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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188506227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850622
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850622
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-06
- Tag1885-06-22
- Monat1885-06
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1885
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Erscheint täglich früh S'/,Uhr. Kkdaklioa und LrpkdMcu Iohannetgasse 8. Sprechstunden der Krdaction: Vormittag« 10—IS Uhr. Nachmittag« b—6 Uhr. Atu du »»«»>»« u»«t»n»««r «,»,tce<»«, »acht »« «te»»ek», »ich, ,«r»»»Uch. ««n»»»« «er für »He »ächftf«l»e,»e N««mer «efttmntte» Inserate aa Wache«ra,en »t« L Utzr Nnchmttt»,«. an Sann» nn» Ieftta,«, früh »rlAhr. 3» de« ^Male« für I«s.-^m»atz«e: vttO Me««, UatversitLt«ftrabk L. Laut« Lisch», kathnrlnrnkr. 23. p. «nr dt» '/.S Udr. eiMerIaMM Anzeiger. Organ fSr P-litik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. 173. Vkoutag ven 22. Juni 1885. Auflage LV,LV0. ^bonnementsprei» Viertels. 4'/, Md. wcl. Bringmvh« 5 Mt.. durch die Post bezogen 6 Mt. Jede etnzelne Nummer 20 Ps. velegeremplar 10 Pf- Gebühren für Lrtrabrilaae» sin Tageblatt-Format gesalzt) atzne Poftbetördernag M Mt. »tk BostdefSrderang 48 Mt. Inserate Sgespattene PMzeile 20 Pf. Größere Lchnfte» lau« uns. VrrtSver^nhnlß. Tadeüa rischer a. Ziffern sah nachhöheem Toris. l^erlamrn «Ner dem NedaeitauSstrich dträaafpalt. geileL0 Pf., vor den gamtlienuachröchte» die Sgespaltene geile 40 Ps. Inserate find stet« aa die Gu»kditi«lt z» sende». — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeallmeraoch» ober durch Post» Nachnahme. 79. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bei dem kakserksihea Postamte 10 tu Leipzig lagen» gegen ». 400 kilogr. Seidenvapier, d. 800 » Vopvdeckrl. a. 7000 - rinjustampfend« Papiere, ä. 5000 » Maculatur. Ferner lagern bei der kaiserliche» Ober-Postdirrctio» t» Leipzig gegen «. 4000 Kilogr. Karten-Maculatnr, L 400 - veraltete Druckwerke verschiedener Art» zum Theil eingebunden, k- 8000 - Leiegrapheapapier«, o 8000 . Telegrapkenftreisen, einschließlich der Holjkerne. Dies« Bestünde, welch« bei den bezeichnet«» Stellen in Augen- schein genommen werden können, sollen noch Befinden im Ganzen oder im Linzeinen on den Meistbietende» vertäust werden. Die Abnahme der Bestände Hai de, de» bezeichnet»,, Lagerstellen zu erfolgen. Etwaig« Besürderungskoftea Hot der Abnehmer selbst zu bestreite». Die unter a, r »ad I» bezeichneten Papiere werden zum Lin- ftampsen vertäust. Dal Linftampse» hat im Beisein eine» Post beamte» za geschehen. Besondere kosten entsteh«» hierdurch dem Nicht. Angebote «st Angabe der Preise für je 100 kilogr. der einzelne» Gattnage, sind HG zum SO. Juni bei der hiesigen Kaiserlichen Ober- Postvirertion rinznreichen. Leipzig, dea 19. Juni 188». Per Kaiserliche Lber-Paftdirectar. Walter. Nichtamtlicher Theil. Der Zwist in -er socialdemokratischen Partei. * Ueber diese« Thema wird un« geschrieben: Schon seit mehreren Wochen ziehen die Streitigkeiten, die innerhalb der socialdemokratischen Partei auSgebrochcn sind, die Aufmerksamkeit selbst weiterer kreise aus sich, und auch die Presse hat sich bemüht, möglichst «hinter die Coulissen- zu blicken und ihren Lesern in längeren Artikeln da« Resultat der Forschungen über die Ursachen de« Streit« mitzulheilen. Hierbei scheint r«, al« ob im Allgemeinen ein zu große« Gewicht ans di« politische Seite