Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188507172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850717
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850717
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-07
- Tag1885-07-17
- Monat1885-07
- Jahr1885
-
-
-
3948
-
3949
-
3950
-
3951
-
3952
-
3953
-
3954
-
3955
-
3956
-
3957
-
3958
-
3959
-
3960
-
3961
-
3962
-
3963
-
3964
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1885
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint tS-lich früh «'/. Uhr. Redaktion und Lrpeditio» Iohanuesgosse 8. Lprechlinndkn der Redartian: BoriniiragS 10—12 Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. «tir du ALL,«», em,kl«i>»rrr m,»i»trr>»t« »>cht Ich «»«»»» >o»i »««»u-. A«natz«e »er sür »te nächfts«l,t«»i Nummer »«stimmten Inserate au Wachen»«,en bis S Uhr Nachm,»»«,», a« »anu. un» Kes»»a,e» fr-» »i«'Utzr. 3 a den /Uialea sür I,s.-3ianah« Ott« Klr««. Untversitätsstraßr 1. Vant» Lösche, Kaiharineistr. 23, p. unr »t» '/.» Utzr. Anzeiger. Organ för Politik, Localgeschichte, Handels- »nd Geschäftsverkehr. Auflage LV,LV«. ^bonnnuentspreis viertelj. 4'/, Mlt. incl. Bringenohn b Mk„ durch die Post bezogen 6 Ml. Jede einzelne Stummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren sür Extrabeilage» iin Tageblatt. Format gesalzt) ohne Postbeiörberung 39 Ml. «I» Poftbesörderung 48 Ml. Inserate ögespaltenc Petitzcile 20 Pf. Größere Schrillen laut ans. Peeisverzeichuiß. Tavellanscher a. Zisserniatz nach hührrin Taris. Reklamen auier dem Redactioas strich die4gest»alt. Zeile 50 Ps.. vor den Kann liea nach richten die ügeipalteiit Zeile 40 Ps. Inieraie sind stei« an die Expevition za jenoeu. — Rabatt wi:d nicht gegeben. Zahlung prasnumeranä» ober dura» Post- aachnahiue. .4° 198. Freitag °m 17. In« >885. 79. Jahrgang. Amtlicher Theil. Die in nachstehender Bekanntmachung vom 4. August 1879 enthaltenen Vorschriften sind in neuerer Zeit vielfach un« beachtet geblieben. Wir bringen daher dieselben zur strengsten Nachachtung hierdurch in Erinnerung. Leipzig, am 8. Juli 188S. Der Skatd der Stadt Leipzig. Lr. Georgi. Hennio. Bekanntmachung. Nach unserer Bekanntmachung vom 4. Juli 1877 ist eS den Hausirern und Händlern, welchen nicht während der Wochenmärkte oder Messen LcrkausSstSnde ausdrücklich an« gewiesen sind, bei Geldstrafe bis zu 69 oder Hast bis zu 14 Tagen verboten, auf öffentlichen Straßen und Plätzen mit Maaren sich aufzustellen, und zwar auch dann, wenn sie die letzteren nicht aus Ständen seilbieten, sondern in Kästen, Körben, Wagen oder sonst bei sich führen. DieleS Verbot suchen viele Hausirer und Händler dadurch zu umgeben, daß sie in der Umgebung de» Markte« oder in den Straße», in denen der Markt- oder Meßverkehr vor zugsweise sich bewegt, mit ihren Maaren langsam hin- und hergehen. Dies wird aus Rücksicht auf die dadurch herbeigesuhrten Verkehrsstörungen nicht länger geduldet werden, vielmehr tverden diejenigen Hausirer und Händler, welche aus einer und derselben Straßenecke an dem nämliche» Markt- oder Meßtage wiederholt mit Maaren sich betreffen lassen, unnach- sichtlich in die oben gedachte Strafe genommen.werden. Leipzig, am 4. August 1879. Der Rath der Stadt Leipzig. Or. Tröndlin. Messerschmidt. Bekanntmachung. Laut Angabe de» am 25. September 1865 in Niedercosel in Schlesien geborenen Maurergehilfen Earl Albert Heinrich Ernst Robert Burghardt ist dessen angeblich in Freiberg aus gestelltes Arbeitsbuch in hiesiger Stadt verloren gegangen. Wir bitten, dasselbe im ÄussindungSfalle an un«, Obst- martl, Stadthaus. 