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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188407228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18840722
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18840722
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-07
- Tag1884-07-22
- Monat1884-07
- Jahr1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1884
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Erscheint täglich früh 6'/,Uhr. Nedutioa und Lrpeditiou Johanue»gaffe 33. Lpkechkun-rn -er Kedaclion: Vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. »t> »u NtM«,»« «m,et»»tlkr Mxmlcrt»» «acht Nch »ü >ta,cu«» »utt »«rdmtltch. Amnih«» der fir Ute nichftf»l,e«U« R«««er Uefttm«»»« Inserate a» W»che»ta,en Ui» S Uhr Nachmittaa», an Lanu» unU Aefttageu srüh Ut» '/,9 Utzr. 2n den Filialen für Ins.-Annahme: Ott« Kleuim, Universität-straße 21, Leut» Lösche, Kathariaeustrabe 18» p. nur Ut» '/.» Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschüftSderkehr. Auflage L8,00«. Adonnementsprria oiertelj. 4'/, Mk. incl. Briagerlohn 5 Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage» (in Tageblatt-Format gesalzt) »Unr Postbesörderung 30 Ml^ «tt Postbesörderung 48 Mk. Inserate bgespaltene Petitzeile L0 Pf. Größere Lchristeu laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer o. Zifferosatz nach höherm Tarif. Uertamrn unter dem Nedactionsstrich die Spaltzeile 50 Pf. Inserate sind stet-; an die t-xpedttto« zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pruenumeraailo oder durch Post» Nachnahme. a? 2«4. DieuStag ven 22. Juli 1884. 78. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekaunlinachung. Der am 8. Mai ». o. hier verstorbene Hausbesitzer und Privatmann Herr Friedrich Bernhard Holberg hat der hiesigen Armenanstatt letztwillig em Legat von «01» Mark, zahlbar 6 Monate nach seinem Tode, au-gesetzt. Nachdem nun besten Universalerben und Brüder. Herr Kaufmann Robert Holberg hier und Herr Kaufmann Emil Helberg in Berlin, diese» vermächtniß schon jetzt durch deu vom Erblaster bestelllen Testament-oollstrecker Herrn Rechts anwalt Albert Prasse hier anher gezahlt haben und dasselbe von uns in Empfang genommen worden ist. so sprechen wir für die unseren Armen erwiesene Wvhllhat auch öffentlich hiermit unseren aufrichtigsten Dank au». Leipzig den 18. Juli 1884. DaS Armendirectorlu«. Ludwig-Wolf. Jungbähnel. Veklmntmachung. rte Lieferung von 40 Fenster-Ronlcanr tnel alle« Zn» »etzör soll an den Mindestjorderirde» vergeben werden. Bedingungen liegen zur Einsicht und Unterschrift au«, verschlossene Offerte» mit dem Vermerk „Feufter-Nouleaur" sind bi« 26. d». Vit». v«r» «tttan» 16 Uhr anher abzugeben. Leipzig, 18. Juli 1664. Köntgl. Garntsoulazareth. Nichtamtlicher Theil. Jur chinefisch-frauzöslscheu Streitfrage. Da» Berhältniß zwischen Frankreich und China, welche« noch vor zwei Wochen so schroff war, daß Frankreich ein Ultimatum nach Peking sandte und Admiral Courbet beauf tragte, «ach dem Golf von Petschili aufzubrechen, um nölyigenfall» durch die vernehmliche Sprache der Kammer den Forderungen de» Gesandten Patenotre Nachdruck zu geben, ist heute wieder fast so freundschaftlich wie zur Zeit de» Friedcu-schliiffeS von Tientsin. Die bescheidenen Ansprüche Frankreich» nach de» SLbolgeraffel »vm 7. Juli, an tveichem Tage Ferrh die chinesische Regierung de» vertrag»bruch» und der Hinterlist anklagle. müssen in Erstaunen setzen und lassen vermuihen, daß ihm ein Krieg mit China doch