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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188509182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850918
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850918
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-09
- Tag1885-09-18
- Monat1885-09
- Jahr1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1885
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<?rscktint täqlicb früh 6'/, Uhr. Nr-artion und LkprLition IohanneSgast'e 8. Lprrchffiniöen der Urdartion: Vormittags 10—12 Uhr. Nachmittags b—6 Uhr. v»n tl« SUaigac, «uijrjankier Li-iuncrcht« »acht Ach t» i!.cL,<l>»n midi »eidmti^. Annahme 0er sur Sie nächstsolOe«»e Nummer bci»»i»ileii I»irr nie an Wochentage,, t»s 3 Uhr Nachmittags, an Lonn- »nS Festtagen srüh l»S '/,i> Uhr. I» iieu /iiiiileii für Jiis.-iXittlalimc: Otto tttciiim, UuiversnälSstraße 1. Louis Lösche, Kalharir.enstr. 23, p. »nr bis '/,:k Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage .Hionnemrntsprris vierlelj. 4' z MN. ncl. Bringenohn 5 Mk. durch die Pos! bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Ps Belegexemplar 10 Ps. Gebühren lür Extrabeilagen (in Tageblatt-Formal gesalzl) ohne Postbeiörderung 30 Mk. » »tt Lostbesorderung 48 Mk. Inlrrntr 6gejpaltrne Pctitzeile 20 Ps. Gröbere Schriften laut uns. Preisverzeichnis Tabellarischer u. Zifferuiatz nach höherm Tarif. Lkllamrn unter dem Redactionsstrich die-1 gespalt. geile 50 Ps., vor den F am i lien no ch ri cht e» die Sgespaltene Zeile 40 Pi. Inserat« sind siel» an die Kz.pe0ir>oil za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prnsoum'-rnixlo oder dura, P n- Nachnahme. Freitag den 18. September 1885. 79. Jahrgang. Amtlicher Theil. Dtkanntmachnng. Es ist bisher vielfach vorgekomiucn, daß Kehrsand vvn Lteiiinecy ÄLerkplsttzcn zur Bereitung von Mörtel ver wendet wird. Nach den aus unser Ersuchen Vvn der PrüfungSanstalt für Baumaterialien Abth. II der Staatslehranstaltcn zu Chemnitz angestellten Erörterungen ist jedoch jener Sand als ungeeignetes Mörkelniaterial zn bezeichnen, weil daS Kvrn ei» zu verschiedcnarkigeS ist und weil der gemischte, zum größten Theil mit Staub vermengte Sand nahezu doppelt so viel Wasser zur Erlangung einer geeigneten Mörtel- consisienz bedarf, als der Sand von Normalkorngröße. hier durch aber die Erhärtung der Mörtelinasse sehr verlangsamt, nnverhältnißmäßig viel Feuchtigkeit in das Mauerwerk ge bracht und das AnStrocknc» desselben erschwert wird. Es wird deSbalb die fernere Verwcudung deS auö dem Eingangs bezcichnetcn Sande hcrgcstellten Mörtels Bauzwecken hier durch mit dem Bemerken untersagt, dag Zuwiderhandelnde (Bauherren, sowie Bauleiler) eine Geldstrafe bis zu 60 oder entsprechende Haflsirafe zu gewärtigen, eventuell auch daS ordnungswidrig cniegcfiihrlc Mauerwcrk wieder abzu- lragen haben werken. Leipzig, den 7. September 1885. Der Nath der Ltadt Leipzig. Pr. Georgi. Wilisch, Ass. Mranntmalliuttgl AuS Anlaß der zur Zeit in einer gewerblichen Branche stattgesundenen Arbeitsciuslcllung ist eS in den letzten Tagen mehrfach vorgekomnie», das; si>t> vor den betreffenden Elablifle- mcnts aus öffentlickcr Ltrahe Personen aufgestellt haben, u,n die fvrtarbeitendeu Arbeiter zur Tdril- »atime an» Ltrike zu überreden. Im Interesse der Verkehrssicherheit kann dies unter keinen Umständen geduldet werden und habe» daher Diejenigen, welche jorlan derartige Handlungen begehen oder den Weisungen der zur Ausrecbt- erhaltung der Ordnung ausgestellten SicherheitSveamten nickt sofort Folge leisten, ihre Bestrafung gemäß L. 366'" des N.