Suche löschen...
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 22.08.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188408221
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840822
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840822
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungChemnitzer Anzeiger und Stadtbote
- Jahr1884
- Monat1884-08
- Tag1884-08-22
- Monat1884-08
- Jahr1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 22.08.1884
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Unterhalluugs'veilage zrrm „Chemnitzer Anzeiger" Dann denke Deiner Rose ich, In Deinem Schösse träum' ich mich — Und fleh den Tod un» zn vereinen. Drei Wochen später avancirt« ich an» der zweiten Etage in die «st«, in eine der vorgedachten Haftzeiten, di« mir — gegenüber «einer bisherigen Zelle — den Eindruck eines angenehmen Aufent- halteS machte. E» ist eine Eckzell« mit großem Fenster an jeder Seite, deren unter« Scheiben zwar geblendet find, besten eine- jäwch mir di« prächtigste Aussicht auf das im Thal« vor mir liegende Ehemni- und ans die gegenüberliegend« Hügelkette und den Zeisig wald gewährt. Prächtige grüne Bäume in meiner unmittelbaren Nähe, in dem Garte« vor mir, schließen den Kranz, der die Stadt plastisch umschlingt. Ti« Thürme ragen au» dem DSchermeer empor und leider — vom Standpunkt des ArslhetikerS — auch ungezählte Schornsteine, di« oft so schwarze Wolkenmaffen ausströmen, daß sich der ganze Horizont verdunkelt. Auch der inner« Anblick ist «in freundlicherer, ein großer Holz lisch, «in Rohrstuhl, ein bequemere» Bett in «ferner Bettstelle, eine veritabl« Waschtoilette und ei« Thermometer — Herz wa» begehrst Du? Und für alle diese Vorzüge wäre ich kalt geblieben, wenn uicht die weit raffiuirtere Einfachheit meine» ersten Aufenthaltsorte» mir da» Berständniß für dieselben erschlossen hätte. Freilich — als ich da, die ersten drei Tage ohne mich meinen Arbeiten widmen oder di« gewählte Lektüre genießen zu können, zu stiller Betrachtung mir selbst überlaste» blieb, da hatte ich meinen ganzen Humor nöthig Die „besonderen Vorschriften für Jsolirgefangene-, sowie da» „neue Testament- und die „sämmtlichen Psalmen David»- hatten gerade für «inen Tag mein Interesse beansprucht und vor allem hatte mich di« herrlich« Poesie de» heiligen Luka» entzückt, aber erträglich wurde meine Stimmung doch erst, al» ich wieder Tinte, Feder und Papier vor mir hatte und au meinen „gesammelten Werken- weiter arbeiten ^duule. (Schluß folgt.) Fräulein Terka. (Original-Feuilleton von Max Vogler.) - (Nachdruck verboten) Die Knechte saßen droben auf dem Getreideboden und rebbelten Mai». Nicht einmal zum Aufwerfen von Wassergraben konnte man sie heut« verwenden, rin solch' gräuliche» Wetter tobte über die Pußta. Allerdings war da» MaiSrebbän schon die allerletzte und am we nigsten nützliche Arbeit, aber bei diesem Unwetter war an nicht» Andere» zu denken, und so saßen sie denn mit dem Großknechte oben ans dem Boden — und rauchten au» ihren kurzen Pfeifen und er zählten sich Geschichten, wenn e» sie auch jämmerlich dabei fror. Nur wenu der Schaffer erschien, um uachzusehen, wurden die Pfeifen schnell versteckt und dann rebbelten fi« so