähnliche Gesinnung, wie sic Cardinal LedvchowSki bethätigt hat, dürste sich bei allen Klerikern polnischer Natio nalität finden,und bei ihnen entweder von vornherein da» national polnische Interesse Überwikgen über da» Bewußtsein der scel- lorgerischen Pflichten oder das Vertrauen der polnischen Be völkerung und der niederen Geistlichkeit zu dem polnischen Oberhirten bedingt sein durch die Bethätigung polnisch, nationalen Interesse». Beides ist nicht allein nickt wünschen«- wcrtb, sondern muß um jeden Preis vermieden werden. Wenn »u» rin Priester deutscher Nationalität rum Posener Erzbischos ernannt wird, so sind oiese beiden Gefahren sofort beseitigt. Denn e» kann wohl vernünftiger Weise nicht an genommen werden, daß ein deutscher Mann so ehrvergessen sein könnte, sein Vaterland und die deutschen Interessen zu Gunsten polnisch-revolutionärer Bestrebungen zu ver- rathe». Andererseits dürste e« sich auch von selbst verstehen, daß die polnische Bevölkerung in einem solchen Oberhirten lediglich den Kirchensürflen sehen und verehren wird. ES ist selbstverständlich — und da« Gegentbeil wäre die schlimmste Verletzung der katholischen Kirchensatzungen — daß die Laien und die Geistlichen der Diöcesen ihrem Bischof mit Liebe, Vertrauen und Gehorsam entgegenkommen werden, und e» ist undenkbar, daß diesem Erzbischof von Pose» von seinen Diöcesanen zngeinnthet werten könnte, sich ihr Vertrauen erst durch polnische Agitationen zu erwerben. Man sollte meinen, daß diese klare Sachlage auch an maßgebender Stelle in Nom erkannt werde» mlißw und daß nichts näher liegt, al« daß die Curie der preußischen Negie rung hier entgegcnkäme. Denn vor Allem ist c» dock die Noch der Seellorge, welche der Curie am H'rzen liegen sollte, und dieser Noth wäre ja dann mit einem Schlage abgebolse». Aber gerade daS Gegentbeil ist der Fall: je mebr von der prcnßlschcn Regierung die Unmöglichkeit betont wird, eine» Polen zum Posener Erzbischof anzunebmcn. desto mehr wird an dieser Forderung von Seiten der Curie sestgebalten, als ob „katholisch ' und „polnisch" untrennbare Begriffe wären. Wenn man die Uii'.erbankliiiigen mit Rom und da» ver gebliche angestrenglc Bemüben der preußischen Regierung, in allen römisch katholischen Gebieten des preußischen Staate« die kirchliche Seelsorge völlig wiedcrherzustcllcn. unparteiisch verfolgt, so muß man zu dem Ergebnis, gelangen, daß es einmal der Curie nicht Ernst ist mit der Behauptung, daß ihr daS Seelenheil der Katholiken in erster Reibe siebt und daß katholisch-kirchliche und christlich-religiöse Interessen sich keineswegs decke»; und ferner, daß man in Nom den estrigen Wunsch hegt, nicht die revolutionäre polnische Agitation zu hemmen, sondern im Gcgenlheil zu schüren. Eine andere Schlußfolgerung ist unmöglich. In dieser Auffassung wird man bestärkt durch da» jesuitische Gebühren der „Germania". Diese» undcutscke Blatt mit dem deutschen Namen glaubt zu erkennen, baß in Deutsch lands östlichen Grenzmarken „ein preußische» Irland" im Werden begriffen ist. DaS würde auch nach der Ansicht der „Germania" ein große» Unglück sein nickt nur für diese Ost marken, sondern auck für ganz Preußen, also a»ck für daS deutsche Reich. DaS edle Blatt will nun, nackkem eS fort während seit dem ersten Tage seine» Erscheinen» gegen den Thron und die Regierung gehetzt, unschuldig sein und bleiben, wenn diese- Unglück unabwendbar wäre — da eS VieGcsahr rechtzeitig erkennt und seine warnende Stimme erbebt. Und nun kommt der schlimmste Hohn? Die „Warnung" d- c „D^.wania" gip?