Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188508211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850821
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850821
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-08
- Tag1885-08-21
- Monat1885-08
- Jahr1885
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1885
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Erscheint tü-ltch früh 6'/, Uhr. Nrdaction «>»L Lkprüittou Jodannetgaste 8. Sprechstunden der tirdaclion: Vormittag« 1V—18 Uhr. Nachmittag« b—k Uhr. WH tt» >»4,»d! m-nuicrwt» m»cht 0» Vt»d»u>«» mcht »aduttilä. A»»otz«e »er sür »te nä«ktk->,e»»e R«««er bestimmten Inserate an Wochentagen bl- L lldr Nachmittag», a« »«««. un» Kefttagen früh »>» 'i.S Uhr. 3» de» /itialrn für Ins.-Annahme: Dtta Oe««, UnwersitLtSftraße 1. Laut» Lisch», -athariaeastr. 23, p. ,»r »t» '/.» Uhr. Anzeiger. Organ f«r Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auslage IS,LOS. ^donnemrntsprei» viertelt. 4'/, iucl. Briaaettoba b Mk.. durch dir Paß bezogen S Mk. Jede einzelne Nummer 80 W. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren für Lxtrabetlaar» (in lageblatt-Format qesolzt> ahne Bostbesürderung SS Mk. «it Poftdesorderuag 48 Mk. Inserate bgespaltene Petitzeile SO Pf. GrSher» Schristen lau« uaj. Preisoerzeuhaih. Tabellarischer n. Zificrniatz nach hüherm taris. Nrela«en »ater dem Redaetion«strich bi«4gri»alt. Zeile 50Ps.. vor den Familieanachrichte» die kgeipallene Zeile 40 Pf. Iaieraie sind ftcl« an die Erpetltiau z» jeadeu. — Rabatt wird »ich« gegeben. Zahlung prueoamenuxio »der durch Post» Nachnahme. 233. Freitag den 21. August 1885. 78. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekanutmachung. Da» 26. Stück de» diesjährigen Reichsgesetzblattes ist bei on« eingegangen und wird btS zum LI. September dtrsei Jahre- auf dem RalhhauSsaale zur Einsichtnahme öffentlich aushängen. Dasselbe enthalt: Nr. 1620. Verordnung, betreffend die Formen des Verfah ren» und den Geschäftsgang des NeichS-Versiche- rungsamt». vom 5. August 1885. Nr. 1621. Bekanntmachung, betreffend die äußersten Grenzen der im öffentlichen Verkehr noch zu duldenden Ab weichungen der Maaße und Meßwerkzeuge, Ge wichte und Waagen von der absoluten Richtigkeit. Vom 27. Juli 1885 Leipzig, den IS. August 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Arnmbiegel. Gesucht wird der am 4 März 1853 in Leipzig geborene Steindrucker Heinrich August Alfred Hüttner, welcher zur Fürsorge sür seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, den 17. August 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. (Armeuamt.) Winter. Dolge. Bekanntmachung. Die Erbauung einer 720 Meter langen WvIbschleuhe lH.Classe aus dem zur Verbreiterung der Eisenbahnstraße gelangenden Areale soll zur Submission gegen Vorbehalt der Auswahl unter den Sub- mittcnte» vergeben werden. Kostenanschläge sind im hiesigen Gemeindeamte, wo auch die Zeichnungen auSliegen, in Empfang zu nehmen und bi« zum 28. VsS. MtS., Abend» 6 Uhr, versiegelt unter der Ausschrift „Wölbschleussriibau" daselbst wieder abzugeben. Neustadl de« Leipzig, am 20. August 1885. Der Gemeinderath. Dietrich. Nichtamtlicher Theil. Jur afghanischen ^rage. Man kann sich nickt darüber täuschen, daß die afghanische Grenzsrage eine friedliche Lösung nicht erwarten läßt. Alles, was sich aus den gegenwärtigen Verhandlungen zwischen Eng land und Rußland ergeben kann, ist ein Aufschub deö Krieges; denn vermieden wird er aus die Dauer