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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188507181
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850718
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-07
- Tag1885-07-18
- Monat1885-07
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1885
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Erscheint täglich früh SV, Uhr. Nkdartion und LkprdNiou Johanne-gasse 8. -Pttchkun-rn der Uedaclion. vormittags 10—12 Uhr. Nachmittag« ü—6 Uhr. «Nr »«I Nua,»», n»,r>«»»ur v!»«Ncra<« »Acht «ch «kt.Uuiu E «««H«e »er für »te uächftf-I«e«dr N»««er beMmmten Inserate an Wechentagen bis lk Uhr Nachmitta»«. a» G*«n- und Festtagen früh Uta ft,S Uhr. 3> de« Filialen für Ins.-^nnahme: Otto Klemm, NniversitätSstroße 1. L»«t« Lösche» kaiharuieuftr. 23, p. «nr hl« '/»L Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte. Handels- vnd Geschäftsverkehr. Auflage LS,1«V. ?^!iounrmrntd-rris viertelt. 4'/, Mk. mcl. Bringenohn 5 Mk., durch die Post bezöge» 6 Mt. Jede einzelne Mumm« 20 Pi. Belegexemplar 10 Pi. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Formal gejalzts »h»e Poftb,Förderung Mk. «il Poslbesvrderuug 48 Mk. Znserate Sgeipaltme Petitzeüe 20 Zs. «rthere Schrislen iaiu um. Per>-oerieichn,ß Luoellarrfcher n. Zijserujatz nach HSHerm L^r. Uerlamru »«er dem Redaclionsftrich tzie4 geipalt. Zeile 50 Ps , vor de» Fomiliennachrrchie» d»e ügespaften« Zerle <0 Pf. Zierate find stets a» die Er»e»itto» zu ,enden. — Rabatt wird »>chl gegebeu. Zahlung proemiwermxio oder durch Post- aachnahme. 1S9. Sonnabend een ,8. Juli ,885. 79. JchMNg. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, de« LS. Juli, Bormittags nur bis S Uhr geöffnet. LxpeäMv» Ü68 I.elprlxer ^uxedlatte^. Amtlicher Thetl. Vrkanulmachllyg. Wegen SchleußenbaueS wird die PeterSstraHe auf der Strecke zwischen Markt und EporergL-chen von Montag, den d. M ab während der Dauer der Arbeiten für den durchgehenden Fährverkehr gesperrt. Leipzig, den 17. Juli 1885. Der Stath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Hennig. In Gemäßheit de« tz. 1 der Instruction für die Ausführung von Wasserrohrleitungen und Wasseranlagen in Privalgrund- stücken vom 1. Juli 1880 machen wir hierdurch bekannt, daß die Klempner Herr Guril Kresse und Herr Hugo DounerStag, beide hier, Elisenstraße 49, iw Hofe, zur Uebernahme solcher Arbeiten bei unS sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nach- gewielen haben. Leipzig, den 15. Juli 1885. Der Stath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Theile. Bekanntmachung. Die Herstellung eines öffentlichen Aborte- im Hinteren Theile des Rosenthales soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werben. Die Bedingungen und Zeichnungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, RathbauS, II. Etage, Zimmer Nr. 14, aus und können daselbst eingesehen, reff), entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: ,^Oesfentlicher Abort in« Roseuthal«V versehen ebendaselbst und zwar bis zum 25. Juli diese- IahreS, Nachmittag« 5 Nbr, einzureichen. Leipzig, am 11. Juli 1885. DeS RathS der Stadt Leipzig ^ Bekanntmachung. Die Herstellung einer Schleuß« III. Elaste in der Kaiserin- Augusta-Straße, auf deren Strecke von der Südstraße bi» unv mit der Kreuzung