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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188507131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850713
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850713
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-07
- Tag1885-07-13
- Monat1885-07
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1885
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Grfchslne tsgklch früh 6'/, Uhr. Rrirrtirn Lr»etM«« Johomi^astr 8. HPrrch-»«i>r« irr Kköarti«: vormittag« 10—18 Uh». Nachmittag« b—S Uhr. Ammh«« »er für »t« »tch«»l^»»» <««»er »eftt«»te« J»s«rai« «» Wschenta,e« »t» S Uhr N«ch«ttt«G», a» G*»» >»»-*ftta,e» frttz »t«'/,» Ühr. 3» te« Filiale« für 3«s.-Aanatz«e: On« »le««, UntvrrfitLt«ftr°ße 1. L»«t» Lösche, Katharineustr. LS, P. »Mt »1» v,r Uhr. Anzeiger. Lrga« sSr Politik, Localgefchichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Auflage L»,L00. ÄbonnemrntsPreis vierielj. 4'/, Md. incl. Bringenohn 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 2V Pj. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren kür Extrabeilagen liu Tageblatt-Formal gesalzt) »hur Postbcs-rderuag 30 Mk. «tt Poftbesördenmg <8 Mk. Inserate «gespaltene Petitzeüe 20 Ps. »röhere Schriften laut uns. PreiSnerzachnih. Tabellarischer n. Ziffernlatz nach hüherm Tarrs. Nerüme« «ttrr dem Redactionsftrich die4gespatt. geileüOPs., vor den Familiranachrichtea die «gespaltene Zeile 40 Ps. Inserate sind stet« an die »rpedttion za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zohlnng prasnnmeravüo oder dura, Post. Nachnahme. ^-194. Montag dm 13. Juli 1885. 7S. Jahrgang. Amtlicher Thetl. VeklnrlltMllchrvK. Wegen Umbaue« wird die Plag»ttzer BriUk« d«, Montaa, de» 2». ds«. «k»a. ab ans d,e Dauer der etwa 5 Wochen in Anspruch nehmenden Lrdeita» für den »efa»»«te« Aahrverkehr Gesperrt. Während dieser Sperrung ist der L8eg p»» ber Gel« ltgen Brücke nach der «Ute» M«th»rieGelet für schmere» Fuhrwerk sreigegebe». Leipzig, am lO. Juli 1885. ie kS»igltche Sl»t»ha«pt»a»»sch«»ft. Platzmann. Der Math der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Hennig. Vshuungs-Vermicthllug. 3» llniderfitSt-gebäude, da« Lollegium Juridicnm genannt, Schlotzgasse Nr. 24 ist im 1. Lichlhofe link« die MansarVewohltUU,. «n» vnrsaal, S Stuben. S Kammern und Küche bestehend, nebst steller- und Bodenraum, vom 1. Oktober d. I. au aus drei Jahre anderwett zn vermietheu. Nähere« im UnidersttitS-Neotamt. Nichtamtlicher Thetl. Der To- des Mahdi. An« Kairo kommt die wichtige Nachricht, daß der Mahdi todt sei. Die Form, in welcher sie gemeldet wird, spricht für ihre Richtigkeit, wir haben es hier augenscheinlich mit einem verbürgten Gerückte zu thun. Ueber die Wichtigkeit de« Ereignisse« kann kein Zweifel obwalten, selbst wenn man annehmen wollte, daß der Mahdi vor seinem Tode einen Nachfolger ernannt hätte. Der Nimbu«. welcher den Mahdi selbst umfloß, fehlt seinem Nachfolger, und so schnell bildet sich nicht eine neue Legende, wie sie der todte Mahdi geschickt um seine Person ru weben wußte. Alle«, wa« die Person de« Mahdi betrifjt, ist mehr oder weniger in Dunkel gehüllt. Man ist niemals über seinen Aus,nll>alt«orl genau unterrichtet ge- wese», nur so viel war bekannt, daß er in KordofckttHos hielt; bei welchen Kämpfen er aber pwsönlich bethciligl gewesen ist, weiß man nicht mit Sicherheit. Bei der ersten großen Action, durch welche er die Welt in Schrecken gesetzt hat, am 4. No vember 