nickt, daraus deuten alle Anzeichen mit Sicherheit hin. Die Russen wollen die günstige Stellung an der afghanischen Grenze, welche sie durch den Borstoß des Generals Komaroff im vergangenen Früh jahre gewonnen habe», nicht wieder ausgebcn; und die Eng länder wollen die Russen nicht weiter nach der indischen Grenze verrücken lassen, darum dreht sich der ganze Grcnz- sireil. Von einem Recht, das auf russischer Seite bestände, diesen oder jenen Punct von Afghanistan zu besehe», kann dabei gar nicht die Rede sein, die Machlsrage ist die cnt- scheidenbe. Wenn Rußland in der Lage wäre, gegenwärtig nach Herat zu marschiren, so würde eS sich durch keine Vor- slellungen Englands davon abhalten lassen, gerade so wie General Komaroff seinerzeit Pulikhisti besetzt hat und die Afghanen auö Ak Tcpe verjagt hat, obwohl das nur in Folge eines osse»bareii FriedenSbruches geschehen konnte Der „Swet" bat vor einigen Wochen verratheu. was die Ursache der russischen Zurückhaltung und Mäßigung in der afghanischen Angelegenheit ist: nur die Hitze hat die Russen verhindert, Weiler vorzurücken; bei niedrigerer Temperatur wären sie längst in Herat. WaS die russischen Ingenieure in St. Petersburg bcralhen und beschließe», ist ganz gleich- qiltig, das ist eine leere Form, und wenn die Friedenstauben in ganzen Schaarcn aus der nordische» Hauptstadt abaesandt werden, so ist das keinen Pfifferling werth. Die Beralhungcn dienen dazu, um die Zeit, während deren kriegerische Be wegungen nicht ausführbar sind, mehr oder weniger passend auSzusüllcu und die öffentliche Meinung Europa« zu beruhigen, damit die Baisse nicht einen gefährlichen Ebarakler annimiiit; wenn der Herbst da ist, werde» die Russen eine wesentlich andere Sprache reden. Wichiiqcr als alle Depeschen auS St. Petersburg, welche bestimmt sind, die friedliche» Absichten Rußlands im Brillant- seuer strahle» zu lassen, ist das neue russische Regulativ über die Extracrebite sür den Fall einer Mobilmachung oder in Folge von Kriegszuständen. Darin erhält der Finanzminister Vollmachl, die nvthiaen Gelder in solchen Fällen auch ohne die kaiserliche Genehmigung in Abwesenheit des Kaisers anzuweisc» Man denkt dabei unwillkürlich a» die bevor stehende Zusamnienkuust i» Kremsier und an weitere daran sich etwa schließende Reisen des Kaisers, z. B. nach Kopen dagen zu seinem Schwiegervater, wovon ja schon vor längerer Zeit die Rede war. Eine solche Vorsichtsmaßregel muß umso ausfallender erscheine», weil ja eine telegraphische Anfrage genügt, ui» die Zusllinmuiig dee AaiserS augenbl.cklich cin- zuholen. Es macht deshalb den Eintriick. als ob die Genet»»>g»»ig für die in nächster Zeit »vthigc» Eredile schon längst erlheilt ist, und daß durch die an de» Finanzmiiiister crlheilte Voll, macht nur die Möglichkeit geschaffen werden soll, die be schlvsienen Schritte ohne jede« Aussehen z» thun. Wenn man der „Pvlit. Eorrcsp." ans St. Petersburg schreibt, daß die englische» Rüstungen die Russen ziemlich knbl lassen, weil sie ja doch nur eine» defensiven Zweck haben können, so ist das einfach Heuchelei, weil es den Rüsten nickt gleickgiltig sein kann, wen» sie beim AnSbruch des Krieges von englischer Seite thatkrästigen Widerstand sinken. Ob die »öthigc» Vorbe reitungen aus afghanischer Seite getroffen sind, de» Russen den Weg über den Zulsikarpaß zu verlegen, darüber ist nichts Zuverlässiges bekannt; es läßt sich jedoch annehmcn, daß der Paß den Russen nickt kampflos preisgegeben werden wird. WaS aber