2. Etage, abliefern zu wollsn. Leipzig, am 15 Juli 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. -'vr. Georgi. Reichel. Bekanntmachung. Die Lenchtkrast de« städtischen Leuchtgase« betrug im Monat Juni bei einem stündlichen Consum von 140 Litern >m Argandbrcnncr durchschnittlich das 16.14-sache der Leucht kraft der deutschen Normalkerze von 50 wm Flammenhöhe. Leipzig, den 15. Juli 1885. DcS RathS Deputation zu de» Gasanstalten. eoangclisch-rrsormrte Gemeinde. In Ausführung des Beschlusses (-1. Februar 1884), über Ver mächtnisse an unsere Kirche fortan öffentlich zu quittiren, wird hier- iu,i besannt gegeben, daß dieselbe von der jüngst verstorbenen Frau vrncstiue Louise verw. Pla-«au»-Pre«her mit einem Legat von 1500 ^l bedacht wurde. Leipzig, 16. Juli 1885. S»a«,eltsch-resor«trte» Louststoriu». v. Drcydorfs, i. 8t. Nichtamtlicher Theil. Französische JustSn-e. Der Antrag. daS Ministerium Fcrry in Anklagezustand zu versetzen, ist zwar am 4. Juni von der Deputirtenkammer mit großer Mehrheit abgelehnt worden, aber die Debatte über den Ucberfall in Hue am 6. Juli bat so viel neue« Material zu einer solchen Anklage geliefert, daß eine wieder holte Abstimmung leicht da« entgegengesetzte Ergebniß haben könnte. Die Unternehmung gegen Tonkin beherrscht noch beute die Lage der Dinge m Frankreich, sie ist die offene Wunde am Leibe Frankreichs, welche fort und fort viele Millionen und die besten Kräfte der Nation verschlingt. General Campencn halte unter Ferry gut reden, daß man sich aus das Delta de« Rothen Flusse« zurückziehcn solle; jetzt, da er wieder das KriegSministerium führt, sicht er sich in die Nothwendigkeit versetzt, die Ereignisse so zu nehmen, wie sie sich entwickelt haben, und danach die Mittel zu bemessen, um ihnen die Spitze zu bieten. Freycinet hat zwar den Oberbefehlshaber in Tonkin, General Courcy. an gewiesen, seine Action streng innerhalb der durch das Protcctoral gezogenen Grenzen zu halten, aber dieser Befehl ist leichter erlbeilt als befolgt. Daß Frankreich mit der Schutzherrschast i» Anam nicht ausreicht, haben die Kämpfe deS 4. bis zum 7. Juli gezeigt; so lange eS noch einen König von Anam und eine anamitische Regierung in Hue giebt, ist an Frieden in Tonkin nicht zu denken. Ehina hat nur deshalb mit Frankreich Frieden geschlossen, weil eS wußte, daß eS die weitere Ent wickelung der Verhältnisse de» Anamiten überlassen könne. Freycinet befindet sich in einer sehr Übeln Lage; in dem Augen blick deS Friedensschlusses mit China ist der Friede bereits wieder gebrochen, und da« Verbültniß zwischen Frankreich und Anam ist der Art, daß die Oberhoheit CbinaS über dieses Land sortbefteht, mit dem einzigen Unterschied zwischen sonst und jetzt, baß Anam in Zukunft keinen Tribut an Ehina zahlt. Diese« unklare Berhältniß enthält den Keim zahlreicher Schwierigkeiten und Verlegenheiten sür Frankreich, die nur durch die Einverleibung Anam« in Frankreich gelöst werden können. Clemenceau und Lockroy hatten den richtigen Weg bezeichnet, al« sic die Nothwendigkeit hervorhoben, Tonkin auszugeben. In Hanoi und Tonkin ist für Frankreich ebenso wenig zu holen wie in Mexiko. An diese traurige Unter nehmung wurde in der Kammersitzung vom 6. Juli erinnert, unter Vergleichung mit der Expedition nach Tonkin, und mit vollem Recht, denn nur der Rückzug auS Tonkin kann der unhaltbaren Lage in Ostasicn ein Ende machen. Die französischen Waffen sind außerdem in Cochinchina, am Senegal und aus Madagaskar im Kampfe. Man be richtet wohl von allen diesen Kriegsschauplätzen über Siege der Franzosen, aber