-lt darin, daß da» Jesiiitenblatt einen B.'ckos polnischer Naiionalilät für Posen zu fordern al« ein Nadurrecht der Posener Diöcesanen bezeichnet. Ein deut scher Bischof würde nach den eigenen Worten der „Ger mania" kein katholischer Bischof, sondern ein preußi scher Präsect sein. Und das Blatt »ersteigt sich zu der empörenden Drohung. daß der päpstliche Stuhl im Princip niemals zugcbe» kann, daß ein Deutscher den Bischossstuhl von Pose» besteigt. Wir sind weit entfernt, die Mission der katholischen Kirche zu verkennen und werden unS niemals soweit vergessen, die Curie mit der „Germania" für ein und dasselbe zu halten. Im Gcgenlheil wolle» wir gern überzeugt sein, daß die eben wietergegebeiie Auffassung der „Germania" in den maß gebenden Kreisen RomS keineswegs getbeilt wird. Aber daß die Unterhandlungen mit Rom wegen Besetzung deS Posener ErzbiSlbumS so gar nicht weiter kommen, zeigt dock, daß im Angenötlck die Beratber der Curie dem Einfluß der „Ger mania" und der deutschen Ultramontancn, der welsischen Führung deS CcntrumS sich nicht zu entziehen vermögen. Im Interesse unserer katholischen Mitbürger in Preußen apvellirc» wir von der schlecht unterrichtete» Curie an de» besser zu unterrichtenden Papst. Möge er lediglich da» Seelenheil der ihm anvertrauten Heerde im Auge haben und keine anderen als christlich-religiöse Gksicklspunetc für ihn maßgebend sein! Die Drohung mit irischen Zuständen verfängt bei uns in Deutschland nickt, wie überhaupt keine Drobung und irgend welche anmaßende Spiache. Wir wissen, daß sich Preußen einer Negierung erfreut, welche sich ihrer heiliacn Ausgabe bewußt ist. Thron und Altar zu schützen. Tie Zustände Irlands haben aber neben einer schwachen Negierung auch nicht zum Wenigsten renitente Priester mit verschuldet I Die Krisis in England. Tie Entscheidung über DaS. was nach der Abstimmung vom 8. Juni geschehen soll, ist noch nickt getroffen; die Audienz Glakstone's bei der Königin ist erst für heule in Aussicht genommen. Der Jubel der Conservativen über ihren Erfolg ist einer ruhigere» Stimmung gewichen, sie baben am >0. Juni eine Parteiversaminlung abgebatten, beobachten aber über den Inhalt ihrer Beralbungen tieseS Schweigen. Nur so viel verlautet, daß Salisbury sich damit einverstanden erklärt hat, daß Norlbcote de» Vorsitz in dem neu zu bildenden conservativen Ministerium übernimmt. Inzwischen scheint i» den Kreisen der liberalen Partei sich große Unzufriedenheit gegen die Parlamentsmitglieder kundgcgcbeii zu haben, welche am 8. Juni im Unterhause gefehlt haben; diese sind sich der große» Verantwortung bewußt geworden, welche sic durch ihre Pflichtverletzung auf sich geladen haben, und suchen sich, so gut eS geht, bei ihren Wählern z» entschuldigen. Ein Tk>e>l dieser Parlamentsmitglieder räumt offen ein, daß sie von der Wichtigkeit der zu erwartenden Ab stimmung keine Kenntniß halten. An» alle» diesen Anzeichen geht hervor, daß die Liberalen von den Conservativen über rumpelt worden sind, wie da» schon einmal vor längerer Zeit im Werke war, als im Unterhause große Leere herrschte. Damals handelte eS sich um ein Mißtrauensvotum wegen der egyplischen Politik deS CabinetS, und nur mit genauer Nolb wurde durch schleunige- Zusammentrommeln eine Anzahl liberaler Abgeordneten eine Niederlage der Re gierung vermieden. Die Conservativen haben sich aber durch daS damalige Mißlingen ihre- Angriff- nickt einschücklern lassen, sondern den Versuch bei einem paffenden Anlaß wiederholt. Am 8. Juni ist eS de» Conservativen gelungen, ihren Zweck zu erreichen und da« verhaßte Ministerium in» Wanken zu bringen. Ob der Sturz gelungen ist. ob wirklich ein Ministerium