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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.06.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188406199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18840619
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18840619
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-06
- Tag1884-06-19
- Monat1884-06
- Jahr1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.06.1884
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WWW Ersch»t«t täglich früh 6'/.UHr. Ur-«rtl«« und Lkprditioa Johanne-gasse gZ. SPttchkun-kll -kr ttrSaction: vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittags ö—6 Uhr. tzlll da RtiS,»b« tm^cl-udlrr «t-nulcrlxrr »acht sich d» Stedacu«» nicht veldtndtich. >n»«tz«e »er für »i« nSchftsol,e«»e X«««ek »eftim«ten An jerate a» Wochentagen »t« S Udr Nachmittag«, an La«»-««» Festtagen srnh »i»' .9 U«r. 2» -e« Filialen für Ins.-Annahme: Otto klemm, UniversilätSstraße 21, Laut« Lösche, Katharineustrahe 18, p. «nr »t» '/,! Uhr. <WWr TaMlck Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. 171. Amtlicher Theil. Vekaimtmachnng. Der Haupteingaug zum neuen Johan«i<friedhos wirb wegen Vornahme von Banlichkeiten von Mittwoch, de» 18. btA Sonnabend de» 2t. lsdn. MtS. ge zerrt. Während dieser Zeit hat aller Berkehr seinen Singana durch das westlich vom Haupteingange gelegene zweite Thor zu nehmen. Leipzig, den 16. Juni 1884. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Kretschmer. Hewölbe-Vermieshung. Eingetretener Umstände halber ist das zeither an Herrn Kaufmann Küntzcl vermictbet gewesene sog. Bühnen- aewölbe Nr. 4 unter den, Rathhause (Marktscite) sofort oder später gegen einhalbjährliche Kündigung anderweit zu vermiethen. Miethgesucbe werden auf dem Rathbause, 1. Etage. Zimmer Nr. 17, entgcgengenommen, auch können ebendaselbst du BcrmietbungSbedingungen und daS Invcntarium des zu vermiethendc» Gewölbes eingesehen werden. Leipzig, den 12. Juni 1884. Der Rath der Stadt Leipzigs vr. Georgi. Stoß. Vrkanntmachung. Bei der kürzlich begonnenen Heuernte ist, wie auch schon in den Vorjahren, die Bemerkung gemacht worden, daß auf den der Stadt Leipzig gehörige» und größtentheilS verpachteten sogenannten NcithSwicsen vielfach, insbesondere von Frauen und Kindern, schon nachgeharkt wird, bevor das Heu voll ständig abgefahren ist. Es hat dieses Gebühren schon wieder holt zu Klagen und Beschwerden seitens der Pächter Anlaß gegeben und wird daher daraus ausmerksam gemacht, daß daS Betreten der Wiesen zu obgcdachtcm Zwecks vor vollständig beendeter tKrnte verboten und nack tz. 368 sub 9 des ReichSsrrasgesctzbuchS in Verbindung mit Artikel 8 sub 2 und ö de« Ferststrasgesetzes vom 30. April 1873 mit Geldstrafe bi« 60 utl ober mit Hast bi- zu 14 Tagen zu bestrafen ist. Gegen Zuwiveihandelnde wird unnachsichtlich eingeschritton werden. Leipzig, am 14. Juni 1884. DaS Poltzetamt der Stadt Leipzig. Bretsckneider. N. 8it2UNA lies äl'Mieken Rerirks- V6iein8 cler 8ta6t vonnerstax, äeo 19. ^unl ck. ^dencka g vlir, km 8»nle <ler »«ton Itllrxeraeknle. Daxeeorännox: »riebt cls» ptanckeaauosedusse»: 1) Heber vrivntLrrtliobe üeu^nisse in etskitebllroerlleker unä recktllcber Serisdunx; 2) UnteretNtrunp- ckc» Ovsees'Iorker ^utrac-s, «lass ckie kür cke» Xerrteta» bestimmten lieferst« ruvor verökkentlicdt reoräeo. (lief I)r. L. äleiWnor). — 6utscdten cke« 8»->irLts- »u«ebu«e» liker ckeo eomgressell Orneü äe» „Lerrtliekeo Vereins- dlsttor". (Rek. vr. Ltünwel.) Vr. Klo»«. Nichtamütcher Theil. Die Londoner Lonfereiy. Nach beinahe zweimonatigen Verhandlungen ist der