eine Entscheidung ist bisher auf keinem dieser Puncte erfochten; besonder« im Argen scheinen die Dinge auf Madagaskar zu liegen, wo der Admiral Mist vergeblich noch Verstärkungen verlangt. Alle diese Abenteuer hat Frank reich leichten Herzen» unternommen, in der Hoffnung, schnelle und glänzende Erfolge zu erringen; die Thatsachrn haben aber bewiesen, baß die gesammte französische Eolonialpolitik aus falschen Voraussetzungen beruhte, daß alle diese Unter nehmungen zwar Blut und Geld kosten, aber weder Ruhm noch Vortheil bringen. Die Franzosen sehen da- selbst sehr wohl ein, aber sie haben nickt den Muth, die begangenen Fehler einzugestchcn und die entsprechenden Schritte zu tbun. E« ist eine alle Ueberlieferung in Frankreich, wenn der Erfolg den Wünschen nicht entspricht, wenigsten« den Schein ausrecht zu Hallen, daß Alle« gut gehl. Die Franzose» stehen jetzt vor den Wahlen, in wenigen Wochen soll da- Parlament erneuert werden und im Januar steht die PrSsibentcnwabl bevor. DaS ist ein Abschnitt, welcher zur Einkehr bei sich selbst aufsorvert, und es fehlt auch nicht an Anzeichen, daß die Franzosen sich der begangenen Fehler bewußt sind. Ader wie sollen sie gesühnt, wie neue Fehler vermieden werten? Der Kamps der Parteien verzehrt die vorhandenen Kräfte zu Hause, Abenteuer im AuSlanVe. Die republikanischen Gruppen beider Kammern haben den Versuch gemacht, eine Einigung über die Ziele der Zukunst herbei- zusühren, der Versuch hat aber schmählich FiaSco gemacht. Tie Zwietracht in den Reihen der Republikaner läßt den Aufruf al» verfehlt erscheinen, und die Monarchisten sind an der Arbeit, daS ungeheure Deficit der Republik zu Gunsten der Wiederherstellung der Monarchie in« Tressen zu führen. Eine der letzten Kammersihungen bot in dieser Beziehung ein lehrreiche« Beispiel. Man bemühte sich, den Ankläger der schlechten Finanzwirtbsckaft niederzuschreien, aber ihn zu wider legen, ist nicht gelungen. Die Anbänger der Monarchie werke» die Gelegenheit, welche die Parlament-Wahlen und die Präsidentenwahl darbietet, nicht unbenutzt vorübergeben lassen, zumal die äußeren Verwicklungen ihnen die leichte Möglichkeit gewähren, ihre Wühlereien unter der Hand zu betreiben. Der Aufruf der republikanischen Gruppen hat zwar vor läufig keine praktische Bedeutung, aber er zeigt wenigstens, in welcher Richtung sich die Wahlagitation der Republikaner bewegen wird. Der Hauptgesichtspunct derselben ist Spar samkeit. Rach so ungeheure» und so unfruchtbaren Ausgaben, welche die Armee und die Eolonialpolitik der Republik ver ursacht haben, fangen die Republikaner endlich an, die Noth- wendigkril einer Umkehr zu fühlen. Frankreich hat ein Militairbudget wie keine andere Macht der W-lt. Darin soll eine Aeiivcrunq einlreten, die Mititairdienstzcil soll herab gesetzt werden. DaS Land leidet unter einem ungeheuren Ltteuerdruck, der auf die Geschäfte lähmend wirkt, daher der Ruf nach Steuerreform und nach Herstellung de« Gleich gewichts im Staatshaushalt. Natürlich sind daS nur fromme Wünsche, welche unter den» neuen Präsidenten so wenig in Erfüllung geben werden wie unter dem alten, aber eS ist schon bemerkenSwerlb, daß die republikanischen Abgeordneten überhaupt aus derartige Ziele ihr Augenmerk richte». Der zweite Gesichtspunkt de« Ausrufs ist der Kamps gegen den KlerikaliSmu« als die Form, unter welcher sich die der Republik feindlichen Parteien sammeln. DaS mag richtig sein, aber gerade unter dieser Form sind die Gegner der Republik am schwersten zu fassen und außerdem wird auch dadurch die Aufmerksamkeit von den