sesisicht. ist, daß Herat mit Ausbietung aller Kräsle vertheidigt werden wird. Wie der „Daily News" aus Simla telegraplurt wird, sind die BesesiigungSarbeilen in Herat in vollem Gange, 3000 Arbeiter sind mit denselben beschäftigt und 12,000 Mann bilden die Besatzung der Festung. Außer dem sind die Engländer bemüht, die Norkwestgrcnze von Indien gegen russische Angriffe durch ein System vo» Be- estigungen zu sichern, welche jedenfalls mit den afghanischen VertheidigungSmaßregeln in Verbindung gesetzt werden. Lord Churchill hat darüber in der Sitzung des englischen Unter hauses vom 6. August nur Andeutungen gemacht, aber auS diesen gehl hervor, daß die neue englische Regierung die Hände nicht i» den Sckooß legt, wie da» Ministerium Gladstone Selbst für den Fall, baß die Tvryparlei bei den nächsten Wahlen unterliegen sollte, haben ihre Führer die nölhigcn Vorbereitungen getroffen, um den früheren Schlendrian nicht wieder einrcißen zu lassen. Bis zum November, zu welcher Zeit die Neuwahlen zum englischen Parlament stattfinden werden, kann in der Sicherung der indischen Nordwestgrcnze und sür die Bcrtbcidigung Afghanistans gegen russische Angriffe viel gethan sei», und die Energie Lord Churchill'» und des indischen VicekcnigS Lord Dufferin bürgt dafür, daß die Russen ihren Zweck in Süd- westasien nicht ohne heftigen Kamps erreichen werden; aber eS scheint säst, daß sie die Sache in die Länge ziehen wollen, bis die Entscheidung durch die Wahlen darüber Gewißheit bringt, ob Lord Salisbury an der Spitze der Geschäfte bleibt, oder ob er kaS Feld wieder Gladstone räumen muß. Wohin die öffentliche Meinung in England neigt, laßt sich noch nickt bestimme», obwohl es unverkennbar ist, daß sie in der aus wärtigen Politik ans Seilen des gegenwärtigen CabinelS 'teht. Aber das reicht bekanntlich in England nicht hin, um da» Zünglein der Waage zu lenken: die inneren Angelegen heiten sind die Hauptsache, und in diesen hat Gladstone noch immer eine starte Partei hinter sich. Wie Gladstone an der Erhöhung der Branntweinsteuer Schifsbruch litt, so kann er durch irgend eine ganz unberechenbare Abstimmung auch wieder aus den Schild gehoben werden; cs kommt nur daraus an, daß die Mehrheit ihre materiellen Interessen durch die Glad- lone'scke Politik sür besser gewahrt erachte als durch die des Lord Salisbury. Die englische KriegSlcitung in Indien befindet sich seit einiger Zeit in bewährten Händen, derselbe General, welcher einst die Afghanen zur Anerkennung der englischen Ueber- lcgenheit zwang, sieht jetzt an der Spitze der indischen Armee. TaS ist von großer Wichtigkeit für die Entwickelung der englisch-russischen Streitfrage; denn von der Geschicklichkeit des militairischen Oberbefehlshabers in Indien hängt cS ab, ob die Russen ihren Zweck erreichen ober nicht. Man mach! aus englischer Seite zctzl kein Gcheimniß mehr daraus, daß die Errichtung eines Lagers in Kandahar in Aussicht genom men ist; außerdem wird eifrig an der Eisenbahn gearbeitet, welche die beschleunigte Zusammcnzicbliiig englisch-indischer Streilkräste in Oucllab ermöglicht. DaS haben die Russe» wenigstens durch die Beunruhigung der afghanischen Grenze erreicht, baß in die militairischen Vorbereitungen Englands in Indien ein srischer Zug gekommen ist. Unter Gladstone geschah Alles, um den Russen den Weg nach Indien frei zu macken. AuS unbegreisiicher Verkennung der thatsächlicbeu Verhältnisse wurde Afghanistan geräumt, geradeso wie vor zwei Jahren der Sudan. Dafür