1883 bei El Obcid, wo Hick« Pascha mit seinen 11,000 vernichtet wurde, führt- er persönlich den Oberbefehl, bei allen Übrigen Zügen, lamentiich auch bei der Belagerung von Khartum, hat er die Bewegungen nur von seinem Haupt quartier au» geleitet. Eine große Zahl von Emir« und Mudir« war stets ru seinen Befehlen, und sie haben die Eng länder auch beim Brunnen von Gubat und bei Melammeh bekämpft, während die Leitung der Operationen an der Küste de« Rothen Meere« von Suakim bi« Tokar und in« Innere bi« nach Berber hin Osman Digma übertragen war. Jedenfalls war der Name de« Mahdi weithin geachtet und gefürchtet, und schon dadurch allein war eS möglich, bedeutende Slreitkräste jeder Zeit auszubielen, wo sie er forderlich waren. Tic Fortschritte, welche der Mahdi seit dem Falle von Khartum gemacht hat, waren so bedeutend, daß sich sein Machtgebiet schon bis nach Dongola erstreckte und OSman Dlgma für den nächsten Herbst die Vertreibung der Engländer von der Küste de« Rothen Meeres in Aussicht genommen hatte. Die heiße Jahreszeit machte allen Kämpfen ein Ende, und nach dem Mißlingen der Unternehmungen gegen Khartum und Berber war Wolseley bekanntlich nach Egypten rurückgekehrt, und die in Suakim stehenden Truppen wäre» oi« auf eine geringe Besatzung in die Heimath gesandt worden. Das war unter Gladstone geschehen, aber auch da« Ministerium Salisbury hat darin wicht Wandel geschaffen, obwohl Wolseley noch am 26. Juni gegen die Räumung Dongola- energisch Protest einlegte. Da« neue Cabinct wurde durch die Erklärung des General« Buller. daß Dongola nur mit Hilfe eine« neuen Feldzuges wieder besetzt werden könne, bewogen, dem Einspruch Wolseley'- keine Folge zu geben, und der StnatSsecrelair deS Krieges. Schmidt, telegraphirte am 2. Juli an Wolseley. daß die Regierung in Erwägung aller in Betracht kommenden Umstände beschlossen habe, die Von der vorigen Regierung ertheilten Befehle nicht zurück- zunehmeu. Salisbury wollte Gladstone von der Verant wortung für die durch ihn im Sudan geschaffene Lag« nicht entlasten, ein «euer Krieg-plan sollte erst entworfen und auS- aeführt werden, wenn die Zeit dazu reif wäre. AuS sdcn sonstigen Eröffnungen, die Salisbury am S. Juli dem Oberhause gemacht hat, geht hervor, daß er die systematische Bekämpfung deS Mahdi für die Zukunft geplant hatte, eS sollte» aber erst die Mittel und Wege erwogen werden, wie da« am zweckmäßigsten geschehen könne. Die elf Millionen, welche das Parlament für Kriegszwecke in Crntralasien und »m Sudan bewilligt halte, sind bereit« bi« aus einen geringen Rest ver wendet. also stand Sali«bury vor der Alternative, eutweder da« bereits vorhandene Deficit von etwa vier Millionen Pfund aus eigene Verantwortung zu vergrößern, oder zu einem qe lcgeneren Zeitpuncte die Mittel zu einer neuen Expedition vom Parlament unter Darlegung deS Sachverhalts zu ver langen. Er hat sich für da« Letztere entschieden, und wie der Erfolg beweist, hat er wohl daran gethan. Ist der Mahdi todt, so ist in Egypten und im Sudan dir Lage sehr wesentlich verändert, und e« fragt sich zu nächst, ob nicht die vom Mabvi ins Leben gerufene Be wegung jetzt im Sand« verlaufen wird. O-man Diama ist offenbar Derjenige, welcher die erste Anwartschaft aus die Nachfolge im Oberbefehl hat; aber eS ist sehr »weifelbast, ob die Sudanese» il»n den gleichen Gehor sam beweisen werden wie dem Mahdi. Gelingt eS ihm, den Schein zu erwecken, daß er der berufene Nach folger de« .gottgesandten' Mahdi ist. dann wird er sein« Rolle sortfpirleii, und e« kommt dann nur daraus an, einen paffenden Ersatz für den bisherigen Führer am Rothen Meer zu finden. E« fehlt in der Geschichte nicht an Beispielen daß ein großer Heerführer durch Epigonen wenn nicht ersetzt so doch vertreten worden ist, aber die Regel war, daß mit dem Führer auch der Eifer für die Sache und die Fädigkeit, sie zu Ende zu führen, verloren ging Alexanders de« Große» Reich zerfiel, als der große Macedonicr gestorben war. und mit der Gefangennahme Napoleon'» l. war die ruhmvolle «nd zngleich fruchtbare Episode de« französische« Geschichte lu Ende. Aber die Schwedenzeit war mit dem Tode Gustav ildotph'S nicht vorüber, und die Generäle Banner «nd Torstenson sind »och lange der Schrecken Deutschland« ge blieben. bi« endlich die allgemeine Erschöpfung dem dreißig jährigen Kriege ein Ziel setzte. Dre Bewegung, welche den Mohamedanismn« in Afrika ergriffen hat, kann leicht einen neuen Führer finden, weil sie stark genug ist, um nicht ohne längere Vernachlässigung von selbst wieder zu verschwinden. Daß der Gedanke einer Wiedergeburt de« Islam große Kreis« ergriffen hat, zeigt di« Aufregung in der ganzen mohamedauischen Well von Xordasrika bl» nach Indien, welche seit dem Auslauchen de» Mahvi sich vollzogen hat. Die Bewegung ist noch in den Ansang»stadien ihrer Entwicklung begriffen, die Eivilisatioo ist noch zu gering in diesen ungeheuren Gebieten, deren Bewohner dem Winke de« Mahdi folgen; die Schwierigkeiten, welche einer Zusammen fassung der mohamedauischen Gesammtmacht entgegenstehen, sind noch zu groß, al« baß schon jetzt die volle» Wirkungen der Bewegung zu Tage treten konnte. E» ist sogar sehr wahrscheinlich, daß jetzt ein zeitweise« Ermatten der Bewegung eintreten wird, aber beseitigt ist sie durch den Tod de« Mahdr sicherlich nicht ganz. Die Sehnsucht nach derAbschÜttelung der Frrmdenherrschast ist stark bei den Eingebornen in Asien und Afrika. Schon ein mal trat sie mächtig hervor, —im Jahre 1857, al» di« Indier e» unternommen hatten, die Engländer au» ihrem Lande zu ver treiben. Dann haben sich die Chinesen und die Sudanesen gleichzeitig gegen die Franken und die Engländer erhoben, und der Aufstand, welchem Arabi seine» Namen lieh, war nicht allein gegen die Engländer, sonbern überhaupt gegen die Europäer gerichtet, wie da-Blutbad von l l. Juni 1882 bewiesen bat. Mit der Bewegung Arabi'» ging die Mohamed Achmed'« Hand in Hand, wenn sie auch nicht zwischen Beiden verabredet war. Die Engländer werden auch nach Beseitigung de»Ministe rium« Gladstone in Egypten und im Sudan beiße und schwere Arbeit finden, ein Tel el Kebir wirb ihnen so bald nickt wieder blühen. Wolseley ist sich auch der Schwierigkeiten der Lage wohl bewußt, aber er scheint sie dock zu unterschätzen, wre seine Meinungsverschiedenheit mit General Buller über die Mög lichkeit der Wcederbesetzung Dongola« verrälb. Der Feldzug, welcher vor einigen Monaten ein so unrühmliche« Ende fand, hat Wolseley darüber belehrt, daß die Tage von Alexandrien und Tel el Kabir vorüber sind, und daß e« nur harter Arbeit ge lingen wird. 0aS Terrain, welche« die Engländer ü» Jahre 1882 besaßen, wiederznacwinne». Die Bestätigung de« Tode« Mohamed Achmed'« vorausgesetzt, kommt e« jetzt zunächst darauf an. ob und welcher Nachfolger die Bewegung weiter fortsetzt. OSmau Digma wird die errungenen Borthelle nicht ohne den hartnäckigsten Widerstand prei-geben, und schon au« diesem Grunde dürfen wir uns auf ein Nachspiel ber Be wegung de» Mahdi gefaßt machen. § Leipzig, 13. Juli 1885. * Für die Stelle de- kaiserlichen Statthalter» für Elsaß-Lothringen wurden gleich nach dem Hinscheiden de» Geiieral-Feldmarschall- von Manteuffel eine Anzahl Namen genannt, welche aber bald wieder verfchwanden. Doch möchten wir, so bemerkt die „Post", nicht unterlassen zu er wähnen, daß in der letzten Zeit der Name de- Fürsten von Hohenlohe, de- deutschen Botschafter« in Pari-, am meisten m den Vordergrund getreten ist. * Der deutsche Generalkonsul Rohls« hat Zanzibar» wie von dort telegraphisch gemeldet wird, verlassen, um nach Europa zurilckzukehren. Man hat keinen Grund» seine Ab reise mit einer etwaigen Verschärfung eiuer zwischen dem Sultan von Zanzibar bestehenden Spannung in Verbindung zu bringen. Es war schon längst bestimmt, daß Rohls« aus einige Zeit nach Deutschland zurückkehren sollte. * Da» Wild ist immer «och nicht erlegt. Die „Ger mania" räumt jetzt selbst ein, daß ihr Triumphgeschrei über die eudgillige Beseitigung de« Paderborner Erlasses zu früh erklungen sei. E» ist nicht ohue Interesse, da» Kessel treiben zu studuceu, da« von der ultramontancn Presse gegen den Bischof Drobe eröffnet worden ist und vielleicht von noch größerem Interesse, da« seltsame Gemisch heuchlerischer Schmeichelworte und dreister Drohungen mit den in Ehrfurcht, Liebe und Hingebung ausgehenden Artikeln zu vergleichen, mit weichen derselbe Bischof, der jetzt zum Stein de« Anstöße« geworden ist, bei seinem Amts antritte begrüßt wurde. E« wäre da« ein lehrreiche« Capilel mehr zu der Wandlung, welche sich im Charakter der katho lischen Kirche, oder sagen wir Ueber der katholrscken Hierarchie, seit einem Jahrhundert etwa vollzogen hat. Zwar prütendirt die katholische Kirche, von den Umsturziveea der großen Revolu tion de« vorigen Jahrhunderts allein unberührt geblieben »u sein, und sie begründet wohl daraus ihr Anrecht, al» erste und berufenste Vorkämpfer»» aller Revolutionen zu gelten. Aber wäre e» Zufall allein, wen« seit jener Zeit die großen selbstständigen Charaktere, die wir früher aus den Bischosöfiühlca sahen, selbstständig nach oben wie unten hin mehr und mehr ge schwunden sind, und wenn gleichzeitig wie m der Politik ein dema gogischer, um die Wahl seiner Mittel nie verlegener Zug sich auch innerhalb der katholischen Kirche geltend macht? Die Press« der Hetzcapläne. di« mit der früheren socialdemokrati- schru Presse um die Wette an der Untergrabung de- Gefühl« der Anhänglichkcik an da» Vaterland gearbeitet und da- Ver trauen zu Recht und Gerechtigkeit in weilen Kreisen der Be völkerung erschüttert hat, mag ein Erzeugniß der Cultur- kanipssjahre sein. Aber schon in früheren Jahren hat die katholische Demagogie sich in geschickter Weise der Presse zu bedienen gewußt, um dir Curie sür ihre Pläne umzustimmen. * Herr Windthorst muß sich seit jüngster Zeit in recht unbehaglicher Stimmung befinden. Die beiden Bestrebungen, au« denen sich seine politische Tätigkeit zusair.mensctzl, die welfische und die ultramontane Agitation, haben in den letzten Tagen und Wochen Stöße erfahren, von denen sic sich schwer lich wieder ganz erholen werden. Die welsische Sache ist verloren und noch mehr, nicht nur sein Glück, sondern auch seine Ehre hat das Welsenhaus verspielt. Nänkcspicle, wie da- mit dem berüchtigten Doppelbrief, mochte man im Machiavelli'sche» Italien oder in der Schule der Jesuiten an erkennen und al- seine Staatskunst bewundern, im deutschen Reiche und im neunzehnten Jahrhundert mit seinen gcläuterteren sitt lichen Begriffe» von Staat und Politik hat man dafür nur Ver achtung. Für einen Fürsten,.der für sein vermeintliche» Recht sein ganze« Dasein einsetzt, skr dasselbe ehrlich und mannhaft, wenn auch ersolglo« kämpft, ist in dem zur G«sühl«sel»akeit neigenden deutschen Bolk-charakter immer viel Sympathie vorhanden gewesen, Jesnitenkniff, und Jesuitenmoral aber sind in Deutsch- land uicht am Platze. Eine Doppelzüngigkeit, wie sie der Herzog von Cumderland mit dem Verzicht und der Aufrecht- erhaltung seiner Ansprüche aus Hannover zu gleicher Zeit getrieben, richtet Den. der sie begeht, bei allen ehrlichen Menschen. Wir haben bereit- darauf hingewiescn, daß selbst ultram ontaue Politiker sich diesem Eindruck nicht zu entziehen vermögen. Herr Windthorst hat von jeher als der un bestrittene Letter und Rathgeber de« »elfischen Prätendenten gegolten; er wird e» nicht von sich abwehren können, daß man ihn auch sür die neuesten Schritte de» Cumberländer« ver antwortlich macht und ihm vorwirst, daß er das Fürstenhaus, dem er zu dienen glaubte, nicht nur um Land und Leute, sondern auch um deu guten Namen und Ruf gebracht hat. Und zu gleicher Zeit vollziehen sich im ultramontancn Laaer Vorgänge, die deutlich die Angst der Fanatiker ver- rathen, e« möchte mit dem Culturkamps durch die Friedens liebe und bessere Einsicht der kirchlichen Oberen eines schönen Tage» au» sein. Herrn Windthorst waren, da» ist da« all gemein« Urtheil unbesanaener Beobachter über sein politisches Wirken, die kirchlichen Fragen stet» nur Mittel zur Förde rung seiner melsisch-particularistischen Bestrebungen, die ihm allein wahrhaft am Herzeu liegen. Die letzteren sieht er in vollstem Maße gescheitert vor sich, und eS ist ein eigenlhüm- liche« Berhängniß, wenn in demselben Augenblick sich auch deutliche Anzeichen erheben, daß die ultramontane Kampsvartei bei den gemäßigteren und da- Wohl der Kirche wahrhaft an strebenden Elementen im katholischen Lager selbst aus Wider stand stößt. E« hat allen Anschein, daß Herr Windthorst, der eine Zeit lang bedauerlicher Weise eine Stellung ohne Gleichen rn der politisch-parlamentarischen Geschichte Deutsch land» eingenommen, noch den vollsten Zusammenbruch aller seiner Bestrebungen und Pläne erlebt. * Bon der Ostseeküste wird geschrieben: Nach langem Harren sind jetzt endlich die drei schönen Panzer- corvetten. welche die chinesische Negierung auf der Werst deS Vulcan in Stettin und der Werst der Gebrüder Houwald in Gaarden bei Kiel erbauen ließ, von Kiel auS in See gegangen, um durch da» Miltelmeer, den Canal von Suez und den Indischen Ocean nach China zu fahren. Die lange Verzögerung der Abfahrt der bereits im Frühjahr 1884 al« sc 'ig abgeliefcrtkn Schiffe wurde bekanntlich durch den KnegChi»as mil Frankreich bewirkt, da man mit Recht befürchten mußte, daß letztere Macht die neuen Corvetten durch ihre Uber legenen Kriegsschiffe aus der Fahrt angreisen und als gute Prisen wcgnebmrn lassen würde. Die Panzercorvctten haben jetzt keine Armatur au Bord, fahren unter deutscher Handelsflagge und sind mit Matrosen. Steuerleuten und Capitainen unserer Handelsmarine bemannt, welche gegen einen hohen Sold die Uebersahrt nach China und die Ablieferung daselbst über nommen haben und bann wieder abgelohnt werden. Die deutsche SchiffSbaukunst hat in diesen überaus scknellsahrem den. dabei sebr starken und in jeder Hinsicht vorzüglich ein- gerichleten Kriegsschiffen wahre Meisterstücke geliesert. Der chinesische Gesandte in Berlin war zur Abfahrt der Cor vetten. welche unter Beobachtung vieler religiöser Cere« monien nach chinesischer Sitte geschah, eigen» nach ikiel gekommen. Bor dem Jahre 1866 mußte Deutschland alle seine größeren Kriegsschiffe, ja selbst sein« meisten und besten HaudclSbampscr aus englischen und französischen Wersten erbauen lassen, jetzt beauftragen China und Japan schon deutsche Wersten mit dem Bau ihrer Kriegsschiffe: so gewaltig ist der Unterschied hierin geworden. Noch einen anderen wichtigen, wenn gleich bescheidenen, Triumph feiert jetzt die Schiffsbaukunst der deutschen Ostseeküste. Eine große englische Gesellschaft für Fischerei aus hoher See hat jetzt den Bau zweier großer neuer Kutter dem Schiffsbaumeister Burchardt in Rostock übertragen, der sich durch den soliden Bau trefflicher, schnellsegclnvcr Holzschiffe einen weit ver breiteten Ruf erworben hat. » » » * Die Anarchisten, denen der schweizerische Boden doch ein wenig zu heiß geworden ist, lenken ihre Schritte nach Spanien. Zum 26. d. M. ist in der alten aragonischen Köuiasstadt Barcelona ein internationale»Anarchistenstelldichein angesetzt und sind, der „Neuen Züricher Zeitung" zufolge, alle Gruppen der „Internationalen Arbeiter-Association" ein- geladen, Abordnungen zu entsenden und sich mit dem Ein berusungScomitö zuvor zu verständigen. Die Adresse dieses Comit6» halten dre Anarchisten geheim. Nur Eingcweihtere können dieselbe mittel» Deckadressen ersahrcn, welche James Smith, Bocksellershop, 38 Charlotte Str.. Fitzroy Square, W-. London, vermittelt. Wie es heißt, wird die amerikanische Anarchistensöderation, also die Seele der Bewegung, aus dem Congreß nicht vertreten fein. Ihr Wegbleiben entschuldigt sie mit der kurzen Zeit zwischen jetzt und dem Congreßtermin. DaS einzig Richtige dürste aber fein, baß Most, den man natürlich in erster Linie am Congreß anwesend sehen möchte, findet, er sei sicherer in New-?)ork al« aus europäischem Boden in Barcelona. Man nimmt an, der Congreß werde wesentlich nur von den Föderationen der romanischen Sprachen gruppe beschickt werden. Spanien wird in der That schwer heim gesucht. Erst die Cholera — und nun noch der Anarchismus I da» ist viel aus einmal. * Die letzten Nachrichten au« Madagaskar sind der Art, daß die Regierung entschlossen ist, dem Contrc-Avmiral Miot 4000 Mann Verstärkungen zu schicken, sobald die Kammer den Credit von 12 Millionen, der von ibr verlangt wird, bewilligt hat. Wahrscheinlich werden diese 4000 Mann grvßtentheil« der Reserve-Division de« Lager» von PaS des LancierS (bei Marseille) entnommen werden und andererseits die sür Anam und Tonkin bestimmten Ver stärkungen ebenfalls aus diesem Lager abqehcn, welches seit einiger Zeit viel und nicht im günstigen Sinne von sich reden macht. Wir haben schon neulich der Kritiken erwähnt, die gegen da» Lager von PaS de« LancierS erhoben werden, und können ui,» daher kurz fassen. Bekanntlich war eS in der löblichen Meinung angelegt worden, e» sollte eine NcbergangS sialion für die auS dem nördlichen Frankreich slainnicndeu Truppen sein, welche zum Dienste in den Colonien an- ersehen sind. Tie Erfahrung ergab aber, daß die Be rechnuna eine falsche war und der Ausentball in der kahlen, heißen, sumpsigen, quellenarmcn Gegend die jungen Soldaten mehr angriff, als die unmittelbare Versetzung nach Algerien oder sogar nach Tonkin. Jetzt ist in dem Lager der Typhus au«gebrochcu und jeden Tag muß eine Anzahl Kranker in baö Militairho-pital nach Marseille gebracht werden, das zur Stund« 750 Soldaten auS dem Lager verpflegt. Außerdem sind etwa 90 TyphuSkrankc in einem Barackenlazarclh »eben dem Lager selbst untcrgebracht und man rälh dem Kriegs minister von allen Seiten dringend, PaS de« LancierS schleunigst räumen zu lassen und die Truppen, welche eingcschifsl werden sollen, genauen ärztlichen Visiten zu unterziehen, um der Ver schleppung der ansteckenden Krankheiten an Bord und nach den fernen Colonien zuvorzukommcn. Neues Theater. Leipzig, 12. Juli. Bei der Uebersülle neuer Lustspiel- schwänkc und der Menge dramatischer Mvdedichler aus diesem Gebiete ist der socialdemokratische Agitator Leopold von Schweitzer mit seinen Lustspielen etwas in Vergessenheit gerathen; mit Unrecht, denn das gestern ausgesührte Lustspiel .Epidemisch' ist ganz ergötzlich und verdiente wieder einmal an« Licht der ProsceniumSlampen gezogen ru werden. ES ist allerdings Schweitzer'S beste« Lust spiel; die anderen verfallen öfter« in einen trivialen Ton. Wundern mag man sich, daß Schweitzer in diesem Lustspiel ein OssicierSstÜck geschaffen hat; ein Genre, in welchem G. von Moser später den Vogel abschoß. Doch wa« bei einem früheren Lieutenant de« Gardeschntzenbalcullon« be greiflich ist. daß er nämlich einen Stoff wählt, der ihm persönlich so nahe liegt: da« muß bei einem Führer der Socialdcmokratcn, bei einem Redner m ihren Versammlungen einigermaßen befremden. „Epidemisch" wird nur amusiren durch den geheimnißvollen Briefkasten, da« dicke geographische Handbuch und die Ver wechslung der Briese, welche zur amüsantesten Folge den Conflicl im Herzen de« jungen Fähndrich« hat, der sich von der Frau Majorin geliebt glaubt und dessen subalterne« Ge wissen zwischen der Verpflichtung, diese auSzeichnende Liebe doch einigermaßen zu erwidern und der gehorsamen Treue gegen seinen BataillonScbes bedenklich schwankt. Nicht minder amüsant ist der mlles gloriosns, der Streit über Arbela und Gaugamela, und die Rolle, die der Weinwirth als militairiscber Schriftsteller von Ruf spielt, bi» er sich durch seine Be merkungen über die Alexanderschlacht unrettbar compromittirt. Diese komischen Verwickelungen sollen indeß der satyrischen Tendenz de« Ganzen dienen und hier ist der Punct, wo da« Stück ein wenig sterblich ist; e« hat einen etwas alternden Zug im Gesicht; denn jene Epoche des Bürsenschwiudel« ist m der That vorüber und e« giebt gegenwärtig andere Epidemien, gegen die sich die Eatyre eine- Lnstspieldichter« richten kann. Di« Börse wird gegenwärtig von allen Seiten gerupft und wenn sie ein Gistvaum ist, so sägt man ihr wenigsten« so viele Zweige wie möglich ab. Da« Publicum ergeht sich jetzt so wenig in Börsrnsveculationen, daß in allen Berichten nur die Klage Über seine Gleichgiltigkeit und Zurückhaltung ertönt. Da« satyrische Culturdild auS der Gründerepoche hat daher nicht mehr den Reiz voller Aktualität. Gespielt wurde recht munter: Herr Hänseler al« Alfred von Selveneck war von feiner Komik. Der Kuno von Seldeneck de« Herrn Str aß mann zeigte Frische und Lebendigkeit. Der Major von Sturrwih de« Herrn Bischer war ein alter Hitzkopf und vorzüglich iu seinen Fallffaffredcn. Der Makler Görlitzerde« Herrn Tietz ein scharfgezeichnet Blatt aus seinem reichhaltigen sccnischen Album. Herr Trentler (von Roinbera), Frl. Wilhelm (Minna), Frl. Flösset (Erna), Frl. Buse (Krau Stumm) und Herr Müller al« Weinwirth Rchbock trugen dazu de«, da« Ensemble beweglich und munter zu halten, so daß trotz der niederdrückenden Temperatur der Eindruck de« SlückcS ein frischer war. Rudolf von Gottschall. Musik. * Leipzig, 12. Juli. Stadt-Theater. Am Frettag den 17. Juli sollte Herr Leonh. Labatt vom k. k. Hof- operntheater in Wien sein Gastspiel eröffnen. Plötzliche Erkrankung macht e« ihm unmöglich, seinen contractlicben Verpflichtungen nachzukommen, unv eS werden deshalb von Seiten der Direktion andere Dispositionen getroffen. Fräul. I. Sieber vom königl. Theater in Kassel beschließt am Mittwoch, den l5. Juli, ihr Gastspiel al- Margarethe in Gounod's „Faust". Sommerfest des akademischen Gesanstvereins „Arion." Leipzig, 12. Juli. Jean Paul sagt i» sciuein „Museum": „Die Kunst ist zwar nicht das Brod. abcr der Wem des Lebens". uuS Diejenigen allein sind demnach glücklich zu preisen, die ihr Herz einer der schönen Künste mit unwandelbarer Liebe geweiht habe», wie die „Arionen" das ihre der hehren GejaiigSkunst. DaS gestrige Soniiiicr- sest deS Gesangvereins „Arion", daS i»> Elablissemeiit deS Krhstall- palastes abgchalken wurde und sich auch bis zum Schluß der Oliinde deS Himmels erfreute, der sich hütete, aus den holden Blmuei slor zarter Gestalten und aus die Schaar wackerer Muskusühnc einen Regenschauer herabzusenden, zeigte uns die Arionen unter Lcüuu i ihres bewährte» Dirigenten Richard Müller, wieder einmal in vollem Glanze; denn die qciauiiiite» Nummer», die das reichhaltige, aurcgeudc Programm bot, athinele» ciae LebciiSsriiche, eine Herziunigkeit und Wärme, die wieder zu Herzen sprechen mußten, zumal auch die technische Aussührung, wie nicht anders zu erwarte», eine musteihaile war. Mit «rast und energischer Tonsürbung wmdc zunächst Reincckk's Lied „Stürme des Frühlings" wiedergegebe», woraus das Pfingstlied auS Noquctte'S „Waldmeisters Brautsahrt", „Pfingsten ist gekommen", von H. John, folgte, bei welchem die Sänger trefflich den srohgemulhen, naiven Volkston trascu, der diese dem Verein gewidmete Compvsition auszcichiicl, bei der der Wcith iu der lingekünsicllen, natürlichc» Empfindung liegt.. Da» essectvoll gesetzte, träumerische Lied „Sonne taucht in Mecre<sliitl:en", von Earl Zebler, daS stellenweise nur in etwas allzugroßer Welllü.eit verschwimmt, wurde namentlich durch daS prächtige Barnonjolo und die vorzügliche Wiedergabe der Pianiisiinostcllen gehoben. Eine» Glaiizpunct des LiederstraußcS bildete Abt'S „Vmeta", bei dem der Rcsrain „Salve Regina" wie Orgelt»» erklang, und .Ich wollt', ich wär eia Jägersmann", dessen lcbenSsroher, minneseliger Charakter einen rrgreisendcn Ausdruck fand. Das VnndeS- lied von Ferdinand Hitler, einem Ehrenmitglied des Vereins, hat einen großen morkigen Zug und muß, wenn es von einem io begeisterten Männerchor, wie es der „Arion" ist. ausgesübrt wird, immer seine zündende Wirkung erreiche». In Ler Instrumentation sind besonders csscctvolle Färbungen zu bemerke». Die Colostellen wurden auch hier wieder von «nein Baritonisten vorgetragen, dessen Stimme Bühnencharakter hat und in den höhere», wie tieferen R». gister» gleich schöne Klangwirkung erzielt. Der zweite Dheil de« CviiccrteS wurde mit Richard Wagner'S Hymnus „An die Kunst" im Arrangement vs» Weinwurm eröffnet, woraus dann Mendelssohn's reizende, weinscöhiichc Tondichtung „Liebe und Wein" und Zöllner'» Vaganlcii-Canlus von der „Hohen Hahnenfeder" im Bunde solgte». Daß die Singer überhaupt die Lollegien über die »r» »wstori»
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