verschiedenen monarchistischen Bewegungen abgclenkt. Die Orleanisten Verhalten sich voll ständig still, nur die Bonapartistcn halten e- sür geboten, von Zeit zu Zeit von sich reden zu machen. Daß der Gras von Paris die bevorstehende Präsidentenwahl zu irgend einem Wiederhersielluugsversuch benutzen wird, ist sehr unwahr scheinlich, um so mehr werden aber die Anhänger des König. thumS sich rühren. Ob der Streit der Legitimisten und Orleanisten schon ausgeglichen ist oder sortdauert, ist nicht bekannt, die Wahrscheinlichkeit spricht jedoch für daS Letztere. Die Bonapartistcn haben einen schweren Stoß durch den Streit zwischen Prinz Napoleon Vater und Sohn erlitten, die ganze Angelegenheit wurde dadurch so verhängnißvoll sür den Bonapartismus, weil sie ihn der Lächerlichkeit preisgab. Die heutigen Napoleoniden sind tbeilS lächerlich, theils ver ächtlich, und das kann nicht dazu bienen, um ihre Sache in der Meinung der Franzosen zu empfehlen. Alles in Allem bietet Frankreich am Vorabend der Wahle» ein Bild der Zerfahrenheit und deS Parlcizwisics, welches sür die Zukunft keine guten Erwartungen erregt. Es überwieqt zwar die Wahrscheinlichkeit, daß die Republik erhalte» bleiben wird, aber dem Walten deS Zufall- ist auch bei der bevorstehenden Entscheidung Thür und Thor geöffnet. * Leipzig, 17. Juli 1885. "Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bringt an leitender Stelle die folgenden, bereits telcgrapisch signcili- sirten, Enthüllungen über die Anschläge und Hoffnungen der Welsenpa rtei. Das Regierungsblatt schreibt: Bekanntlich hat der Herzog von Eumberland unterm 14. Januar 1879 einen Brief an den Herzog Wilhelm von Braun schweig gerichtet, in dem er alle vom Herzog abgeschlossenen Verträge und also auch dis Stellung des HerzoglhumS als eines Gliedes deS deuische» Reiche- anerkannte; bekanntlich hat die welfische Presse diesen Brief ausgenutzt, um daraus des Herzog« Rechte aus Braunschiveig abzuleiten; und bekanntlich endlich — wie aber erst jüngst zu Tage getreten ist — hat dem oben bezeichne»«! Brief, zu vertraulichem Gebrauch, die Abschrift eine- vom Herzog von Luinber» iand an die Königin von England gerichteten Schreibens beigelegeu, in dem der Herzog seine Ansprüche aus Hannover auch sür den Fall der Thronfolge in Braunschweig voll und unumwunden aufrecht erhält. — Der Herzog von Cumberland ist wegen dieser beiden Briese, die aus keine ehrliche Weise in Einklang zu bringen sind, heftig angegriffen worden. Keiner seiner Gegner jedoch ist ihm so gefährlich geworden, wie die „Germania", die sür de» beste» Freund des Herzogs von Eumberland gelten möchte, aber die in Wahr heit mit unbestreibarem Erfolge das Geschäft sorisetzt, die Cumber- land'ichen Interessen durch ihre Befürwortung zu schäbigen: „Natürlich", so schreibt sie, „hält der Herzog Ernst August seine Ansprüche aus Hannover ausrecht, und zwar aus dem ganz einfachen Grunde, damit dar WelfenhanS später einmal, wenn sich die Ge- leaenheit bieten sollte, Hannover wieder zu erhallen, einen Rechts» tilel habe. Wenn jetzt der Herzog von Eumberland seinen An- sprüchcn auf Hannover entsagte, dann wäre er für immer des Landes verlustig und stände ihm gegenüber wie jeder andere Bundes- jürst. Durch iciue Rcchtsvcrwahrung ist dieser Zustand unmöglich grmacht und bei einer eventuelle» Loslösung Hannover- von Preußen kann nur da» WelfenhanS in Frage kommen. Daß aber einmal der Heimfall Hannovers au da- Welfenhaus stattstnden könnte, ganz aus friedlichem Weae, da» zu bestreiten vennag kein Mensch, weil er nicht in die Zukunft schauen