Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.09.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188509072
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850907
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850907
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-09
- Tag1885-09-07
- Monat1885-09
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.09.1885
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Nkdarlion nni Lrvrdition Iodannesqasse 8. Sprechliiin-rn drr Nrdaclion: Vormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 5—6 Uhr. Üllr dt« NU<i,ad, ew-^ondlcr M«nuicr,»t« »«cht »« »ti»«ciu>, nicht »rrdindtich. «nnatzme der skr »te «rchfts«l>e»d» Nu«»er drstimmten Inserate an Wochentage» bis 3 Uhr Nackmtttaa-, an Tonn- und Aefttagen früh bi« ,.S Uhr. 2» -rn Filialen für Ins.-Ännahme: Ltto Klemm, UniversitSiSstraße 1. Lonis Lösche, Katharinenstr. 23, p. nur dtS '/,8 Uhr. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage IS,IVO. ^lioiinemenlspreis vienelj. 1'/, Mk. incl. Bringenodn 5 Mk.. durch die Post bezogen 6 Mt. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Pi. Gebühren iur Extrabeilage» (in Tageblatt-Format gesalzt) ohne Pvnbeiörkerung 30 Mk. o«tl PoNbeiorderunq 48 Mk. Inserate ffqkipaltenk Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut uni. Preisverzeichnis. TaueUarlicher u. Zifferniatz nach höherm Tarij. Urclamrn unter dem RedaclionSstrich dielgelvalt. Zeile 50 Ps., vor den Jami lien Nachrichten die ilgeipaltene Zeile 40 Pi. Inserate i>nb neis an die irypeSition za lenden. — Rabatt wird niwl gegeben. Zahlung pra--mnn>'r.«wio oder Lurcy Post- aacunadme. 250. Montag den 7. September 1885. Amtlicher Theil. Vtkamilmchun-. Wegm vorzunchmenver Pjlasterungsarbeiten wird die zwischen der Atexanderstraßc und dem Westplatze gelegene Strecke der Lolonoadenstrafte von Sonnabend den S. d. M. ab für allen «nbe- fugten Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 4. September 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. I)r. Grorgi. Hennig. Ermittelung über die gewerbliche Arbeit an Sonn- nnd beklagen. Bon den in Au-sührung einer Verordnung deS königlichen Ministeriums versendeten Fragebogen ist eine größere Anzahl nicht wieder an »nS zurückgelangt. Damit du: angeordneten Erörterungen nicht lückenhaft bleiben, bitten wir um gefällige Zusendung der ausgefüllten*) Bogen bis spätestens de« 10. dss. Mts. Leipzig, den 6. September 1885. Die Gemerbekammrr. D. A. Oehler, Bors. Herzog, Secr. *) In gestriger Nummer war fälschlich „ausgestellten" gedruckt worden. Nichtamtlicher Theil. Die spanisch-deutsche Streitfrage. Die Stimmung der Spanier gegen Deutschland verschlech tert sich zusehends, daS hat der Angriff gegen da- Gebäude der deutschen Gesandtschaft und die Zerstörung dcS Wappens an demselben in Madrid gezeigt, aber die Regierung steht diesen Ausschreitungen feindlich gegenüber und hat schließlich die Oberhand über die Ruhestörer behalten. Dennoch ist die Lage ernst, denn cS fragt sich, ob die Armee fest bleibt und ob cL der Regierung gelingen wird, die begonnenen fried lichen Verhandlungen init Deutschland über die Carolinen- inseln glücklich zu Ende zu führen. Die deutsche Regierung ist bis zur äußersten Grenze der Nachgiebigkeit vorgegangen, indem sie ibre Bereitwilligkeit kundgab, sich dem Schieds spruch einer befreundeten Macht zu'unterwerfen, aber daS spanische Bolk läßt sich dadurch nicht zusriedensiellen. eS ver langt einfach den Verzicht Deutschlands aus die Carolinen. Davon kann natürlich nicht die Rede sein, nachdem die Schutzberrichast über diese Inselgruppe ausgesprochen ist. In Madrid brach Heller Jubel auS, als sich die Nachricht verbreitet, daß die spanische Flagge aus der Insel Dap gehißt worden sei. aber diese Nachricht war falsch, vielmehr ist ein deutsches Kanonenboot den von Manila abgesandten spanischen Kriegsschiffen zuvorgekommen und hat die deutsche Flagge auf ?)ap am Abend deö 24 August aufgepflanzl. Die Wirkung dieses Vorganges in Madrid war bekanntlich ein Angriff aus daS deutsche Gesandtschaftsgebäude und die Zerstörung deS deutsche» Wappens. Die Regierung befindet sich offenbar in einer schwierigen Lage, da die öffentliche Meinung sie zur Behauptung ihres ursprünglichen StandpuncteS drängt, welcher die Besttzsrage ru Gunsten Spaniens als entschieden betrachtet. DaS Ge schwader. welches von Manila ausbrach, um die Besitz, ergreisung der Insel Pap auszuführen, bandelte unzweifelhaft im Austrage der Negierung, um eine Tbatsache zu schassen, welche die Streitfrage kurzer Hand im Sinne der spanischen VolkSverlretiiiig entschied. DaS Mittel war aber der Art gewählt, daß die Lage Spanien- wesentlich verschlechtert wurde, wenn seine Anwendung mißlang. Eine Besitzergreifung ist nur in dein Falle möglich, wenn der Besitz noch nicht ausgeübt worden ist, die Äushiffung der spanischen Flagge aus F)ap würde also bestätig! haben, daß Spanien sich vorder noch nicht im Besitz der Insel befand. Dieser Act ist von deutscher Seile verhindert worden, also ist Spanien auch der Schein eines Rechtes auf die Carolinen entzogen worden, denn daS Recht war bereits verwirkt, nachdem die deutsche Schutzberrschast über die Carolinen verkündet war unter gleichzeitiger symbolischer Besitzergreifung der Inseln an Ort und Stelle. Der Protest der spanischen SchiffScommandanten «ft unter diesen Umständen völlig wirkungslos, und eS ist klar, daß Deutschland jetzt den unbestrittenen Besitz aus den Carolinen inseln auSübt, und daß dieser Besitz nur in dem Falle wieder aufgegrben werden kann, wenn die Macht, deren Schieds spruch sich Deutschland unterwirst, daS Urtheit fällt, daß Spaniens Rechte auf die Inseln älter und bester sind, als die deutsche». E,n solcher Schiedsspruch ist aber nach Lage der Sache sehr unwahrscheinlich, ja geradezu unmöglich. Nur im Bewußtsein ihres guten Rechte- konnte die deutsche ReichS- regirrung sich zu einem so wertbvollen Zugeständniß an Spanien versieben, und lediglich die guten Beziehungen, in welche» beide Länder bisher zu einander gestanden hatten, konnten dazu die Handhabe bieten. In dieser Hinsicht dürfen wir der Entwickelung der Streitfrage also ruhig entgegen setzen. Aber di- Gefahr, welche die Frage birgt, liegt aus spani scher Seite und zwar besteht sie darin, daß die Krone AlsonS XII. bedroh! erscheint. Die bisherige große Zurückhaltung, welche Deutschland dem ungebührlichen Betragen der Spanier gegen über bcw.elcn hat, stammt auS dem Strebe», dem unS besreuiiceleu König AlsonS keine Verlegenheiten zu bereiten, seine» Th>on ,u befestigen, statt ihn zu erschüttern, um Spanien der Macktspöärr Frankreichs zu entziehen. E« ist sicherlich richtig, daß inan die Streitfrage in Spanien mit ganz anderen Augen betrachten würde, wenn nicht die Fran zosen snsreiiiatisch gehetzt ballen. Frankreich bat ein nahe liegendes Interesse daran, baß König AlsonS vertrieben und die Republik >u Spanien auSgerusen wirb, Venn eine republi kanische Regierung würde die Sache Frankreich- führen, während König AlsonS mit Deutschland sympathisirt. Die Abreise de- Marschalls Eerrano au- Biarritz nach Madrid wird von der „France" dahin gedeutet, baß er sich an die Svitze der Partei stellen wird, welche den Sturz de- König- und de» Krieg gegen Deutschland aus ihre Fahne ge- schrieben bat. DaS kann richtig sei», weil