al< ein« sebr ernste Sache erscheint, der unter allen Umstünden vermieden werden muß. Da» Organ der französischen Regierung, die „Aqcnce HavaS" meldet, unter dem l8. Juli, daß China Frankreich bereit» eine erste Genugthuung gewährt habe, aber worin besteht diese Genug- thuung? In einer Abschwächung der zwischen Fournier und Li-Hung-Chang getroffenen Vereinbarungen über die tonki« nesischen Grenzsesiungen. China erklärt sich zur Räumung von Langson, Laokai und Kaobana bereit, verlangt aber dazu «inen Monat Frist, so daß also Langson statt am 26. Juni erst am 18. August an de» französischen Obergeneral über geben wird. DaS ist doch gewiß eine merkwürdige Art. für einen Vertragsbruch Genugthuung zu gewähren. Darin liegt vielmehr der Beweis, daß der Oberst Dugenne mit seinem Generalstab»- chef Erötin sehr unklug handelten, als sie da« Anerbieten deS chinesischen General», die Festung in 6 Tauen zu räumen, schroff ablehnteu und ihm die lächerliche Fri t von 2 Stunden dafür gewährten. Daß sich die Franzosen bei dem versuch, die Räumung durch eine Hand voll Soldaten gewaltsam herbeizusühren. blutige Köpfe holten, war sehr natürlich und deshalb schweigt die Geschichte von diesem unglücklichen Treffen jetzt vollständig. Bor einigen Tagen wurde ofsiciö» mitgetheill, daß der Commandant der chinesischen Truppen vor Langson keinen Befehl zur Räumung gehabt habe. Da» war also eine Nachlässigkeit, welche der chinesischen Regierung zur Last fiel, sein Austreten gegen di« französische Truppen abtheilung war durchaus in der Ordnung. Jetzt erklärt sich die französische Regierung plötzlich bi» auf Weitere» zufrieden» gestellt, wenn Langson bi« zum 18. August geräumt wird. Da» ist gewiß sehr bescheiden! Nun heißt e« freilich, daß die Verhandlungen über die Entschädigung fortgesetzt werden und daß bi» dahin Courbet am Eingang in den Hafen von Foutsckou eine abwartend« Haltung beobachte, aber der Gesandte China» in Pari». Li- Foog-Pao, hat bereit» erklärt, daß die chinesische Regierung die von ihr zu gewährende Genugthuung selbst bestimmen wolle. Mit den 250 Millionen Franc» »st r» also nicht», denn eine solche Summe werben sich die Chinesen nicht frei willig auflegen. Inzwischen ergänzt die »Agence HavaS" ihre Meldung über die Genugthuung China« dahin, daß in Peking ein Umschwung eingelreteu sei; eS hätten heftige Auseinander setzungen zwischen Li-Kung-Chang und Li-Hung-Tso statt- gesunden und dadurch sei eine friedliche Lösung wahrscheinlich geworden. Der Schlußsatz lautet: „Admiral Courbet bedroht Foutschou", und da» klingt wieder weniger friedlich. Jetzt ist also endlich einmal in glaubwürdiger Form eine Mit- theilung darüber vorhanden, baß Li-Hung-Chang. der vice« konig von Pelschili, mit dem Tsung-Li-Vainen sich nicht in vollem Einvrrständniß befindet, obwohl diese oberste ReicbS- behvrde den Vertrag, welchen er mit Fournier am 11. Mai in Tientsin geschloffen, bestätigt bat. Di« Kriegspartei in Peking folgt der Leitung von Li-Hung-Tso, und dieser hatte auch die Weisung an den chinesischen General vor Langson Unterlasten, den Platz der Verabredung Fournier» mit Li- Hung-Chang gemäß zu räumen. In Folge Vesten begab sich L>- Hung-Chang persönlich nach Peking und setzte da- Haupt der KriegSparte» über sein ganz unverantwortliche» Verhalten zur Rede. Nachher „AgenceHavaS" bat jetzt Li-Hung-Ehang wieder Oberwasser und als erste» Ergebnitz seiner Bemühungen er scheint da« Zugestündniß de» Tiunz Li-Aainen. Laokai, Langson und Kaobang bi» zum 18 