kann. Diese Recht-Verwahrung des Herzogs von Eumberland hat nichts »u thun mit dem Frieden des denticheu Reiche«, denn durch sie wahrt der- lelbe nur ideell seine Rechie aus Hannover, garantirt aber anderer seits den Besitzstand Preußen« gegen jede dem Reich-rechte wider- streitende Störung und acceptirt eine Wiederherstellung seiner Rechte nur durch eine „freie Lhnt" de- Herrscher» von Preußen und der anderen deutschen Bundessürstcn, ebenso des deutschen Volkes." „Glaubt die „Germania" wirklich — so fragt die „Kölnische Zeitung" — einem praktischen Menschen einreden zu können, daß der Herzog von Eumberland nicht mit Hand und Fuß gegen Preußen und die bestehende ReichSordnung arbeite, sondern frommen Sinne in beschaulicher Weise warte, bi» eine „freie That" Preußen» oder der Bundessürsten oder des deutschen Volke«, also eine Rcstamation oder Revolution ihm die verwirkte Krone zu Füßen lege? Man muß Angesichts solcher unsaubere» Manöver dem Abg. Häu«ler Recht geben, der tm braunschweigischen Landtage trefflich bemerkte: „ES macht einen widerwärtigen Eindruck, wenn man wahcnimmt, in welcher Weise die Anbänger des Herzog« von Eumberland mit allerhand Meiitalreservalionen und jesuitischen Kniffen den Tbat- bestanL zu verschleiern suchen."" In der That, wenn irgend etwas in der braunschweigischen Tuche dem Herzog von Eumberland die Sympathien entsremdet, deren er bedürfte, so ist eS die Leitung seiner Geschäfte durch jesuitische Einflüsse und der Anschluß seiner welfische» Freunde an die Fraclion der „Germania". Die Argumente der Letzteren in dem erwähnten Artikel bezeichnet die „Köln. Ztg." mit Recht als ein „nettes Stückchen jesuitischer Kasuistik". — Uns ist der Plan nicht unbekannt, de» die Führer der Welienvariei an die Wiederherstellung ihrer Herrschaft im Herzogthum Brannschweig knüpfen. Sie glauben im Besitz dieses archimedftchen PunctcS der preußischen Regierung und dem BundeS- rathe demnächst da« Leben so sauer machen zu können, daß sie eS erreichen, sie, wie man sagt, mürbe zu machen, so daß die preußische Regierung schließlich zu irgend einer Zeit, wo sie sich durch innere oder äußere Krisen gefährdet iände und von schwacher Hand geleitet wäre, sich zu einer Theilung Hannovers ver- stehen würde, in Folge deren der östliche Theil der Provinz mit der Hauptstadt, vielleicht mit Ausnahme de- Bremer und Stader Lander, an Braunschweig überlassen würde. — In dieser Weis« haben namhafte Mitglieder der Welsenpartei dasjenige an- gedeutet, waS sie sich unter dem Hcimsall Hannovers an da- Welsen- haiiS ganz „aus friedlichem Wege" denken. Sie wollen sich von Brannschweig an- nach Möglichkeit unbequem machen; und müssen zu diesem Behusc auf die Gefährdung der preußischen Monarchie durch innere und äußere Vorgänge rechnen, wenn ihre Pression wirksam werden soll. Diese Rechnung als friedliche, und die erstrebte Folge der Preifion nlS freie That bezeichnet zu sehen, kann allerdings in einem Iesuitcablait nicht Wunder nehmen. Die „Gelegenheit, Hannover wieder za erhalten" — sür welch« dem WelseuhauS ein Rechts- tilel gewahrt bleiben soll— durch alle Mittel der Agitation und Jnlrigue im Jn-undAuslande nach Möglichkeit berbeizusühren, würde dann ohne Zweifel die Aufgabe der dem Jesuitenorden asfiliirten Welsen- partei bilden. Daß die „Germania" dieses System als unversäng- lich und ehrlich ansieht, überrascht uns nicht; verwunderlich ist uns nur die Behauptung, daß bei der von ihr erstrebten eventuellen Los- lösung Hannovers von Preußen nur das WelsenhauS in Frage kommen könne. Unsere Ansicht ist