wurde ein Bündniß mit einem Fürsten eingetanscht, dessen Treue immerhin zweifelhaft ist und der nicht die Macht besitzt, um sein Gebiet gegen russische Angriffe aus eigener Krast zu vcrlheidige». Tie militairischc Abhängigkeit Afghanistans von England ist nicht ei» Luruö, als welchen Gladstone dieses wichtige Verhältniß ausgesaßt zu haben scheint, sondern eine Nolbwenvigkeit, nm den Besitz Indiens wirksam zu schützen. Aber das englische Volk hat >ür derartige Fragen nicht das hinreichende Vcrsländniß, sonst würde die Mehrheit de» Parlament- Gladstone, welcher England in seiner Wcltstellung unbercchenbar geschädigt bat, nicht süns Jahre lang am Ruder gehalten haben. Indien sicht aus dem Spiele, wenn England in der Zul- sikarsrage nickl mit der iwlhigen Energie vorgeht, das ist die Wahrheit, welche den Engländern seit einem halben Jahre i» allen Tonarten gepredigt wird, und dennoch hat diejenige Partei, welche England den Besitz Indiens zu ücbern bestrebt ist, keinen festen Bote» unter den Füßen. Der Minister sür Indien mußte bei Darlegung der Mißwirthschaft. welche Lord Rivo» in Indien geführt bat, sogar den Fall inS Auge fassen, daß die jetzige Regierung bei den nächsten Wahlen zum Rücktritt gezwungen sein könnte. Tie afghanische Frage lebrt gleich der sudanischen, daß England in unaushallsamem Rückgänge begriffen ist. Die jetzige Regierung ist von den besten Absichten beseelt, sie faßt die Sachlage i» dem Sliinc aus, wie sie jeder Unbefangene aussassen muß Aber da? englische Volk hört nur mit halben Ohren zu; was ist ihm Zulfikar, was ist ihm der Sudan? John Bull pocht aus seine Flotte und glaubt damit die Welt beherrschen zu könne», von Herstellung einer widerstandsfähigen Landmacht will er nickt« wissen. Die Folgen dieses handgreiflichen Mißverstand, nisseS werben nicht auf sich warten affe». * Leipzig, 21. August 1885. * Seit einigen Tagen bat Berlin den Vorzug, einen der bekanntesten russischen Schriftsteller, den Welt reisenden der .Nowoje Wremja", Herrn Molsckanow, bei sich zu beherbergen. Herr Wolschrnow bat cS als eine seiner ersten Aufgaben betrachtet, den AuSweis-ungen russischer Unterthanenausden östlichen Provinzen Preußen« näher zu treten. AuS dem Berichte, den er von Berlin aus an sein Blatt unter dem 10. August l. I. richtete, beben wir nach der .National-Zeitung" da» Folgende hervor. Herr Wolschenow erzählt: Noch aus der Eäenbohnsahrt nach Berlin machte ich meinen kleine» strategische» Eorrespoiidentcnplan» und ich habe ihn auch glücklich durchgelührt. Ich kam spät an und machte mich alsbald noch auf den Weg zu einem mir van langher bekannten russischen Polen, einem reichen Mann, Philanthropen und Patrioten, der an die Auferstehung Polen« glaubt und krittlig an der Wiederbelebung der polnischen Bolksieele in jenen Provinzen arbeitet. Man weist Sie au«? trug ich — Ja, sie wollen mich verbannen sagte er mit Bewegung. — Und warum sind Sie »och nicht ver bannt? — Erst soll das ganze Gesindel au«getrieben werden, sie wagen e« noch nicht, fürchten dle Pässe, die Verwicklungen. O, diese spitzbübischen Deulfch-ii! Von meinem polnischen Bekannten begab ich mich znm Mini st eriuin des Innern. Der Minister v. Puttkamer ist aus Urlaub seine Functionen versieht der Direktor Herr v. Zastrow. Tort wiesen sie mich an einen ehrenhaften oltgedientcn Rath im Ministe ruim. Derselbe erzählte mir: „Man Hai uns immer aufs Neue vorgeschriebe», unter keinem Vorwand der Prelle Erläuterungen zu geben, weil, wie