-St.-G.-Bs mir Geld bis zu ttv Mark ober Hast biS zu 14 Tagen zu gewärtigen, vorbehäillich einer etwa verwirkten härteren Bestrafung au- Z. 116 de« R.-St.-G-Bs. oder tz. 153 der Gewerbeordnung. Leipzig, am 16. September l885. DaS Pulizeianit der Ttadt Leipzig. Bretschneider. Nichtamtlicher Theil. Spanien und Marokko. Frankreich hat in diplomatischer Beziehung von Rußland gelernt, denn eS benutzt fremde Streitigkeiten, um längst ge hegte Pläne auSzussihren. Rußland zerriß den Pariser Ver trag, als die Deutschen vor Paris lagen, und marschirte über Meriv nach dem Zulfikarpasse, als England gegen den Mahdi lämpsle Frankreich hat die deutsch-spanische Verwickelung für den geeignetsten Zeitpunct erkannt, um die Oase Fignig von Marokko zu erwerben. Schon vor einem Jahre, als der fran zösische Gesandte in Tanger, Ordega die Komödie mit dem Scheich aussührte, dessen angeblich durch den Sultan von Marokko verletzte Rechte er gegen diesen vertrat und mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen drohte, war der eigentliche Zweck die Vereinigung eines Theiles von Marokko mit Frankreich, aber weil Spanien und Italien großes Geschrei erboten und die französische Regierung nicht wußte, wie sich Deutschland zu der Sache stellen würde, rief sie Ordega aus Tanger ab und hielt den ststub ijuo »nts aufrecht. Jetzt liegt der Fall günstiger. Spanien ist durch die Earolinenfrage mit Deutschland aus gespannten Fuß geratben. und Frankreich glaubt deshalb getrost im Trüben fischen zu können. Spanien hat ans den französischen Schachzug mit der Verstärkung der Hasen- besestigungen von San Sebastian und mit Borbereitungen zum Kamvse an der marokkanischen Küste geantwortet. Darum also die Aufhetzung der Spanier gegen Deutschland, welche die französische Presse aller Parteischattirungen beim AuSbruch deS Streites betrieb. Der spanische StaalSkarren sollte durch Anfachung der Parteigegcnsätze und der Animosität gegen Deutschland vollständig seslgefabren werken, damit Spanien jeden Widerstand gegen die VergrößernngSpläne Frank reichs an der Küste deS MittelmccreS aufgäbe. Spanien scheint diesen Angriff aus seine Interessen aber nicht so leicht biiinebmen zu wollen, sondern eS rüstet sich mit unverkenn barem Eifer zur Gegenwehr. Vielleicht stehen die Rüstungen Italiens, von denen vor Kurzem berichtet wurde, die man aber schleunigst ableugnete, damit »n Zusamineiib iiig. Italien hat seit langer Zeit Absichten aus die Erwerbung von Tripolis und ist ent schlossen, sich diesen Tbcil der .Küste des MittelmecreS nicht cdciffo von Frankreich vor der Nase wegschnappcii zu lasten, wie das mit Tunis geschehen ist. Wahrend ganz Spanien sich gebcrdct, als ob eS von der Tarantel gestochen wäre, weil Deutschland seine Handelönieverlassungen aus den Karo- lineninseln unter Reichsschutz stellt, droht Spanien in un mittelbarer Näb? von dem stammverwandicn Frankreich eine wirkliche und sehr fühlbare Schädigung seiner werth- vollsten Lebensbedingungcn. Natürlich wird Frankreich, wie daS ja in solchen Fällen üblich ist, jede derartige Auslegung seiner Handlungsweise n'it Entrüstung von sich weise». Die Erwerbung von Fignig war längst abgemacht, bevor »och an die Streitfrage wegen der Karolinen zu denken war. Mag sei», aber die Ein leitungen zu dieser Abtretung waren bcrcilS vor langer Zeit getroffen. Frankreich nahm jedoch davon Abstand, die Sache zum Abschluß zu bringen, weil Spanien und Italien Ein spruch erhöbe»; letzt ist Ilalieu an der Küste deS Rolben Meeres beschäftigt, sein« auswärtige Politik hat überhaupt eine