Serrauo ein ehr geiziger Mann ist, der jede Gelegenheit benutzt, um sein Licht leuchten zu lasten, aber e- ist sehr unwahrscheinlich, weil der Marschau dann jede« Unheil über Thatsachen eingebüßl haben müßte. Daß Spanien Deutschland auch zur See keineswegs gewachsen ist, beweist die Uebersickt über die panische Flotte, welche wir unseren Lesern vor einigen Tagen gegeben haben und daß ein deutscher LandungScorpS mit Spanien bald fertig werden würde, dürfte auch kaum einem Zweifel unterliegen. Uebcrbaupt kann von einem Landkrieg zwischen Deutschland und Spanien im Ernst gar nicht die Rede sein, dazu fehlt es an jeder Beranlasiuiig und ohne Noth würde Deutschland zu einer so weit von der Regel ab weichenden Politik niemals greisen. Bis zur Politik der Abenteuer haben wir eS noch nickt gebracht und werden wir eS auch nicht bringen. Vorläufig »st die Cbre Deutschland- durch die spanische Regierung selbst gewabrt, sie hat die Person unsere- Gesandten geschützt und die Missethäter, welche daS deutsche GesandtschaslSgcbäude angegriffen, verhaftet, daS Uebrige können wir rubig abwarten. Sollten spanische SchisfScoinmaiivanten so thörichl sei», deutsche Kriegsschiffe anzngreisen, so würben sie die Folgen zu tragen haben, ein Krieg zwischen Deutschland und Spanien würde darum nock lange nicht nothwentig sein. Wir pflegen nicht, unbedeulenve Dinge über Gebühr zu vergrößern, wir schlagen unS nickt mit all' und Jedem herum. Wenn Frankreich eS ür zweckmäßig erachten sollte, die Ansprüche Spanien- aus die Carolinen gegen Deutschland mit den Waffen in der Hand zu verfechten, so bleibt ihm DaS unbenommen, für so unbesonnen halten wrr aber selbst die Franzosen nicht, daß sie fick zu einer solchen Donquickoterie nach den Erfahrungen der Jahre 1870 und 1871 entschließen sollten. Daß sich in Spanien die unruhigen, zum Umsturz bereiten Elemente gern dieser Gelegenheit bedienen würden, um dem Königlhum den Garaus zu macken und die Republik oder die Anrechte an ihrer Stelle zu setzen, gehl auS Allem her vor, daS genügt aber noch nicht, um einen großen Krieg zu entzünden. Es ist der spanischen Regierung bis dahin ge lungen, die revolutionairen Bestrebungen in der Hauptstadt wieder herzustellen, in Barcelona hat die Armee bewiesen, daß sie fest zu König AlsonS steht, in Cadix hat sogar die Bevölkerung gegen die Socialistcn, welche sich alS Anhänger Zonlla'S zu erkennen gaben, Partei ergriffen. DaS sind günstige Zeichen dafür, daß eS König AlsonS gelingen wird, auch den gegenwärtigen Sturm, welcher sich gegen ihn er hebt, zu beschwichtigen. Die Carolinensrage war für hi spanischen Republikaner und Anarchisten ein willlommener Borwand, um ihre Wünsche zu verwirklichen, möge eS der spanischen Regierung glücken, die gegenwärtigen Schwierig keiten zu überwinden, dann wird sie auS der Krisis neu ge festigt hervorgehcn, und sie wird sich dann voraussichtlich für längere Zeit Ruhe geschafft haben. Die Carolinen, die u»S rechtmäßig gehöre», geben wir aber auf das wüste Geschrei der spanischen Republikaner und Anarchisten nicht ohne Weiteres wieder heraus und für den unS in Madrid an- gethanen Schimpf erwarten wir volle Genugthuung. * » « AuS Spanien liegen noch folgende Meldungen vor: * Madrid, 5. September. (W. T.