der Elisen-Straße soll an einen Unter nehmer in Accord verdangen werden. Die Bedingungen unv Zeichnungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, RathhauS. II. Etage, Zimmer Nr. 14, ans und können daselbst eingesehcn, resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift „Schleuste in der Kaiserin-Augusta Straste" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 28. Äuli 1885, Nach mittags 5 Uhr, einzureichen. Leipzig, am 11. Juli 1885. DeS RathS der Stadt Leipzig Strastcnbau-Devutation. StaMbMhek. Wegen Nevision und Reinigung der Bibliothek find alle auSgeliehenen Bücher spätestens bis Sonnabend den 18. Juli zurückzugebe». Dr. Wustmann. Vrkanntmachnngl Dienstag de» 2l. Inlt von früh L Uhr ab, Donnerstag » 28 » - » 8 - » und SonnabenS - 2». - - - 7 - - werden die Regimenter hiesiger Garnison daS PrüfungSschießen in Abheilungen auf dem zwischen den Schießständen gelegenen Theile der Fluthrinne abhallen. Zur Sicherung des umliegenden Terrains werden Militair-Posteu aufgestellt, deren Anordnungen unbedingt Folge zu leisten ist. Leipzig, am 18. Juli 1885. Königliche« Siarmson-Eommanbo Nichtamtlicher Theil. sp Die afghanische Frage. * Rußland hat den Wechsel im englischen Ministerium doch ernster genommen, als eS öffentlich zugestehcn wollte, da» beweisen seine militairischen Maßregeln im Norden von Afghanistan, welche schon seit Wochen im Gange sind. Die russische Politik war daraus gerichtet, England äußerlich zufrieden zu stellen, tbalsächiich aber ihren Zweck zu erreichen durch Besetzung der Stellungen, welche Afghanistan Rußland in die Hände lieferten. Gladstone batte soweit nachgegeben daß die wichtige Wasserstraße des Murghab durch die Ab tretung von Pulikhisti und Penschdch Rußland eingcräuml wurde, aber in Bezug aut den Zulsikarpaß blieb Gladstone fest und darüber konnten die Derhandlungen bis zuin Rücktritt de« Ministeriums nicht zuin Abschluß kommen. Bekanntlich fand die entscheidende Abstimmung in der Nacht vom 8. zum 9. Juni statt, aber daS Ministerium SaliS burh trat erst am 22. Juni in» Amt. Während dieser Zwischenzeit ruhten die Unterhandlungen und wurden erst Ende Juni wieder ausgenommen. Salisbury ging keinen Schritt weiter al- Granville, aber er gab auch nicht um Haaresbreite nach. Deo Landstrich, welcher zur Sicherung de» Zulfikarpasses für Afghanistan unentbehrlich ist, kielt er mit derselben Hartnäckigkeit fest wie sein Vorgänger Granville. Der Widerstand, welchen Salisbury leistete, war aber anderer Art wie der Granville's, Rußland merkte sogleich, daß eS mit der schrittweisen Nachgiebigkeit der englischen Negierung zu Ende sei und daß Salisbury an dem sestbalten werbe, was Granville zugestanden hatte, ohne da- Geringste hinzuzutbun Danach hat Rußland sein Verhalten eingerichtet und sofort Vorkehrungen getroffen, um seinen Willen mit Gewalt durchzusetzen. Hier ist der Punkt, wo es sich zeigen muß. ob England inler Salisbury steht oder hinter Gladstone. Lord Ehurcbill prach am 7. Zuli Gladstone die Ueberzcugung auS, baß bas englische Volk jeder Regierung die Mittet gewähre» würde, um die Rechte Englands in Asien gegen den Feind, welcher sie anzutasten wagte, energisch zu verkbeidiaen und dankte zugleich Gladstone für die in Aussicht gestellte" Untcrstü^ung i» der afghanischen Frage. Gladstone