Wendung genoniineu, welche b«i seine» niitleleuropäiichen Derbündelcii keine Zustimmung gesunden hat, also ließ sich gar keine bessere Gelegenheit zur Ausführung der längst betriebenen Angelegenheit denken als die gegenwärtige gespannte Lage, welche Spanien deS mächtigen Schutzes Deutschlands beraubt und Italien, welches sich vo» dem Zusammengehen mit dem Dreibund lcsgcsagt hat, gleichfalls sich selbst überläßt. Volk und Regierung in Spanien haben ihre Kurzsichtigkeit in der auswärtigen Politik in den letzten vier Wochen in ganz beschämender Weise dargethan; sie zeigten, wie sehr sie von Deutschland überschätzt worden waren, und wähnten sich Vvn dieser Macht, die seil einem Jahrzehnt zu ihren besten Freunden gehört, verletzt. Da kamen die Vettern und Basen aus Frankreich und trösteten die so schwer beleitigle Ver wandle, die mächtige Republik suchte der obninächligen Monarchie klar zu machen, daß sie nur ihren König sort- zujagen brauche, um desselben Glückes tbcilhastig zu werden wie die vom Schicksal begünstigte Republik. Unv während die Spanier noch darüber nachd'achlen. wie sie die Wandlung am besten inS Werk setzen könnten, da zeigte die Katze auch chon die Krallen und nahm der betbörlen Verwandten Das weg, was sie atS ihr angestammtes Eigentkui» betrachtet. Marokko, für die Karolinen! So lautet der Beschluß Frank reichs, und Spanien sieht sich dadurch qcnölhigt, gegen dcn mißachteten Freund und gegen den vermeintlichen Freund, aber ganz plötzlich und unerwartet in den schlimmsten Feind ver wandelten Nachbar die KriegSrüstung anzulegen. Und während Frankreich an Spanien Vcrrath übt, hetzt der „TempS", daS nit den französischen ReaierungSkreisen in nahen Beziehungen sehende Blatt, die Spanier fort und fort gegen Deutschland, dessen Regierung eS Schuld aiebt, gegen Spanien einen gönner haften Ton anzustimmen. Wenn der„TempS" aufrichtig sein wollte, dann müßte er vielmehr zugesteke», daß Deutschland Spanien die Wege zur Freundschaft Frankreichs zu ebuen bestrebt ist, damit Spanien erkenne, waS Liese Freundschaft Werth ist. In der That liegt die Sache so, daß sich Regierung und Volk in Spanien mit Hilfe Frankreichs, welches seine guten Dienste in dieser Beziehung unaufgefordert mit vollen Hän den gespendet hat, sich gegen Deutschland ohne jeden ver nünftigen Grund in eine solche Verbissenheit hineingeeisert hat, daß eS jetzt schwer halten wird, es zur ruhigen und un befangenen Würdigung der Thatsachen zurückzuführen. Wenn Spanien einen Staatsmann besäße, so würde dieser erkenne», waS in der gegenwärtigen Lage das allein mögliche Mittel wäre, um die Folgen deS begangenen Fehlers abzuivcnden. Er würde Karolinen Karolinen sein lasten und schleunigst mit Deutschland Frieden machen, um sich Vesten Einfluß in der marokkanischen Frage zu sichern. Daß die deutsche Regierung ihre Aufmerksamkeit aus diese Verwickelung gerichtet hält, beweist die Zurückberusung de« neuernanntea Vertreter« in Narokko, Testa, nach Berlin, um ihm die erforderlichen Weisungen für die nächste Zukunft mündlich zu geben. E» versteht sich von selbst, daß Deutschland unter den obwaltende» Umständen die unbedingte Nichteinmischung in die marokkanische Frage zur Richtschnur seiner Handlungsweise nehmen wird, was vielleicht nicht in dem Maße der Fall gewesen wäre, wenn die Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien ungetrübt wären. Schon die Tbati'ache des freundschaftlichen Verhält nisses zwischen beiden Mächten wog so schwer, daß Frankreich wahrscheinlich Anstand genommen hätte, die Einverleibung der Oase Fignig zu vollziehen. DaS