-B.) Die Minister machten gestern dem in La Granja weilenden König telephonische Mit- theilung von den Vorgängen in Kap, der König wird einem heute stattfindenden Miniftcrralhe präsidiren. * Madrid, 5. September. (Englische Meldung). DerMarine- min» st er hat telegraphisch den Gouverneur von Kap, Lavrile«, so wie de» Lommandanien der spaniichen Kriegsschiffe abqeseyt und den Proceß gegen sie angeordnet. Die Lage in Madrid ist in hoben» Grade kritisch. Der „Standard" erfährt, Spanien habe endgültig und entschieden den Vorschlag Deutschland-, die Larolinensrage dem Schiedsspruch einer befreundeten Macht zu unterbreiten, abgelehnl. Nach einer Depesche dagegen, die französischen Blättern vom 3. d. von der Grenzstation Hendahe zugegangen ist, fordern die spanischen liberalen Blätter vom Ministerium die sofortige Einberusung der Cortes sür den Fall, daß Deutschland dabei beharre, Spanien den freie» und vollen Best» oller Larolineniaseln zu bestreiten; man könne dann die Rcchtssragc diSculiren. * London, 5. September. (Nationalzeituug.) Nach hier auS Madrid eingeN offenen Nachrichten erreichten die spanischen Kriegs schiffe die Insel Kap am 21. August und bereiteten sich vor, die Insel in Besitz zu nehmen. Ein deutsches Kanonenboot tras am 24. August ein, landete sosort Marinesoldaten und Matrosen und hißte die deutsche Flagge aus. Die Spanier protestirten und tele- graphirten nach Madrid um Instructionen. Aus Kap wurde ein Zusammenstoß besürchtet. In Madrid ist der Ministerrath zusammen- berufen; der König trifft morgen dort ein. Die Nachrichten ver ursachten in Madrid große Aufregung: der wüthende Pöbel griff das deutsche Gesandtichastshotel an, ritz da- Wappen herunter und verbrannte dasselbe vor dem Hotel des Ministers des Innern unter dem Ruse: „Nieder mit Deutschland!" Die Menge zog dann vor die französische Gesandtschaft und bracht« dieser eine Ovation dar. Cs wurden Truppen ausgeboten, um die Straßen zu räumen. Die Meng« zog sich langsam zurück. Die Sltuation ist sehr erust. Wir geben nachstehend einige A eußerungen der Presse wieder, weiche mit diesen Vorgängen im Zusammenhänge stehe» Die ossiciöfen „Berliner Politischen Nach richten" schreiben: Die über London nach hier gelangten Nachrichten von deutsch- seindlichen Ausschreitungen des Madrider Pöbels vor dem deutschen Gesandtichastshotel werden uns bestätigt. Nähere Einzelheiten deS Hergangs mitzutheilcn sind wir nicht in der Loge; da« Bekam», gewordene reicht aber auch völlig hin, um klar zu machen, bis zu welchem Grade die Leidenschaften des großen Hausens entflammt sind. In Deutschland, wo man im Vertrauen aus die Politik de» Reichskanzler« nach wie vor in der Angelegenheit der Carolinen durchaus ruhig und gelaffen denkt, sucht man ver> geben! »ach neuen Beweggründen sür die gesteigerte Exaltation der spanischen BolkSstimmung. In der bloßen Lyalsache. baß seiten- de- Commaudantcn eines deutschen Kriegsschiffes die Flagge aus einer zur Carolinengruppe gehörigen Jasel gehißt worden, dürste ein solcher Beweggrund umsoweniger zu erkennen sein, als den» doch die deutsche Politik nicht von den Commandanten der in See befindlichen Kriegsschiffe, sonder» in Berlin gemacht wird und cS puklicj zurie ist, daß wegen der Carolinen-Affaire diplomatische Verhandlungen zwischen Berlin und Madrid im Zuge sind Und daß letztere schon jetzt zu irgend einer Entscheidung geführt hätten, die den neuestens verübten BuSichceitanqe» des svanilcheu Pöbel» auch nur einen Schalten von Berechtigung verleihen könnte, davon ist bi- zur Stunde nicht dasMindefte bekannt. Wenn also demnach keinerlei neues Moment »» der Entwickelung der ichwcocnten Angelegenheit zur Geltung gekommen ist, io bleibt nur die einzige Annahme alS plausibel übrig, daß die Laroliuensrage nur den Vor wand für die inspirirte Bewegung bildet, letztere aber in Wahrheit nichts Anderes darstellt, als einen Ansturm der spanischen Radicalen aus die Monarchie und die bestehende Ordnung über Haupt. Unter solchen Umständen bleibt im deutschen Volke nur der Wunsch rege, dag e« der spaniichen Regierung baldigst gelingen möge, deS Tau- mel«, der die Mafien ergriffen hat, Herr zu werden und so, durch Beseitigung der wahren Ursache der radicalen Bewegung, auch die > Wirkungen zu paralysiren, die da- Berdältniß beider Nationen > stören sollen, in erster Linle aber ihre Spitze gegen da- spanische I Königlhum selbst kehren. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bemerkt: Es kann kaum au-bleiben, daß die Nachrichten, welche aus tele graphischem Wege über die Scene» nach Deutschland gelangt sind, deren Schauplatz am Freitag Abend die Hauptstadt Spanien-, und deren Zielpunct namentlich Vas Gebäude der deulschen Gesandtichast und dessen unmitlelbarste Umgebung gewesen ist, eine gewisse Er- regung in dem Geiste der deutschen Leser Hervorrufen we-den; vor Allem dürfte ein hoher Grad von Verwunderung platzgrcisen, da in den Augen jedes Unbefangenen der ganze Verlaus der Carolinen- Angelegenheit bisher kein Moment geboten hat, aus welchem da» zügellose Treiben der Madrider Tumultuanten sich erklären ließe. Aber derlei Vorgänge wollen nicht nach den erste» Eindrücken be- urtheilt werden. Es giebt im Leben der Völker Augenblicke, in denen selbst eine kräftige Regierung, wie z. B. die preußische, sich vorüber gehend außer Stande sehen könnte, Ausschreitungen, wie Brand- stiilung oder Sachbeschädigung, zu verhüten. Im vorliegenden Falle wird hoffentlich, wenn »ichl aus anderem Wege, doch jedenfalls durch die gerichtliche Untersuchung, klargestellt werde», was sür Leute cS waren und von welchen Impulse» geleitet» die zu jedem Mittel greisen, um Feindschaft zwischen Deutschland uud Spanien zu stiften. Die „Nationalzeitung" schreibt: WaS die Beleidigung der deutschen Gesandtschaft in Madrid be trifft, so wird auch ein solcher Pöbel-Exccß an der ruhigen Haltung nichts ändern, welche man in Deutschland von Anfang an und bis jetzt in der ganzen Angelegenheit beobachtet hat. selbstverständlich vorausgesetzt, daß alsbald von der Madrider Regierung Namens de» spanischen Landes, unter Bestrafung der Schuldigen, volle Genug- thuung gegeben wird. Nach den letzten Madrider Telegrammen hat es den Anschein, daß die Autorität der Regierung zunächst so weit hcrgestellt ist, um ihr dies zu ermöglichen. Wird keine ausreichende Genugthuung gegeben, so bezweifeln wir nicht, daß die deutsche Regierung die diplomatischen Beziehungen zu Spanien abbreche» wird. Auch sür diesen Fall können selbstverständlich die in der spanischen Presse auftauchenden Andeutungen von KriegSrüstungci» nur die Satire herauSsordern. Wenn man in Frankreich — wie eS der Fall ist — zur Zeit kein Verlangen nach einem Kriege mit Deutschland trägt, so wird man dort auch durch die Aussicht aus eine Allianz mit Spanien nicht zu einem solchen Kriege verlockt werden; die neuerdings sehr kühle Haltung selbst der chauvinistischen französischen Presse gegenüber Spanien beweist dies zur Genüge. Ohne Frankreich zu pafsiren, müßte eine spanische Armee aber, um nach Deutschland zu gelangen, durch die Lust fliegen, und das dürften , di>> Nachkommen Don Ouixote's nicht zu Stande bringen. Dagegen würde der Abbruch der diplomatischen Beziehungen die Folge haben, daß die Carolinen ohne weitere Verhandlungen deutsches Eigcnthuin bleiben; die nämliche Folge muß natürlich ein- trcten. wenn auch nach erfolgter Leistung der Genugthuung sür den Angriff auf die deutsche Gesandtschaft die spanische Regierung aus die schiedsrichterliche oder eine andere freundschaftliche Austragung des Streites nickt eingehen will oder kann. Nach dem Londoner „Standard" soll sie bereits den Vorschlag des Schiedsgericht- definitiv abgelehnt haben. DaS „Berliner Tageblatt" äußert sich dabin: Wie die Dinge zur