August zu räumen. Frankreich erwartet aber von dein Einfluß Li-Hung-Chang'» noch mehr, e» hofft, daß e» ihm auch gelingen werde, die EnlschäbigungSfrage zur Zufriedenheit Frankreich» zu lösen. Damit er mit seinen Förderin,ge» bei Li-Hung-Tso besser durchtringt, bat sich Admiral Courbet vor Foulfchciu vor Anker gelegt und bedwht diesen Hasenplatz. Da» ist nun freilich »ine unangenehm« Situation für da» Haupt der Krieg»partei. aber da ihm au der Ausführung de» Frieden-Vertrages von Tientsin nicht» gelegen ist, so kann er sich auch nicht wundern, wenn Frankreich nun auch seinerseits sich zum Schlagen bereit macht. Bei diesem Anlaß wird in Europa die wichtige Tbat- sache bekannt, daß in dem so despotisch regierten Cliina kein einheitlicher Wille vorhanden ist. welcher sich Geltung zu verschaffen weiß, sondern daß ein Ränkespiel zwischen der Kaiserin-Mutter und Li-Hung-Chang einerseits und dem Tsung-Li-?)amrn andererseits besteht. Da» sind Verhältnisse, welche frübcr oder später schlimme Folgen im Lande selbst baden müssen, und deshalb erhebt auch der Aufruhr bereits sein Haupt. Ferry hat beim ersten Empfang Li-Fong-Pao'S nach dem FrievenSbruch bei Bailä die Acnßeruug aelba»: Eine Dynastie, welche die Verträge mit anderen Machten bricht, ist nicht werth, die Regierung zu führen. Das ist ein sehr deutlicher Wink an die Kaiserin-Mutter, die Kriegspartei zu demüthigen und sich mit Li-Hung-Chang gegen dieselbe zu verbinden, sonst könnte e- leicht kommen, daß mit Hilfe Frankreich- eine andere Dynastie auf den chinesischen Thron gesetzt würde. Und waS liegt näber, als daß der Zustande- bringer de» Frieden» von Tientsin von den Franzosen als Candidat für den chinesischen Thron in Aussicht genommen ist. Dadurch ist allerdings eine ganz neue Lage in China ge schaffen, und dem Tiung-Li-Nanien dürste nach de» Eröff nungen. welche ihm Li-Hung-Chang gemacbt hat, klar ge- worden sein, daß er ein für China» Zukunft sehr gesährliches Spiel gespielt hat. E» ist nickt da» erste Mal, daß i» China eine Dynastie durch eine andere gestürzt worden ist, die gegen wärtige Dynastie ist auch durch eine große Uinwälzung aus den Thron gelangt, und zwar gerade zu der Zeit, al» der Krieg mit Frankreich und England lobte. Damals waren die Kräfte China» durch den Taipingausstand erschöpft und sein« Widerstandsfähigkeit gegen fremde Angriffe war sehr gering. Darum hatte Gras Cousin Montauban auch so leichte» Spiel. Wenn sich auch die KriegStüchtigkeil der Chinesen heute noch nicht aus europäischer Höhe befindet, so sind sie dock heute weit widerstandsfähiger al» vor 24 Jahren; der Kamps bei Cablö giebt' davon Zeugniß. Damals wären auch 4000 Chinesen vor 400 gut bewaffneten Franzose» dgvongelauscn. Heute haben die Chinesen Hinterlader und wissen sich ihrer zu bedienen, da» hoben die Franzosen am 23. Jnui zu ihren, Schaden erfahren. Aus kiese Widerstandsfähigkeit der chinesischen Truppen pocht die KricgSpa- .H»'-nd aaß-rkem aus die den Franzosen ungünstigen klimatisches yzk^ältt.