eng lische Conserenzvorschlag jetzt endlich bis zum Einverständniß zwischen der englischen und französischen Regierung über die Grundlage der Bcrathungen gelangt. Am 23 April wurde die englische Note in Berlin und Paris überreicht, welche den Unterzeichnern deS Berliner Friedens eine Aenderung des egyptische» Liguivationsgesetzes empfiehlt. Alsbald nach der Uebergabe der Note in Paris stellte sich dem Projcct ein Hinderniß entgegen, welches das Zustandekommen desselben fraglich machte. Die französische Negierung verlangte in Uebcreinstiinmung mit der öffentlichen Meinung Frankreichs, daß sich die Bcrathungen der Eonserenz nicht aus die sinanzicllc» Angelegenheilen EgYptcnS beschränken, sondern Laß sie die eillge- gemeinen politischen Verhältnisse des LandeS in den Bereich ihrer Verhandlungen ziehen solle. Diese- Verlangen wurde von der öffentlichen Meinung Englands ebenso entschieden zurück gewiesen. wie eS von französischer Seite erboben worden war. und deshalb bedurfte eS der größten Vorsicht und der zähen Beharrlichkeit deS englische» Premierministers, um schließlich dennoch seinen Zweck zu crre'cken. Die fortgesetzten Anfragen im Parlament wußte er durch Andeutungen und ausweichende Wendungen zu parircn, nnd als die Parlamentsmitglieder immer ungestümer wurden und sich schließlich nicht mehr mit teeren Redensarten abspeisen taffen wollten, begütigte er sie durch das Versprechen, daß nichts ohne die Zustimmung deS Parlaments abgemacht werden solle, die Volksvertretung würde Gelegenheit erhalte» sich vorher über kieSache zuäußern. DaS, was über die Verhandlungen in die Ocsscnllichkeil drang durch die Presse, War nun aber keineswegs dazu angethan, die Besorg nisse de- Parlaments zu zerstreuen; namentlich erregte es einen Sturm von Entrüstung, als >»an Hörle, daß Frankreich England über die Dauer der Besetzung EgYptcnS Borschristen machen und die englische Finanzcontrole beseitigen wolle. Darauf war die einstimmige Antwort, daß ein solche- Ab kommen nicht die Genehmigung deS Parlaments erballen könne. Gladstonr schwieg dazu, dann aber erschien plötzlich der mit G. Unterzeichnete Artikel der „Fcrtnighlly Review", welcher die Behauptung aufstcllte. daß die Freundschaft Frankreich- unk Rußlands für England weil wichtiger sei. als die DenlschlandS, nnd daß der Schwerpunkt der Macht und des Einflusses Englands nicht in Europa, sondern in Asien und Afrika liege, wo Deutschland nicht« zu suche» habe und machtlos sei. ES ist bekannt, welche Be wegung dieser Artikel in ganz Europa verursachte, und daß sich die Glavstone ergebenen Preßorgane bemühten, den unan genehmen Eindruck, welchen der Artikel in Deutschland ge macht hat, abznschwächen. Als letzter Nachklang dieser Preßstimmen ist der gestern von un- mitgetbeilte Artikel der »Time«- anzusehen, welcher sich die größte Mühe giebt, Fürsten Bismarck für England freundlich zu stimmen, Auflage 18,600. Abonnrmrntspreis oiertelj. 4'/, Llk. incl. Bringcrlohn b Mk.. Lurch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilage» (in Tageblatt-Format gesalzt) ohne Postbesörderung 39 Mk. Mit Postbesörderung 48 Mk. Inserate sigespaltene'Petitzeile SO Pf. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer u. Zisfernsatz nach höherm Tarif. Aerlamrn unter" dem Kedartionsstrich die Svalrzeile 50 Ps. Inserate sind stets an die Expedition i» senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenumerauüo oder dura, Pest- Nachnahme. Donnerstag den 19. Juni 1884. 78. Jahrgang. ohne Frankreich vor den Kopf zu stoßen. Die „TimeS" gehl sogar soweit, der englischen Negierung darüber Borwürse zu machen, daß sie auS Uebereiser, um mit Frankreich zur Verständig»»^;» gelangen, ganz vergessen hätte, sich der maßgebenden Stellung Deutschlands in allen europäischen Angelegenheiten zu erinnern. Tie „TimeS" acceptirt also doch de» Grundgedanken de« Artikels der „Fortnightly Review", daß Deutschland nur in Europa Macht und Ansehen besitze, läßt aber dabei außer Acht, daß Egypten in Afrika liegt, in welchem Erdtheil doch neben England mir Frankreich etwas zu sagen hat. DaS sind englische Preßeigenthümlichkeiten, die »un elnmal mit in Kauf genommen werden muffen und über welche sich zu ereifern, nicht der Mühe lohnt; Deutschland behält deshalb doch seinen Einfluß in allen internationalen Fragen, mögen diese mui ans Enropa beschränkt, oder afri kanische unv asiatische Angele-zenkoil«» berühren. England ist sich testen sehr wobt bewußt, daß eS nur aus Deutschlands Willen ankomint, auch i» Afrika sich Geltung zn verschaffe», Angra Pequcna macht ihm Schmerzen genug. Gladstone hat aber auch dieses Mat wieder seine Zusage nicht erfüllt; denn er hat dem Parlament keine Gelegenheit gegeben, sich vor dem Abschluß LeS Abkommen« mit Frank reich über dasselbe :u äußern. A», 16. Juni hat der Slaatösccrctair für Indien, Earl os Kimberley. dein Obcr- bause die Mitlbeilung gemacht, daß ein Einverständniß mit Frankreich erzielt sei, daß aber das Parlament erst dann von dem Abkommen Kennliiiß erhalten könne, wenn die Mächte Gelegenheit gehabt haben, sich darüber auSzusprcche». „Daily News" und „TempS" haben inzwischen die Ausgabe übernom men, das englische Parlament über den Inhalt deS Vertrages zu unterrichte». Danach verbleiben die englischen Truppe» vis znm I. Januar 1888 in Egypten, falls nicht die englische Regierung die frühere Räumung für zweckmäßig erachtet. Eine Verlängerung der Besetzung über diesen Zcilpunct hinaus ist England nur unter Zustimmung säinnitlicher Mächte gestattet. An die Stelle der englischen Finanzcontrole in Egypten tritt die europäische Eontrole, Präsident der egyp- lischen SchuldentilgungScaffc ist aber stets ein Engländer. Außerdem bleibt eS der Eonserenz Vorbehalten, sich über die projeclirte egyptische Anleihe von 8 Millionen Psd. Sterl. und über eine Ncdnction der Zinsen der PrioritälS- und uni- sicirlen Sckuld schlüssig zu machen-Gegenstand deS Separat- abkominenS zwischen England und Frankreich sind diese Auge- legcnheiten nicht. Endlich will der „TempS" noch wissen, daß England und Frankreich über die Neutralisirung de« SuezcanalS übereiilgekommen sind; diese- Arrangement wird aber nicht ler Coliscrciiz unterbreitet werden, weil deren Competenz ausschließlich auf die sinanziellen Fragen be schränkt se«. Diese letztere Mittheilung deS „TempS" sieht in directem Widerspruch mit dem Inhalt des englisch - französischen Ab kommens bezüglich der Eonserenz; denn den ersten »>iv Haupt- gegenstand der Eonsorciizverhaiidluiigen bildet die Dauer der englischen Occupatio» EgYptcnS und die Bedingungen, unter welchen diese verlängert werte» kann, nnd das ist jedenfalls eine politische und keine sinanzielle Angelegenheit. Aber ab gesehen davon. ist die Nachricht deS „TempS" in hohem Grade überraschend. Man war bisher allgemein der An sicht, daß es England bei seiner egyptischen Expedition in erster Linie darum zu thun war, den Suezcanal zu seiner ausschließlichen Verfügung z» erhalten, und daß Eng land im Kriegsfall diese» Eanal den übrigen Mächten verschließen würde. Durch . die Neutralisirung deS Canal« würde dieses Recht England verloren gehen, und daS ist es, waS eine große lleberraschung verursachen wird. Ganz unvorbereitet ist die Nachricht jedoch nicht; denn schon seit einiger Zeit wird von der englischen Regierung die Auffassung verföchte», daß der Werth deS SuezcanalS ein sehr proble matischer sei, da cs ja in die Hand jedes SchifsSeiqenthümerS gelegt sei, den Canal durch Versenkung seines SchifscS u»- sahrbar zu mache»; eS sei deshalb für England viel wichtiger, über die nöthige Anzahl von schiiellfahrenden Schissen zu ver fügen, welche den Weg um daS Cap der guten Hoffnung Herrn» schneller zurücklegcn, als die Sch sse anderer Nalioncn, als sich aus den Suezcanal zu verlassen, der eines Tages den Dienst versagen könne. Wir sind seit längerer Zeit daran ge wöhnt, von England durch die allerunwabrschcmlichste» Dinge überrascht zu werden, so daß uns schließlich nichts mehr wundern kan», WaS von dieser Seite anSgeht. So viel scheint seslzustehen, daß die Censerenz nunmehr binnen Kurzem in London zusamnientrclen wird. Am Montag wird daS eng lische Parlament daS entscheidende Wort sprechen, ob die ihm von Gladstone vorgeleglcn Vorschläge zur Ausführung ge langen sollen oder nicht. Tie öffentliche Meinung Englands hat inzwischen vollauf Zeit, zu de» englisch-französischen Ab machungen Stellung zn nehmen. Gladstone stellt daS Par lament vor die vollendete Thatsacke des von den übrigen Mächten begutachtete» Abkommens zwischen England und Frankreich und übt dadurch eine» Druck aus seine Entschließungen auS, dem sich daS Parlament schwerlich entziehen wird. Ver fahre» ist die egyptische Angelegenheit so gründlich, daß endlich einmal eine Aenderung cinlrclen muß; die Möglichkeit dazu ist durch die Eonserenz gegeben. DaS weis; das englische Parlament, und deshalb wird eS die Verantwortung nicht übernehmen, die unh.rl!baren egyptische» Verhältnisse wieder aus unbestimmte Zeit hinan« sich selbst zu überlasten. * Leipzig, IS. Juni 1884. * Der bisherige Verlauf der zweiten Lesung der Unfallversicherung-Vorlage laßt eS säst als sicher erscheinen, daß gegenüber einer kleinen, aber feststehenden con- servativ-klerikale» Mehrheit AbänderungSanträge von irgend welcher Erheblichkeit zu den ComiimffonSbeschlüffen nicht diirchdringen. Die Erkenntniß dieser Tkatsackic wird ohne Zweifel sehr zur Beschleunigung der Verhandlungen beitragen, die gegenüber eincin feststehende» Resultat w-nig praktischen Nutzen mehr haben. Ma» erwartet bereits Donnerstag die Beendigung der zweiten Lesung. * Die Budgetcommission gedachte Mittwoch die Be rathung der Postdampfervorlage zn beginnen. Db sie aber nock dazu komme» wird, dem Plenum Bericht zu er statten, ist sehr zweisclhast, nnd auch wenn noch eine zweite Lesung stattfindek, wird man keine Hoffnung haben kürte», daS Gesetz gegen Deutschsreisinnige und Centn»» zu Stand» kommen zu sehen. * In Hirschberg ist am 16. d. M. der G.h Ras- Sättig grstorben, früher Oberbürgermeister von Görl.tz un» Dircctor der communalständischen Bank der Oberlausitz, in der verflossenen Legislaturperiode auch Mitglied deS Abgeordneten hauses für den Wahlkreis Görlitz-Lauban. Er war ein treuer Anhänger der nationalliberalen Partei. * Die ..Preußische» Jahrbücher" erhielten folgende Zu schrift auS Schwaben: Der 18.Mai, an dem sich der gesammtdeutscheParteltag der Nationalliberolen allen skeptischen Prophezeiungen zum Trotz slir da» Heidelberger Programm entschieden ha», ist ein wahrer Ehrentag für unsere deullche Partei. Die Festung, die lange belagert war, die lange ohne Entsatz sich behauptet hatte, ist befreit. Von jeneu trüben Julitage» des Jahre» 1879 an, wo die natio nal liberale Partei sich zu ihrem eigensten Schaden und dem der Ration von dem Werke der Zolllarisresorm abwandte, i» dem sich doch die größten Resormideen BlSmarck'S verkörperten, und seit dem durch diese ablehnende Haltung herbeigesührten Austritt der letzten zwei Schwaben au» der Fractio» hat sich die deutsche Partei sozuiagen aus sich selber zurückgezogen und socht für sich allein unter dem alte» Banner weiter, da» cm Jahrzent so glückverheißend über dem Reichs tag geweht und die Mehrheit um sich gcschaart hatte. Die National- liberalen hatten diese» Banner verlosten; die Schwaben griffen cs auf und bewahrten eS bi« auf bessere Tage. Der Gedanke, daß die gemäßigt conservativen und gemäßigt liberalen Elemente zusammenhalte» müßten; daß die Fühlung mit dem Kanzler nicht verloren geben und der liberale Name nicht aus immer comproinittirt werden dürse durch die Preisgabe seiner besten Traditionen: dieser Gedanke lebte in Schwaben unzerstörbar fort. Nicht» ist natürlicher als der Grimm de» RadicaliSmu» darüber, daß die nationalen Elemente eines ganzen Lande« sich Io seuchenfest und ansteckunassrel gegen sein Gift erwiesen. Die landesübliche Specialität der politischen Kinderkrank heit, die Bolkrpartei, konnte wohl nicht ausgetilgt werden, so lange unsere Zugehörigkeit zum Reiche selbst noch so jung war,... aber die Secession, der Fortschritt, da» Manchesterthum, die nackte versönlichc Lvposition gegen den Kanzler konnten bei un» keinen Boden soffen. Die 6 Abgeordneten, welche seitens der deutschen Partei 1881 noch durchgeictzt wurden, nahmen ihre Sitze kaltblütig und konsequent bei der deutschen Reich-Partei, weil sie bei den Nationalliberolen immer noch nicht die Stimmung vorsanden, welche der ihrer schwäbischen Wähler entsprach, und sie traten tapfer und unerschrocken für die Pläne de» Kanzler» ein, selbst für da» Tabakmonopol, a» dessen Berechtigung man sich hier zu Lande durch kein Geschrei der Cigarreubarone und der von ihnen Bethörien irre machen ließ. Wir halten keine schlaflose Nacht de-halb, daß man un» von Berlin auS als nicht mehr liberal anerkannte und al» conservativ verschrie; Namen sind un» überhaupt nicht so wichtig al» die Sache. Endlich kam der Tag, wo unsere Vereinsamung ein Ende nahm. Da» Psui! da» dem Kanzler im November 1881 von link» her entgegengetönt war, hatte damals nur unser Freiherr Georg von Wöllwarth gerügt; da» erneute Psui vom März 1884 erwirkte ei» mächtige», nicht erwartete» Echo im ganze» Süden, und der bornirte Ruf: gegen den StcialSsocialirmu»! mit dem sich die Fusion der Alt- und Rcusortschrittler am 5. März -Uwlihut, schlug vceh unseren Baucrnwort „dem Faß den Bosen ein". Der Beschluss, den am 23. Mürz die 42 Osficiere der nationilen und liberalen Landesparteien in Heidelberg faßten und bei dein 7 Schwaben wacker müthaten, bezeichnet die Rückkehr der Nationalliberalen de- Südens auf den 1879 verlassenen Boden, und der 18. Mai Hot gezeigt, daß da» frische Frühlings- wehen, daß von den Bergen de» Süden» sich erhob, auch das EiS im Norden gebrochen nnd dem fünfjährigen halben oder ganzen Streiken nnd Schmollen einer Partei ein Ende gemacht hat, deren größte Tage zusammen fallen mit den herrlichen ardeitSsrohen Jligendtagcn des »cuciitstandenm Reiche». * Der vcn den »ativnalpolnischen Hehsanatikern in Sachen der Tchulangelegenheil der Provinz Posen angekündigte AgitalionSseldzug wird demnächst eröffnet werden. Tie von der Versammlung abzusendenke Petition an das Abgeordnetenhaus soll die Forderungen enthalten, daß die geistliche Schnlinspection und die polnische Unterrichtssprache wieder eingcführt und die Zahl der Unterrichtsstunden für die Religion vermehrt werde. Der „Dziennik PoznanSki" erklärt sich mit diesen Forderungen einverstanden und wünscht, daß die ganze Parocbie der Petition beitrete. Wenn eS noch eines Beweises bedürfte, daß ma» cS hier nur mit einer künstlich gemachten, keineswegs anS natürlichen Wurzeln er wachsenen Bewegung zu tbun hat, so wäre er im Vorstehenden aus daS Schlagendste erbracht. Denn wozu brauchten sonst die Herren Agitatoren daS Material sir und fertig mit zubringen und sich die Mühe zu gebe». cS ibrem Publicum mundgerecht zu machen, wenn letzteres schon auS eigenem Antriebe seine nationale Eristenz in denjenigen Punctcn dcö VolküschiilunterrichtS bedroht suhlte, in denen cS sie nach Wunsch und Willen der »atioiialpelnischen Regisseure nun einmal ä taut prix bedroht suhlen soll? Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen herrscht in der Bevölkerung polnischer Zunge eben nur da, wo solche von außen künstlich in die Herzen hincingetragen wird. A» der Lösung dieser Ausgabe arbeiten die Faiseurs ebenso unverdrossen als rassi- nirt — waS aber ihre deukschen CentrumSsreundc nicht ab hält. im Reiche so gut wie in Preußen mit dem Polcnthum verbündet wider die Regierung Front zu machen. . * . * Seit Bosnien und die Herzegowina unter ösier- re.ichi sch er Verwaltung stehen, haben viele mobameda- niscbe Familie» diese beide» Länder verlassen, um sich aus türkischem Boten im Südosten der Balkanhalbinsel, nament lich aber in Klcinasien anzusicteln. Diese Auswanderer scheinen vielfach ein rcchl beklagcnswertheS Schicksal zn er leiden. So erzäblkc ein Mohamedaner. der nebst vielen anderen seiner Glaubensgenossen vor drei Iabren nack Klein asien auSgewandert und kürzlich auf einige Wecken in seinen HcimathSort Pctrovac zuriickgekehrt war, über daS LooS der in Klei'nassen angesiekcltrn bosnischen Auswanderer höchst Ungünstiges. Nach einer vierinonaliarn, niit zahlreicher Familie niübselig zurückgelcgtcn Wanderung erreichte er.Kon stantinopel und siedelte sich m .Kalaset in Kleinasien an. Nach einem Iabrc bangen Warten», während besten er mit seiner Familie vom Baaren zebrte, erhielt er zu seinem Unterhalte zwei Morgen stein- und kcrncnrciche» AckerS, welche» er nur mit großer Mühe etwa-S ertrag-säbig macken konnte. Die große Dürre beeinträchtigt dort de» Ackerbau außer ordentlich. Hierzu treten noch andere Umstände, welche die Erinenz der bosnischen Auswankcrer erschweren. Cie ertragen daS dortige Klima sehr schwer und fühlen sich wegen Unkenntniß der türkischen Sprache völlig fremd. Die Mohamedaner in Kalafet beachten Glauben. Fasten und sonstige Gebräuche sebr wenig, vielmehr verhöhne» sie den cingewanderlcn Bosniakcn. der in religiöse!-. Dmgcn sanatisch ist. Sebr schwer ist eS, den LebenSniiterbalt zu gewinnen, da der tägliche Vc-rkiens« drei bis vier Piaster selten über steigt; Läufig giebt eS aber auch gar keine Arbeit. Die Frauen »nd Kinder der An-wandercr jammern ununterbrochen und bestürmen ihre Familienväter, nach Bosnien beimzu- kebre». Tic „leisten Auswanderer bereuen ihren Leichtsinn bitter und trachten darnach, da» nötbige Gelt auszutrciben um die Rückreise nach den verlassenen Plätzen Bosniens und der Herzegowina zu ermöglichen. Sie bereuen ihre Aus wanderung um so mehr, alS ihnen inzwischen bekannt ge worden ist, daß die österreichische Regierung sich äußerst Lulo- sam gegen daS mohamedaniscke Clement in den ixcupirlcii Ländern zeigt und der Ausübung der Cullusgcbräuche nicht daS geringste Hinterniß in den Weg legt. * Man schreibt nnS auS Pera vom 14. Inni: Während die Bulgaren nördlich deS BalkanS und die Serbe» sich in etwas komischer Weise in Energie übcrbielen nnd sich erhitzen, ist südlich deS Balkans einmal der ehrliche Verstand zu Tage getreten, indem von Seilen deS ostrumelischen Finanz- direclorö Pctross der Antrag gestellt worden ist, entgegen früheren übrigens illegalen Beschlüssen die volle Trlbutsumme von 210.000 Psd. pro Iabr an die Pforte zu zahlen und ebenso die reslircndc schuldige Tributsuminc. die sich aus 4:>0.000 Psd. beläuft, durch jährliche Theilzahlung vv» 20,000 Pso. nach und nach zu decken. Wie man weiß, fließt der gesammtc Tribut in die Casse der internationalen Bo.rdShclberS, welche bisher durch die ZablungSweigerung, resp. Verzögerung geschädigt waren. Ter Finanzwclt gegenüber erwirbt sich die Regierung Gavrit Pascha« durch den obigen B-sckluß und seine Ausführung eine unbedingte Achtung, und Nichts kann seine Stellung der Pforte wie den Mächte» gegenüber so festigen als eine ehrliche Lösung der von Aleko Pascha unter allerhand Vorwänden verschleppten Tributsrage. — Die der bulgarischen National-Bank in Sofia ent liehenen 60,000 Psd. sind unter sicherer EScorte in Philippopel angckommen. Das Geld ist zur Gründung zweier Aaricultur- Banken, der einen in Philippopel. Verändern mSlivno. bestimmt. Viel Geräusch wird von dem Uebermuth der Griechen von Adalia gemacht, die trotz abrathender Mahnungen seiten« der Behörden, wie der fremden Consuln sich in diesem Jahre ebensowenig wie in früheren haben davon abhalten lassen, einer Puppe, einen Juden darstellend, ein solenne« Autodasü am Ostertage zn bereiten. Um darzuthnn, wie wenig sie geneigt sind, von ihrem alten Branche abzulafscn, haben die Griechen in diesem Jahre ihren Juden besonders reich au«- stassirt und ihn aus einen Esel gesetzt. Soweit ist die Civi- lisalion in Kleinasien doch noch nicht, um alten thörichten Gebräuchen den Garaus zumachen. * Gegenüber den eben grassirenden Erfindungen über den Stand der niederländischen Erbsolgesrage schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung": Die von dem Pariser „Timc«"-Lorresponbeuten erfuudrue »eurße Girardtn'sche „Frage" wird seit einige» Tagen in der sraazäsijchen Presse lebhaft erörtert. Da» angesehenste Boulevard-Blatt widmet derselben einen drei Spalten langen, von Gelehrsamkeit strotzenden Leitartikel, iu dem klar nud deutlich uachgewiesen wird, daß Deutsch land allen Ernstes damit umgeht, seine längst gehegten Annexiou«- plüne bezüglich Hollands in nicht allzu ferner Zukunft in Ausführung zu bringen. — Wir können nicht umhin, den „Time»"-Eorrespondeutrn und den von ihm inspirirteu Gelehrten de« „Boulevard" darauf aufmerksam zu machen, daß seine staatSrechtlicheu Kenntnisse augenscheinlich eine Lücke haben, die, wo cS sich um die niederländisch« Thronsolge-Frag« handelt, wohl al» eine bedauerliche bezeichnet werden darf. Die geuauutrn Journalisten scheinen nämlich keine Ahnung davon zu habe», daß ein niederländisches Staatsgruudgejetz existirt, welche« in seinem »weiteu Hauptstück (Bom Könige), erste Abtheilung (Bon der Thronfolge) tu 26 Paragraphen klare und zweifellose Bestimmungen über die Thron- folge enthält, die jede fremde Einmischung in diese niederländische Angelegenheit ausschließen und die, wenn sie auch vielleicht nicht genüge», die Besorgnisse des „Times"- Lorrespondeuten und seiner Pariser College» zu zerstreuen, dem gewöhnlichen Sterblichen keinen Zweifel darüber lassen können, daß der Versuch, die holländische Thronfolge zu einer „europäischen Frage" oufzubauschen, al« rin von vornherein verunglückter bezeichnet werden darf. * Man schreibt uns a»S Brüssel, 16. Juni: Wie vorauszusehen, hat der Ausfall der Wahlen zu ernst- hasten Ruhestörungen Veranlassung gegeben. Der berüchtigt: Pöbel Brüssels, dem eS sehr glcichgiltig ist, wer gesiegt hat, belästigte diesmal die unterlegenen Liberale», deren Presse offen die Klerikalen der förmlichen Organisirung und Bezahlung der Massen anklagt. Aus dem Marktplatz und in den Hauptstraßen kam eS an den Abenden vom 10. bis 13. d. zu lebhaften, mehrfach blutigen Zusammenstößen zwischen beiden Parieicn, so daß die Polizei und die vollzählig ausgebotene liarcle ciriauo alle Häudc voll zu thun hatten. Aller Orten ertönten die Ruse „ä bas le» lib-ravn" von der eine», „ä ba» In ealotto" von der andern Seite. Wer auf den inneren Boulevard; Io unvorsichtig war, seine liberale Gesinnung durch eine Kornblume im Knopfloch zu bezeugen (die Klerikale» tragen rothe Nelken oder Bänder), wurde im Nu von einer Bande Strolche umringt, niedergeschlagen, in vielen Fällen auch bestohlen. In verschiedenen Stadtvierteln fanden vor den Fenstern angesehener Liberaler Manifestationen statt, bei denen cs an cingeschlagcncii Lake» »nd Fenster» nicht gefehlt hat. DaS Local der „.kenne O.crüa liberale" zu Schaerbcek wurde von einer Bande von etwa 80 Klerikalen vollständig geplündert; die in den Restaurants an der ..älannaie" aus dem Trottoir sitzenden Gäste wurden mit Steinwüri'en »nd Fanslschlüge» angegriffen und mußten sich mit Tische» und Stühlen > rer Haut wehren. Liberalerlei'S hat eine Revanche insofern statlgesiindc», als mehrere hunder! Per- sonen am Donnerstag Abend die in der Lue ües karvisLicl.; gelegene katholische und päpstliche Hosbuchhandlung vonGoemaere gestürml, da« päpstliche Wappen heruntergerissen, Fensterscheiben und Fensterkreuze zertrümmert und einen beträchtlichen Theil der Bor- rälhc vennchtct haben. Der Besitzer hat, wie r» heißt, einen Schadenersatz von 2ö,000 Fr. bei der Behörde angemeldct. Erst am Sonnabend Abend zeigte die Stadt wieder ihre gewöhnliche Physiognomie. Die Commission für die '»Ojährige Feier der Eröffnung der ersten belgischen Eisenbahn hat ihre Arbeiten beendet. Ten Glanzpunkt de» Festes wird ein historischer Zug bilden, der die iamnirlichen bekannte» Transportmittel, vom römischen Waqeu bi» zum Velacipede und der elektrischen Eisenbahn, vorsiihren soll. In mitten dieser Darstellung werden auch die Coups» des ersten bel gischen Zuges vom Mai 1834 erscheinen, die man als Reliquien ausbewahrt hat. und zwar besetzt mit den wcnigeu noch lebende» Veteranen des Bcihndienstc» ans jener Zeit. Am Abend deS Wahltages slO. Juni) hat e» in Antwerpen einen heftigknZusammenstoßzwischcn Socialisteu undderOnrcke civiane gegeben. Einige bnnderk Arbeiter zogen mit Fackeln und unter Vorantragnng einer rolben Hahne vor da» RaihhaiiS. wo einer der Fackelträger einen Gardisten absichtlich oder unabsichtlich im Gesicht ver letzte. Derselbe aiilworirte mit einem Kolbenstoß, der den Angreifer aus das Pflaster streckte, und e» entwickclte sich hieraus ein rrgel- rechter Kamps. Tie Bürgergarde ichlug mit dem Kolben lo» und zwang die Angreiser nicht ohne Mühe »um Ruckzug, der in ziemlich guter Ordnung, immer »iit der rothen Fahne voran, und unter den klängen der Marseillaise erfolgte. An einzelne» Piincien der Stadt hat man sich bi» znm Hellen Morgen gesä,lagen. Mehrer« Häuser, besonders dos prächtige Hsttcl deS Herrn MoretuS-De Tbeur, das des brasilianischen ConsulS »nd da? ..Cast- a» Polai» de Cristal" sind arg zugerichtet worden. In der Rue van Schoonebeek hat der Besitzer einer kalhoiiichcn Anstalt eine sörmlich« Belagerung durch- machen müssen. Er stieg schließlich aufs Dach, und c» gelang rhw
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