Geschehene ist nicht mehr rückgängig zu wachen. Frankreich wird die gemachte Erwer bung mit voller Thatkrast aufrecht erbalten, aber sie bildet voraussichtlich nur dcn Anfang der Stellung deS gesammlen Sultanats unter französische Scbutzherrschasl nach dem Muster des gegen Tunis beobach.cten Verfahrens. DaS besürchlet Spanien und darum die Vorkehrungen in Guipuzcoa und aus den Inseln an der marokkanischen Küste. Spanien ist vorläufig unfähig, sich ohne Hilfe einer ver bündeten Macht aus einen Krieg mit einer Großmacht wie Frankreich einzulasten; das weiß Frankreich und deshalb gebt es so rücksichtslos vor. Italien hak daS gleiche Jnlereste wie Spanien, gegen die weitere Ausdehnung der Macht Frank reichs an der Küste deS MiltclmeercS Widerspruch zu erbeben, aber eS wird sich besinnen, ein Büubniß mit Spanien cin- zugehcn, so lange der Streitfall zwischen Spanien und Deutsch land nicht aus der Welt geschasst ist. Spanien und Italien können sich bei ihren Minister» des Auswärtigen für die Gestallung der gegenwärtigen Lage bedanken, nur ihrer Kurzsichtigkeit ist eS zu verdauten, wenn Frankreich Marokko und später auch Tripolis seinen Besitzungen in Nordasrika zusügt. * Leipzig, 18. September 1885. * Die „authentische Uebersetzung" deS zweiten TheilcS der spanischen Note ist, wie uns auS Berlin geschrieben wird, ebenfalls bereits durch den Grafen Bcnomar im Aus wärtigen Amt überreicht worden. Doch ist es richtig, baß zunächst nur der erste Theil der „spanischen Frage", belr. die Deutschland zu gewährende Genugtbuung wegen der Beleidigung des deutschen Wappens, zur völligen Erledigung gebracht werden soll, ehe die Earolinenfrage wieder aus genommen wird. So bat eS Fürst Bismarck gefordert, und dieser Forderung ist willfahrt worden. Man darf annehnien, daß wegen der Pöbelexccffe vom 4. Scotember von Seiten der spanischen Regierung eine absolut befriedigende Genug- tbuuiig gewährt wird, und daß daS Cabinet CanovaS die Einsicht gewonnen hat, daß die möglichst schnelle Erledigung dieser Frage in seinem eigensten Jnlereste geboten ist. Man in aber auch in Berliner diplomatischen Kreisen der Ansicht, daß das Madrider Cabinct selbst am meisten bedauert, nicht schnell genug dem deutschen Vorschlag« aus Appellation an ein Schiedsgericht gefolgt zu sei», da es sich alsdann viele wcilere Schwierigkeiten erspart hätte. Bis jetzt bat das Cabinet Canova» weder irgend welche staatsmännischc Einsicht i» äußeren Angelegenheiten bewiesen, »och in richtiger Weise die östenlliche Meinung im eignen Vatrrlande zu gewinnen, z» beeinflussen, zu leiten vermocht. Zuiu Nachtheil des Ansehens der Mon archie und unter wirklicher Schädigung der Autorität Don Alsonso's wurde daS spanische Ministerium vielmehr wie ein schwankes Robr hin und her getrieben, und dir Hoffnung aus ein schnelleres Tempo der Verhandlungen ist auch weniger durch die bessere Einsicht des Herrn CanovaS und seiner College,» be gründet als durch die für dieseHerren bedrückende Wahrnehmung der völligen Ilolirung, in welcher sich Spanien gegenüber allen andercn Mächten befindet. Uebrigens wird die von uns zuerst begründete Ansicht, daß die sehr gemäßigte Sprache, welche bisher der spanischen Regierung gegenüber von Berlin auS beliebt wurde, lediglich der Person des jungen ritterlichen Königs gegolten, jetzt allseitig alS richtig zugegeben Sollte der Unverstand der Agitation die spanische Monarchie in der Tbat gefährden, so würde vo„ Berlin auS. w>« uns Weiler berichtet wird, sehr bald daS „guns oga!" erschallen und den ebenso übermülhigen als schwächlichen HibalgoS zu