^se in Elidckstna.' sie vergißt aber dabei, daß Frankreich in,t Leichtigkeit den Krieg in da» Herz von China verlegen kan», daß es Foutschou bombarkircn und eines Tage» auch vor Peking erscheine» kann. DaS sind die Gründe, welche den Vorstellungen Li-Hung-Chang'S Nachdruck gebe» und die Kriegspartei zwingen, nackzugeben. Wird der Zwist mit Frankreich gütlich beigelegt, daun ist dadurch die Macht der Kaiserin-Mutter wesentlich befestigt, die Pa,lei, welche bisher im Tsu»g-Li-Namen da» große Wort führte, ist labm gelegt und die Partei Ll-Hu»g-Chaug'S kommt an« Ruder. Ob damit der Friede in, Innern yergestelll oder ein Tynastie- wechsel nur noch näher gerückt ist, läßt sich ohne genaue Kenntniß der im Palast zu Peking wirkenden Kräfte nicht beurlheilen, aber da» läßt sich nicht verkennen. daß der Einfluß Li-Hung-Chang'» durch die neueste Wendung der Dinge in China zu einer gefährlichen Höhe cmporgewachsen ist. Leipzig, 22. Juli 1884. * Nach langer Ruhepause ist in den Blättern wieder einmal von der Mtlilair-Skrafproeeßordnung die Rede. Seit Anfang der 70er Jahre beschäftigt man sich mit der Frage. Im Vordergründe standen die Anträge auS dem Reichstage, welcke eingehend geprüft wurden, ohne daß man im Stande gewesen wäre, der Sache Folge zu geben. Seitdem stndverschiebeneJmmediat-Commissionen berufen worden, welche sich mit der Frage beschäftigt haben. Al» der jetzige General- Auditeur der Armee, Wirkliche Geheime Oberjuslizrath Oehl« schtäger, in sein Amt trat, wurde allgemein angenommen, daß derselbe die Frage zum Abschluß bringen werde. Mancherlei Schwierigkeiten, welche von einzelnen Bundesregierungen ent gegengestellt wurden» fanden einen raschen Ausgleich; allein e» ist zweifelhaft, ob da» Ganze gegenüber den hervoraetretenen Mängeln von höherer Stelle auS schon alsbald wieder aus genommen werden wird. * Einzelne Zeitungen wollen wisse», daß durch dieCbolera » gesahr die Abhaltung der Kais« rm a növer in Rheinland und Westfalen in Frage gestellt sei. Ja unterrichteten -reisen ist davon nicht» bekannt, vorläufig ist die Choleragefahr noch fern. Wa» die deutschen Regierungen betrifft, so werden dieselben bei wirklichem Herannahen der Gefahr wobl nicht» unterlassen, wa« zur Beseitigung derselben erforderlich ist. Bi» jetzt aber deutet nicht» darauf bin. daß in den Bestim mungen über di« Herdstmanöver Veränderungen getroffen wären, klebrigen» ist bereit» die Beorderung der Reserven zu mehrwöchigen Uebungen verfügt, so daß Au-nahme« maßregeln nach keiner Richtung hin bevorstehen. * Bekanntlich hat vr. v. Schauß die Reich»tagScandidatur der nationalliberalen Partei für den Reich-tag-wahl- krri» Llzey-Biagen angenommen. Der „Rhein-und Nahe- Bote" vom t7. Juli», o. tyriltden Wortlaut diescrZusage in Folgendem mit: Manche», 7. Juli 188«. Di« Ausstellung meiner Landidatur i« «tuen, der sch»«- stra und iutelligeniesten Wahlkreis Deutschland» ist, v»» Erfolg ganz obgesebe», an sich schon »iue Ehre, die ich in ihrem ganzen venhr zu schätzen weiß. Darin darf ich unter allen Umständen »in Ze»»- oiß dafür erblicke«, daß »eine politisch« Haltung während de» ver. gangeneu Jahrzehnt» ein« gerechtfertigte »ar. Die« ist für et«» Politiker von Bewiffenhastigkeit kein geringer Drost, denn ohne innere Seelenkämps, »nd Zweifel, wa» «an zu thnn habe, geht e» im parlamentarischen Leben nicht ab. I« Jahr« 1879 habe ich einen solche» Kamps mit mir selbst durchgnnacht, al» ich alte Beziehungen politisch. mit «eine», allen Freund völk in Verbindung. zn l«se, «ich entschloß. Wir find darüber vielsach, häustg in der verletzendsten Weise geschmäht worden »ad hatten — Lölk Hai r» leider nicht erlebt — die einzige Hoffnung, daß »»« der Verlauf der Errigniff« Recht gebe» würde. Schon damal» bereitete sich die Loalüion de« Ceinrum» mit de» konservativen vor und war vollkommen klar. daß die verbündeten Regierungen rothgrdrnngen von derselben Gebrauch zu machen sich entschließen würden, wenn die natiouaüiberale Parte, ein« absolut negativ« Stellung gegen die Reichtregieruog für nöthig hielte. Da mal» Hab« ich de» Abgeordneten Herrn Ricken, der nun wieder Hauptredner in Sprendlingen war, nicht cinwal, sondern wiederholt äußern höre», nun muffe ernstlich an die Eatsernung de- Reichs kanzler» au» seinem Amte gegangen werde». Den Nachfolger hatte Herr Rickcrt schon in der Tasche; dieser war der frühere Minister von Siosch, wie nun mit vollem Grund in Zeitungen berichtet wird. Der innerste Grund dieser Action war damals die Hoffnung, daß die vreußischcn Oüseeprovmzen und die östlichen Häsen (Memel und Danzig) in größer« Proiection genommen würde». Die Leidenlchasl dieser Kreise war hauptsächlich dadurch gesteigert, daß man vom Getreidezoll eine Beeinirächtigung de« Export» dieser Gegenden jücchtete, welch« deutsche- und russische» Getreide zu mischen pflegen »nd noch pflegen, resp. Zoll aus die russische Quote bezahle» müssen. Wenn mau lange niilgcarbeüet hat. findet man ja gar oft, baß hinter den ganz patriotisch und volkSihümlich klingenden Reden ein ganz menschliches und »üchlernes materielle» Interesse steckt. So ist die übertriebene FreihandelSbeweguag nicht« weiter al« eine Bevorzugung des Händler«, dem ganz gleichgiliig ist, wa« er verknust — gegenüber dem Prokuren»,,, und da« ist der Landwirtd, der Fabrikant re. Ich kann namrlich nicht au«südrlich hier sagen, welche Ansichten ich im Einzelnen über di« groß« Frag« habe; aber ka» will ich doch aniügen, daß unser autonomer, fast durchweg sehr gemäßigter Zoll-Tarif absolut leinen Schaden gebracht ha». Alle Provhezruingeii sind in dieser Richtung zu Master gewsrdeu. Die Preise sind zum Nachwelt der konsumenten nicht gestiegen; der Export bat in dem größten Umfange zugenommeu; die Industrie (siehe Westfalen, Sachsen, Vogtland) hat wieder zu thnn und die ReichScasse hat noch dazu eia gute» Geichäst gemacht. WaS meine Stellung zum Reichskanzler betriff», über welche, um mich politisch zu ruiniren, so viel Unsinn verdreitrt wurde, so will ich darüber nur Wenige» sagen. Ich weiß, daß Fürst Bismarck wirklich nur solche Männer bochochirt, welche ihre eigene lieber- zengung haben und welche nichl» erstreden wolle». Mil anderen Werren: Charaktervolle und unabhängige Leu»! Ich werde nie und nimmer einer rückichritllichen Maßregel zustimmen, durch welche etwa die constiiiilionellcn Freiheiten, Wahlrecht, Geldbewilligung u. s. w. beschränkt werden wollten, »nd «erd« t» diesen Fragen mich niemal» von den Freisinnigsten trennen. Dagegen unterstütze ich ou» vollster Ueberzengnug alle Unter- nebmungcn. welche aus dir Stärkung de» Reiche» und seiner Macht stellung »ach außen abzielen. Man glaubt ta weniger unterrichteten Kreisen gar nicht, wie sehr in vielen Fragen »nd haupijächlich im Handel und Verkehr das Ansehen einer Nation wichtig ist. Wir können heute noch z. B. nach Australien dir beste Qualität unserer Jndustrieerzeugniste senden — wir werden sie nicht verkaufen, weil die englische Nation roch da» größere Auseheu hat, und so sind unsere Kaufleute heute noch genüthigt, aus deutsche Waare englische Fabrikmarken zu setzen. Ich bin viel gereist im Orient, in Europa und jüngst in Amerika, unser Anseben al- Nation — gianbeu Eie mir aus» Wort — ist ganz unglaublich gewachsen, und diese Stim mung kann zum Bortqeil unsere« Export- noch in kaum z» ahnenden Progressionen gesteigert werden. In diese» Dingen au» sieht der Reichskanzler mit se.nrn großen graue» Angen sehr» eit^>»d sein L-rcöea ist ein absolut patriotische», unr anl da« WvH» vr, Nation gerichtete-. Dorum sehe ich mit einem gewissen Entsetze», wie Männer scharst» Verstandes, unvergleichlicher Beredsamkeit, verdien» d«t von ihrem Hasse gegen den Kanzler, auch ia diesen inlernalionoten Fragen die Opposition auf die Spitz« treiben «nd letztere aa der wundesten Stelle — da- ist da» Gefühl, od er noch nützen könne oder nicht — zu treffen suchten. AuS diesen Empfindungen heran» sage ich znr gütigen Offerte Ihres erweiterten WahlcomitS» — nach langem inneren Kampfe — „ja!".... Wollen Sie trotz aller meiner Bedenken mich nicht fahren lassen — dann srisch an» Werk! In Anbetracht aller Umstände will ich dann so ost und wohin sie wollen, kommen und mit Ihne» arbeiten recht und fest sür ein Werk, da» Ihne» tu» Falle de» Gelingen- sicher keine Schande bringen wird. Haben Sie besten Dank jetzt schon für Ihre gute Meinung and Alles, wa» Sie bereits geleistet haben! Dill herzlichen Grüßen an die Gestauung-genoffe» «nd deutschem Handschlag bin ich Ihr ergebenster vr. v. Schauß. * Im Erbbegräbniß de» Hause» Oranien unter der Kirche zu Delsl ist. wie bereit« telraraphisch gemeldet, am 17. d. ver Sara mit den sterblichen Ueberresten de» Prinzen Alexander feierlich beigcsetzl worden. Die Weihreve hielt Pastor KoctSveld. Er gedachte der Worte, die König Wilhelm vor drei Jahren zu ihm gesprochen: „Wenn Gott mir meine Kinder nimmt, werde ich meinen Trost suchen bei den Kindern der Niederlande", und fuhr dann fort: „Möge der König uns «och lange erhalten bleibe« mit unserer geliebten Königin und der jungen Prinzessin, der Hoffnung de« Vaterlandes. Bor drei Jahrhunderten flehte der Schweigsame zu Gott um Sckutz für La» Vaterland. Gott hat un» stet» geschützt, er wird un» auch fürder halten." Der König verließ nach der Feier mit dem Großherzog von Sachsen-Weimar, dem Prinzen Aldrecht von Preußen und dem Grasen von Flandern die Kirche, während der Fürst zu Wird noch einmal in die Gruft dinabstirg zu einem stillen Gebet am Sarge de» Geschiedenen. Neben den Vertretern der auswärtigen Monarchen war bei ver Feier auch da» Großherzogthum Luxemburg durch seinen Regierung-Präsidenten v. Blochausen. den Grasen Viller», den früheren Minister Servai». den Kammer-Viceprästdenten de Muyher und den General-Secretair Ruppert vertreten. * In Dänemark erwartet man eine Veränderung im Ministerium. Der schon seit längerer Zeit kränkelnde Minister de» Innern. Skccl, ist von einem Schlagansall betroffen worden, der an der Wiederherstellung de» Minister» zweiscln läßt. Ob auch noch andere Minister abgehea werden, ist noch nicht abzusehen. * Die englisch-holländischen Unterhandlungen über den au der atchinesischen Küste gescheiterten englischen Dampfer Nisero, dessen Mannschaft von dem Rajah von Tenom gefangen gehalten wird, haben durch di« vollständige Lapttulation Holland» ihre» Abschluß gesunden. Holland stellte sich bisher auf den vollständig rechtmäßigen Stand« punct, die niederländische Regierung könne nicht dulden, daß eine fremde Macht sich in Holland» Krieg mit aufständischen Vasallen mische, und könne ebenso wenig dulden, daß die um liegenden britischen Eolonien da» aufständisch« Gebiet in arwinnreichem Handel mit Waffe« versehen. In beiden Fragen hat Holland vollständig nmbqegebe». Wie di« eng- lisch« Regierung im Unterhaus« erklärte, hat Holland die englischen Vorschläge angenommen. Diesen Vorschlägen zufolge wird der Rajah von Tenom benachrichtigt werden, daß. fall« die Gefangenen nicht an einem bestimmten Tage sreiaegeben würden, di« Regierungen Großbritannien» und der Niederlande ihn und sein Volk verantwortlich machen und gemeinschaftlich zu seiner Züchtigung schreiten werden. Wenn der Rajah aber den an ihn gestellte» Forderung» Rechnung trägt und die Gefangenen freigiedt, sollen seine Häsen dem Handel wieder eröffnet werden und er soll überdies eineSumme Getve« erhalten. Zur Ausführung dieser Uebereinkunft sind bereit» die nöthigr» Schritte gelhän worden. England und der Rajah habe» also alle ihre Wünsche durchgesetzt. Holland vasallen werden au» dem Vorfall vermuthlich die Lehr« ziehen, daß sie Holland gegenüber gewonnene» Spiel haben, fall- e» ihnen nur gelingt, eie englische Einmischung anzurufeu. * Englischen Zeitungen wird unter dem 17. dS. a:>S Capstadt telegrapbirt: .Da» Parlament de» Cav- lanbeS bat die Einverleibung der Walfisch-Bai und der St. John»-Gebiete. die Ausdehnung der Grenzlinie von der Walfisch-Bai bis zum Cunene (eine Strecke von sechs Brcile- gradcn), sowie die Einverleibung des BetschuaneiilandeS gut- gcdeißen." Ganz richtig ist die Nachricht wohl nicht; denn südlich von Cunene biS zum Cap Frio gehört die Küste be reit» den Portugiesen. * General Bellini ist zum Präsidenten der Republik San Domingo gewählt worden. Die ungarische Opposition. * Seit einigen Tagen kommen au» Pest überaus sonder- bare Nachrichten. Mehrere regierungsfeindliche Blätter sprechen nämlich davon, einflußreiche Mitglieder der Opposition wären zu einer Beratbung zusammengelreten, welche sich mit dem Vorschläge beschäftigte, sämmtliche Mitglieder der ReichStagSopPosition hätten ihre Mandate nicdcrzulegen. Die oppositionellen Organe wissen noch nicht mit Bestimmthett, welche Ausnahme dieser Vorschlag gesunden habe, aber sie ermuntern bereit» dazu, ihn anzunehmen, vorläufig wird noch sorgfältig verschwiegen, wer eigentlich diese Idee angeregt hat. welche nichts geringere- bedeuten würde als Äbninenzpolitik auf ungarischem Boden. Den Grund sür dieselbe sollen, wie die Oppositionsorgane in bcsligcn Artikeln erklären, die Wahlvorgänge bieten. Die Einflnßnahme der Regierung und der Druck von oben auf die Bevölkerung sollen diesmal jede- erlaubte Maß weit überschritten und daS BersaffungSleben Ungarn- geradezu zu einem Zerrbilde gemacht haben. Die oppositionellen Blätter wimmeln von allerlei Schilderungen, welche sich aus den Hochdruck der Regierung gelegentlich der Wahlen bezieh«; zumal sollen die Gemeinvevebörden, ja sogar Gerickt-beamte sür die Regierung in einer Weise agitirt haben, welche zu thatsäcblichei, Fälschungen der Wahlergebnisse führte. Für alle diese Dinge und Vorgänge wird selbstverständlich nur Herr v. Tisza verantwortlich gemacht, den bereit« ein Oppo- s>tion»blatt den . Todtengräber" der ungarischen Natron nennt. Andere Organe meinen wieder, man müsse einen energischen Ruf an die Krone richte«, welch« allein die Macht besitze und deshalb im Stand« sei» Ungar» au» der ver zweiflung-vollen Lage zu retten, in die eS gerath«. Auch «ine andere, au» EiSleithanien flammende Nachricht wird seiten» der Opposition in allen Tonarten gegen die Regierung verwerthet. Mehrere österreichische Blätter haben nämlich jüngst gelegentlich der Besprechung der finanzielle» und wirthschastlichen Verhältnisse Ungarn» daraus hingewiesen, daß dort der Staat-bankerott nur noch eine Frage der Zeit sei. Diese Acußcrung wäre vielleicht ziemlich unbeachtet vor- übcrgegaiigen. wenn ihr ein amtlicher Erlaß in Oesterreich nickt eine zweifellose Wichtigkeit verlieben hätte. Der Statt halter in Tirol hat nämlich vor einigen Tagen verbot«», Waiscngelder in ungarischen StaatSpapieren aäzulegen, eine Nachricht, die selbstverständlich in ganz Ungarn sowie in den Börsciikreisen wie eine Bombe platzte. Während die oppo sitionellen Blätter mit großer Schadenfreude aus die Trag weite der erwähnten Nachricht Hinweisen, äußert sich d» RegierungSpreffe ziemlich kleinlaut und meint, Herr v. Tisza werbe sich wohl beeilen, in Wien anzusragrn, welche Bedenken den Statthalter in Tirol zu jener versügung veranlaßt haben. Um nun wieder auf die von der Opposition in yerathung gezogene Niederlegung der Mandate zurückzukommen, so wird diese Absicht seiten» der Regierungsanhänger al» eine in Ungarn durchaus nicht verfassungsmäßige bezeichnet. Würde sie demnach durchgesührt werden, heißt e» weiter, so hätte sie keinerlei Erfolg, weil die Regierung berechtigt wäre, in den Bezirken, deren Vertreter aus ihre Mandate verzichten, sofort Neuwahlen anzuorvnen. UeberdieS sei zu bemerken, daß NeichstagSmaiikate in Ungarn viele Bemühungen und nament lich viel Geld erfordern, we-balb eS zweifelhaft scheine, daß die Opposition ihre großen Gclvopser nicht weiter beachten werde, bto» au« dem Grunde, weil sie da« Ministerium nichl zu stürzen vermochte. Auch auf die Absicht der gemäßigten Opposition, über di« Lage Ungarns Vorstellungen an die Krone zu richten, wird seiten- der Regierung wenig Werth gelegt, weit man schon während der Wahlbeweaung zweimal den vergeblichen versuch gemacht habe, sich a» die Krone unter dem Vorwände gesetzwidriger Wahlbeeinfluffungen zu wenden. So weil die Ausführungen der Regierungsblätter. Wenn man indeß die ganze Sachlage in ^jectivcr Weise beurtbeilen will, so ist auch die Opposition von der Anklage der Wablbeeinffuffung nicht sreizulprechen; die Negierung hat sie in dieser Veziebunq nur übertrvsien, weit ihr der amtliche Apparat zur Verfügung stand. Namentlich klagt die gemäßigte Opposition, daß sic keine neuen Anhänger ge winnen konnte, waS aber im Grunde nickt schwer zu erklären und vielleicht kaum die Schuld der Regierung ist. Mober sollte die gemäßigte Opposition eine Verstärkung erhalten? AuS dem Lager der radikalen Unabhängigkeit-- und Antisemitenpartei ge wiß nickt und aus dem der Regierung-freunde noch weniger. Die ungarische Opposition hat den großen, sie schwächenden Fehler, daß sie kein geschloffene» Ganze- ist; sie zerfällt vielmehr in verschiedene Gruppen, welche wesentlich abweichende Tendenzen versolgen, weshalb auch von einer tinheillichen Führung nickt die Rede sein kann. In dieser Beziehung ist die Regierungs partei der Opposition weit überlegen: daS gilt sowoyl bezüg lich der Organisation al» der Führerschaft der erstgenannte». Jene erleichtert, wie schon früher bemerkt, der amtliche Apparat, und wa» die Führerschaft betrifft, so wird Herrn v. Tisza blinder Gehorsam geleistet. Wie wir schon kürzlich erwähnt haben, ist indeß dieMöglichkeit nicht ausgeschlossen, daß sich die Aussichten der Opposition noch günsiiger gestalten können. DaS wird namentlich von dem Eintritte der vierzig kroatischen Abgeordneten in den ungarischen Reichstag aobängen. Bekanntlich ist die Ovpo- sitionSbeweaung im kroatischen Landtage eine sehr hochgehende, welche früher oder später ihre Rückwirkung im ungarischen Reichstage äußern muß. Unter solchen Verhältnissen kann man also der Eröffnung de« Reich»Iage» im September wohl mit einiger Spannung entgegensehen.
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