der Zwistig keiten gelegt worden ist. wogegen die persönlich treibenden Motiv« fast ganz vergessen worden sind. Und dennoch sind die letzteren nicht so unbedeutend al- man annimmt, sondern ganz i« Gegentheile dürften sie sicher ei»« Haupt rolle spielen. Bekanntlich giebt e« oder fall e« in der sccialdemokra- tischen Partei keinen eigentlichen .Führer" geben (wie Windthorst. Richter, Bennigsen re. bei anderen' Parteien), aber e« giebt einen Mann, der e« »„bedingt zum unum schränkten Führer bringen will, und da« ist — Lieb knecht. Sein ganze« Verhalten, alle Maßnahmen diese« Manne« zielten seit der im Mai 1875 in Gotha erfolgten Bereinigung der .socialdemokratischen Arbeiterpartei" und de« .Allgemeinen deutschen Arbeiterverein«" zur „socialistischen Arbeiterpartei Deutschland«-, also seit dem Aushvren de« mit Erbitterung geführten inneren Kampfe«, daraus hin eine unbe- strittcnrFührrrschast innerhalb der gcsammten deutschen Social demokratie sich anzueignen. Und jetzt, genau zehn Jahre nach der Einigung, ist Liebknecht dicht an der Erreichung seines Ziele« — da lohnt e« sich wohl, einen Blick zu Wersen aus den Weg, den er zurückgelegt. Bon den Größen innerhalb der früheren eigenen Partei waren ihm nur Marx und allenfalls noch Engel» .über"; mit Beiden hatte aber Liebknecht n'chl zu rechnen, denn beide« waren lediglich theoretische Schriftsteller, ganz abgesehen davon, daß sie in England lebten und an eine Rückkehr nach Deutschland oder beziehentlich ein praktische« Eingreifen in dir soeialdemokratische Bewegung gar nicht dachten. Bon dieser Seite aus war also Liebknecht vollkommen sicher, in seinen Bestrebungen ungehindert zu bleiben. Bon den Rivalen nun, die zunächst zu überwinden waren, war ei» todter Rival der gefährlichste, weil ein noch lebender die Verehrung, die der Tobte genoß, zur Propaganda für seine Zwecke benutzte. Der Tobte, der von seinem Pievestal zu stürzen war, war Ferdinand Lassalle; der Lebende, aus den wir noch später zu sprechen kommen werden, war Hassclmann. Die Beseitigung Lassalle'S. de« talent vollen, aedankensprUhcnden und redegewandten Tokten, der sich natürlich nickt mehr wehren konnte, gelang — gelang auf dem gewöhnlichen Wege der Verkleinerung seiner poli tischen Stellung, der Verdächtigung seine« persönlichen Cbarakter«. Hm und wieder gedachte man wohl noch Lassalle'S im .Vorwärts-, dem Parteiorgan; in den größeren Städten sanken auch noch am 31. August, dem Todestage, Lassalle- Feieril statt und in BreSlau pilgerte man noch etliche Jahre zum Grabe — aber für ^da» Verblassen der Erinnerung an den einst so hochverehrten Führer wurde in bester Weise ge sorgt, und heutzutage ist Lassalle fast vergessen! Die Wenigen aber, die noch aus seinen Namen halten, kennen ihre Ohn macht. 8io trrmsit glona nnmäi! Sehr viel mußte eS bei den Bestrebungen Liebknecht'« daraus ankommen, den Sitz der vereinigten Partei von Berlin fern zu halten. Kam der Sitz nach Berlin, wo Hasfelmann'S Einfluß denjenigen Hasenclever'S bei Weitem überragte, so wurde dadurch für Liebknecht ein Stein deS Anstöße« geschaffen, dessen Forlräumung nicht nur sehr schmierig war. sondern der jedenfalls auch den Einfluß Lieb knecht'- auf die Dauer paralysirt haben dürste, denn schwerlich bättcn sich die Anhänger der Partei, die in der ReichSIiauptstaot die stärkste Gemeinde bildeten, ihr wohlbegrün- kete« Anrecht aus den Sitz der Partei, d. h. die Führung in der Bewegung je wieder nehmen lassen. Durch die schon angedeulele Rivalität zwischen Hascnclever und Hassel mann gelang der Plan Liebknecht'-: der ossiciclle Sitz der Partei kam nach Hamburg, zum Eentral-Organ mit dem Erscheinen in Leipzig wurde der in den „Vorwärts" umgewandelte einstige „Dolksstaat" gemacht. Damit war Liebknecht znm geistigen Haupte der Partei ge- worden, und nichts verschlug eS daran, daß Hascnclever al» gleichgestellter, richtiger wohl al« .gleichgeschraublcr" Mit rcdacteur nach Leipzig ging. Damit war aber auch Berlin „entcapitalisirt- und vor Allem Hassclmann der Boden unter den Küßen sortgezogen, der sich denn auch al-bald nach Barmen-Elberseld. seiner lctzlgebliebenen Domaine, wandte Sollt« aber der Einfluß in der socialdemckratischen Be wegung, wie er der Reich-Hauptstadt zustand, aus die Dauer nirbergebatten werden, so mußte selvstrcdend eine jede dort emporstrcbende Größe gleichfall« dffeitigt werden. Run hat e« deren zwei gegeben, aus deren Ruf Liebknecht eifersüchtig wurde. Der «ne wirkte in den gebildeteren Volksschichten, e« ist der bekannt« Privatdocrnt vr. Eugen Dühring; der andere war rin« Zeitlang der Abgott der breiten volttmassen, sein Name ist — Johann Most. Gehen wir un« ihre Schicksale an. vr. Eugen Dühring, bekannt durch seine Streitigkeiten mit den Professoren Adolph Wagner und Helmholtz, stand im Jahre 1877, al« er zur Einstellung feiner Lehrthätigkeit an der Universität zu Berlin veranlaßt wurde, im Zeinlh seine« Ansehen«. Zwei Schriften hatten den Namen Dühring'« besonder« berühmt gemacht, nämlich der .Eursu« der National- und Socialökonomie- und die .kritische Geschickte der Nationalökonomie und de« Sociali-mu«". E« sammelte sich um Dühring ein krei« von Anbängern, sein Name wurde al« der eine« Märtyrers in die Volksversammlungen hinein- gelragen und e« schien, al« ob Dühring daS Haupt de« wissenschaftlichen Sociali-mu« in Deutschland werden sollte. Keine Nebenbuhlerschaft war aber für Liebknecht unangenehmer, alS eine geistige: alfo war auch da« Schicksal Dührina'S ent- chiedeu. Das ungeschickte Austreten de« erblindeten Manne« erleichterte seinen Sturz; Dühring aber, der geistig scharf sah, wußte genau, von wo au« da« Signal zu seinem Sturze auSgegangen war — und er rächte sich durch die Erfindung de« scharf bezeichnenden und treffenden AuSvrncke« der Liebknechtschaft". Mit Jobann Most lag die Sache schwieriger. Most war einer der gewandtesten Redner der Partei und ging er auch meist in« Extrem und geradezu zum Unsinn über, so hatte er doch eine so populäre AuSdruckSweise. unterstützt durch ebenso populäre Mienen und Gesten, an sich, daß er der Lieb ling deS PublicumS der Volksversammlungen war. Auch fehlte ihm der Glorienschein der Märtyrerschaft, erworben durch langjährige Gesängnißbaften, nicht, so daß alle zur „Führerschaft- nöthigcn Erfordernisse vorhanden waren. Zudem trat Most eine Zeit lang in äußerst gemäßigter Weise auf, woraus sich sogar Zwistigkeiten mit dem osficiellen Parteiorgan entspannen. Aus de» Höhepunkt der Popularität stieg aber Most, als Anfang« 1877 Stöcker mit der christ lich-socialen Bewegung auslrat. Da kamen nie wieder da- gewcsene stürmische Volksversammlungen, die den Namen Most durch ganz Deutschland bekannt machten, so daß der Träger de« Namen« überallhin al« Redner verlangt wurde, und umsonst war da« Stemmen Liebknecht'« gegen die Religion-Hetze, da« sonstige Gewicht seine« Namen« blieb unbeachtet. Da kamen die Attentate aus den Kaiser, die Auslösung de« Reichstage«, die Jnhastirung Most'S. seine Nichlwicderwahl in Chemnitz — und Liebknecht'« Führer schaft war gerettet! Most, dem nach seiner Frei lassung „och viele Procrssc bevorstanden, der an« Berlin aaSgcwiesen war und den die letzten Ereignisse mürbe gemacht hatten, wurde nach London „abgeschoben". Von Leipzig au« gab nian ihm zu erkenne», daß er „abgesägt" sei und nichts mehr zu erwarten habe, woraus dann Most in jene exaltirten und verrückten Bahnen einbog. für die eS schließlich nur noch in Amerika Wege gab. Liebknecht aber stellte sich in der verflossenen ReichSlagSscssion hin und sagte (für die „Genossen" natürlich mit äußerem Scheine deS RecktS), daß die preußische Regierung an dem jetzigen Auf treten Most'S die Schuld trage. Man muß eben Partei geschichte zu machen verstehen. Ein anderer mächtigerer Vermittler beseitigte zwei Männer, die allerdings nie nach der Führerschaft gestrebt, deren Einfluß und unbestechlicher Charakter dem von Liebknecht angestrcbten Uebergewicht aber doch in vielen Dingen die Waage gebalten hätte; im Hochsommer 1879 starb nämlich August Geil, in Hamburg, nnd etliche Monate später folgte ihm Wilhelm Bracke in Braunfchweig, beide in der Älüthe ihrer Jahre durch den Tod abgerufen. Aber noch lebte und wirkte Hasselmann innerhalb der deutschen socialdemokratischen Partei. Im Jahre 1877 bei den Wahlen unterlegen, wurde er 1879 von seinem Varmen- Elberfelder Wahlkreis wieder in den Reichstag gesandt. Hasselmann, der vielleicht erkannt haben mochte, daß sein Fortgehen von Berlin ein Fehler gewesen, verlegte fein Donncil wieder dorthin. Von nun an begann aber Lieb knecht einen rücksichtslosen und ganz öffentlich geführten Kampf gegen Hasselmann. Sowohl in den Parteiconven- tikelli, als auch in der Presse, im Reichstage und schließlich auf dem Wyvener Conaresse wurde Hasselmann als ei» Friedensstörer, der die Partei compromiltiren und selbst ruiniren wolle, hingestcllt. Hasselmann, der zwar Jntrizue gegen Jntrigue setzte, erlag den allseitigen Angriffen, denn er hatte eS unterlassen, bei Zeiten für eliicn starken Anhang zu sorgen. Er verließ Berlin, al« sein dortige« ZeitungS- unternebmen nicht reussirte, und wandte sich nach Hamburg. Allein auch da glückte c« ihm mit der Herausgabe einer Zeitung nickt und so ging er Venn tm Sommer 1880 plötz lich nach Amerika, da ihm hier in Deutschland alle ferneren Subsistenzmittel fehlten. Kurz vor seinem Abgänge ließ Hassclmann noch seinen Hauptingrimm durch Veröffentlichungen an« früherer Zeit an Hasenclever au«, dem er die Haupt schuld an seinem Sturze mit Recht beimessen mußte. So konnte denn Liebknecht al« der alleinige Führer in der socialdemokratischen Bewegung dastehen, wenn c« nicht noch einen Mann gäbe, der Liebknecht nicht nur bei all seinen Operationen unterstützt, sondern ihm in den geschilderten Parteikämpfen oft den schwersten Theil der Arbeit abge- nommcn — wir meinen den DreckSlermeister August Bebel. Bebel, der einer einfachen Familie entsprossen ist und eine einfache SLule besucht hat, hat e» aber durch Energie, Aus dauer und Fleiß dahin gebracht, der parlamentarisch geschul teste Vertreter der Partei zu sein, verschiedene Jahre (irren wir nicht 187!—1874) war Bebel sogar der einzige Vertreter der socialdemokratischen Partei im Reichstage und bat sich hierbei — selbst nach dem Urlheile seiner entschiedensten poli tischen Feinde — stet« mit Geschick benommen. Sein Privat charakter ist anerkannt makellos und so vereinigt sich in Bebel Alle», wa« ein Neckt daraus gäbe, an der Spitze einer Partei zu stehen. Aber an der Spitze kann nur Einer stehen und da jede« Ting (selbst die Kugel entgegengesetzt dem Puncle, wo sie aufliegt) eine Spitze hat. so muß auch schließlich di« sorialdemokralische Partei in irgend einem Manne in der Hauptsache charakterissrt sein. Besonder» wird da« aber in jeder revolutionaircn Partei — und da« ist die socialdemokratische Parlei unbedingt — der Fall sein müssen. DaS weiß Liebknecht al« Kenner der Welt- und hauptsächlich der französischen Rcvo- lution-geschjchte ganz genau; darum weiß er auch, daß di« Reibungen, die zwischen ihm und Bebel bereit« früher statt- gesunden, schließlich einen Riß berbeisühren müssen — mag die Sache kurz oder lang dauern! So kommen wir denn zu dem Eon flicke innerhalb der socialvemokralischen Partei, der jetzt eine höhere Aufmerksam keit, al« bei sonstigen ähnlichen Vorkommnissen, aus sich lenkt. Den äußeren Anlaß zu diesem Eonflict gab der bekannt« „UkaS" der socialdemokratischen Abaeordneten, in welchem diese e« sich ganz außerordentlich brUSk verbaten, von ihren Wählern in Betreff ihrer parlamentarischen Haltung krinsirt zu werden. Daraus erfolgte der Frankfurter Protest, woran sich diverse ZustimmungSadressen au« den verschiedensten Gegenden Deutschland« schloffen. Froh me behandelte sodan» in einer Antwort die Frankfurter Protestler ziemlich von oben herab, so daß Bebel, der vielleicht im eigenen Interesse die freie Meinungsäußerung der „Genossen" nicht gar zu sedr wollte unterdrücken lassen, in stark persönlich angreisender Weise replicirte. Frohme, welcher di« FractionSverhält- nlffe kannte und wußte, daß er nicht allein stand, ließ nicht« aus sich sitzen und antwortete in etwa« fein sollender, in Wirklichkeit heftiger Art. Bebel entgegnet« kurz und Lieb knecht berichtigte eine Unbedeutendheit, aber nun kam der Knalleffect, indem der Schwiegersohn Liebknecht'«, Bruno Geiser, in einer Stuttgarter Zeitung eine Erklärung ver öffentlichte, in welcher er sagte, daß di« »au Liebknecht er lassene formelle Berichtigung durch»»« keinen Schluß aus dessen Meinung in dem auSgrbrochenen Streite gewähre, und erging sich bann de« ferneren in starke» AuSfalle» gegen .Papst Bebel- u. dergl. mehr. Damit war der Kern der Sacke ge troffen. „Hie Liebknecktschast- — .Hie Papst Bebet-, nicht« Anderes läßt die Geiser'sche Erklärung al» Endschluß zu, und daran wird nicht« geändert, wenn auch Liebknecht seinen vor lauten Schwiegersohn de«avouirl. Für Bebel ist e« aber besonders beleidigend, gerade von Geiser derartig abaekanzelt zu werken, denn wenn Bebel sich erst Geiser gegenüber ver- lheibigen müßte, dann muß e« wahrlich weit gekommen sein Dennoch muß man sich hüten, zu weitgehende Eombina- tione» an den jetzigen Streit zu knüpfen. Eine Beilegung desselben ist wahrscheinlich, aber mindesten« ebenso wahrschein lich ist ein um so verstärkter Ausbruch der Meinung-Ver schiedenheiten, je stärker etwa dir Zahl der socialdemokrati schen Abgeordneten werden sollte. Und daß es schließlich zwischen ben .Parlamentariern- und »Revoluticnairrn- zum vollen Bruche kommt, ist woht al« sicher anzunehmen. Bor.äusig liegt die Sache so, daß erstere «n der Majorität sind, aber wa« den letzteren an Zahl obgeht, gleichen sie durch Einwirkung aus die Masten aus. Da« Beste ist dabei, daß die Partei außer Liebknecht und Bebel keine hervorragenden Männer besitzt, denn selbst Abgeordnete, wie Singer, Viereck u. f. m. dürsten kaum im Stande sein, mit Sach- kenntniß über daS krankenversicberungSgesctz. Unfallver- sickerungSgesetz und dergl. zu resrriren, denn wirkliches Studium socialer Verhältnisse liegt den meisten socialdemokra- lijchen Abgeordneten gänzlich fern. Für eine baare Narrethei würde eS aber die große Mehrheit derselben halten, sich etwa gar für die Arbcitersache zu opfern; da« Umgekehrte halten sie für so selbstverständlich, daß sie darüber nicht einmal ein Wert verlieren. Ein Mann !m deutschen Reiche hat aber da« Recht, alle diese Dinge mit stoischer Ruhe von oben zu betrachten — da« ist Kürst BiSmarck. Und die .Genossen- mögen der Vorsehung danke», daß dieser Mann Deutschland leitet, denn regierten die Herren Führer, so dürste die Redefreiheit der .Genossen- noch viel schlimmer anSsehen, al« jetzt unter Ausnahmegesetz und Belagerungszustand. Leipzig, 22. Juni 1885. * Der deutsche Kronprinz wird am Sonnabend, den 27. dss., Vormittags in OclS emtrcffen, sich nach einer An sprache de« Bürgermeister« Kallmann a»f dem Ringe nach dem Schloßhofe begeben, wo ein Regiments-Appell und die Vorstellung der anwesenden Beamten. Pächter rc. stattfinden wird. Al-dann gedenkt der Kronprinz eine Fahrt nach seinen zunächst bei OelS gelegenen Besitzungen Nalbe. Spalitz und Würtrmberg zu machen. Um 3 Uhr begicbt sich der Kron prinz nach ttarotschin, wo er die Nacht über bei seinem Hos- marschall. Grasen RadolinSki, bleibt. Am Sonntag, den 28. ds«.» trifft der Kronprinz Mittag» wieder in Oel» ein. Er fährt vom Bahnbose durch ven Bernstädter Forst nach Bernstadt, besichtigt dort da« Schloß und begiebt sich dann nach Polnifch-Wartenberg, wo va« Diner bei dem Prinzen Biron von Kurland eingenommen werden wird. Der Kron prinz wird Polnifch-Wartenberg gegen Abend wieder ver lassen, uni den Anschluß an den fahrplanmäßigen Courierzug Bre«lau-Berlin zu erreichen. * Ja der „Ostpreußischen Zeitung" lesen wir folgenden Nachtrag zum Besuche deS Kronprinzen in König So erg: Die Ansprache, welche Se. kaiserl. und königl. Hobeit der krön- Prinz bei seiner neulich,'» Anwesenheit ln unserer Stadt an die Professoren der Universität gerichtet bot. ist in den öffentlichen Blätter», auch in unserer Zeitung, ziemlich wortgetreu abgedruckt worden. Das Gleiche gilt nicht von den Reden, welche aus den To mm er sei, der Studenten gehalten stad, die Wiedergabe der selben ließ Manche« zu wünschen übrig. Wir werden gegenwärlig durch einen Theilnehmer an dem Tommerse der Touleur-Stndentea in der neuen Börse, welcher sich während der Red« Notizen gemacht und unmittelbar nachher dieselbe niedergeschriebea hat, sicundlichst in dea Stand gesetzt, die Ansprache ziemlich wortgetreu wiederzugeben, welche Se. kaiierl. und köaigl Hoheit bei dieser Gelegenheit an di« Studenten gerichtet hat. Die Worte lauteten etwa: „Als Rector der altehrwürdigen Albertina begrüße ich ihre akademische» Bürger mit herzlichem Gruße. Wenn mir beim iede«mal,gen Weilen in dieser Stadt da« Blld de« großen dcutichen Denker« vor die Seel« tritt, dessen Lehre der WelkweiSbeit neue Bahnen gewiesen, so möchte ich heute, wo ein milltairische« Fest mich nach Königsberg bringt, noch eine« anderen vaterländischen Khllolopyen gedenken, der in schwerer Zeit den Mutb nicht sinken ließ und dem sein Bolk erschien wie wir e« heute sehen und wie e« ferner bleiben möge: „wassengrwaltig und gedankenschwer". Wie sehr wir aus Erhaltung de« Fr eden» rechnen dürse». dessen wir un«, wie heute, so Gott will — ans lange, lange Jahre hinau« ersrenru iverdea, wir sind sicher, daß die Nasse« Deutschland« nimmer roste«. An Ihne» aber, an der studi- renden deatschen Jugend. wird »« lein, Serge za tragen, daß unserem Baterlande auch die andere Ligenschatt gewahrt bleibe: daß sie nie arm werde aa guten und fruchtbare« Gedanken! Biele« über jede« Hoffen uud Erwarten hinau« ist un« in den letzten großen Zetten zu Theil geworden. L« wäre töricht und undankbar zugleich, wollten wir Klage stbren, daß noch nicht Alle« erreicht sei, wa» wir erstreben. Wir Aektere«, die wir Jeder an seinem Theil mitgewirkt an De«, was de» Vaterland« »ine glückliche Zukuuft verheißt, wir vertrauen» daß unser junge« Geschlecht alle Zelt stark sein möge an echtem deutschen Sinne, um iu Eintracht, tu Go«te«surchl nud tm Geist« schöner Menschlichkeit da« Werk zu vollenden, da« wir dereinst ihm hiuterlaflen." Der kroaprivz wie« sodann darauf hi», daß die Namen aller Derer, die i» jener großen Zeit mitgeholfen, ln den Taseln der Gelchichte una»«ttlgbar eingegraben seien, daß aber Niemandem größerer Ruhin gebühre, al« dem, der selber der Ansührer de« deutschen Volke« in Waffen gewesen, Sr. Majestät dem Kaiser und König», und ließ nunmehr da« Lommando zum Salamander aus S«. Majestät gelle». * Die .Nationalliberalr Correspdz.- schreibt zur parla mentarischen Lag«: »Die ultramontane Partei wird, wie zahlreiche Kundgebungen ihrer Presse beweisen, bei den be vorstehenden LandtagSwahten in Preußen wieder ihr beliebte« Doppelspiel spielen, sie wird, wo sie selbst nicht vurck- zubringeri vermag, entweder conservatide oder deutschsreisinnige Eandidaten unterstützen, aber beide nur, wenn sie von der .echten- Art nach klerikaler Anschauung find, d. h. die nölhigen Garantien bieten, daß sie keine Eullurkämpser, sondern Freunde der .Freiheit der Kirche- sind Die ultramontan« Taktik bat diese« Spiel mit doppelter Hand, diese gleichzeitige Unter stützung der hochreactionairrn und der radikalen Sache mit großer Eonsequenz seit Jahren betrieben und der zu Grunde liegend« Gedanke ist auch verständlich genug. Da« Eenlrum hat den leitenden und von seinem Standpunkt au« auch ganz begreiflichen taktischen Grundsatz, um jeden Preis die Bildung einer sog. mittelparteilichen Mehrheit zu verhindern. Ai« eine solche gilt den klerikalen Politikern ein« au« denNational- li beraten, den F re iconservativen und den gemäßigten Conservativen mit Au«schluß der hochreactionairrn, hoch- feudalen und hochorthovoxen Grupp« bestehende Mehrheit. Eine solch« Mehrheit macht da« Eentrum für die Regierung entbehrlich und vermindert dessen Werth erheblich, weßhalv ihre Bildung mit aller Kraft bekämpft werdrn muß. Bei den Reichstag« wählen haben die Ultramontanen diese« Ziel auch erreicht und haben dieser Thatsache ihre be herrschende parlamentarische Stellung zu verdanken. Bei den preußischen Landtag-Wahlen aber »st e« ihnen bi«her nickt gelungen, Nationalliberale und Conserdativ« bilden hier, auch mit Ausschluß de« äußersten rechten Flügel«, eine Majorität, und die parlamentarischen Verbältnisse liegen sonach hier erheblich günstiger al« im Reichstag. E« ist auch gar nicht daran zu denken, daß iu dieser Ben-Huug dt« bevorstehenden Wahlen eine Aenderung Hervorbringen könnten. Wir geben unS nicht der Illusion hin, den Ultramontanen erheblichen Abbruch thun zu können, aber auch dies« werden sich nicht einbilden, die sogenannte mittelparteiliche Mehrheit im Abgeordnetenhause die« Mal verhindern zu können. Dir ultramontane Hilfe ist bei dA> Landtag-Wahlen für andere Parteien überhaupt lang« nicht von dem Werth wie bei den RcichSlagSwahlen; r» ist dort eine weit beschränktere Zahl von Wahlkreisen, in denen da» Centrum eine entscheidende Rolle spielen kann, während im Reichstag aus der äußersten Reckten und Linken Dutzende von Mitglie dern sitzen, die ihr Mandat lediglich den ultramontanen Stimmen zu verdanken haben. Aber trotz der weit geringeren Aussicht aus Erfolg wird die ultramontan« Taktik auch jetzt wieder zum unverfälschten Ausdruck kommen, welche ver schreibt, um keinen Preis Candidaten zu unterstützen, die zur Verstärkung der sog. Mittelpartei dienen würden. Ein Nationalliberaler und rin gemäßigter Conservativer darf unter keinen Umständen eine ultramontane Stimme erhalten. Hoffentlich wird eS auch umgekehrt der Fall sein, und die Gemäßigten von recht« und links werdrn tue Nutzanwendung daraus ziehen und überall gemeinsam Front macken gegen den UltramontaniSm»« und Diejenigen, die seine Gunst sucken.- * In Kulm wurde seiten« de« Verein« der gemäßigt Liberalen und Conservativen beschlossen, mit dem conservativen Verein in Thorn in Verhandlung darüber zu treten, ob nicht für die bevorstehende Wahl zum prcußi'- schen Abgeordnetenhause ein konservativer und ein nationalliberaler Candidat auszustellen sein würde. Jetzt ist der Wahlkreis durch einen Fortschrittler. Bergcnrolh, nnd einen Nationalliberalcn, DommeS-Sarnau, vertreten, letzterer Candidatur erklärte der Verein nicht abgeneigt zu sein.' * Herr Hofprediger Stöcker hat. wie die ihm nabe- stehenden Berliner Blätter melden, einen niehr>vöcheniu<b n .Sommer--Urlaub genommen. Er wird also, wie e c „National-Zeitung- hcrvorhebt, am 23. d. M.. für w:la, Tag die gegen ibn gerichtete Klag« de« srübere» Ab icerd:. , Schmidt (Elberfeld) zur Verhandlung steht, dem '.lns a nach nicht in Berlin sein. Seine Anhänger hicl c» a n Donnerstag Abend eine große Versammlung, in welcber ihrer unverminderten Verehrung versichert wurde. T i ' e > vor dem vielbesprochenen Proceß bekanntlich eine Sr g in der konservativen Partei in Berlin entstanden war. w . ein Tbeil derselben mchl weiter mit Herr» Stöcker nnd b i, , näheren Freunden Zusammengehen wollte, so ff« anznn > >., , daß dieselbe durch da» jetzige demonstrative Eintreten Z anderen Tbeile« der Partei für ihn erweitert werden wne Die von der .Neuen Preußischen Zeitung- aiiS.zSqeb e Parole, daß die Gerichttverhandlunq nichts geänterl I al, . wird selbst von konservativen ÄgitationS-Genossen kee> Herrn Stöcker nicht anerkannt. Da« „Deutsche Tage blatt- molivirt sein bi-herigc« Schweigen in der Angelegen heit heute u. A. wie folgt: „ES war. wir gestehen es ganz offen, eine gewisse Eck>eu. dem Herrn Hvsprediger Slöckee, mit dem wir un» in Bezug aus seine Propaganda in vielen Puncten ein« wissen, etwa« zu sagen, wa» ihm vielleicht ge rade in diesem Augenblick, in dem sich auch viele vo» Denen, die biSüer zu ihm gebalten, nicht vcrbehlen konnten, daß die Sache mit dem Proceß doch kehr trübe sei, doppelt zu verletzen angethan war." — Weiterhin erklärt da« eon- servalive Blatt: „Wir geben zu, daß fick Herr Stöcker zum Hvsprediger nicht weiter eignet, aber al« Agi tator hat er sich, und wenn ihr noch so viel Verleumdungen auf ihn zusammenhäusl. nicht unmöglich gemacht l" « * « * Vom Wiener „Tramway-Kriege" wird der „Schlesische» Zeitung" au« Wien geschrieben: „Die Frage, ob eine Tramwaylinie durch zwei Straßen Wien«, d,e Babenberger- und Kaiser JosesSstraße geführt werdrn dllrj^
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