eifrig, al» ob sie die ge wissenhaftesten Menschen von der Welt waren. Aber der Schaffer kannte ihr« Schliche und Kniffe,- er wußte, wenu sie bei seinem Er scheinen gar zu eifrig arbeiteten, daß sie vorher gefaulenzt hatten, und da er nicht der Mensch war, um sich von ihnen bei der Ras« herumführen zu lassen, blieb er endlich selbst oben auf dem Boden. Er setzte sich anf einen umgestülpten Korb und sah augenscheinlich sehr aufmerksam zu, wie die goldgelben Körner von den Kolben gelöst wurden- Aber die Knecht« begannen ihre Pfeifen bald wieder her- vyrzuholeu; denn sie gewahrten, daß der Schaffer traumhaft in» Leere starre und die neben ihm Arbeitenden ebenso wenig sehe, al» «innr Haifisch, der jetzt im atlantischen Ozean schwimmt. Er saß mehrere Stunden so, und auch al» die Kinder schreiend heraufliefen und ihre Väter zum Mittagessen abholteu, stand er nicht auf. Heraußeu im Hofe bekam er nichts zu essen and in diesem fürchterliche« weiter de» Mittagsmahles wegen in da» «ine halbe Stunde entfernt« Kastell reiten, lohnte sich wahrlich uicht der Lstühe. So blieb er denn ruhig sitzen und dachte — weiß Gott, an tzm» er dachte l Angenehme Gedanken konnten «»keiueSfall» sein; denn auf seinem Antlitz lag ein tiefer Schatten, seine Augen waren umflort und zu weilen entrang sich seiner Kehl« ein Ton, al» ob er laut aufstöhnen wollte. Die Knechte kamen, nachdem da» Mittagsmahl und die Abfütter ung beendet war, wieder herauf auf den Boden und arbeiteten weiter S» ward 4 Uhr, der Sturm hatte nachgelassen und die Dämmerung brach bereit» herein, al» ein in ein große» Tuch gehüllte», beinahe ganz vermummte» Mädchen die Bodentreppe» Hinanstieg und leise auf den träumenden Schaffer znging. Er sah anf, vermochte die vor ihm Stehende jedoch nicht zu erkennen, und erst al» sie da» große Tuch abnahm, rief er bestürzt: „Um Gotte» Willen, Fräulein Terka, wie kommen Sie in diesem wilden Wetter auf den Hof heraus?- Da» Mädchen hatte den Schnee abgeschüttelt und sich allmählich vollkommen von dem großen Tuche befreit. Ein kindliche» Geschöpf mit leuchtenden blauen Augen und rosigem Gefichtchen stand vor dem Herrn Schaffer da und blickte ihm sehr zufrieden in» Gesicht. Al» - er aber bestürzt, beinahe erzürnt seine Frage wiederholte, warum sie sin diesem Unwetter auf den Hof herausgekommen sei, da schoß ihr «ine Blutwelle in die Stirne, ihr Antlitz erglühte purpurroth, ihr« Lippe« bebten vibrirend und plötzlich begann sie laut zu weinen. Der Schaffer, Herr Emerich Bodoky, kehrte sich jedoch wenig an die Thräurn de» Mädchen»; so unsanft, wie bereit» zweimal, fragte er sie zum dritten Male, weshalb sie auf den Hof herauSgekommen sei. Da» Mädchen versuchte die Thränen zu trocknen, allein e» ge lang ihm uicht und schluchzend sagte «S: „Weil Sie zu Mittag nicht sin» Kastell gekommen find.- „DeShalb hätten Sie nicht besorgt sein mästen-, sagte Bodoky. „Eie hätten sich denken können, daß mich da» abscheuliche Wetter athalte.- „Ja, aber Irene hat heute wieder den ganzen Tag so viel geweint!- „Weiß Irene, daß Sie HerauSgekommen find?- fragte der Schaff«. „Nein, ich habe Niemandem etwa» gesagt. Ich schützte Kopf schmerzen vor, um auf mein Zimmer gehen zu können, dort ab« ttahm ich da» große Tuch und kam heran» zu Ihnen. „In diesem Unwetter! Wieder einer Ihrer unüberlegten Streiche. Terka! Terka! Wann werden Sie einmal Mg« werden?- „Ich werde e», wenn ich einmal älter bin, gewiß, Herr Bodokv, ich werde schon klüger werden. Aber nicht wahr. Sie zürnen mir uicht mehr?- Sie ergriff seine Hand und sah ihm innig bittend in die Augen. „In einem solchen schuftigen Wetter, da» mir zn arg war, um in da» Kastell zu reiten, kommt diese» kleine Ding zu Fuße zu mir auf den Hof heran»! Na, ich wiü'S der Mama schon sagen. — Wie alt sind Sie denn eigentlich, Fräulein Terka l'- ^iedzehnl- „Eo ein siebzehnjährige» zarte» Fräulein, wie Sie find, sollte froh sei«, wenn e» in einer solchen Zeit hinter dem warmen Ofen fitzen darf. Doch bei Ihnen nützt alle» Reden nicht». Kommen Sie mit in den Stall, wir wollen dem Füttern ein wenig zusehen mW datm hinnnterfahren in da» Kastell. - L» war bereit» finster, al» die Fütterung beendet wurde. Er ließ sein Pferd vor de« kleinen Federwagen spannen und fuhr durch die lange Pappelalles dem Kastell zu, ohne während der Fahrt auch nur ein Wort an da» Mädchen zu richten, welche», eng an ihn ge> schmiegt, neben ihm saß. Al» sie bei dem Kastell anlangten, war e» bereits vollkommen inst«, nicht einmal die weiße Schneedecke vermochte einige Helle zu chaffe». Finster und mürrisch lag d« alte massiv« Bau in der Ein- ämkeit da uud nur au» zwei Fenstern drangen Helle Lichtstrahlen heran». Sie gingen durch den offenen Gang in die Küche und traten von da in die Wohnstube. Ein etwa zwanzigjährige» Mädchen saß drinnen beim Tische und blickte wie geistesabwesend in'» Leere. Ihr liebe», schöne» Antlitz war erschreckend bleich und nnr von den großen, dunklen Angrn schien ein leiser Schatten auf ihm zu liegen. Da» dunkelblaue, glänzende Haar hing in zwei schweren Flechten üb« ihr« Nacken herunter und zuweilen war e», al» ob ei» Fieberschauer ihre edle Gestatt erschüttern würde. Sie bemrrkte die Eintretrnden nicht, und erst al» Bodoky ganz nahe vor ihr stand, schlug sie dir vom Weinen gerötheten Augen zu ihm auf. Wie rin Erschrecken ging e» durch ihren Körper, sie schien einen Schrei zu unterdrücken, daun sprang sie ab« plötzlich vom Stuhle auf und sank laut schluchzend in Bodoky'» Arme. Er hielt sie fest an sich gepreßt, aber er bemühte sich vergeben», stark z» scheinen. Ihr Schluchzen wurde immer tiefer, immer herzbrechender; e» war, als ob fi« vergehen, al» ob sie sich in Thränen auflösen sollt», uud endlich überzog auch sein Antlitz ein tiefer Schatten, er neigte sein Haupt und drückte seine thräneuüberströmteu Angen auf ihren Nacken. Die kleine Terka stand neben ihnen und sprach kein Wort. Ihr Antlitz wurde bald bleich, bald roth; sie ballte die kleinen Hände und biß sich krampfhaft in die Lippen, um ihre Thränen zu unterdrücken. So standen die Drei ziemlich lange in der Stube, ohne daß auch nur ein einzige» Wort zwischen ihnen gewechselt wordm wäre. Da» weinende Mädchen schien beinahe leblo» in seinen Armen zu ruhen: er wollte sie zum Sofa hinführen, al» sich die Thür öffnete und eine älter« Frao in» Zimmer trat. E» war die Mutter der beiden Mädchen, eine starke, und wie e» schien, sehr resolute Frau. Sie hatte eine weiße Schürze umge- buuden und auf ihrem Haupt saß eine dunkle Haube, deren breite Bänd«, in eine große Masche geknüpft, über ihren Rücken herunter- hiugen. Sie schien von der Szene, welche sich ihren Blicken darbot, durchaus nicht überrascht zu sein. Sie trat auf den Schaffer zu und sagte: ,E» ist gut, daß Sie endlich gekommen find. Heute war r» mit Irene schon gar nicht mehr auszuhalten. Ersten» da» abscheu liche Wett«, und dann waren Sie zu Mittag nicht vom Hofe herunter gekommen, so weint« sie denn wieder den ganzen Nachmittag. Erst jetzt, am Abend, wnrde fi-: etwa» ruhiger. „Sie sollten sie zu Bette bringen, Frau Daräz»,- sagte Bodoky „ES kann nicht länger so fortgehen. Sie werden sehen, Irene wird noch vor der Hochzeit schwer krank.' „Wäre e» denn ein Wunder!- sagte die alte Frau. „So viel weinen habe ich in meinem Leben nicht gesehen. Ich möchte nur wissen, wo da» Mädchen all' die Thränen her hat! Ich bitte Dich, liebe Irene, sei doch vernünftig! Es hat schon Tausende von Mädchen gegeben, welche ihre Liebhaber nicht heirathen durften und sie find am Sude dennoch glückliche Hausfrauen geworden. Denke nur, wenn Dein Bräutigam jetzt kommt und Dich so sehen würde ; e» wäre ein Unglück für un» Alle.- „Jch bin schon ruhiger, Mama-, sagte da» Mädchen, sich von Bodoky» Brust aufrichtend. „Ob Ihr mich aber lebend mit Derkuty in die Kirche bringt, daran vermag ich nicht zu glauben. - „Kindneil Kinderei!- sagte die Frau. „Derkuty ist zwar ganz uud gar nicht schön, ab« er ist ein reicher, ein gebildet« Mann «ud Du wirst noch einst froh sein, daß Du seine Frau geworden bist. Warum hattest Du früher nicht» gegen ihn einzuwenden? Weil Du Bodoky noch nicht kanntest? Ich hätte ja gegen Emerich nicht» ein- zuweuden; er opfert sich für un», er brachte in d« kurzen Zeit, da er bei un» weilt, die schönste Ordnung in unsere zerfahrene Wirth« schüft, schon au» Klugheit durfte ich ihm Deine Hand uicht versagen. Aber heute ist e» zu spät, viel zu spät. Derkuty hat noch vom seligen Bat« her dreißigtausend Gulden auf unserem Gute intabulirt. So viel ungefähr ist der ganze Besitz werth. Wenn wir ihn vor den Kopf stoßen, kündigt er die Hypothek, da» Gut kommt unter den Hammer und wir können dann al» Bettler vom Hofe wandern. Ich weiß eS. Mama, ich weiß eS. meine liebe, gute Mama-, begann Irene schluchzend, indem sie ihre Mutter umarmte. „Ich will Dich in Deinen alten Tagen nicht betteln sehen und deshalb will ich Derkuty's Frau werden. Mag e» kommen wie immer, ich will eS tragen — so lange ich kann." Bodoky hatte sich neben dem Tisch« nisdergelafsen und da» Antlitz auf beide Hände gestützt. Erst nach einer Weile schlug « die Augm zu Frau Daräz» auf und sagte: „Wenn Sie mir nur erlauben wollten, daß, ich mit Derkuty spreche! Sie sagen selbst, « wäre ein einsichtsvoller Mann. Er wird Irene nicht zwingen, daß sie seine Gattin werde, so bald er erfährt, daß sie einen Andern liebt, und mit meinem Kopfe hafte ich dafür, daß die dreißigtausend Gulden in sechs Jahren bezahlt find." „Ja, ja! Aber Ihr kennt diese Derkuty» nicht', sagte die alte Frau. .So häßlich wie sie find, so eitel find sie auch. Ich weiß es ganz gut, daß er Irene nicht einmal liebt, sie gefällt