bekannt, die Presse sich amüsirt, alsbald au« jeder Kleinigkeit eine Frage von größter Wichiigkeit zu machen. Bei uns ist Alles ruhig, aber bei Ihnen in Rußland und in Oesterreich ist schon der Lärm losgegangen. Sie und Rußland schieben uns jeden Landstreicher zu, wir haben begonnen etwas auszusegen und werden schon verdammt. Diebe, Spitzbube», Deserteure, politisch verzweiselte Leute, wohin ziehe» sie sich von Euch und aus Oester reich, wenn sie Polen oder Juden sind? Zu uns nach Preußen, dorthin, wo c« Polen und Juden giebt, nach den östlichen Provinzen. Sie bezahlen keinen Groschen, weder Euch noch uns, von Pässen und Legitimationen wissen sie nichts. So ist eine ganze internationale Bevölkerung zulammengelausen. von Euch, Oesterreicher, Italiener, sogar Amerikaner... Es geht einer nach Amerika, verschafft sich dort einen Paß und dann ist er Fremder, steht unter dem Schutz von Cont'uln und Gesandtschaft! Selbst Türken kommen schon viel vor. Von was Einer lebt, das ist überflüssig zu fragen, da er unserer Classensteuer nicht unterliegt. Eine gesellschaftliche, eine städtische oder dörfliche Controle über ihn giebt cs nicht — er ist ein Gast, ein Fremder.. Gott sei Dank, daß Herr v. Puttkamer endlich kräslig eingegriffe» hat, für Euch Alle ein heilsames Excinpel." Da ich von dem verehrten Rathe weiter Nichts erfuhr, als diese Tirade, so fuhr ich aus die russische Botschaft und trat in Unter haltung mit dein ersten Bcaniten derselben, mit Baron Budberg. Derselbe bestätigte mir vollständig die Aufklärung, die unlängst in der „Moskauer Zeitung" gestanden hatte. 'Die Deutschen, sagte er, handeln ganz nach der Convention, die zwischen Rußland und Preußen im Jahre 1872 abgeschlossen worden ist. Nach dieser Con vention könne» sie jede» in den russischen Grenzprovinzcn Geborenen ausweisen, im Brieswechiel mit der Berwaltung der Provinzen, ohne Einmischung der Diplomaten. Sie gehen über die geltenden Paßbestimmungen nicht binar»«, nur Leute werden auSgcwiesen, die keinen Anspruch aus Gastfreund schaft haben. Der Beweis davon ist folgender: Bis zu dieser Stunde hat keiner der Au«gewiesenen die Vermittelung der russischen Botschaft angerufen, diese ganze Gesellschaft, da sie keineswegs freundliche Beziehungen zu ihrem Vaterlande hat. Auch wollen diese Leute nach ihrem Geburtsort nicht zurückkehren, sie wollen nach Galizien, bisweilen nach London, nach Amerika. Wenn unter diesen Herren vielleicht ein, um so zu sagen, gesetzlicher Mann sich finden sollte, so da« er bei uns sich noch nicht beschwert. Es verhält sich immer so: sobald die Deutschen einem gesetzlichen russischen Uater- Ihanen zu nahe trete», alsbald ist die Klage bei uns da. Wir er hallen iiichl wenig Klagen, aber von jener Seite konimt keine einzig«. Aber weshalb, Baron, hat sich denn ein solcher Lärm erhoben? Die Mehrzahl der Au-gewicseuen sind Juden, wenn nicht alle Juden sind — und diese haben die liberale Presse in Händen — sie blähen aus, lärmen, fürchten wie eS scheint Repressalien. Wie viele, Baron, sind denn bis auf den heutigen Tag im Ganzen ansgewiesen? DaS ist uns bis heute noch nicht bekannt und selbst daS Ministe- cium weiß es nicht Ma» weist nicht bloS russische Untertbanen aus, und nicht bloS au« Ostpreußen, auch ans Schlesien und im Allgemeinen aus den Grenzgegenden, Oesterreicher, Italiener, au- allen Nationen. Wir machien jüngst eine Anfrage über die Zahl unserer ausgcwicscnen Uiilcrthancn und das preußische Ministerium versprach uns, in Monatsfrist