Nortbcote-SaliSburv-Churchill die Frucht deS Siege» vom 8. Juni sein wird, steht immer »och nickt fest, denn e» wäre möglich, daß die Königin e? rvizöge, daS Parlament auszulksen. Die Lage ist mithin kritisch für die conservative Partei, denn in der Zwischenzeit, welche zwischen der Auslösung und dcm Zusammentritt de» neuen Parlament» liegt, gewinnt da» Ministerium Zeit, die begonnenen internationale» Verhandlungen in einer Reihe wichtiger Dinge zu Ende ru sichre» und vollendete Thatsachen zu schaffen, welche den Absichten der conservativen Partei gerade zuwikerlansen. Ta» ist die Kcbrseite de» Siege« vom 8. Juni, daß fick bei einer solchen Wendung t-r Dinge die konservative Partei die Einwirkung ans die weitere Ent wickelung der auswärtigen Politik selbst entzogen hätte. Voraussetzung der Auslösung des Parlaments wäre allerdings die Nichtigkeit der neulich von Dilke cinsgedrückte» Aufsa.sinng, daß die Wablen eine große liberale Mebrheit ergeben würden. DaS ist aber eine Vorhersagung, welche vollständig in der Lust schwebt. Die liberale Partei mag viele Grunde lv.ben, welche ihr die Fortdauer der bestehenden Regierung wünschens- werth macken, aber da» Ergebniß der Neuwahicn ist schon deshalb ganz unberechenbar, weil in Folge der Erweiterung deS WablrecktS große Mengen von Wählern an der Urne erscheinen werden, die bi-ber überhaupt nickt gewäblt haben. Die Erweiterung de« Wahlrecht» ist freilich das Werk de« liberalen Ministeriums die conservative Partei hat derselben widerstrebt, besonder» weit Gladsione sich weigerte, gleichzeitig eine gesetzliche Regelung der WablkrciSeintheilung eintretcn zu lasten. C» steht aber scbr talnn, ob diese Neuerung der liberalen Partei zu Gute kommen wird. Daß die liberale Partei das naturgemäße Streben nach Ausdehnung d^r poli tischen Neckte bat. kommt dabei nickt in erster Linie in Be tracht; die Macht, welche man össenttichc Meinung nennt, und der Wunsch, möglichst geringe Stenern zu zahlen, sind die beiden Hauvlsacloreu, welche bei den englischen Neuwahlen sich gellend macken werden. DaS conservative Parlamentsmitglied Hicks Beuch hat nickt ohne gute» Grund den Hebel, durch welchen er daS Ministerium Gladstone an- den Angeln beben wollte, gerade an dem Pnnctc angesetzt, wo die Anträge aus Erhöhung der Branntweinsteuer und Bierstener zum (Gesetz erhoben werden sollten. Ihm erscheinen Wein unv Tbee weit mehr dazu geeignet, die Mittel zur Ausbringung der Els-Millionen-Psund- Kriea-steucr zu gewabren. Da» ist ein sehr verständlicher Wink snr die neu hinzukretenken Wähler, nicht solche Leute zu wählen, welche da» Getränk de» armen Mannes besteuern wollen. Außerdem verlangte HickS Beack die Ermäßigung der Localsteuern, unter denen die kleinen Leute auch zumeist zu leiden haben. Ta» sind AgitalionSinittcl für die Neuwahlen, welche ein ganz anderes Ergebniß zur Folge baben können als der Minister Dilke und lein- GesinnungSgencsson hoffen und wünschen und welche» leicht die Neiden der Conservativen erheblich verstärken kann. Auch die Iren stehen aus Seite der Tories, wie die Abstimmung vom 8. Juni bewiesen hat, ibr Zorn richtet sich gegen die Negierung, unter welcher den Mitgliedern de» GeheimbundeS der Proeeß gemacht wurde, sie fordern Trennung der irischen Verwaltung von der eng lischen und hoffen bei den Conservativen eher Gehör zu finden als bei den Liberalen, weiche viel versprochen, aber wenig gehalten baben. Ein dritte» Moment, welche» die Richtung snr die Neuwahlen bestimmen wird, ist der Nieder gang England» in auswärtiger Beziehung, welchen das liberale Mlnisterium verschuldet hat. Wofür haben denn die englischen Soldaten im Sudan ihr Leben gelassen? Ist dadurch die englische Sache zum Siege geführt worden? Im Gegentbeil, die Mißerfolge Grabam'S und Wolseley's haben mir die Ohnmacht England? dem Mahdi gegenüber in da» hellste Lickt gesetzt Für eine Regierung, di« den Tod Gvrdon's verschuldet bat, kann sich der gemeine Mann nicht begeistern, für solche Politik will er keine Steuern zahlen; ihm ist daran gelegen, daß daS Blut der Soldaten und Matrosen nickt nutzlos, sondern nur für eine bedeutende Sacke und dann unter zielbewußtcr Führung geopfert wird. Tic Berücksichtigung dieser Verhältnisse muß zu einer Anschauung führen, weiche der deö Chefs de« LocalvcrwaltungsamtS von London, Tilke, entgegengesetzt ist, unv demgemäß werden auch die Torie? die Neuwallc» in ganz anderem Lickte erblicken wie die Whigs. Gladstone hat sein Vertrauen daraus gesetzt, daß die TcrieS in einer so kritischen Lage, wie die gegenwärtige, die Erbschaft seiner politischen Fehler nicht antretcn werden. Darin bat er sich getäuscht, den» EaliSbnrv, Norlbcote und Eburckill baben durch ihre Organe, de» „Standard" und den „Globe", verkündet, daß sic bereit sind, die Regierung zu über nehmen. Tie Führer der Tories wissen aber nicki, wie lies Gladstone den Slaatskarren sestgesabren hat, und wenn die volle Tragweite eines plötzliche» Umschwünge» in Balmoral zur Sprache kommt, dann könnte dock der Wunsch, England neue schwere Zuckungen und Verwick lungen zu ersparen, dazu stihre», Gladitonc die Sorge, wie er sich aus der von ihm ge schaffenen Lage wieder herauesiiidcn will, selbst zu überlasten. Man ersieht auS de» vorstehenden Andeutungen, wie stör die englischen Slaatc-angelegenliciten im Arge» lögen. Ware ein Mann von allgemein anerkannter Anlvri'ak und K .st vorhanden, welchem man die Entwirrung des Gladstone scheu Knäuels anvertrauen konnte und stände lsinter diesem Manne eine zahlreiche seslgeschtosiene Mehrheit, dann würde die Ent scheidung nickt lange ans sich wctrlen lasten. Aber Sin solcher Mann ist nicht da, und wenn Loid Churchill v eil ichl die Eigenschaslcn eineS selchen Manne» besitzt, to sind sic wo öl nickt hinreichend bewährt und er hat vorläiffig noch nickt die Mehrheit hinter fick Zudem sind dir Engländer in der Be willigung der Mittel zur Führung ein r kühnen, genialen Politik sehr schwierig, wie die E sabrunge» der letzten drei Jahre gelehrt habe» Auch Churchill kan» nicht Armeen auS der Erde stampfen, er kann nur mit riserncr Energie eine» Weg verfolgen, welcher England in t.» Stand setzen würde, die iminer drohender sih gestaltend:» Sch'vwrigl iten zu überwinde». D>e Schalen der W mgc, wAche die Znknnsl Englands in sich tragen, halten sich zur Zeit vaS Gleich gewicht. die Entscheidung der Königin wird die eine zum Sinken bringen, aber eine durebgrcisint' A-iidcruiig der Lage ist von Vieser Entscheidung nickt zu erwarten. * ^'ripzils, 13. Juni 1885. * Wie auS Berlin verlautet, sind alle Angaben über Schwierigkeiten, welche im BunbeSrath durch de» An trag Preußens in der braunschweigischen Frage ent stände» wären, völlig unbegründet; insbesondere ist die Be hauptung, daß daS sächsische Ministerium beschlossen hätte, die Stimm-» Sachsen- gegen den Antrag abzugeben, haltlos. Die Andeutungen, wonach im Bundesrath eine Partei für den Herzog von Cumberlcmd vorhanden sein sollte, scheinen von den Parteigängern de« Letzteren lediglich rrsundcn zu sein. E* besteht nach der .Nationalzeitung" nicht drr ge ringste Zweifel an der Aiinahmc des Antrages mit allen, oder doch gegen einige wenige Stimmen.
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