halte aber wie uniner seine stillschweigenden Vorbehalte gemacht und diese werden jetzt offenkundig. Die „Pall Mall Gazette" tritt »» entscheidenden Augenblick auf die Seile Rußlands, denn sie erklärt, da« Verlangen Granville's, die dem Zulsikarpaß benachbarten Weide plätze abzutreten, für thöricht, weit dieser Landstrich anerkannt russisches Gebiet sei. Kann man doppelzüngiger und treuloser handeln'? Wenn Granville den streitigen Landstrich für Afgha nistan verlangte, dann konnte dieser doch nicht anerkannt russisches Eigenthum sein. Die „Pall Mall Gazette", daS Organ 'Hlad- stone'S, geht aber noch weiter und erklärt es für verbrecherisch, wenn Salisbury wegen dieses Landstriches mit Rußland Krieg führen wollte. AuS diesem Urlbeil läßt sich aus die Haltung schließen, welche Gladstone im Parlamente beobachten wird, wenn die Streitfrage, welche gegenwärtig zwischen Rußland und England schwebt, zum AuStrage kommt. Salisbury faßt die Sache durchaus kaltblütig auf und läßt sogar den „Älobe" die Blätter zurechlweisen, welche Alarm- nackrichten verbreiten; Churchill'- Erklärungen im Unter- Hause böten dazu keinen Anlaß. Aber bei aller Ruhe zeigt Salisbury doch die nöthige Festigkeit durch das Schlußwort i „In den Besitz Zulfikar« dars Siußland gleichwohl nickt ge langen." Salisbury befolgt also die umgekehrte Taktik wie Gladstone; während dieser Rußland durch großes Geschrei und Säbelgeraffel zu schrecken suchte, verändert Salisbury selbst angesichts offenbarer Herausforderungen Rußland« feine Haltung nicht und hält einfach an dem fest. waS schon vor mehreren Monaten als Grundlage der Vereinbarung ausge stellt war. Rußland erhält auf diese Weise keinen Borwand, seine militairischen Maßregeln vor den Augen Europas zu rechtfertigen und muß sich damit begnügen, was ihm die „Pall Mall Gazette" gewährt, mit der Verleugnung Gran ville's durch seine Parteigenossen zu Gunsten Rußlands und zum Nachtheil Salisbury'-. Es ist in der Thal ein jämmerliche» Schauspiel, welches VaS Organ Gladstone'« der Welt gewährt; ein englisches Parteiorgan schämt sich nicht, mit dem Auslande gegen die eigene Regierung gemeinschaftliche Sache zu macken uni» große unv bedeutende Interessen preiszugeben, lediglich um der Gegenpartei Verlegenheit zu bereiten und sie auS dem Sattel zu heben. Gladstone kennt seine Landsleute, er hat dasselbe Spiel drei Jahre lang mit Erfolg getrieben, warum sollte er nicht den Versuch machen, eS auch heute noch sorlzusctzen, nachdem er gesehen hat, daß die Engländer dem Grundsatz bulvigen. den Frieden um jeden Preis aufrecht zu erhalten? Die Russen fassen die Lage vollkommen richtig auf, wenn sie sich entschlossen haben, daS Eisen zu schmiede», so lange eS heiß ist. Die Engländer haben sich nun einmal an den Gedanken gewöhnt, daß der Friede in Asien vor läufig nicht gestört wird, sie werken also jede Möglich keit begierig ergreifen, welche ihnen einen friedlichen AuSweg bietet. Es kommt jetzt Alles daraus an, ob die Mehrheit des Unterhauses mit Gladstone nochmals sich unter da« russische Joch zu beugen bereit ist, oder ob sie zu der Ueberzeugung gelangt ist, daß Rußland jede» Zugeständniß an der afghanischen Grenze nur durch weitere Ansprüche be antwortet. Rußland befindet sich wegen seiner großen mili- tairischen Mittel England gegenüber scheinbar im Dortheil; aber man dars nicht vergessen, daß Afghanistan ein GebirgS- land ist und von den Bewohnern auch einer kriegSgeübten Nation mit Erfolg streitig gemacht werden kann, besonders wenn sie durch die reichen Mittel England- unterstützt wer den. Die Verpflegung der russischen Truppen von den un fruchtbaren Turkmencnsteppen au» ist schwierig, während Indien als Hinterland den verbündeten Afghanen und Engländern seine Schätze zur Verfügung stellt. Voraussetzung einer energischen Verteidigung der von Eng land beanspruchten Grenze ist die Treue de» EmirS von Afghanistan. Vorläufig sprechen die Thatsachen dasiir, daß Abvurrhaman Chan an der englische» B»»desgenosienschast sesthält. Die englische» BundeScommissare Peacock und sflale sind nach Herat gegangen, um die dortigen Festungswerke zu inspiciren und acht Regimenter Afghanen sind tbeils in Herat eingerückt. tbeilS aus dem Wege dabi». E« scheint sonach, daß Afghanen und Engländer den Zulsikarpaß deu Russe» kampflos überlasten und den Tckwerpunct deS Widerstandes nach Herat verlegen wollen. Rußland hält de» Augenblick für gekommen, um die MaSke der Friedfertigkeit abzuwersen, eS siebt, daß eS mit der Unthätigkeit unv Sorglosigkeit der Engländer unter der neuen Regierung vorüber ist, daß sie Anstalten treffen, um dem weiteren Vordringen der Russen nach Süden den Weg zu verlegen. Zu der Berthcidigung, wie sie Salisbury und Churchill beabsichtigen, gehört aber Zeit, und deshalb wollen die Rüsten die Gunst der Verhält nisse, wie sie jetzt liegen, benutzen. Wie Rußland gesonnen ist, zeigt auch seine Haltung in der egyptischcn Finanzsrazc. Während alle übrigen Mächte in die Ausgabe der eqyplischen Wabrend alle übrigen Mächte in dic AuSgade der eqyptiscken Neun Millionen-Anleihe willigen, versagt Rußland allein seine Zustimmung. Salisbury mag die Absicht gehabt haben, mit Rußland in Frieden fertig zu « u werde», diese Macht aber be reitet der Ausführung dieser Absicht unüberwindliche Schwierig keilen. Die Engländer haben jetzt di« Wahl, ob sie unter Gladstone neue DemUtbiguugen erleiden oder unter Salisbury reu energischen Versuch machen wollen, ibre halbe verlorene Stellung i» Asien wiederzugewmncn. Di« nächsten Tage muffen dir Entscheidung bringen. * Leipzig, 18. Juli 1885. * Zu den preußischen Wahlen schreibt die „National- liberale Corresponvenz": Von einer Wahlbewegung für die bevorstehende Erneuerung de« preußischen Landtags kann zur Zeit »ock kaum die Rede sein. Wenn hier und da sckon Vorbereitungen getroffen werden, so sind sie doch über Die erste» einte.lende» Schritte noch nicht hinausgetoinmen unv es dringt wenig davon in die weitere Lessentlichkeil. Die nationalliberate Partei allein hat bereits größere Partei tage abgehalten oder beabsichtigt solche in allernächster Zeit abzuhatlen; von andern Parteien »st kaum schon irgend ei» Lebenszeichen zu verspüren. Wenn man dies« Stille und Rübe, wie sie gegenwärtig herrscht, mit dem aufgeregten Treibe» vergleicht, wie eS im vorigen Jahre um dieselbe Zeit im Hinblick aus die NcichSlagSwahlen zu bemerken war, so fällt ein großer Unterschied in die Augen. Damals war um diese Zeit schon Alles in angespannter Thätizkeit und leb hafter Erregung; die Candidaten, drei, vier und mehr für jeden Wahlkreis, waren schon