Zeit liegen, ist keinen Augenblick daran zu zweifeln, daß die Regierung des König- AlsonS, so lange sie selbst noch die Gewalt in Händen hat, sich sosort bereit finden wird, dein beschimpftet» deutschen Wappen jede Genugthuung zu Theil wenden zu lasten, die wir erwarten dürfen. Anders aber steht die Sache, wenn die wachsende Hochflnlh der Revolution den König und sein Haus rücksichtslos hinwegspült, wenn die Republik in Spanien triuniphirend ihr Haupt erhebt und die Freunde der sranzösischen Revanchehelden mit starker Hand die Gewalt an sich reißen: dann erst werden wir vor der ernsten Frage stehen, wie sich in Zukunft unser Verhältniß zu einem Lande gestalten soll, dessen geographische Veranlagung es uns allerdings leicht macht, kostbare Pfänder sür jede verweigerte Genugthuung mit Beschlag zu belegen. Daß das deutsche Volk nicht geneigt sein wird, Leulen, die sich offen als seine erbitterten Gegner bekennen, die dem deutschen Namen und Wappen angethane Schmack leichtherzig zu vergebe», dasür bürgt die Geschichte unseres deutschen Einheit-Werkes, dafür bürgen die Kämpfe, durch welche wir das Reich allen gegen uns verbündeten feindlichen Gewalten kühn und mulhvoll abgetrotzk. Aber freilich, die Lehren der Geschichte scheinen für alle Nationen eher geschrieben, als für die Spanier des 19. Jahrhunderts. Die „Nationalliberale Correspondenz" bemerkt: Die Nachrichten aus Spanien lauten heute überaus ernst. Bei der Besetzung der Insel Kap, der größten der Carolinen, ist eS zu einem Zusammenstoß zwiichcn einem spanischen und einen» deutschen Kriegsschiff gekommen, der zum Glück nicht blutig wurde, doch aber die Situation zu einer sehr ernsten muckt. Und, was viclleichi noch schlimmer ist, aus die Kunde davon ist es in Madrid zu Pöbcl- excessen und Beschimpfungen gegen die deutsche Gesandtschaft ge- kommen, sür die unsere nationale Ehre Genugthuung wird fordern müsse». In Spanien sind alle Faktoren, Regierung, Volk, Presse in dieser an sich geringsügigen Streitfrage mit einer Leidenschaft, einem Fanatismus und einer Gehässigkeit vorgegangen, welche noth- wendig zu Ausbrüchen fükren mußten, wie sie jetzt staltgesunden haben, und eine gütliche Verständigung, die bei ruhigem Blut gcw ß aus keine großen Schwierigkeiten hätte stoßen können, außerordentlich erschweren. Zu dem wilde» lärmende» Treiben, welche» in Spanien anläßlich dieses Larolinenstreits zum Ausbruch kam, stand die Ruhe und Gelassenheit, man könnte säst sagen Gleichgiltigkeit, womit mun in Deutschland der Angelegenheit gegcnüberstand, in bemcrkeiis- wertbem Gegensatz. Dos Vertrauen in die Leitung unserer aus wärtigen Politik und die allgemeine Uebcrzeugung, daß es wegen eine» so geringsügigen Gegenstandes zu einem ernsten dauernden Zerwürsnitz »wischen zwei großen Nationen doch nicht komme» werde, erklärten diese ruhige Auffassung der Sachlage »n Gegensatz z» der Ausregung der heißblütigen Spanier, bei denen zu einem krankhaft ausgereizten nationalen Ehrgefühl noch mannigfache Motive aus der inneren Situation und den Parteikämpsen des Landes huiznkame». Man wird auch heule trotz der sehr ernsten neuesten Vorfälle noch hoffen dürfen, daß eS nicht zum Acußcrsten kommt, und unsere Regierung wird auch jetzt gewiß des aller Festigkeit ihre oft bc- währte Mäßigung zeige». Daß indcffen di« Situation durch das hitzige Blut der Spanier zu einer sehr kritische» geworben ist, läßt sich nicht verkennen. Leipzig, 7. September 1885. * Man erwartet nach Beendigung der Festlichkeiten in Wilhelmshaven in Anlaß dcS Stapellauf'S deS Ersah- schifseS sür „Victoria", welches von der Frau Erbprinzess», von Sachsen-Meiningen gelaust und „Charlotte" benannt wurde, eine amtliche Mittheilung über die Kreuzer-Corvette „Augusts". ES ist nunmehr auch der letzte Hoffnungs schimmer verschwunden, daß die Corvelte »och irgendwo wieder austauchen könnte. Die jetzt durch die Zeitungen gehende Antwort der Marinestation der Ostsee aus eine An. frage aus Schlesien ist veraltet; die Marinestation hält sich, wie die- bei affen biSberigen amtlichen Aeußerungcn in der Sacke der Fall gewesen ist, genau an den Wortlaut der bekaiinlen halbamtliche» Mittbeilung >m „Reichs-Anzeiger". Heute wird Niemand mehr behaupten, eS liege kein Grund zu der An nahme vor, daß die „Augusta" ihr Ziel (Albany) nicht erreichen werde, vielmebr ist eS die feste Ueberzrugung, daß daS Schiss verloren ist. Gewißheit fcblt ja aber auch noch in dieser Slunde. und eS kan» nur die Frage sein, ob eS möglich ist. eine solche zu gewinnen. Wir zweifeln nicht daran, daß die Admiralität sehr genau erwogen hat. ob ei» Suchen nach dem Schiffe oder nach seine» Trümmer» irgend einen Erfolg versprechen könnle, und es ist fcbr wohl möglich, daß Be schlüsse gefaßt und Anordnungen getroffen worden sind, aber bekannt geworden ist darüber biSber nichts. Es sieht deshalb, wie gesagt, zu erwarten, daß demnächst eine neue Kundgebung binsichtlich der „Augusta" im „Reichs-Anzeiger" erfolgen wird. Die Besatzung iür die „Augusta" (einschließlich der Ab- lvsungsmaiinschaflcn für „Gneisenau", „Albalroß" und „Hyäne") ist zur Hälsle von der Nordseestalio» und zur Hälfte von der Ostieestatio» gestellt worden. Kieler befinden sich 31 an Bord. * Nach der „Magdeburg. Zeitung" hat sich der Vorstand der nationalliberalen Partei in Magdeburg in einer mit einigen Vertrauensmännern abgehaltenen Besprechung der bevorstehenden LandlagSwahlcn einstimmig dahin schlüssig gemacht, von einer Wiederwahl deS deutsch frei sinnigen Abgeordneten Herrn Bückte», a»n abzuschcn, vielmehr die Wahl von zwei uationalliberalen Abgeordneten anzustreben. Wer »eben dem bewährten nationalliberalen Abgeordneten Herrn Stadtrath Gaertner ausgestellt werden wird, bleibt der wetteren Bebandlung der Sache Vorbehalten. Zunächst wird der Beschluß des Vorstandes einer öffentlichen Versamm lung der Parlciinttglicder unterbreitet werden und ist zu diesem Bebuse eine Versammlung der Mitglieder der dortigen nationalliberalen Partei sür Mitte September in Aussicht genommen. „Wir halten unS sür ermächtigt — schreibt weiter die „Magdcburgische Zeitung" — und zwar mit Bedauern auösprcchcn zu dürfe», daß von der in weiten Kreisen gern gesehenen Wahl uuscreS Mitbürger-, des Herrn Stadtrath- Duvigneau aus Geiundhettsrücksichten abgesehen werden muß; es würde sonst diese Eanditcttur neben derjenigen de- Herrn Gaertner eine vielseitige Zustimmung finden." * AuS München gebt der „Bossischen Zeitung" solgende- Privatlelegrnmm zu: „Verläßlich verlautet, daß in den letzten Tagen ein Min ist errätst stattgcsundcn habe, m welchem über die Regelung der Eiviffiste des Königs uud über die Frage verhandelt wurde, ob und in welcher Form die An« gelegenheit vor den Landtag gebracht werden könne. Ein B schluß scheint nicht gesagt worden zu sein. Die Be sprechungen der Minister seien vom Könige selbst veranlaßt worden. Der Landtag ist osfieieff aus Dienstag, 29. Sep tember, einbcrufen." * >» » * Die „Kreuzzeitung" bemerkt, daß die Mittheiluna der „Nvwoje Wrcmja", wonach „die Bewohner von Liv-, Esth« und Kurland" um Bestätigung ihrer Privilegien gebeten bc.bcn, aber abschlägig beschieden worden sind, in dieser Form kaum richtig sei» kann. „Erstens kommen hier nickt die „Bewohner" in Frage, sondern die Ritterschaften und Städte, welche im Jahre 1710 mit Rußland Capitulalioncn ab- geschlosscu haben, die »n Nyftädlcr Frieden von 172l bestätigt wurde»; sodann aber ist nicht, wie eS nach dem Wortlaut de- ArtikelS de» Anschein bat, ncuerdingS um Bestätigung der Privilegien gebeten worden, joiibern, wie vor Jahren üblich, gleich »ach der Tbronbesleigung Kaiser Alcxander'ü III. Daß die abschlägige Antwort erst jetzt erfolgt ist, mag sein; eS würde daS zu der ganzen Lage sehr gut paffen. Im Uebrige« aber muß man stets i»> Auge"behalten, taß die russische Presse gewobnt ist, Tinge, die ihr wünschenswert!» sind, als voll brachte Thatsacke zu melden; und gerade die „Nowoje Wremja" besitzt aus diesem Gcbiclc außerordenNichc Uebuug. In diesem Sinne hat sie kürzlich auch die Beseiligung der Sonderstellung Finnland» angeregt, von der vorläufig jedenfalls noch keine Rete ift. wenn die Ausrechterhallung dieser Stellung mit der gegenwärtigen russischen Stacttsraison grundsätzlich auch nicht mehr vereinbar scheint." * Man schreibt unS auS Brüssel vom 4. September: „Dem früheren Iustizmiiiister und Führer der Klerikalen, Woeste, ist eine recht »uangciiehnic Geschickte passirt. Man erinnert sick deS Aussehen machenden Ruiitschrcihens vom 7. Juli v. I., durch welches der damalige Iustizmiiiister auS eigener Machtvollkommenheit die gesetzliche Giltigkeit der Teslamenlsklauscln verfügte, nach welchen durch Schenkungen Bedachte am TodcSkage des Erblassers der Messe beizuwohncn haben. Unter liberaler Herrschaft waren diese testamenta rischen Bestimmungen niemals zur Ausführung gebracht worden, weil nut dem Art. 15 der belgischen Eonsiitulicn >»i Widerspruch stehend, nach welchem eS verboten ist, einen LandeSangehörigen zu irgend welcher EnlkuSbaiidliing zu zwingen. Von den Liberalen wtirde die Wocste'fche Ver fügung in der schärfsten Weise angegriffen, von den Ullrauiolitanc» selbstverständlich alS eine Heldeiilhal ge priesen. Jetzt erleb! nun Herr Woeste den Schmerz, daß sein Nachfolger, der gleichfalls klerikale, aber weil mäßigere Iustizniiiiister De Volber, jene Verfügung vom 7. Juli l884 gelegeullick eines Slreilsallü über die Hiulerlasseuf'chait einer frommen Dame in Löwe» kurzer Hand wieder ausi-eöt mit Hinweis aus die Ungesetzlichkeit solche» Zwanges und dem Zuiügen, daß ein solch letzlwillig auSgedrücklcr Wunsch nie rechtliche Sauction erhallen könne. Dem Iusiizininister wird diese Thal von der liberale» Partei hoch angercchnel, während den Klerikalen die Sache natürlich hockst unbequem ist. — Die allen päpstlichen Zuaven baben am Sounlag in Antwerpen unter dem Vorsitze deS Msgr. Sacrö, ebenialigcn Almoseniers des belgischen Bataillons, und des General- Ebarellcs ein Festmahl bei Anwesenbeil von angeblich 450 Personen abgehallen. Die Parleiblätler berichte» von begeisterten Toasten aus Papst, Kirche und Regierung. Migr. Sacr6 e»klärle unter lauschendcin Beifall, daß auf den ersten Wink des geliebten PapstkönigS die alten Getreuen zu seiner Verlhcldigutig herbeieilen würden." * Von einem italienischen Grünbuche über inter nationale Rechtshilfe wird der „Polnischen Eorrespon- benz" au- Rom, 1. Sepleniber, Folgendes berichtet: Tie italienische Regierung hat soeben ein Grünbuch der -Oeffenilichkett übergeben, w.lchcs Locumem über llnteihandlungen der italienisch?» Regierung not den auswäriigcn Cabmetten über die Vereinbatling inieciialionale» Normen iür die rechtliche Stellung und Bebandlung von Ausländern cnlhäll und sich vom Jahre 1881 bis z»»i Jahre 1885 erftrecki. CS müsse» tu der Eniwickelung dieser Unterhandlungen zwei, auch sachlich von einander geschiedene Perioden sestgestellt werde«. Der Gegenstand der UnierdauLIungeu während der ersten Periode
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite