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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 25.06.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189306258
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18930625
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18930625
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungGeneral-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
- Jahr1893
- Monat1893-06
- Tag1893-06-25
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Rr.14S.-.18SS- Liese verbreitetste uiwarteiisch» Leitung erscheint Wochentag» «beiid» (mitDatnin de» nächsten Lage») und kostet mit de» sechs Wöchentlichen Beiblättern: 1. wlelu« Botschaft, s «ächstscher Erzähler, S. sächs. Gerichts-Zeitung, «.Sächsisches Allerlei, C JllustrirteS lachtl-mg-si «uterhaltungSblatt, S. Lustiges Bilderbuch (achlkltiü, kiliistlerisch i»,Sgkstalt«t) Monatlich SO Pfennige lin «h-mnitz »rel ins Ha,,S). wostWe: «.Nachlwj, Nr. SS»0.) Kelegranim-Ndressr: GeukralkUlzeiger, Verttsprechst-lle Nr. l»6. ESchstscher L<ntdeS.Ameraer. General- Sonntag, den 25. Juni. für Chemnitz und Umgegend. Gegründet 1873 als ..«uzelger" und „Allerlei". Verlag von Alexander Wied«, Chemnitz. Anzeigenpreis: «gespaltene LorpuSzeile (ca. S Silben fastend) oder deren Rani» IS Psg. (Preis-, Verzeichnisse L Zeile LO Pfg.) — Bevorzugte Stelle (ögespalteue Petitzeile circa 11 Silbe» fastend) M Pfg. — Anzeige» könne» nurbiS Vormittag IO Uhr angenommen werde», da Druck und Verbreitung der großen «nslage längere Zeit erfordern. Geschäftliche Anzeiger-Inserate finden für billigsten Preis zugleich Verbreitung durch die täglich erscheinende Chemnitzer Eisenbahn-Zeitung. Notiz für Postabormerlterl. Da sich bei den Postanstalten zum Qnartalwechfel die Abouuemetttöb«ste»luttgeu häufen und dauu »eicht in dem »aufeuden Bezüge Nnrearlmäbigkeiten eintreten können, so empfiehlt es sich, datz uusere geehrte» Post- avonneuten giitigst umgehend die Bestellung bet ihrer Postaustalt veranlassen. Airzeiger-Mrlags-Anstalt, Chemnitz. Alles zur rechte,» Zeit. Chemnitz, 24. Juni 1893. Der Einführung der Bestimmungen der Sonntagsruhe für das Handelsgewerbe hat noch diejenige der Vorschriften für Gewerbe, Industrie und Handwerk zu folge», die im Neichsamt des Innern in Berlin ansgearbeitet worden sind und nun vom Vundesrath, Gcwerbeintcressenten und Sachverständigen geprüft werden. Die Sonniagsrnhe für das Handelsgewerbe ist heule noch nicht so populär, »vie es des Prinzips wegen wohl zu wünschen wäre und mit Aus nahme der preußischen Staatsregierung haben alle deutschen Bundes regierungen recht weitgehende Erleichterungen der Ausführungsvor- fchriften zugestanden. Namentlich ist das. in Bayern geschehen und ein Vertreter dieses Königreichs im Bundcsrathe hat während der letzten Reichstagssession ganz klipp und klar erklärt, die Sonntags- ruhe dürfe nicht dahin führen, daß die Bevölkerung benachtheiligt und das Handelsgewerbe direkt geschädigt werde. Hat die Sonn tagsruhe für das Handelsgcwerbc viel Staub anfgcwirbelt, so wird die Inkraftsetzung der Bestimmungen für Industrie und Handwerk oller Voranssicht nach einen Sturm entfesseln, wen» hier de» Be dürfnissen der praktischen Arbeit nicht in erforderlichem Maße Rechnung getragen wird. Daß jeder Industriearbeiter und jeder Gcwerbcgehilfe seinen echten und rechten Ruhetag haben soll, dazu ist nur Bravo zu sagen; was wird aber aus den Meistern, die, besonders im Klein-Handwerk, gar nicht daran denken können, sich ausnahmslos Woche für Woche einen völlig freien Tag zu machen? Manche Hand werker müssen in der Woche feiern, weil sie keine Arbeit haben, aber Tausende von kleinen Handwerksmeistern sind nicht so gestellt, daß sie sagen können: Ich kann nun unbedingt auf jedes Arbeiten am Sonntag verzichten! Die Verhältnisse liegen aus doppelten Gründen anders, wie im Hmidelsgcwerbe. jen, daher, daß des Guten zu viel gethan ist, sondern daher, daß es zu Unrechter Zeit gethan worden ist. Zeiten sind ebensowenig gleich, wie Völker, und gerade so wenig, wie sich Alles für Alle paßt, paßt sich Alles zu allen Zeiten. Die Reichsregierung hat mit ihren Versicherungen, mit Annahme der Militärvorlage werde Ruhe und Frieden im Lande sein, nicht bloS eine gewisse Verpflichtung für die Abwehr äußerer Feinde über nommen, sondern auch eine Art von Garantie für die friedliche Weiterentwicklung unseres gesammten wirthschaftlichen Lebens. Das dasselbe mancher Regelung bedürftig ist, ist ganz sicher zutreffend, aber nur das Nothwcndige ist zu thun, nicht das Ucberflüssige, welches anstatt der Regelung neue Schwierigkeiten Hervorrust. im Haydwerk andeis, wie ii» Hmidelsgcwerbe. Im letzteren kan» man noch mit einigem Recht sagkn, daß Jemand, der am Sonntag nicht kaufen kann, was er will, dies am Montag thnt, obwohl die Kauflust im Laufe von 24 Stunden mitunter sehr erheblich schwindet; wer aber beim Handwerker eine Arbeit Sonntags nicht erledigt erhält, geht in ein Ladengeschäft und kommt nicht wieder. Das ist Nummer Eins. Nummer Zwei ist aber noch von erheblich größerer Bedeutung. Tausende von Handwerkern verdienen im Laufe der Woche nicht so viel, wie sie für ihre Familie und zur Deckung von Steuern und Abgaben gebrauchen; sie müssen daher den Sonntag theilweise zu Hilfe nehmen, wenn sie den Exekutor nicht im Hause haben wollen. Und cs scheint doch ehreuwcrthcr, zu arbeiten, als Schulden zu machen und seine» Verpflichtungen nicht Nachkomme» zu können. Es ist für hochstehende Personen, welche wenig Kemitniß davon haben, wie knapp cs oft im täglichen Leben des schlichten Bürgers zugeht, schwer, sich hiiieinzudcnken in solche Verhältnisse, in welchen jede Mark dreimal nmgedreht werden muß, bevor sie ausgegeben wird, und in welchen es sehr beachtet wirb, was das Brot oder das Fleisch kostet. Diese hochstehenden und in recht guten Verhältnissen befind lichen Personen entscheide» aber darüber, was im praktischen Leben geschehen soll, und cs kan» nicht überraschen, wenn sie Voraussetzungen treffen, die wohl unter normalen Verhältnissen anwendbar sind, aber nicht unter ganz kritischen und eigenartigen Zuständen, wie sie heute obwalten. Ein Minister und ein Geheimrath beziehen ihr festes Ein kommen vom Staate, sie brauchen sich nicht darüber den Kopf zu zerbreche», was sie thun würden, wenn sie sich mit einem Male nur mit einem geringe» Bruchtheil ihres Einkommens begnügen müßten. Jeder Geschäftsmann, von einigen wenigen Ausnahmen, welche die Regel beweise», abgesehen, hat aber in den letzten Jahren mit empfind lichen Einbußen zu kämpfen gehabt, die sich um so schärfer geltend machten, als in Steuern und Abgaben keine Erleichterungen statt- gesunden haben. Von denkleinen Gewerbtreibenden hat um des lieben Friedens willen Mancher für die neue Militärvorlage gestimmt, der von den Kosten keineswegs erbaut war. Er hat das gethan, weil er der festen Ueber- zeugung war, er werde nun endlich zur Ruhe kommen und seiner Be schäftigung in Frieden nachgehen können. Er hat das gethan, trotz dem die Erntcaussichten durchaus nicht die erfreulichsten waren, und er sich sagen mußte, daß doppelt rührige Arbeit erforderlich sein werde, um sich oben zu halten. Seit dem 15. Juni hat sich bezüg lich der Erntcaussichten noch Manches geklärt, und zwar nicht zum Bessere»; es sieht in vielen Landstrichen sehr bedenklich aus und daß unter solchen Umständen der Gcschäftsumsatz nicht steigt, sondern fällt, erscheint erklärlich. Es wird mithin mit einer durchgreifenden Ver besserung der Verdienstverhältniffe für den kleinen Gewerbtreibenden und Handwerker noch seine guten Wege haben. Nun sollte Via» aber an maßgebender Stelle doch erwägcn, ob es in der Thal zweckmäßig erscheint, unter solchen Zeitoerhältnissen ihm «och eine Erschwerung des^Betriebes auf den Hals zu laden, wie sie in einer strengen Durchführung der Sonntagsruhe für Industrie und Handwerk unzweifelhaft enthalten sein würde. Es dürste wohl am Platze sein, gewisse Unzuträglichkeiten auszurotten und dem Grundsätze Geltung zu verschaffen, daß der fleißige und thätige Arbeiter einen Lag in deic Woche haben muß, an dem er sich ausruhen kann; aber chlt scheint es doch, Einrichtungen nach der Schablone zu treffen, „che hier vielleicht paffen, dort aber gar nicht. Astes zur rechten 1t und qm-re^- - st und am-rechten'Ortet DiejM ist nicht bloS im geschäftlichen ben von Bedeutung und von alleinigem Nutzen, sqndern auch in «n-llDitenheft im deutschen Reich« rühxt nicht ' 4 — >.'r K . .... Politische Nnndschan. Chemnitz, den 24. Juni 1993. Deutsches Reich. — Die Eröffnung der neuen Reichötagösesfion ist vom „Reichsanzeiger" offiziell angckündigt und wird, wie schon bekannt, am Dienstag, den 4. Juli, Mittags 12 Uhr, durch den Kaiser im Weißen Saale des Berliner Schlosses in Person erfolgen. Wie Kaiser Wilhem I. eröffnet auch Kaiser Wilhelm II. jede ParlamentSlcgislatur- periode in Person, unbekümmert um die Art der Zusammensetzung der Volksvertretung. Der Kartell-Reichstag von 1867 ist auch von dem Kaiser im Januar 1890 mit einer Thronrede geschlossen worden, es war das das erste Mal, daß der Schluß der Legislaturperiode des Reichstages in einer solchen feierlichen Weise erfolgte. Was nun die Thronrede zur Eröffnung des neuen Reichstages betrifft, so wird sie ganz selbstverständlich der Militärvvrlage gewidmet fein, und vor aussichtlich die von-den verbündeten Regierungen schon so oft betonte Nothwendigkeit der neuen Heeresorganisation nochmals nachdrücklich, aber sachlich hervorhcben. Sensationelle Ausführungen, wie Drohungen oder Konfliktsandcntmigen sind darin in keiner Weise zu erwarten, auch dann wohl kaum, wenn anscheinend keine feste Rcichstagsnichrhcit für die Militärvorlage vorhanden sein sollte. Es würde das dem gesammten Verhalten der Neichsrcgicrinig in dieser Frage, wie sie es bisher beobachtet hat, widersprechen. Da der Reichstag an einem Dienstag seine Sitzungen eröffnet, könnte schon Mittwoch die Präsidentenwahl, und am Donnerstag die erste Lcsnng der Militär vorlage, vorausgesetzt, daß die Begründung des Entwurfs nicht er heblich geändert sein sollte, beginne». Vis zum I. August könnte dann der Reichstag mit seinen Arbeiten sehr wohl zu Ende sein, mögen die Würfel bei den Stichwahlen nun nach rechts oder links fallen. Den Reichstag übermäßig lange zusammenzuhalte», liegt nicht im Interesse der verbündeten Regierungen. — Der Groffherzog Karl Alexander von Weimar, der einzige noch lebende Bruder der Kaiserin Angusta und Großoheim Kaiser Wilhelm's II., vollendete gestern, Freitag, sein 75. Lebensjahr. Er ist nächst dem Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg, der dieser Tage ebenfalls sein 75. Lebensjahr vollendete, der älteste von den deutschen Bmidcsfürsten z. Z. und kann am 8. Juli sei» 40jähriges Rcgierniigsjubilänm begehe». Er bekleidet den Rang eines General obersten und ist Chef des Kürassicrregiments Graf Goßler (rheiii.) Nr. 8 und des 5. thüringischen Infanterieregiments Nr. 94 (Groß Herzog von Sachsen). — Ppentzischeö Heitenhans. Das Haus tritt am 27. Juni in die Verathmig der Stcncrgesetze ein. Bei der gestrigen Lesung des Kommunalsteucrgesetzcs in der Hcrrcnhauskommission wurde die Vorlage mit einigen Abänderungen angenommen. — Dev Bttttdcsvath beschloß in seiner Sitzung vom 20. Juni, daß auf die Erzeugnisse der deutschen Kvlonieen und Schutzgebiete die vertragsmäßigen Zollsätze in Anwendung zu bringen sind. — Zn den Stichwahlen. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Da verschiedentlich falsche Angaben über die Zahl der Stichwahlen verbreitet sind, bei welchen Kandidaten der freisinnigen Vereinigung, der freisinnigen Volkspartei und der süddeutschen Volkspartei bctheiligt sind, so »löge auf Grund genauer Zählung festgestellt sein, daß die reisinnige Volkspartci mit 29, die süddeutsche Volkspartei mit 1t und die freisinnige Vereinigung mit 12 Kandidaten in Frage kommt. — In Lübeck ist in der Stichwahl der Kandidat der freisinnigen Vereinigung, Görtz, mit 150 Stimmen Mehrheit gegen de» Sozial demokraten Schwach gewählt. — In Frankfurt a. M. ist Schmidt (Soz.) mit 17,160 Stimmen gewählt gegen Oswaldt (natlib.), der 11,266 Stimmen erhielt. — Auch in Elberfeld wurde der Sozial demokrat Harzn mit 2500 Stimmen Majorität gewählt. — Solingen wird ebenfalls einen Sozialdemokraten, Schumacher, m den Reichstag senden. Derselbe erhielt 11,764 Stimmen gegen 8138 Stimmen, welche auf Rösner (natlib.) entfielen. — Ausschreitungen in Inner und Liibeck. In Janer nahm eine konservative Wahlversammlung einen tnmultuarischc» Ver lauf. Der konservative Neichstagskcmdidat Scholz wurde beim Ver lassen der Versammlung mißhandelt. Es mußte Militär zur Wieder herstellung der Ruhe reqnirirt werden. In Lübeck fanden am Donners tag nach Bekanntwerden des Ergebnisses der Stichwahl vor dem Rathhause und den Häusern der Führer der liberalen Parteien Aus- chreitungc» halbwüchsiger Burschen statt. Die Fenster des Senats aales im Rathhause und die des Rathskellcrs wurden eiiigcworfen. Der Polizei gelang es bald, die Ruhe wieder hcrzustcllen. — Es find wirklich blos Enten. Mit ungemeiner Hart näckigkeit wird in einzelnen Zeitungen daran festgehalten, daß die verbündeten Regierungen sich gegenwärtig eifrig mit Vorbereitungen befassen, um eine ansprechende Kostendeckung für die Militärvorlage zur Hand zu haben, wenn der Reichstag die Militärvorlage an nimmt. Es sind aber keinerlei neuere oder neueste Schritte in dieser Achtung gethan worden, und eben weil die früheren Steuervorlagen o sehr viekr böses Blut gemacht haben, wollen die verbündeten Ne hrungen im Falle einer Annahme der neuen Hceresorganisation eS vermeiden, was so scheinen könnte, als wollten sie dem Reichs- tage bestimmte Stenerplüne aufzwiugen. Man will alle Vorschläge, . -l . -- — die aus der Mitte des Reichstages laut werden, und an solchen wird es nicht fehlen, hören und dann thunlichst im Einvorständniß mit der Reichstagsmchrhcit Vorgehen. Etwas komisch geradezu klingt es, wenn immer wieder behauptet wird, einzelne deutsche Fürsten seien entschiedene Gegner der Militärvorlage. Davon ist nichts tvahr. — An» S9. d. M. tritt der Attsfchntz der Reichs, kommisstot» der Ardeiterstatistik zusammen, um sich über den Antrag betreffs Organisation einer allgemeinen Lohnstatistik im Reiche schlüssig zu machen. Am 30. d. M. tagt die Kommission selbst, um die Erhebung über die Handelsgehilfen nnd die Enquete über die MüllereiverlMtnisse zu berathen. — Die Erkrankungen im Jnfanterke-Leibregiment in München scheinen einen immer erschreckenderen Umfang anzunehmen; auch die Todesfälle nehmen zu. Am Dienstag wurden drei Mann begraben, am Mittwoch abermals drei Mann und am Donnerstag vier Mann. Auch in den „Münch. N. N." wird jetzt als Ursache der Erkrankungen, die übrigens mehr die Symptome der Vergiftung an sich tragen solle», das Dörrgemüse angegeben. Von dem General kommando sei dem Regiment eine Sendung Dörrgcmüse zur Probe übergeben worden nnd in diesem Gemüse sei die Ursache der Er krankung zu suchen. In München ist die Aufregung über diese Vor gänge begreiflicherweise sehr groß, zumal die Militärbehörden eine geradezu unbegreifliche Geheimnißkrämerei treiben. Die „M. Allg. Ztg." schreibt hinsichtlich dieser Angelegenheit: „lieber diese Aufregung wird man sich nicht wundern dürfen. Es wäre in der That höchst wünschcnswerth, daß die Militärbehörde ihre unbegreifliche Zurück haltung aufgäbe und sich entschließen könnte, dem Beispiel der Zivil« bchördcn zu folgen, welche cs aller Orten als ihre selbstverständliche Pflicht erachte», in derartigen Fälle» zmn Mindesten die Ziffer» der Erkrankungen und Todesfälle zu veröffentlichen. Die traurigste, offen und ehrlich ausgesprochene Wahrheit ist noch immer tröstlicher, als ci» am Ende doch nutzloses Vertuschenivollen, das böses Blut macht und oft de» unsinnigsten und übertriebensten Gerüchten Thür und Thor öffnet!" Ausland. Frankreich. In der Pariser Dedntirtenkantttter kam cs am Donnerstag zu einer sehr bewegten Sitzung. Das Vor spiel hierzu waren die tutnultuarischen Szenen, welche sich in der Montagssitzung der Dcpntirtenkaiinner zwischen den Bonlangisten Millevoye und Dsroulede einerseits und dem radikalen Führer Cleuien- ceau andererseits abspielten. Die ausgegrabene Schmntzasfaire hat nun in der Dviiiicrstagssitzuilg zn abermaligen Skaiidalszeiien geführt, da Millevoye dem Minister des Auswärtigen, Devclle, sensationelle Ent hüllungen über die Verwickelung angesehener französischer Politiker in staatsverrätherische Unternehmungen zu machen beabsichtigte. Speziell wird Clemenceau von ihm beschuldigt, ein Pensionär der englischen Botschaft in Paris zu sein und als solcher namentlich in den cgypiischcn Angelegenheiten eine den Interessen Frankreichs ent gegengesetzte Nolle gespielt zu haben. Millevoye richtete zunächst die bereits ang'ckündigte Anfrage über den Stand der Unterhandlungen zwischen Frankreich und England bezüglich der Auslieferung des Cornelius Herz an die Regierung. Der Ministerpräsident Dnpuy erklärte, die Negierung beschäftige sich noch fortdauernd mit der Aus lieferung von Herz. Letzterer sei aber augenblicklich nicht reisefähig. Millevoye erwiderte, England bediene sich der im Besitz von Herz befindlichen Geheimnisse, aber es sei eine noch schwerer wiegende An gelegenheit ins Auge zu fassen. Es gebe einen Deputirtcn» welcher die Prcisgebung von Korsika verlangt und dazu bei getragenhabe,daß FrankreichaufseineRechte in Egypten verzichtete. Millevoye wurde hier von dem Präsidenten unter brochen und wandelte darauf seine Anfrage in eine Interpellation um; der Präsident lehnte cs indessen ab, diese Interpellation, wegen der Fassung derselbe», zur Verlesung zu bringe». Ponrqnöry de Voisserin wünscht über die Angelegenheit Herz und Arton zu intcrpelliren, sowie über die auf der englischen Botschaft gestohlenen Papiere. Der Minister präsident Dnpuy erwiderte, die Regierung habe alles Mögliche ge- than, die Festnahme von Cornelius Herz zu erwirken, und werde es weiter thun, um die Auslieferung herbeiznfnhrcn. Was die angeblich gestohlenen Documente angehe, so habe sich hiermit nur die Ge richtsbehörde zu befassen, die Untersuchung in dieser Angelegenheit sei eingcleitet. (Lebhafter Beifall.) Clemenceau verlangte von Millevoye und Dsronlsde Beweise für ihre Behauptungen, daß er Frankreich für Geld verrathcn habe. Er fordere sie auf, Be weisstücke beizubringen. Millevoye erklärte, ein von den Mauritius- Jnseln gebürtiges Individuum habe in der englischen Botschaft täg lich Briefe abgeschriebe». (Lärm, Zwischenrufe.) Millevoye verlas eine Stelle ans einem Herz betreffenden Schreiben. Der Präsident der Kammer und der Minister Develle legten gegen die Verlesung Verwahrung ein. Ein Mitglied der Kammer verlangte, daß die Kammer sich als geheime Kommission erkläre. Millevoye setzte die Verlesung der Briefe fort, verbreitete sich über die Behringsaiigclcgcn- heit, über eine Korrespondenz Ribot's, über Verhandlungen bezüglich einer Allianz zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland, über die Lage Belgiens und rief durch seine Ausführungen lebhafte Be wegung nnd Hohngelächter hervor. Mehrere Redner wiesen hierbei auf die Unwahrschcinlichkeit hin, daß die von Millevoye vorge brachten Schriftstücke echt seien. Minister Devclle erklärte, er glaube, daß Millevoye das Opfer einer verabschcnenswürdigen Mystifikation sei. Deroulede erhob sich »ud erklärte, daß er sein Mandat »iederlege. Millcboye verlas des Weiteren ein Aktenstück, welches das Siegel der englischen Botschaft trug. In demselben wurden verschiedene Be träge aufgeführt, welche an bestimmte politische Persönlichkeiten, darunter Burdeau, Clemenceau und Rochefort ausgezahlt worden sein solle» und zwischen 600 und 20000 Pfund Styling schwanken. Diese Mitthcilungen werden mit Lache», Hohn- und Protestrufen der ganzen Kammer ausgenommen. Burdeau protestirte energisch und verlangte Beweise. Millevoye übergab 6em Präsidenten ein Aktcnbündcl und behauptete, daß dasselbe Schriftstücke eines Beamte« der englischen Botschaft enthalte, welcher vor Gericht weitere Mit«
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