dem Bewußtsein geführt werden, daß auch im völkerrechtlichen Verkehr gewisse Pflichten und Formen schlechthin unerläßlich sind. * Zum deutsch.spanischen Streitfall schreibt die cssiciöse „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" an leitender Stelle: Daß die ultramontane Presse aller Länder wie ein gut dirigineS Orchester arbeitet, wenn eine Gelegenheit gegeben ist, dem deutschen Reiche, der evangelischen preußischen Dynastie und dem Reichskanzler den Krieg zu machen, ist ojt zn beobachten gewesen; aber selten hat man eine solche Fuge zu hören bekomme», wie über den spanisch-deutschen Conslict. Ein jedes Instrument arbeitet je nach der Atmosphäre, in welcher es sich befindet und aus welche gewirkt werden soll. DaS Thema wird urkrästig wie solgt von dem „UniverS" angegeben: „Wenn aus einem Festlande wie Europa eine anmaßliche und furchtbare Herrschaft wie die des preußischen (sie) Kaiserreichs sich erhebt, so entsteht zunächst eine Bewegung allgemeinen Sichbeugens, enigegebeo entweder durch die Furcht oder durch selbststichüge Be- rechlmngeu, vielfach auch durch jene falsch« politische Weisheit, welche cs gut zu mache» glaubt, indem sie sich ohne Feilschen vor den volleudtieo Thatsachen beugt. Aber nach und nach macht die Ruthe sich fühlbar und es kommt vor, daß man sich unter der Peitsche empört. Man ist zunächst besiegt, um so mehr, als Einer »ach dem Andern sich schlagen läßt; aber so erzeugt sich dauerhaster Haß, der endlich Terrain gewinnt. ES wird ein Tag kommen, an welchem die earopäischen Böller, iiberiäitigt vvn Erniedrigungen und Leiden, das Joch des hochmülhigen Deutschlands abschütlel» werde», um Deutschland auSzuplündcrn. Niemals wirb eine Rache verdienter gewesen sein, aber man muß zu warten wissen. Man würde auch verstehen müssen, sich vorzubereiten, und dabei darf man weder aus die Republiken, noch aus die parlamentarischen Regierungen rechnen. Die Lhavcea sind daher für die Deuischen io gut, daß man rm Voraus bedauern kaaa, was geschehe» wird; denn unsere Sym pathien können nur aus Seiten «paniens scm. Aber wenn man die Dinge von einem etwas höhere» SlanLpunct betrachten will, so muß man gestehen, daß die Spanier »ach dcn Engländern im Begriff sind, eine wohlthätige Lectiou auswärtiger Politik zu er halten. Auch sie haben die unbegreifliche Tborhcit gehabt, daS deutsche Reich zu bewundern und sich demselben zuzuwenden; auch sie batten nöthig, zu lernen, um welchen Preis man lllanenoberst wird und was die Besuche der preußische» Prinzen kosten " DaS in Dresden erscheinende katholische Wochenblatt „Benno-Blatt" läßt dieselbe Melodie, aber in sansteren Noten vernehmen. Es findet, „der übermächtige deutsche Löwe" überwicge zu sehr in dem europäischen Völker-Concert; Deutschland sei von Haß erfüllten Staaten umgeben, zu denen daS Blatt Frankreich, England, Dänemark, Italien, Spanien, Rußland rechnet; ein genialer Staatsmann könnte dieselben zu einer Eoalition gegen Deutschland vereinigen und eS sei daher Anssicht zu einem großen ^rach außen und innen, innen natürlich wegen des Enllurkampses. Die „Germania", die sich vor Kurzem trotz der demcnistra- ttoeo Borgüuge in Münster von Herrn Wmdthorst attestiren ließ, daß daS Ccntrum äußerst patriotisch sei, muß da- Tbema natürlich anders behandeln. Sie schleppt unermüdlich angebliche Beweise sür das bessere Recht Spaniens aus die Carolinen zusammen und be kümmert sich darüber, daß der Reichskanzler einen vcrhängnißvollen Fehler gemacht habe; wenn das Vorgehen Deutschlands nicht ein Fehler gewesen sei, so könne eS nur daraus erklärt werden, daß der Reichskanzler Frankreich eine Falle habe stellen wollen, ein Vor haben, das der Tugend der „Germania" widerstrebt. * Der Vundesrath hielt am Dienstag unter dem Vorsitz deS SlaalSministerS StaalSsccretairS des Innern von Boellicher seine erste Plenarsitzung nach der am 4. Juli d. I. erfolgten Vertagung ab. Der Vorsitzende gedachte zunächst des am 30. August b. I. zu Wildbad statt gehabten Ableben« deS königlich würllembergischen General- lieutcnantö und Militairbevollmächligten, Bevollmächtigten zum Bundeörath vou Fabcr du Faur, und machte Mitlhci- iuug über die Ernennung von Bevollmächtigten zum BunLeS- rath. sowie die Bildung der Ausschüsse sür bas Landheer und die Festungen und sür daS Seewesen. Sodann fand die Wahl der Ausschüsse sür Zoll- und Steucrwesen. sür Handel und Verkehr, sür Eisenbahnen. Post und Telegraphen, sür Iustizmesen, für Rechnungswesen, für auswärtige An gelegenheiten, für Elsaß-Lothringen, sür die Verfassung und für die Geschäftsordnung statt. Von der Vorlage, betreffend den weiteren Fortgang der Ausarbeitung des Ent wurf'- eines bürgerlichen Gesetzbuchs, nahm die Versammlung Kenntniß, erklärte sich mit der bereits erfolgten Ueberweisung des Antrags Preußen-, betreffend den Erlaß polizeilicher Strasvorschriften zur Verhütung der Gefährdung militairischer Puivertransporte, und deS Antrag- Badens, betreffend den Verkehr mit Gegenständen, welche in Baden einer UebergangS- oder Landesstcuer unterliegen, an die zuständigen Ausschüsse einverstanden und beschloß, über dcn Entwurf einer Verordnung wegen Inkraftsetzung deS UnfallversicherungSgesetzcS in einer der nächsten Sitzungen Beschluß zu fasse», auch demnächst die durch daS Ableben de- Wirkl. Geh. Raths vo» Nostitz-Wallwitz er forderlich geworrene Ersatzwahl eines Mitgliedes deS Cura- loriumS der Reichsbank vorzunebmc». Die Angelegenheit be treff'- der Erledigung einer Nalbsstclle beim Reichsgericht wurde dem Ausschuß für Iustizwescn überwiesen Die Bildung von Berussgcnossenschasten sür die Privat-Eisenbahn- und Straßenbahn-Betriebe erfolgte nach de» Anträgen der Aus schüsse und dem Entwürfe der AussübrungSvorschristcn, zu dem Gesetze, betreffs der Erhebung vo» ReichSstcnipelabgaben, sowie den Bestimmungen über die Erhebung nnd Verrechnung der »ach diesem Gesetze zu entrichtenden Abgaben wurde ebensallS in der von den Ausschüssen vorgeschlagcnen Fassung die Zustimmung erlheilt. Nachdem noch von den Ausschüssen sür Zoll- und Steucrwescn und sür Rechnungswesen über lie gemcinschastlichen Einnahme» an Zöllen und Verbrauchs steuer» Bericht erstattet worden war, wurde die Sitzung mit der Vorlegung von Eingaben verschiedenen Inhalts ge- schloffen * AuS Kiel. 15. September, wird der „Bossischeu Zei tung" geschrieben: „Man liest in einigen Blättern, daß die spanischen Nachrichten „unter den Ossicieren und Mann- kchasten der deutschen Kriegsflotte eine lebhafte Erregung bervorgeruscn haben." Da unsere Flotte i» der vergangenen Woche m den norwegischen und dänischen Gewässern manövrirte, war eS auch für den allergcwiegtcsten Waffcrreporker einiger maßen schwer, sich eine Vorstellung über die Stimmung unserer Sceosstciere und Blaujacken zu »lachen. Jetzt, da die Flotte im Kieler Hasen liegt, eine der säst .men. die je ver einigt war, ist es schon leichter, sich ein llrlheil über die „Er regung" zu bilde». In den Nachmittagstimken steht die Besich tigung unserer Schisse frei, und Ossiciere und Mannschaften wcttelser» in Liebenswürdigkeit gegen die Besucher Bei solcher Gelegenheit spinnt sch reu» auch leicht eine Unterhaltung. Wenn der Chauvinist sie aus die spanischen Dinge führt, so wird er staunen. Nicht die Spur einer Erregung. In Be- ziehung aus Len Ernstfall eine große Ungläubigkeit und im klebrigen da- ruhige Gefühl LeS NeberlegensrinS und guter Bereitschaft. Aus dcn Wersten, wir wiederholen eS. keine Spur von Rüstungen; eS ist vielmehr seit Jahren keine kleinere Zahl von Arbeitern m Thätigkeit gewesen. Es stehen keine Jndiensi- sellungen bevor, dagegen beginnt schon Ende dieses MonalS die Abrüstung der Schulschiffe. Das winterliche UebnnaSgeschwader, welches unter Beseht vo» Capital» z. S.Slenzct im Nvrdatlanlic kreuzen soll, hat auch ein sehr wenig kriegerisches Gesicht. ES besteht lediglich auS Schulschiffen. Die KreuzcrsrcgaUe „Moltke", Commandant Capital» z. S. Slubeurauch, ist bekanntlich Seecadctten-Schulschisj und im Frühjahr für die Dauer von zwei Jahren in Dienst gestellt, die Kreuzer- regatte „Stern", und die Kreuzercorvelten „Sophie" und „Ariadne" werden auch in diesem Winter atS Freiwilligcn- Schulschiffe dienen. Es ist gerade jetzt sür die Marine, wo o große Ansprüche in jeder Beziehung a» sie herantreten, ganz unmöglich, die Ausbildung der Freiwillige» im Winter zu unterbrechen; eS ist da- auch im vorige,, Winter nicht geschehen, wo die Kreuzercorvctlen „Olga" und „Ariadne" und die Brigg „Rover" als Freiwilligen-Schulschiffe dienten." * Man schreibt unS auS Berlin: „Auch heute bringt die „Krcuzzeitung" wieder einen Artikel über die bei den b.- vorstebenden preußischen Landl a g Swahlen zu beobach tende Wahltaktik. DaS rückschrittliche Blatt dreht und windet sch in jeder Weife, um jeder bündigen Erklärung, daß cs bereit sei, die Nltramontanen als Gegner deutsch-nationaler Gesinnung und deS Hobenzollcrnschcn Kaiserthums anzuer- kenne»» und demgemäß zu bekämpfen, aus dem Wege zu gehen. DaS Centrum zu bekämpfe», so sagt die „Krcuzzeitung" gäbe nur geringen praktischen Werth. Dagegen — und da» ist bezeichnend für die Fortschritte, welche daS genannte Blatt im intimen Umgang mit der „Germania" bereits gemacht hat — schiebt die „Kreuzzeitung" dcn Nativ nallibcralcn Mangel an Offenheit und fesuitiscbe Kniffe unter. Dcn Nationalliberalen sei cs nicht Ernst mit der Bekäinviung der Ultramontanen, sie speculiren lediglich darauf, die Co»- ervativen zu schwächen, diesen einige Mandate abzugewinnen. Wir meinen, die Nationalliberalen habe» niemals ihre Ge- innuna und ihre Absichten durch solche Winkelzüge zu ver decke» sich bemüht, wie cs von der „Krcuzzeitung" geschieht. Allerdings die Rückscbriltsmcin»cr vom Schlage der Herren Stöcker und v. Hammerstein, welche »ach Beifall von Seiten der CentrumSmänncr fast gierig zu sein scheinen, um den Ultramontanen dafür Sciavendiensle z» lechen, diese Herren halten wir nicht für konservativ. »nd di '- zu verdrängen auS unseren Parlamenten erscheint uns nicht minder verdienstlich als der Kanips gegen Windlhcrit und von Schorlemer. Aber wir sind eS zufrieden, wenn an deren Stelle Conservative von altbewährter Gesinnung treten, überhaupt scheint uns der Wahlkampf an sich nicht erstrebens- wcrth und eine Vermebriing der Mandate nnserer poiiUtchen Freunde lediglich i», Interesse der gedeiklicbeu EnNviä.ünig von Staat und Reich geboten. Im Dienst der guten Sache wollen wir auch serner wie die vom Müusterscheu Kalbcüikcii- tage verkündeten Grundsätze so Jeden bekämpfen, der diese unterstützt. Und daS thnt die ,.Kreiszeitung" offen und ver steckt. Darum muß sie eS sich auch gefallen lassen, wen» sie alü nichlconservativ. als Vertreterin einer Abart des Confer- vatiSmuS, deS Rückschrittes, bezeichnet »nd bekämpft wird. Wir rechnen unS LaS zur besonderen Ehre." * „Man muß schließlich an die Reaction keine zu über triebene» Ansprüche machen", äußerte sich der Abgeordnete vr. Alexander Meyer aus dem deutsch fr ei sinnigen Parteitage in Breslau, als er lich seiner Ausgabe, das gegenwärtig in Deutschland wülhende reaction airc System in Len schwärzesten Farbe» zu schildern, nach Kräften entledigt hatte und selbst das Gefühl empfand, daß seine Schilderungen nicht ganz de» gewünschten Eindruck er zielten. Der AliSspnich ist sehr bezeichnend Er kommt daraus hinaus: Die Reaction ist ja im Grunde nicht gar so arg, frühere Zeilen haben darin weit mehr geleistet, aber wir brauchen in unserem oppositionellen Parteiintereffe das Schrcckbild der Reaction und darin» suchen wir ein paar einzelne dürftige Vorkommnisse und Anzeichen zusammen, welche unS ru berechtigen scheine», daS Reactionsgeschrei immer von Neuem zu erheben. 'Aber man darf unser be- scheidcne« Material nicht zu kritisch prüfen und darf nicht ru viel verlangen. Eine treffendere Verspottung des dculsch- sreisinniaen ReaclionSlärniS ist kaum denkbar, als sic in den obigen Dorten liegt. Wenn vvn gemäßigt liberaler Seite bestritten wird, daß wir aus allen Gebiete» deS öffentlichen Lebens einer zügellosen, wildenlseffette» Reaction acgennbcr- stebcn. so ist dieS in deulschsreisinnigcn Augen unbegreifliche Kurzsichtigkeit unb Verblendung; Herr Or. Mever aber sagt dem Sinne nach genau dasselbe mit seinem Ausspruch, man müsse an die Reaction keine übertriebenen Ansprüche macken. * Ein kläglichere« FiaSco hat wohl nie der Versuch einer Parteigründuncz gemacht, ai- der der norddeutschen De mokraten, die weben mit viel Lärm einen Parteitag in Hamburg in Scene gesetzt haben und hier das neue Evan gelium vom allercnti'chiedenste» Liberalismus zn verkündigen dachten. Die neue Partei ist, wie eö ibr freilich auch schon bei früheren Constituirungsversucben ergangen ist. einfach von den Sociaidcmokrate» verschluckt worden. Der Verlauf dieses Parteigründungsversuchs ist überreich an tragikomischen Zügen. Zunächst waren die beiden Väter der nordkciiksche» Demokratie, die Herren Lenzmann-Lüdenscheid und Or PbillipS- Berlin, welche die Hauptreferate übernommen hatte», „wegen Krankheit" nickt erschienen und Politiker untersten Ranges nabmcn ihre Stellen rin. Von anSivärtS waren überbanpl nur ein Dutzend Parteigenosse» erschiene», dafür aber i» Hellen H. feil die Hamburger Socialdemokratcn, verstärkt durch Zu;ug von außen, worunter auch die AbgeordiielenHasenclever und Liebknecht. AufbieBerbanklungendieses „Parteitages" verlohntes sich nickt, ernsthaft einziigehen; es kam unter den wenige» anwesenden Partcigencffen zu lebhaften Reibereien über die Foruiuliruiig etlicher thcorelischer Programmsätze, und in der öffentlichen Versammlung erregten die Socialdemokraten solchen Tumult, Laß die Auflösung ausgesprochen wurde, woraus die Ver sammlung unter veqeisterte» Hochrufen aus die sociallstischen Führer und Gesang der Arbeiterinarseillaise auSeinanderging. Sehr liberal und demokratisch war eS auch, daß die Bericht erstatter der Zeitungen von den Verhandlungen ausgeschlossen waren. Die „norddeutsche Demokratie" wird nach diesen Erfahrungen nun wobl von der Bildsläcke verschwinden Der Versuch, die sociallstischen Arbeiteruiaffen sür die öden und dürren Phrasen eines ganz veralteten, dem heutigen Leben entfremdeten Demckrall-niuS zu gewinnen, ist in einer über alle Begriffe kläglichen Weise gescheitert; der Hohn frei-
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