die vollständige Liste zu schicken . Von der Botschaft begab ich mich zu Herrn v. Kumanin, dem Agenien »usercs Finanzministeriums, der seit zwanzig Jahren in Berlin lebt, der die Kausleule und den Handel Preußens wie seine süns Finger kennt. Wen» — so dachte ich — die Deutschen mit Ausw.'iilingc» gegen Geichäftsleuie, Handwerker, Kausleute Vorgehen, so ist es uninüglich, daß Herr v. Kuinanin nicht von der Sach« gehört habe» sollte und daß mikn sich nicht an ihn um Hilfe und Nach nur Klagen oder Forderungen gewendet hätte. Zweimal richtete ich an Herrn v. Knnianin eine daraus bezügliche Frage und zweimal erhielt ich die kategorische Antwort: Nie und niemals habe ich eine solche Klage vorgelegt bekommen. ES blieb mir noch übrig, eine» letzten Besuch zu mache», bei einem sehr großen Berliner Bankier, der zehn Jahre i» Rußland gewohnt hat und sich bis zu dieser Stunde von dem Samowar »och nicht getrennt hat. Ich trank mit großem Behagen russische» Thee aus deulschcm Boden, sragie den alten Herrn aus und erhielt von ihm solgcnve Antwort: Das sind Alles Dumm heilen, große Tunimhcile», ich versichere Sie: ich kenne die ganze Sache, kenne sie sehr genau. Bei mir verkehren wahrend des Reichstages zwanzig bis dreißig Abgeordnete. Alles jüdische Anstiftungen. Die preußischen Juden wünschten, daß die russischen italienischen und österreichilchen Juden auSgcwiesen werden Die Ultromonlancn aber, die gegen Bismarck wiitben, um ihm am Zeug zu flicken, verbreiten, daß er gegen das polnische Element vor geht, daraus ist der ganze Lärm erwachsen. Spitzbube» treibt man aus, Leut», die das Volk betrügen, die von keinem Vaterland wisse» Jetzt heißt es: Wo ist dem Paß? Hast du keinen? So mache daß du weiter kommst mein Lieber. Wenn Ihr gerade so verfahret und Oesterreich, Italien, Frankreich gerade so, so würde es weniger Spitzbube» geben. Sc weit Herr Molsckanow, dem eS überlassen bleibt, seine Millhcilnngen zu vertreten. Die „Nationalzcitung" erkält folgende Pnvatdepescke: „Nach Meldung des „Knryer P, ;na»Sky" sind aus dem Kreis Inowrazlaw, Provinz Posen 70» russische Untcrthanen auszcwiesen." * Die vreußischen Eouscrv ativen haben eS in ihrem Bericht und Ausruf an die Wähler zum preußischen Abgeordneten banse offenbar nnsercm Herrgott am Ende des letzten SchöpsungStagcs abgeguckt: sie drehen fick ui», be trachten Alles, maS da gemacht worden iss, und sinken eS alle sehr aut. Dann drehe» sie sich wieder »m und er klären, daß sie es sind, die das Alles so schön gemacht haben Alles, was seil Jahren in Preußen geschehen ist, wird aus gezählt, ja, selbst ein Ausflug aus das Gebiet der Reichs gcsctzgebung wird unternommen, um der Börscusteuer das Lob zu reden, und im Scheine aller dieser Erfolge sonnt sich dann die konservative Partei; selbst daS Lebr rbcsoldungS geletz nimmt sie in ganz hervorragender Weise sür die konservative Partei in Anspruch, während sie hier doch wenigstens den Freie»» fervat iven die Ehre hätte tasten können. Die Verdienste der Eonscrvative» an diesem Gesetze sind derartige, daß die Lebrer ibnc» mahrlick nickt dafür danken werden. Trotz der Aussnbrlickkeit, mit welcher der konservative Necke»scha>isbcrichl einen Abstecher aus da« Gebiet des NeichSsteucriveicnS macht, schweigt er doch weise über die Spiritus- und Zuckersteuerresorm; da>ür erklärt er sich um so eifriger bereit, in eine weitere R form der Mai gesetze einzutreten, unter Wahrung der unveräußerlichen Rechte des Staates. Tie Eonservalivc» habe» aus diesem Gebiete schon so viel veräußert, daß sie wirklich endlich ei» mal sagen sollten, was sie überhaupt für unveräußerlich halte». Der Zusatz ist nur eine Redensart, die Absicht ist der Antrag ans Eentrum, be« den Wahlen wieder zusammen zu geben, DaS wird a»ck geschehen, nachdem man sich an da» ergebene Dulden der gröbsten und schmählichsten Mißband liingen seitens des Eentrum» gewöhnt hat. Irgend etwas BemerkenSwertbeS enthält der Ausruf im Uebrigen nicht. * Dem Briese eine» aus der Kreuzercorvette „Bis marck" dienenden jungen Darmstäktcr» dom 2. Juli o. au» Kamerun entnehme» die „Hamburger Nachrichten", daß die Eorvette „Bismarck" am 1. Jul« vier in Kamerun ge bürtige Neger als vierjährige freiwillige Matrosen eingestellt und sofort eingekleidet hat. „Die Leute", so heißt eS in dem Briefe, „sind schöngewachsene, schlanke Exemplare ihrer Rasse, und wir werden jedenfalls in Deutschland damit Staat machen können. Bisher hatten di« hier stationirtrn Kriegs- chiffe ja auch wohl Schwarze an Bord, jedoch waren dieselben nur sür den Aufenthalt an der afrikanischen Küste geheuert und wurden beim Weggänge der Schiffe wieder entlassen. Liese von den Schiffen zeitweise angenommenen Neger ind die an der ganzen westafrikanischen Küste anzutreffenden Kruneger, eine verachtete Menfchenclaffe der Schwarze», und zwar deshalb verachtet, weil sie arbeiten und sich mit ihrer Hände Arbeit ihr Brod verdienen. Der freie Neger, welcher von Natur ein Faulenzer ist, siebt aus diese Leute mit Ver achtung herab, denn sür ihn ist Arbeit eine Schande, dafür hat er seine Frauen und Sclaven; so ist eS wenigstens im Kamerungebietr. Um so mehr ist eS zu verwundern, daß hier reie Kamerunneger als Freiwillige bei un» eintraten, und cS mag da wohl hauptsächlich da» durch humane Behandlung erworbene große Zutrauen, da» den Deutschen hier seitens der Eingeborenen eatgegengebracht wird» viel mit dazu bei- grtragen haben." — Inzwischen ist vie Eorvette vor Zanzibar eingetroffen. in die Geschäfte geht der .Hagener Zeitung" au» Berlin folgende Mittheiluug u: „Man verdankt hier dies« Nachricht bisher nur privaten Nittheilnngen, »mb es ist einigermaßen ungewöhnlich, daß der .Reichsanzeiger" eine entsprechende Anzeige, wie da» onst Gebrauch ist, noch nicht gebracht hat. Was da» Aner bieten anlaugt, welche» da» Auswärtige Amt Herrn Gerhard Rohlss in der Richtung gemacht hat. daß derselhe sich einen neuen und befriedigenden Wirkungskreis iu Asrika aussuche« möge, so sind wir in der Lage, diese Nachricht zu bestätigen. Dem verdienten Forscher ist nahegelegl worden, an die Spitze einer Expedition zur Befreiung de« Iw. Schnitzler (Emir Beh) l treten, iene» ungewöhnlich begabten Manne«, der seit ahrrn im Dienste der eghptische« Regierung steht und nun von demselben Schicksal »«droht erscheint» welch«« Goedon getroffen Hut." * Di« Agitation der Aua echtste« in der Schwetzund iesonder» in Zürich scheiut noch immer nicht zur Ruhe ommen zu wollen. Hu Zürich soll st« sogar neu aufge» genommen werde». DaS vo« de» Anarchistenapostel Most elbst gebrauchte Bild vo« der Hhder, welcher stets neu« Köpfe nachwachsaa, wo einer abgeschlagen ist, scheint hier wirklich zuzutreffen. So verlautet u. >., daß nach Zürich «i» neuer .Vorstoß" gemacht werden soll. Fra« Stellmacher, welche mit dem ehrenwerthen Berus einer Damenschneiderin, den jenigen einer anarchistische« Vermittlerin verbindet, soll. Wie man sagt, in Zürich wieder ihr Quartier ausgeschlagen haben, und der