ihm vielleicht nur, aber so schnell erführe er nicht, daß sie ihn nicht mag, al» er un» auch schon zu Bettlern machen würde. Er ist ein guter ge bildeter Mensch, aber er kann e» Gott nicht verzeihen, daß er ihn so häßlich geschaffen hat und wehe Jedem, der ihn seine Häßlichkeit fühlen ließe. Diese Häßlichkeit ist seine Achillesferse, da ist er tödt- lich verwundbar. Ich kenne diese Derkuty'S. Sein Vater war so. sein Großvater ebenfalls; Irenen» Bräutigam ist auch nicht ander». „O, warum bin ich hierher gekommen, warum bin ich hierher gekommen!- rief Bodoky schmerzlich au», nachdem Frau Dar-tz» ge endigt hatte. „Hätte ich nicht ruhig in Taylanfa bleiben können? Ich hätte un» all da» Leid, all diese» fürchterliche Weh ersparen können.- „Es hat so kommen muffen-, sagte Irene leise. „Es war von Bott beschlossen. Ruhig und still verflossen meine Tage, ich wäre ohne Zögern Dcrkuiy'» Frau geworden, da kam Emerich, und ich wurde so unglücklich, wie ich e» nimmer zu werden glaubte.- Sie stand vom Stuhl auf und trat nahe an Bodoky heran. Sie legte ihren Arm um seine Schulter und begrub ihr Antlitz wieder an seiner Brust. „In acht Tagen sind wir für immer getrennt-, sagte sie; „in acht Tagen ist Derkuty mein Gatte. Versprich mir, daß Du Dir kein Leid zufügst, daß Du Dein Unglück standhaft erträgst. Gehe fort von hier, in eine große Stadt, suche Dir einen guten Freund und mit der Zeit wirst Du mich vergessen lernen. Sieh, ich bin ein schwaches Mädchen und die verzehrende Liebe, welche in meinem Herzen für Dich glüht, droht mich vollkommen zu tödten; aber ich will meinen grenzenlosen Kummer ohne Klage tragen, ich werde unter meinem Schmerz vergehen, ab« nimmer will ich ihn offenbaren, nimm« sein Ende willkürlich zu beschleunigen versuchen. Bei unserer Liebe beschwöre ich Dich, versprich mir, Dein Leid zu ertragen, da» Leben nicht wie eine Last von Dir zn werfen. Ver sprich mir e», Emerich, mein Geliebter,- Tiefe Bläffe hatte de» jungen Manne» Antlitz bei den Worten de» Mädchens überzogen. Seine Brust wogte heftig, in seinem Innern schien ein schwerer Kampf zu loden. Schon öffneten sich seine wand er sich au» ihren Armen, beinahe unsanft schob er sie beiseite und wie ein Wahnsinniger stürzte « zur Stube hinau», die Thür« heftig hinter sich zuschlaaend. Irene sank auf einen Stuhl nieder und barg ihr Antlitz m hren Händen, die alt« Frau trockuete sich die Augen mit de« Schürzenende und nur Fräulein Terka saß aufrecht bei Tische. Ihr Gefichtchen war von Schmerz uud Zorn erfüllt, unablässig wendete sie die Blicke bald zu ihr« Schwester, bald auf ihre Mutter; endlich stand sie auf und ging hinaus auf den Gang. Am Ende de» Korridor» lag Bodoky'» Wohnzimmer. Sie drückte leise au die Klinke, die Thür öffnete sich. Emerich lag völlig angekleidet, wie leblos auf dem Bette und hatte da» Antlitz tief in die Kiffen be graben. Terka trat ganz nahe zum Bette hin und blieb dort mit angehattenem «them stehen. Ihr Antlitz war voll Innigkeit auf die Gestalt de» jungen Manne» gerichtet; e» war, al» ob sie in die Knie finken sollte, so heftig begann ihre Gestalt plötzlich zu beben. Sie preßte ihre Hand an'» Herz, wie um besten laute» Pochen zu unterdrücken, doch sie vermochte den Schmerzensschrei nicht zurück- znhalten, der sich auf ihr« Lippen drängte. Ein laute», krampfhafte» Schluchzen entwand sich ihrer Brust, und wie ein gescheuchte» Reh entfloh sie au» dem Zimmer, als Emerich erschreckt da» Haupt «hob. (Schluß folgt.) Aus dem Leben eines Tobten. Original-Feuilleton von Max Viola. (Nachdruck verboten ) E» ist über das leidige Klavierklimpern bereit» so unmäßig viel geschrieben worden, daß es Eulen nach Athen tragen hieße, auch nur ein Wort noch über diese gräulichste Art der Menschenquälerei zu verlieren. Von Orgelspielnei im Hause dürften jedoch noch wenige Leute belästigt worden sein, der Schreiber dieser Zeilen ist vielleicht der Erst«, welcher allmorgentlich durch Kirchenchoräle au» dem Schlafe geweckt wird. Da» an mein Zimmer stoßende Gemach bewohnt ein Professor; ein Menschenfeind, d« entweder auf den Bergen umherfext, od« daheim die Orgel spielt. Man muß selbst mit einem feierlichen Tredo oder mit einem Todtenliede au» dem Schlafe geweckt worden sein, um sich da» Gefühl, welche» sich da eine» Menschen bemächtigt, vorstellen zu können. Die tieffeierlichen Klänge, welche mich alltäglich au» dem Schlafe wecken, haben mich ganz melancholisch gemacht, ich denke nur noch an'» Sterben. Meine Einbildungskraft ist eine rege, und so erscheint e» mir an jedem Morgen, als ob ich anstatt in meinem Bette» i» einem Sarge läge und als ob nach dem eben vollendeten Gebete de» Priesters die Orgel in mächtigen Klängen ertönte, um meinem Be gräbnisse die nöthige Weihe zu verleihen, während vier Diener dev Begräbnißgesellschaft den Sarg aus der Kirche hinanStragen, wo mei» Leichnam eingesegnet worden war. Kann es Entsetzlichere» geben, al» alltäglich seinem eigenen Be gräbnisse beizuwohnen? Ist es doch so unendlich wehmüthig, von. dieser schönen Welt ein einzige» Mal für immer scheiden zu müsse», wie fürchterlich ist es erst, diesen Abschied jeden Tag durchzumachen k Und ich machte ihn durch; ich machte ihn durch, wie mir dabei zu Muthe war, vermag meine schwache Kraft nicht zu schildern. Jüngst halte ich schlecht zu Nacht gegessen, der Kopf schmerzte mich und ich legt« mich verdrießlich zu Bette. Kaum war ich ein- geschlasen, als ich mich. Dank den finsteren TodeSgedanken, welche da» Orgelspiel des Professor» in mir erzeugte, auch den Weg zum Grab« machte. Ich litt sämmtliche Leiden «ine» Todtkranken, die Agonie trat dann ein, und endlich war ich todt. Da lag ich nun in einem Sarge aufgebahrt, einige Freunde kamen, zerdrückten ein« Thräne im Auge, legten einen Kranz auf meinen Sarg und gingen dann wieder; ich war allein. So lag ich, todt und verlassen, anderthalb Tage; endlich wurde ich in die Kirche überführt. Die Einsegnung ging ohne Störung vorüb« und hierauf erbrauste die Orgel. Mir war e» so weh in meinem tobten Herzen, daß ich bittere Thränen weinte. Ich war ja noch so jung l Du mein Gott, warum mußte ich schon sterbend Hätte ich nicht noch ein glücklicher Familienvater, ein nützlicher Staats bürger werden können? — Immer mächtiger, immer feierlicher tönte die Orgel, dann wurden die Klänge schwächer, sanfter, trauriger, um endlich in einem leisen» tiefwehmülhigen Wimmern auSzuklingen. So ringt sich eine sterbende Menschenseele in die Ewigkeit hinüber. Eines fteute mich! Ich hatte ein sehr schöne» Begräbniß. D« Zug war imposant, und al» wir im Friedhofe anlangten, da standen wohl zweitausend Menschen um meinen Sarg herum. Es war doch hübsch von meinen Bekannten, daß sie mich nicht so ohne weiterr»- in» Jenseits hinüber sandten. Ich werde e» mir merke« und seiner zeit allen ihren Begräbnissen beiwohnen. Schon wollte man mich in die Grube hinablasse», da hörte ich eine bekannte Stimme sprechen: „Herr Doktor, der Kaffee steht auf dem Tische.- Jch weiß nicht, wie ich al» Todt« die Berechtigung hatte, zu sprechen, allein die Bemerkung, der Kaffee stünde auf dem Tische», konnte nur mir gellen Da» war die Stimm« unserer Köchin, welche mir alltäglich dasselbe zurief. „Toni, ich werde nie mehr Kaffee trinken,- sagte ich wehmüthig. „Warum denn nicht, Herr Doktor?- „Warum nicht? weil ich gestorben bin. Nicht wahr, e» ist schade um mich, ich hätte noch einige Jahre leben können?- „Der Kaffee wird kaltl- „Kalt, kalt, wie mein Herz. O, wie kalt ist e» im Grabe k Toni, in meinem Testamente habe ich an Sie gedacht. Der kleine Ring, welcher Ihnen so gefiel, gehört Ihnen. Meine Schulden ver machte ich meinem Freunde Karl, er soll damit die längstersehnte Reise nach Italien bestreiten - „Aber seien Sie doch nicht so verschlafen, He« Doktor," hörte ich die Stimme der Köchin ferner. „Da, ich halte Ihnen die Kaffee tasse, trinken Sie. Haben Sie noch imm« nicht ausgeschlafen?- „Ausgeschlafen I- seu zte meine tobte Ltimme unter Thräneu. „Ich habe auSgeschlasen auf Erden,' nun beginnt der andere Schlaf. Toni, ich habe auch meinen Nachbar, den Orgel-Professor, in meinem Testamente uicht vergessen. Ihm gehört mein Buch: „Die Lehre von den künstlichen Verwandlungen.- Er läßt sich al» Tourist i« eine SpirituSflasche setzen, nach vierzehn Tagen wird er herau-ge- nommen, hierauf 12 Stunden in den Rauch gehängt und nachdem er einige Male abgewalkt wird, erscheint er al» krystallisirte Orgrlpfeife.- „Wegen meiner al» Apfelstrudel von Butlerteig oder a « Ei«, nockerl, da» ist mir egal,- sagte die Toni ärgerlich. „Trinken Sie Ihren Kaffee» ich vermag die Tasse nicht länger zu halten, meine Hand ist schon ermüdet. - Da wurden die Schollen auf meinen Leichnam geworfen, aber weiß Gott, die Schollen waren so feucht! Die Toni hatte mir de» Kaffee, da» Wasser und wa» sonst noch d'rnm und d'ran war, auf den Kopf fallen lassen. Ich erwachte und schwamm in meinem Bette, ich schwamm aber auch in einem Meer von Wonne, weil ich eigent lich nicht gestorben war. Nun sollst Du nicht mehr sterben, sagte ich zu mir. Ueberlege, wie das ewige Grabgeläut« zu bannen ist. Und mir kam eine Idee, eine köstliche Idee, welche radikale Hilfe ver sprach. Diese Idee war vortrefflich, sie hat sich auch schon auf da» ... . ... . , . Allerbeste bewährt: Ich bin in ein ande eS Hau» gezogen und Hab» Lippen, wie um die Bitte der Geliebten zu erfüllen, doch plötzlich I meinen Professor mit sammt seiner Orgel sitzen lassen. Verantwortlich« Redakteur: vr. MI. v. Müll« in Lhemnitz. — Druck uud Verlag von «lerander Wiede in Lbewnib.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Nächste Seite
10 Seiten weiter
Letzte Seite