säst überall ernannt und risrig beschäftigt, sich ihren Wählern zu empseblen, der ganze AgitativnSa^parat war schon in lebhaftester Thäligkeit. Von alledem ist jetzt nicht» zu verspüren, kaum irgendwo hat man sich bereits mit vcr Eandidatensrage beschäftigt, von Wahl reden, Flugschriften, Parteiprogrammen unv dergl. ist noch nichts zu hören. Auch im weiteren Verlaufe wird der Wahl kampf ohne allen Zweifel von ferne nicht den vorjährigen an Lebbasligkcit und Hitze erreichen. Das liegt in der Natur der verschiedene» Wahlsysteme, welche in sehr un gleichem Maße die Volksniaffen erregen und in Thäligkeit setzen. DaS allgemeine gleiche Wahlrecht wendet sich an die breiten Masten, eS bringt naturgemäß eine gröbere Form der Agitation, aufregendere demagogischere Schlag- Wörter, eine intensivere und aufreizendere Bearbeitung der Wähler, eine schärfere Aufstachelung der persönlichen und StandcSinlereffen mit sich. Da« indirecle Claffeiuvablsyslem erfordert keine so grobe und massive Bearbeitung der Wähler, es kann mit minder kräftigen Mitteln auSkommea, es wendet sich mehr an die besitzenden und gebildeten Elasten, deren politische Gesinnung fester auSgebildet ist als bei wanvel- varen, den Einflüssen demagogischer Agitation leicht au»- gesetztcn Volksniaffen. Diese in der Natur der Sache iegenden Umstände haben immer zur Folge gehabt, daß die Landtagswahlen sich in viel ruhigeren Formen und engeren Kreisen bewegten alS die ReichStagSwahlcn. ES kommt in diesem Jahre noch hinzu, daß bei allen Parteien die Ueberzeugung herrscht, die bervorstehenden Wablen würden an der bisherigen Zusammensetzung der Volksvertretung nickt allzu viel ändern. Tie meisten Parteiblätter, namentlich auch die der deutschfreifinnigen Linken, die doch am meisten aus eine Verstärkung ihrer arg gelichteten Reihen bedacht sein müßte, geben dieser Ueberzeugung unverhohlenen Ausdruck, und sie wird sich auch schwerlich als unbegründet erweisen. Der Glaube, daß bei aller Mühe an der Entscheidung dock nicht viel zu ändern sein wird, wirkt aber naturgemäß lähmend und hält von nutzlosen Anstrengungen ab. Die Parteien fühlen sich in ihrem Besitze sicher oder verzagen daran, erhebliche neue Erfolge zu erzielen. Es kommt ferner hinzu, daß Entscheidungen von hervorragender Wichtigkeit in der inneren preußischen Politik zur Zeit nicht bevorstehen, daß die großen Fragen, die früher im Miltelpuncte standen, an Schärfe und aufregender Wirkung im Lause der Zeit eingcbüßt haben, daß gesetzgeberische Anliegen allerersten Range«, um die sich die öffentliche Discusslvn bei den Wahlen drehen könnte, die neue Legislaturperiode voraussichtlich nickt beschäftigen werden. Das Alles bat zur Folge, daß ein aufgeregtes Wahltreiben, wie wir eS bei den NeickStagswahlen zu erleben pflegen, sich jetzt schwerlich einstellen wird." * Wie die „Germania" berichtet, ist di« vielbesprochene Paderborner Angelegenheit jetzt Uber das Stadium Paderborn hinaus, d. h. sie beschäftigt die Curie und eS wird demnächst von dorther eine Entscheidung zu erwarten sein. * Die braunschweigische Thronfolgefragc giebt nach dem im BundeSrathe gefaßten Beschlüsse bezüglich der Ausschließung deS Herzog« von Cumberland noch immer An laß zu allerhand Bemerkungen und Erörterungen. Man be schäftigt sich namentlich mit der Einsetzung eines Regenten, und da noch nicht im Geringsten zu erkennen ist, aus welche Person die Wahl fallen könnte, so ist man bereits bis zu der Behauptung gelangt, daß die gegenwärtige Regentschaft über den in dem braunschweigischen Gesetze bestimmten IahreS- termin hinau« verlängert werden würde. Hiersür liegt aber kein Anzeichen vor; gerade entgegengesetzt gilt eS unter den verbündeten Regierungen sllr unzweifelbaft, daß an dem in dem Gesetze vorgeschriebenen Tag« ein Regent die Regierung in Braunschweig antreten wird. ES ist auch keine Instanz vor handen, welche VaS Regentschaftsgesetz adänbern könnte. * Wie die „Kreuzzeitung" hört, sind auf Befehl des Kaisers zur Theiluahme an den großen Hcrbstübungcn in Frankreich commandirt: Generallicutcnant von Alvens- lebcn, Commandeur der 10. Division. Oberstlieutenant von Lütcken, vom Kaiser Alexander Garde-Grenabier-Negiment Nr. 1. und Major von MalackowSki vom Großen General stabe. Zu den großen Hcrbstübungen der österreichisch- ungarischen Armee, welche in der Gegend von Pilsen statl- finden, sind commandirt: Generalmajor von Arnim, Inspek teur der Jäger und Schütze», Major von Rosen vom Garde- Kürassier-Negiment und Major von Alten vom Großen Generalstabe. * * » * Ueber die telegraphisch gemeldete Revolte in Tre- bitsch bei Brünn liegen ausführlichere Meldungen vor, welche den socialistischen Charakter der Unruhen bestätigen. Seit einiger Zeit schon wurden unter der Arbeiterschast in Trebitsch ioc>alistisch« Flugschriften colportirt. Sonntag, den 12. ds. Mts., gelang es der Gendarmerie, 60 mit der Post ein gelangte Exemvlare beim Adressaten, einem Gerberlehrling Namens LhlumSky, mit Beschlag zu belegen, llhlumsky wurde sofort verhaftet, nebenbei aber noch Franz Horak. einem schon ln Linz wegen anarchistischer Umtriebe zu lech« Minuten Kerker« ver- unheilten, kaum zwanzigjährigen Burschen gefahndet. Der selbe steht im Verdachte, daß er die Trebitscher Arbeiter auswiegle. Montag, in früher Morgenstunde, wurde Hoeak t» einem bisher unbekannt gebliebene» Schlupswinkel der Socio- liste» bei einer Beratbung mit andere«, beinahe ausschließlich sehr jugendlichen Arbeitern überrascht und verhaftet. Weber die Fabrikanten noch auch die BevSlkerung dachten auch nur im rnnerntesten an die Möglichkeit von Unruhen, zumal die Arbeiter vollauf Beschäftigung uud einen Verdienst von 10 bi« »0 fl. per Woche und darüber haben. Nach halb 9 Uhr zog ein Trupp jugendlicher Arbeiter aus den Marktplatz; zahllos« kignalpnffe ertünlen von allen Seilen, uud im Augenblicke waren mehrere hundert Arbeiter minitten deS Platze« deijammeo uud verlangte» unter <S schrei und Gejohle die Herausgabe der Flugschriften sowie die sojoctlge Frlilassung ihrer Gesoffen Lhlumsky uud Horak. Gemcinderath Kosranek, dann Bürgermeister KubeS versuchten die Tumultuanten zu beruhige», doch beharrte» diese darauf, daß ihren Forderungen sosort entsprochen werde. Die Menge zog unter Geschrei und Gejohle vor da- Gemeindehaus. Der k. k. Bezirkrcoiiimissar versuchte, die Tumultuanten zum Auseinander- zelien zu bewegen. Sein Bemühen war vergeblich, die Hinlcc- tehcnden drängten nach und begannen mit Pflastersteinen die Gendarmen und das Gemeindehaus zu bewerfen, vr. Kosramk wurde am Arme, ein Gendarm aus die Brust getroffen. Die Gea- darmerie, die nur mit Mühe dem Andrange Stand halten konnte, ällte nunmehr das Bajonnet. Der Wachtmeister richtete noch dreimal die Aufforderung an die Menge, auseinanderzugehe«. Nachdem jede Ermahnung sich als fruchtlos erwieS, hob er mit dem linken Arme das Gewehr mit gepflanzten, Bajonnet »a die Höhe, holte sich mit der rechten Hand einen der Rädelsführer au« der Menge unh sagte: „Den sperrl's mir ein." Nun versuchte die Menge ziveimal gegen die langsam vorrückenden Gendarmen anzustürmeu. Diese hielten wie eine Mauer, und die vordersten Revoltanten stießen aus die Bajonnete. Trotzdem die erregte Menge fortwährend Steine warf, trieb die Gendarmerie dieselbe zurück, welche »och Im Rückzuge im Gemeiudehause, in mehrere» Privat- Häuser», im „Hotel Habsburg" und „Hotel Kreuz" die Fenster scheiben mit Pflastersteinen cünvars. Um 11 Uhr war die Menge bereits vertrieben, vnd bis 4 Uhr Morgens wurden die Trupps, welche sich wieder anzusammeln versuchten, von der Gendarmerie gesprengt. Um 4 Uhr trascu 105 Mann Milnair aus Jglau rin. Um 6 Uhr schon begannen die Verhaftungen; bis zur Stunde wurde» elf Rädelsführer arretirt, weitere Verhaftungen stehen jedoch bevor. ChluniSky und Horak wurden nach Jglau escortirt. Nach verläßlichen Mittheilungen wurden sechzehn Arbeiter verwundet, da- von zwei, Namens Krcmlacek und Hladik, schwer. Bemerkenswerth ist, daß Horak bei seiner Verhaftung „Hoch die Commune!" schrie und die Drvhuug ausstieb, daß iha schon seine Partei holen und den Feinde« der Arbeiter den Garaus machen werde. Heule sind die Fabrikarbeiter sämmtlich zur Arbeit erschienen. Neben diesen spontanen, mit der ökonomischen Lage in keinem Zusammenhänge stehenden Ausschreitungen scheint sich in Mähren ein neuer Streik vorzubereitcn. Die „Neue Freie Presse" erfährt auS Brünn, daß m Rannest, einem Orte mit bedeutenderen Woll-, Tuch- uud Lcincnwebereien, 150 Arbeiter der Fabrik Paul Iosua Kuhn, in Groß-Bitlesch gegen 200 Weber der Firma Löw Sohn die Arbeit eingestellt und Lohnerhöhung verlangt haben. * Im englischen Oberhause ist e« am Montag Abend, wie telegraphisch bereit« kurz gemeldet, zu einer Aus einandersetzung über die Marine gekommen, die von Lvrd Norldbrook, dem früheren Chef der Admiralität, ver anlaßt wurde, um die vom Sckatzkanzler jüngst im Unterbause gegen die frühere Admiralität erhobenen Beschuldigungen be züglich der Verausgabung der ihr zugewiesenen Gelder des außerordentlichen Credilö von 11,000,000 Lstrl. zurückzuweisen. Der Sckatzkanzler habe behauptet, daß durch die Schnitzer der Admiralität mindestens 850,000 Lstrl. mehr verausgabt wurden, als der Schatzkanzlcr ChilderS veranschlagt hatte. Liese Beschuldigung entbehre der Begründung. Etwa in der zweiten Woche dcü Mai, als eine fast unverzügliche Beilegung der Differenzen mit Rußland erwartet wurde, hatte er (Northbrook) berechnet, daß von dem der Admiralität überwiesenen Betrage de« Credit« circa 150,000 Lstrl. gespart werden würden. Die Rüstungen nahmen indeß ihren Fortgang, und am 28. Mai hätte er berichtet, daß auf Ersparnisse nicht länger gerechnet werden könnte, da inzwischen Kreuzer und Torpedoboote bestellt und Verbindlichkeiten ein gegangen worben feien, welche den der Admiralität über wiesenen Betrag bei Weitem übersteigen dürsten. Die Entdeckung, daß Torpedoboote aus den Etat geletzt worden, ohne daß Fürsorge für den Torpedo-Apparat getroffen worden bezcichnete Lvrd Northbrook als eine Mär. Die in Rede stehenden Boote hätten nicht den Zweck. Torpedos zu tragen, sondern seindlichc Torvedoboote zu erobern oder zun, Sinken zu bringen. Schließlich verlangte Lord Northbrook eine parlamentarische Untersuchung. Letztere wird auch seilen der Regierung gewünscht, die im fiebrigen durch den Geheim- siegclbewahrer Lord Harrowby die Erklärung abgab, es sei ein persönlicher Angriff auf Lord Northbrook oder ein anderes Mitglied der früheren Regierung durchaus nicht beabsichtigt gewesen. Damit war dieser Zwischenfall erledigt. * Bon der Internationalen Schied«gerichts- und FriedenSgesellsch ast wurde in Betreff der Räumung des Sudan unterm 3. Juli das nachstehende Schreiben an Lord Salisbury gerichtet: „Mylord! Da diese Gesellschaft seit der ersten Bewegung britischer Truvven nach dem Sudan gegen feindselige Operationen in jener Provinz Einspruch erhoben hat, dürste uns gestattet sein, m,i Bezug aus die gegenwärtige Lage der Angelegenheiten in Dongola und in den davon südlich gelegenen Provinzen uns Ew. Lordschast zu nähern. Mil der größten Befriedigung hat unser Ausschuß die Entscheidung der letzten Regierung, olle britischen Truppen aus den sudanesischen Provinzen des oberen Nil zurückzuziehe», begrüßt, und wir haben mit einiger Besorgniß den von General Wolseley aus- gedrückten Wunsch bemerkt, im Herbst einen neuen Feldzug im Sudan zu unternehmen. Dürfen wir daher unseren ernsten Wunsch auszudrücken wagen, daß Lw. Lordschast Regierung lest daraus beharren möge, der ausgesprochenen Politik des letzten Mmistcriums soweit Folge zu geben, als sie die gänzliche Räumung der Nil-Provinzen südlich von Wodv-Halsa und die Zurückziehung sämintlicher britischer Truppe» inner halb der Grenze,, des rigenllichc« Egyptens in sich schließt? Ferner ist der Ausschuß der Zuversicht, daß im Hinblick aus die wahrschein liche Wiederaufnahme von Feindseligkeiten seiten- der sudanesischen Stämme Ew. Lordschast eine volle und unabhängige Untersuchung veranlassen wird über die Möglichkeit einer Eröffnung direcler Unterhandlungen mit Mohammed Achmet, „dem Mahdi", sowie mit Lsinan Tigma, so daß zu einem endgiltigen Plan über die Parisi- ciruiig des Sudan gelangt werden könnte. Wir nehmen uns die Freiheit, Abschriften gewisser Auszüge aus de» Bei Handlungen unseres Ausschüsse« beizufügen, die aus die Frage versöhnlicher Unter handlungen Bezug haben und vielleicht aus die Möglichkeit eines solchen Verfahren« einige« Licht werfen dürsten. Wir haben die Ehre u. s. w. Lord Salisbury hat sich damit begnügt, unterm 11. Juli den Eingang dieses Schreibens bestätigen zu lassen. * AuS Belgien kommen Gerückte von einer bevor stehenden CabiuetSkrise und insbesondere wird auf den baldigen Rücktritt de« Ackerbauministers Moreau hingewiesen. Thatsacke ist, daß die eigentlichen Führer der Reckten, die Herren Malou, Jacob« und Woeste, mit der zandernden Re- aiernngsmethode de« Ministerium- Beernaert nicht einverstanden sind und da« gegenwärtige Ministerium je eher desto lieber verschwinden sehen möchten Speciell in der letzten Zeit scheint Herr Beernaert die Gunst seiner Partei verscherzt zu
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