au« Basel ««»gewiesene Anarchist Pfau von Schaff hausen hat de» Strand de« Rhein« mit dem Gelände de« ürichberge« vertauscht. So berichtet die „Neue Züricher eilung". * Die Wiener „Presse" meldet au» Belgrad: Aus Aussage eine« verhafteten Mörder» de» Abgeordneten Iakowl- jewic« rrsolgt« die Verhaftung de- radikalen Abgeordneten und Popen Djurin». Dem Mord« liege» politische Motive zu Grunde. * Aus Irland werden neu« Agrar-Verdrechen ge meldet. Besonders sind in der Grafschaft Elare nächtliche Ausschreitungen, begangen von Banden bewaffneter Männer, im Zunehmen. Iu der Nacht zum vorigen Mittwoch wurden die Wohnungen von vier Pächtern in Eappadeg, unweit Barefield, erbrochen und die Insassen durchgeprügelt, weil sie angeblich Gutsherren Information gegeben. Auch wurde» mehrere Schüsse abgefeuert. Ein Mann in derselben Nach barschaft empfing einen Drohbrief, unterzeichnet „Capitain Mondschein". Verstümmelungen von Pferden und Rindern, begangen au» Rache gegen mißliebige Pächter» sind ebenfalls wieder auf der Tagesordnung. * Von der englischen tonangebenden Presse wird die angebliche Besetzung eine» Theile» der Carolinen durchaus nicht i» der Weise besprochen, wie mehrfach erwartet worden. Man erbebt im Großen und Ganzen keinerlei Einwanb gegen die Besetzung (die übrigens amtlich noch nickt constatirt ist), die „Times" sowohl wie der „Daily Telegraph" meinen, daß für England keinerlei Veranlassung vorliege, sich in diese Sacke einzumischen. Da» ersterwähnte Blatt bezweifelt, daß Spanien ein Besitzrecht an der Inselgruppe zusteye, während da» letztgenannte meint, England habe durchaus keine Ur sache, wegen dieser Angelegenheit mißvergnügt zu sein. „Soweit England dabei in Betracht komme, mögen die Deutschen zu ihrer neuen Erwerbung beglückwünscht werden, wenn sie nur ihren Anspruch gegen die natürlicherweise er regten Proteste Spanien» geltend machen könnten", schreibt das Blatt am Schlüsse längerer Ausführungen. * Bezüglich de» in besonderer Mission zunächst nach der Türkei entsandten Vertrauensmannes der englischen Negie rung. Sir Drummond Wolfs, theilt die i» der Regel für wohlinsormirt geltende Konstanlinopeler .Turquie" vom 13. August Nachstehendes mit: „Sir H. Trummond Wolfs wird sich von Konstantinopel aus direct nickt nach Egypten begeben. Er kehrt nach London zurück, um Lord Salisbury über da» Ergebniß seiner Mission Bericht zu erstatte». Man wird je nach Umständen handeln; aber eS ist nicht in der Absicht Lord SaliSburh'S gelegen. dem Sultan sür Egypten und Len Sudan nur eine halbe Genuglhuung zu geben. Die Mission, mit welcher Sir H Wolfs beauftragt ist, hat eine solche Wichtigkeit, daß er sofort »ach deren Aussührung ge- »ötbigt sein wird, sich, bevor er seine Ausgabe in Kairo voll bringt, mit seinem unmittelbaren Ebes mündlich über die Details zu benehmen, die sie in sich begreift. * Die von der Executive von Transvaal abgegebenen Erklärungen bezüglich der Bezahlung der rückständigen Steuern werden mit Zweifel angesehen. Die Nachsicht de« Ober- Commissar«. mdem er Zeit zur Bezahlung nebst Zinsen ge währte, wirb in Prätoria gewürdigt. Dir dortige Regierung bat ein neue- öffentliche- Goldfeld proelamirt. Ioubert hat endgiltig eingewilligt, die Verwaltung der Eingeöoreuen Angelegenheiten zu übernehmen. Der Bruch zwischen ih« und Krüger soll sich erweitern. * Dem Gesandten der vereinigten Staaten von Columbia in Washington, Vererra, ist soeben folgende
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