gerade die umgekehrte. Jede- andere Fürstenhaus könnte, wenn e» überhaupt möglich wäre, daß Preußen freiwillig in die Wiederherstellung de« hannoversche» Staate» willigte, für die Regierung eines solchen leichter in Frage kommen, al» gerade da» Welfenhaus. Noch zweifelloser aber findet dieser Satz aus das Herzoathum Brannschweig Anwendung, dessen Herzoge, wen» sie Welsen sind, immer Prätendenten auf Hannover bleiben und im Sinne dieses Prätendententhums die Bundesgenossen jedes Feindes der preußischen Monarchie im In- und Auslande sein würden. — Für die „Germania" und deren Leiter mögen derartige Herzige von Braunschweig nützliche Bundesgenossen sür ihre End ziele sein, sür daS deuische Reich und sür Preußen aber bleiben sie unannehmbar. * Mit der vor einigen Tagen erfolgten königlichen Sanction deS preußischen VolkSschullehrer- PensionSgesehe» ist eine wcrthvolle Frucht aus der verflossenen LanvtagSsession in Sicherheit gebracht. DaS Gesetz ist bekanntlich auS der Initiative deS Landtags und zwar der sreiconservativen Fraclion hervorgegangenen, die hierbei auf Seilen der Nalionaliiberalen warme und eifrige Unterstützung fand. DaS Gesetz ist freilich nicht ganz so zu Stande gekommen, ww eS die Antragsteller und Freunde gewünscht hatten. Um die Zustimmung der Eonscrvativcn und der Regierung zu erlangen, mußten erhebliche Zugeständnisse gemacht werden. Namentlich konnte der SlaatSbeitrag zu der Pensionslast nicht ganz in der gewünschten Höbe durchgesetzt, die Heranziehung deS Skcllen- cinkommcns nicht ganz vermieden werde». Immerhin ist der Werth deS Gesetzes auch so noch ein sehr bedeutender. Da» Pcnsionswcscn der Volksschullchrcr ist endlich einmal aus einen festen gesetzlichen Boden gestellt »nd die Versorgung ist eine wesentlich bessere, mit dem Dicnsteinkommen und dem Dienstalter steigende geworden. Eine definitive Ordnung ver betreffenden Verhältnisse stellt die- NotbftandSgesetz freilich nicht dar; ein umfassendes Lehrerdotationsgesetz ist aus die Dauer nicht zu umgrke», allein sür die nächste Zeit ist da« jetzt vorliegenve Gesetz doch ein wesentlicher Fortschritt, eine erhebliche Vermebrung der Staatsleistung zu Gunsten der Lehrer und der SchulunlerhaltungSpflichtigen, also in erster Linie der Gemeinden und mehr war unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht zu erreichen. Man darf nickt vergesse», baß dem Zustandekommen de» Gesetze« einmal die Rücksichten der Regierung auf die StaatSfincmzen manche Schwierig keiten bereiteten, und daß sodann die Zi»'am»icnsetzii»g des Abgeordnetenhauses für Reformen auf dem Gebiet der Schule keineswegs günstig ist. Ein Tbeil der konservativen Partei und das gesammte Centrum steht derartige» Maßnahmen feinvselig öder zum Mindesten sehr gleichgiltig gegenüber; inan kennt ja die Gesinnung von Feudalen und Ultramontanen gegen die Volksschule Auch auf Seilen der deutscbfreissnnigeii Partei hat das Gesetz schon auS FractionScisersuchl gegen eine mitlelparteilicbe Anregung wenig Förderung erfahren. Kurz, e« waren so viele Klippen zu umschiffen, daß e« sehr zweifelhaft schien, ob män jetzt schon zum Ziel gelangen werde. Um so erfreulicher ist es, daß jetzt doch die Ernte glücklich eingebrachl ist. * Die „Barmer Zeitung" meldet, daß sich die Deutsch sreisinnigen in Barmen-Elberfeld bei der bevor stehende» LqnktagSwabl ver Stimmen enthalten wollen, an geblich, weil bei der öffentlichen Abstimmung für sie nicht« zu erreichen sei. Lange Jahre hat die Fortschritt-Partei eines von den beiden Mandaten de« Wahlkreises besessen. VaS andere war in nationalliberalen Händen. Die PreiSgebung de« Be sitzstände- ohne Kamps wäre scbr auffallend und würde von der großen Mulhlosigkeit der Partei zeugen. Indessen die „Barmer Zeitung" ist ein fortschrittliches Organ und wohl in der Lage, Uber die Pläne ihrer Parteifreunde unterrichtet zu sein. » * » * Wie au» Bender gemeldet wird, entstand dieser Tag» in dem dortigen Artillerie-Laboratorium, angeblich durch die Unvorsichtigkeit eines Soldaten, eine Explosion, welche unberechenbaren Schaden hätte anrichtcn und die ganze Stadt Bender in die Lust sprengen können, da fick an diese« Laboratorium eineBaslei anschließt, in welcher mehrere Tausend Pud Pulver aufbcwabrt liegen. Im Laboratorium, in we'cbem die Explosion entstanden war, befanden sich gerade 50 Fässer Explosicnsnoff. Tie Verhütung eines größeren Unglücks ist dem Umstande zuzuschrciben, daß die Ossiciere und Soldaten die Geistesgegenwart nicht verloren und sofort nach der ersten Detonation in da- brennende Laboratorium ritten und mit Aufopferung ihre- Leben« die Fässer mit Pulver und anderem Sprengstoffe bis zum Ufer de- Dniestr hinwrgtruqrn. DaS Laboratorium ist gänzlich niedergebrannt, und der Äoldat, der die Explosion verursacht hat, kam in den Flammen um. * Die serbische Skuptscbina wird erst im November wieder zusaminentreten. In Belgrad spricht men gegen wärtig viel von einer fortgesetzten und verstärkten Secession der Regierungspartei, wie von einer tbeilwcisen Ministerkrisis. Was die erstere betrifft, so hat sich die Zahl der ausschlag gebenden Unzufriedenen nicht vergrößert, und auch die der Regierung ergebene Fortschrittspartei ist dieselbe geblieben. UebrigenS gilt der Name deS Minister-Präsidenten Gara- schanin auch heute noch in Serbien so viel, daß ihm ein biScken Secession nicht schaden kann. Wa« die Mimstrrkrisi« betrifft, so »ird dieselbe von dem Belgrader Eorrespondenten der Wiener „Presse" vollständig negirt und als eine müßige Erfindung der regierungSlustigcn und ungeduldigen Opposition bezeichnet. * Zu welchen Verirrungen da« parlamentarische Regime in Griechenland geführt hat, ergiebt sich a»S der That- sache, daß infolge de« letzten MinisterwechsclS bi« Ende vorigen Monat« nicht weniger al« 2398 Diensics-Enllaffunqen statt- gesunden haben; 1638 Beamte wurden an andere Orte der« seht. Im Ganzen wurden 5225 Veränderungen durchgefnhrt, eine sür da» kleine Königreich gewiß ungeheuere Ziffer. Kommt eine andere Partei an die Regierung, so setzt sie die jetzigen Beamten wieder ab und ihre Anhänger an deren Stelle. Durch die unsinnige Gevflogenheit werden natürlich viele Familien in bittere« Elend gestürzt. * Tie Feier de« franrvsischen Natioualfeste« vom 14. Juli scheint diese« Mal weit minder geräuschvoll und pomphaft vor sich gegangen z» sein als m früheren Jahren. Der Pariser Telegraph, der bei solchen Gclegeu- heitcn sonst den Mund übervoll zn nehmen pflegt, fertigt da« große Ereigniß mit ganze« vier Zeilen ab — em LakoniSmu«, der in Ansehung de« Berichtsthema» unter allen Umständen befremdlich wirken würde, die« aber in noch höherem Grade thut, wenn man bedenkt, daß die republi kanische Nationalseier inmitten der „todten Jahreszeit" fällt, wo die Lffcntltche Berichterstattung, au- naheliegenden Gründen, auS der Mücke einen Stephanien macht, während hier der Telegraph eher umgekehrt verfährt. Also der Ehren- lagder Republik ist nach fast 15 jährigem Bestände dieses Regime« bei günstigster Witterung und reichem Flaqgenschmuck in Paris nur „unter äußerst zahlreicher Antheilnahme der Bevölkerung und ohne Zwischenfall- verlausen! Also von der obligaten Begeisterung des Volke«, von Massen-Kundgebunqen zu Gunsten der Republik keine Spur, sonst würde der Telegraph der gleichen zur Verherrlichung deS Feste« dienende Momente sorgsam zu registriren kaum Unterlasten haben. Statt besten hebt er die Abwesenheit eines jeden — doch wohl unliebsamen — Zwischenfalle- hervor, gleichsam al« hätte man in den Kreisen der Fcstarrangeure sich vor Störungen gefürchtet und könne eS nun nicht abwarten, Frankreich und die Welt von dem ungestörten Verlauf der Pariser Feier zu unterrichten. Es ist wahr, die allgemeine Lage deS Lande« ist nicht ganz und gar danach angeihan, daS republikanische Regime in den Augen seiner Anhänger mit besonderem Nimbu» zu umgeben. Denn gerade die Volksschichten, auf deren breitem Rücken die Fundamente der Republik errichtet sind, leiden mehr und mebr von der Versumpfung der allgemeinen ErwerbSverhältiiisse. Trotz aller Einschränkungen reicht der Verdienst nicht mehr aus, alle öffentlichen und privaten Lasten, mit denen er überbürdet ist, zu tragen. Die Consumsähig- keit nimmt ab. Die Stcuercrlrägnisse sind in stetem Rück gänge begriffen. Ter Arbeiter conspirirt gegen den Arbeit geber und leiht sein Ohr den gaukelnden Vcrführungsreden der anarchistischen Sendboten. Die politischen Parteien liegen einander in den Haaren; AlleS denkt und sinnt auf ergiebige Ausnutzung der zum Herbste bevorstehenden Neuwahlen. Un- zufriedcnhert mit dem Bestehenden herrscht überall, aus genommen etwa die Richtung, welche momentan das Staats ruder in Händen hält, also über die Macht gebietet. Da kann denn freilich von einer ungetrübten Festst»» muna nicht die Rede sei». — Nach einem Prtvattclegramm der „Vossischen Zeitung- wäre übrigens der Tag nicht ganz ohne unliebsame Zwischenfälle verlausen. DaS genannte Blatt meldet: „Die wachsende Flauheit deS National festes wird von allen unabhängigen Beobachtern sestgestellt. Den amtlichen Mittelpunkt desselben bildeten die Truppenrevuen in den elysäüchen Feldern und in Vineennes, sowie die Enthüllung der Boliaire-Ktatue vor der Akademie, wobei einige »ichlsiagende Reden gekalten wurden. Die Abends abgebrannte» Feuerwerke stellten außer Victor Hugo's Apothese den bei Bacninh gefallenen Sergeant Bobillot und Admiral Courbel dar. Vormittags fehlte die übliche Kundgebung vor der Slraßbiirg-Statue am Eoneordienvlatze nicht. Döroulöde stellte sich in Feldherrnpose am Fuße der Statue auf, umgeben von einem glänzenden Stabe von Territorialarmee-Ossiciere», und ließ die verschiedenen demonstrirenden Vereine an sich vorbei- defiliren, wobei sie ihn enthusiastisch begrüßten und er gravitätisch dankte. Die Nacht durch wurde auf vielen Plätzen getanzt und getrunken. Der Pelardenunsug veranlaßt,: drei Feuersbrünste, eine» Menschentod und mehrere schwere Verwundungen harmloser Spaziergänger. Auch einigen der Personen, welche FeuerwerkS- körper in den Straßen adbrannten, wurden Finger und Hände weg- gerissen. In Grenoble wurde die Gattin des commandirenden Generals Lhagrin de Saint-Hilaire im Augenblicke, als die Be- oölkernng mit Fahnen an der Commandantur vorbeidefilirte. wahn sinnig, riß die Fenster aus, schrie zur Menge hinab: „Nieder mit der Republik I", ries Schimpfwort« und spuckte aus die Fahnen. Das Volk wollte das Haus stürmen und konnte nur mühsam über- zeugt werden, daß eS eine arme Wahnsinnige vor sich habe", * Der in Madrid erscheinenden „Epoca- und dem „Jm- pcrrcial- entnehmen wir folgende genauere Schilderung des Aufruhr« in L-rida:
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht