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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 17.08.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189808172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18980817
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18980817
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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- ZeitungGeneral-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-17
- Monat1898-08
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sich wie Wahnsinnige; namentlich di« Frauen machten durch gellende Ruse die ohnehin entsetzliche Situation noch schrecklicher. Unter den zertrümmerten und übereinandergestürzten Waggons ertönten mark erschütternde Schmerzen-- und Hilferuse der Opfer. Beherzte Männer zogen mit eigener Lebensgefahr Todte und Vermnndete hervor, die säst ausnahmslos Arm- und Beinbrüche oder schwere Kopfwunden answiesen. Obwohl die nahegelegene Station Lilicux rasch verständigt wnrde, dauerte es dennoch nach Anssage mehrerer Passagiere zwei Stunden, vis genügende ärztliche Hilse kam. Der Baulenminister Tillaye, der sich alsbald ans den Schauplatz der Katastrophe begab, äußerte, nach seiner Ansicht trage das Vorspannen beider Maschinen die Schuld an dem Unglück. Die Passagiere behaupte» dagegen, der Zug sei, um eine eiiistündigc Verspätung einznholcn, mit einer ras »den Geschwindigkeit über eine in Reparatur befindliche Stelle gefahren und infolge des starken Gefälles entgleist. Am Pariser Bahnhof Saint Lazare spielten sich erschütternde und aufregende Szene» des Wiedersehens heimkehrcnder Geretteter oder Verwundeter mit ihre» angstvoll harrenden Angehörigen ab. Die Opfer der Katastrophe sind in der Mehrzahl Pariser, und deshalb errregt das Unglück dort tiefe Trauer. Umschau im Laude. — Dresden. Ein aufregender Vorfall spielte sich am Sonntag Nachmittag zwischen Blasewitz und Niederpoyritz ab. Von einigen am linken Elbufer frei badenden Knaben hatte sich ein unvorsichtiges Bürschchen zu weit in's Wasser gelvagt, war von der Strömung fortgerissen worden und trieb nun, mit dem Tode ring nd, dem Dam sschiss zu. Als der Kapitän dieses Schiffes die Gefahr erkannte, lieh er sofort die Maschine» stoppe» und gab die nöthig.n Anweisungen zur Rettung des ttinaben. Zugleich holte ein Passagier mit größter Schnelligkeit den an der Kommandobrücke angebrachte» Rettungsring herunter und warf denselben dem Knaben zu, unglücklicher Weise «inen halben Meter zu kurz; hierauf wollte der Herr den Ring nochmals auswcrfen, als leider das Seil riß, an welchem der Rettungs ring befestigt war. Der Ring ging infolgedessen zwecklos verloren Nachdem der Steuermann ebenfalls eine» Rettungsring ansgeworsc», sprang der in Blasewitz' wohnhafte Kapitän B. mit noch einem Mann in das Rettungsboot, und so gelang es endlich, de» bereits zirka 30 Meter hinter dem Dampfschiff treibenden Knaben lebend de», »affen Elemente zu entreißen, Während des Vorfalles halte» sich sämmtliche Passagiere des vollbesetzten Schisses »ach einer Seite gedrängt, wodurch der Dampfer in eine recht bedenkliche schiefe Lage kam. — Im Knnstteiche in Zauckervda ertränkte sich am Sonnabend in den frühen Morgenstunden ein 22jähriges Mädchen aus Zauckervda. Die Lebensmüde war schon längere Zeit gelähmt. — Pieschen. Auf einem Depot der deutschen Pferdebahn- gesellschaft ereignete sich eine verhängnißvolle Neckerei. Der Kutscher Reichel saß in der Kantine auf einem Fenster, den Rücken dem Hofe zngewcndet. Der Futtermeisler Kühn stieß von unten mit einer langen Stange dem Reichel in den Leib. Der Verletzte stürzte mit dem Gesicht ins Zimmer, die Stange war ihm 35 om i» den Unterleib gedrungen. Trotz sofortiger ärztlicher Hilfe starb der Un glückliche noch an demselben Tage. Kühn wurde verhaftet. — Lkamenz. Sicherem Vernehmen nach wird das 2. Bataillon des Jnf.-Negts. Nr. 178 am 1. Oktober 1899 nach unserer Stadt verlegt werden. -— Döbel«. Der erste Festtag des 3. Wettinbundesschießens endete mi,t.eiiiem Fcst vmmers in dem mit den Fahnen der Bundcs- orrrnlc' und dem Banner der Stadt Döbeln geschmückten, sowie in den Farben des Hauses Weltin und der Stadt Döbeln drapirten Saale des Schützenhauses. Die Vertreter aller hiesigen Behörden, soivie mehrere Offiziere dcs 11. Infanterie-Regiments Nr. 139 waren mit beim Festkvmmers zu.,ege». — Die Kunde, daß auch der König das Bnndcsschießc» und die Stadt Döbeln selbst mit feinem Besuche beehren werde, ließ hier alle treuen Sachsenherzcn höh.-r schlagen, und so gaben sich am Montag am Kvnigstage viele schöne Beweise der Liebe und Treue, welche die Döbelner mit dem Landesherrn verbindet, kund. Allseitig war man zu würdigem Empfang gerüstet und man belauerte lebhaft, daß nicht auch Prinz Friedrich August an der Seite des Monarchen erscheinen konnte. Der königl. Svndcr- anbieten. Metternich hätte den unruhigen Kopf glänzend beherbergt, um ihn besser überwachen zu können. Nach dem Tagebuche der Fürstin Melanie hatte auch der Vater des Prinzen sich in diesem Sinne bei dem Staalskanzler verwendet. Der junge Mann ging jedoch nicht in die Falle. Schon war er dessen, was er feine irdische Sendung hieß, vollbcwaßt geworden; fei» Jmpcratoreutraum hielt ihn nun gefangen. Wie anders ließ sich nun die Reise an, als vor etliche» Jahren, da er den Blumeiifesselu des kleinen Gottes sich entriß! Ein ganzer Hofstaat fuhr mit ihm in die Weite, Freund Persiguy obenan; ein Koch, ein Kutscher, ein Groom, drei Diener wurde» mitgenommen. Vierspännig fuhr der Prinz durch Constanz, Wo die ganze Bevölkerung znin Abschiedsgruße sich aufgemacht hatte. Es war ein Triumphzng, diese Abreise. Vierzig Wagen gaben ihm ei» Stück Weges das Geleite, und aus allen Fenstern wehten die weihen Tücher. Manches blaue Auge wurde feucht. Gelegenheit zu flüchtigen Romanen hatte der Prinz in der Stadt am Bodensee oft genug gefunden, und nun flog ihm dieses kaum verwehte Glück noch einmal über den Weg. Man weiß nicht, ob die exotische Wiltwe, ob das schöne Büschen beim Abschied dabei gewesen, aber Luischen, die Spröde, muß i» letzter Zeit ei» menschlich Rühren empfunden haben, denn sie schenkte ihm zum Andenken eine Börse, i» welche sie die Worte eingestickt hatte: 8onvonir eb rsKrsts. Wenigstens schreibt der Prinz aus London an die Marqnisin, die Börse, die ihm Fräulein Louise verehrt habe, bleibe immerdar mit schmerzliche» Erinnerungen gefüllt. Hoffentlich war sie auch mit goldenen Sovereigns gespickt. Es folgte der Boulogner Putsch (l840), der den Prinzen in das ziemlich lustige Gefängniß von Ham führte. Die viele» Londoncr Eliitagsromaiie waren dem Briefwechsel mit den zurück gebliebenen Freunden nicht förderlich, aber jetzt, in der Einsamkeit seiner Fcstniigshast, gedachte er wieder seiner „lieben Schweizer Berge-, und der briefliche Verkehr mil der Marquisin wird ziemlich lebhaft. Kein Brief, in dem er sich nicht an Luischen erinnerte: er höre, sie sei noch viel hübscher geworden, und was sic denn immer treibe, ob sic ihn nicht gänzlich vergessen habe. Die Marqnisin will hin besuchen, das freut ihn ungemein, nur ärgert er sich, daß Luischen „nicht mit von der Partie" sein soll. Auf der Bastei habe er sich ein nettes Gärtchen angelegt, Blumen könne er in Fülle anlicicn. Auch habe er gelernt, artige Tischlerarbeiten zu machen und sei ferner sehr ge schickt in der Chemie geworden. Ncbcnher schreibe er eins Gcschi t,lc Karl's dcs Große», bei welcher Arbeit ihm ein ^allerliebstes Hündchen, halb Katze, halb Eichhörnchen, über die Achsel znschane. Und immer wieder leuchten die allen schonen Erinnerungen zwischen den Maschen der gestrickte» Börse hervor. „Ich begreife, daß Fräulein Louise nur einen Phönix heiralhcn will, sie hat das Recht, wählerisch zu sein; aber diese Vögel sind in unseren Zeitläuften sehr selten, zumal in Frankreich." Das klingt, als Halle der verschmähte Liebhaber den zng iraf '/^1 Uhr Mittags auf hiesiger Haltestelle ein. Hier hatte sich eine Ehren-Kompagnie des 11. Infanterie-Regiments Nr. 139 mit Fahne und Negimentsmusik ausgestellt, außerdem hatten die Freie Bereinig»») der Kampfgenossen und die Abordnungen der Königl. Sächs. Militärvcreinc des amtshauptmcmnschastlichen Bezirks Döbeln Ausstellung genommen. Nach Empfang lind Begrüßung dcs Königs durch die Herren Krcishanptmann von Ehrenstein, Oberst Fahr, von Uslar-Gleichen rc. schritt der König die Front der Ehren-Kompagnie ab „nd wu,de sodann von Herrn Bürgermeister Thiele Namens der Stadt herzlich begrüßt. Allgemein wnrde das frische Aussehen des Monarchen freudig bemerkt. An der Spitze des Zuges nach der S adt ritten eine Anzahl Mitglieder des hiesige» Militärvcreins Kavallerie. Dem Wagen dcs Königs fuhren die Herren Bürger meister Thiele und Stadtverordncten-Vorstehcr Johnsen voraus. Die übrigen Mitglieder der städtischen Kollegien folgte» in 11 Equipagen Ans dem ganzen Wege bildeten die Schüler des kömgl. Realgymnasiums, die Schüler und Schülerinnen der Volksschulen, die Innungen, Vereine und Korporationen Spalier. Am neue» Postgebände hatten die Postbeamten Aufstellung genommen. Hinter der Spalleranf- stellnng harrte das Publikum in dicht gedrängter Menge der Ankunft des geliebten Landesherr», dessen freundliche Blicke es zu immer kräftiger sich fortpflanzenden freudigen Hochrufen begeisterten. Die Gesangvereine ließen dem Landesherr» ihre Huldigung harmonisch eiitgegcntöiie». Nach Erreichung des Fcstplatzes, dem gleichzeitig ein Besuch mit abgestatlct wurde, begaben sich der König und die Herren der Begleitung zu Fuß über den Muldcnsteg nach dem Schießstande. Am Eingang zum Schießplätze fand Begrüßung durch den Zcntral- auSschuß des Wcttinschützenbnndes »nd der Schützeiigesellschaft statt, woraus sich der König »ach dem Pavillon mit den Ehrenpreisen und »ach der Schießhalle begab. Hier machte er von einer ihm dar gereichten Büchse Gebrauch, um einen Schuß auf die Festscheibc „Döbeln" abzugeben. Alsbald begann ei» lustiges Büchsensencr in den Schießstündui. Nach slündigcm Verweilen erfolgte die Fahrt »ach dem „Hotel zur Sonne" zu der von der Stadtgemeinde ver anstalteten Frühstttckstafel. Zn dieser waren etwa 45 Einladungen ergangen. Es nahmen außer dem König u. A. Theil: die Herren Generalmajor Hingst, Krcishanptmann von Ehrenstein, Oberst Frhr. von Uslar-Gleiche» und die Stabsoffiziere des 11. Infanterie- Regiments Nr. 139, Bürgermeister Thiele und andere Mitglieder beider städtischen Kollegien, die Spitzen der Königlichen, der Kirchen- nnd Schulbehörden, Mitglieder dcs Bundespräsidinms und der hiesigen Schützeiigesellschaft. Um 3 Uhr erfolgte die Rückfahrt »ach der Haltestelle, woselbst die Freiwillige Feuerwehr Aufstellung ge nommen und die Mitglieder der städtischen Behörden, des Zentral- auss.husses, der hiesigen Schützeiigesellschaft rc. zur Verabschiedung sich versammelt Hallen. — Lschatz. Der um Pferd und Wage» geprellte Gutsbesitzer O. in Zaußwitz ist wieder in den Besitz seines Pferdes gekommen. Der Gauner hatte das gestohlene Pferd an einen Pferdehändler ver kauft, bei dieser Gelegenheit aber Letzterem selbst zwei Pferde gestohlen. Hierbei nun wurde der Spitzbube erwischt. Leider begnügte man sich damit, denselben nur mit einer Tracht Prügel zu bedenken »nd ihn dann laufen zu lassen, anstatt den Spitzbuben dem Gerichte cinzu- liefern und ihn dadurch aus einige Zeit unschädlich zu machen. — Würze«. Beim Baden in der Mulde ertranken am Sonnabend Abend in Dcuben bei Wurzen der Mühlenarbeiter Streubel und dessen 14 jähriger Sohn. Der Letztere war an einer tieftren Stelle des Flusses in Gefahr gerathen. Der Vater verlor bei der versuchten Rettung seines Sohnes ebenfalls den Bvden unter den Füßen und so ertranken Beide. — Hohenstein - Erustthnl. Am Sonntag, früh in der 7. Stunde, stürzte aus dem 2. Stockwerk eines Hauses auf hiesiger Schützens!raße ein zweijähriger Junge herab auf die Straße und zwar mit dem Hinterkopf auf die Vordsteinkante aufschlagend. Be wußtlos wnrde der Kleine nach der Wohnung zurückgebracht, doch waren die Verletzungen derart, daß das Kind nach mehr den» 15 qualvoll verbrachten Stunden Abends 'j,11 Uhr verstorben ist. — Lni'zenan. Ans Anlaß dcs am Sonntag hier abgehaltenen 31. Verbandslagcs dcs Chemnitzer Kreisfeuerwehr-Verbandes hatte unser freundliches Mnldcnstädtchen ein festliches Gewand angelegt. Der VerbandStag wurde am Sonnabend im Beisein de» Herm Geh.' Kommcrzienraths Vogelmit einer Sitzung, in welcher Verbandsangekegeu- licitcn erörtert wurden, sowie mit nachfolgendem Kommers eröffnet. In der Sitzung wurde beschlossen, künftig den Name» Mittelsächsischer Kreissencrwehr-Verband zu führen, da dem Verbände Wehren au» ncr Amlshauptmannschaften angehören. Auch wnrde in dieser Sitzung Herrn Branddirckor Weigand-Chemnitz für seine großen Verdienste sein lebensgroßes Porträt überreicht. Gestern fand Umzug statt; sodann folgte eine Uebuug der städtische» sowie der Vogel'schen Falnikfenerwehr. — Zwickau. Im Thale der oberen Pleiße, speziell in der Gegend von Zwickau nach Werdau vcrmulhet inan große Kohlen lager. Zur geologischen Untersnchnng und ev. Ausbeutung der etwa vorhandenen Kohlen hat sich schon vor längerer Zeit ei» Konsortium, vornehmlich aus Werdauer und Crimmitschauer Herren bestehend, gebildet, das nunmehr an die Arbeit zu gehen gewillt scheint. Die ersten Bohrversuche sollen in der Flur des nahen Dorfes Steinplei» gemacht werden und sich dann auch auf dessen Umgebung nach weiteren Ortschaften der Pleiße zu ausdehnen. Sämmtliche Grund stücksbesitzer des Ortes Steinpleis haben bereits die Genehmigung zu den auf ihrem Besitzthum vorzunehmenden Versuchen crtheilt und man sieht diesen nun mit erklärlicher Erwartung entgegen. Sollten sich die an das Unternehmen geknüpften Hoffnungen erfülle», so würde allerdings für die fernere Entwickelung der dortigen Kohlen industrie sich eine äußerst günstige Perspektive eröffnen. —- Plane». Einem a» der Hoferstraße wohnenden Schuhmacher meister ist gestern Nachmittag aus der Kommode ein eiserner Äeldkasten mit 250 Mk. baarem Geld und vier Sparkassenbüchern mit Einlagen von zusammen 5200 Mk. gestohlen worden. Bon dem Thäter fehlt noch jede Spur. — Im Walde des Herrn.Gutsbesitzers Wilhelm Heinert, Gcmeindebezirk Jößnitz, ist am Vormittage des 12. August der am 4. Januar 1852 in Gutenfürst geborene Handarbeiter Johann Christian Theodor Wagner, Wittwer^und Vater dreier Kinder, erhängt aufgefunden worden. Der Leichnam war bereits in Verwesung übergegangen. Es liegt Selbstniord vor. Leider mehrt sich die Zahl der Selbstmorde. So sind im gegenwärtigen Jahre allein im Bezirke der diesseitigen Königlichen Amtshauptmannschaft mindestens 20 Selbstmorde in fast ebenso vielen Ortschaften vor« gekommen. — Unweit Hundsgrün wurde am Freitag ein junger Mann, welcher an einem Abhange Heidelbeeren Pflücken wollte, von einer Hasslotter heftig in die Hand gebissen. Das giftige Reptil, eine gefährliche Abart der Kreuzotter, hatte eine Länge von 63V- Zentimeter und b>ß sich i» der Hand fest; ein Begleiter des Verletzten tödtete das Thier. Hand und Arm des Gebissenen sind noch heute arg angeschwolle», doch hat schnelle ärztliche Hilfe Lebens gefahr cibgeweiidet. — Der Schönauer Mordprvzeß wird am 26. September und folgende Tage vor dem hiesigen Schwurgerichte zur Verhandlung kommen. —d. Klittgenthal. Am Sonnabend, den 13. d. M., fand in der Musikinstrnmentenfabrik C. F. Doerfel, Steinfrlser u. Co„ Exportgeschäft, eine erhebende Feierlichkeit statt. In Vertretung des z. Z. beurlaubte» Herrn Amtshauptmann Berger-Auerbach war Herr Bezirksassefsvr 1)r. von Heygendorff-Auerbach erschienen und überreichte in Gegenwart der drei Inhaber der Firma, der Herren Reinhard, Max und Wilhelm Doerfel Stcinselscr, und des Herrn Gemeinde-Vorstandes Liebig an 8 langjährige, treuverdiente, wackere Arbeiter Auszeichnungen. Es erhielte» die Herren Reinhard Thoß, welcher 42 Jahre, und Franz Uebel, welcher 39 Jahre in genannter Fabrik thätig ist, die silberne Medaille für Treue in der Arbeit. Ferner erhielten die Herren Reinhard Ludwig, Christian Schräder, Kacl Dürfel, Nolando Zimmermaun, Lcbcrecht Körner, Harl Gerisch» welche bereits von 33 bis zu 41 Jahren in genannter Fabrik thätig sind, Bclobigungsdekretc. Entsprechende Ansprachen hielten die Herren Vezirksasscssor Or. von Heygendorff, Max Doerfel Namens der Firma und Herr Gemeinde-Vorstand Liebig. Die hocherfreuten Arbeiter gaben ihrem Danke in schlichten Worten Ausdruck. Sämmt liche Betheiligte fanden sich dann zu einer fröhlichen Vereinigung im Hotel zur „Post" zusammen. Schmerz (rsgrsls) noch immer nicht verwunden, und doch ist es blvs ein Getändel mit Worten, galante Hö lichkeit, kaum viel mehr. Tiefer sitzt ihm die Erinnerung an Väschen Mathilde. Als er im Gefängniß ihre Verehelichung mit dem reichen Fürsten Demidow ver nimmt, springt von selber ein geheimes Schubfach seines Herzens auf, darin ihr Bild »»vergesse» ruhte. Weinend fiel er einem Freund in die Arme und klagte: „Das ist das Bitterste, was wir das Schick sal angethan." Und ei» anderes Mal: er habe kein Gluck in der Liebe, denn Jede, die er geliebt, sei eines Anderen Frau geworden. Der Prinz entfloh aus Ham, wiederum nach London. Tie Briese an die Schweizer Freunde hörten nicht ans, blvs ei» anderes Gesicht nahmen sie an. Früher mit beinahe unleserlicher Schrift ans grobes Papier hingekcitzclt, werden sie jetzt auf feinstem Papiere geschrieben, an dessen Kopf eine Kaiserkrone prangt. Sogar die Schrift wird besser, sorgfältiger. Man sieht es an diese» Kleinig keiten: der Mann nimmt sich zusammen, seine Stunde naht, der Traum reift der Erfüllung entgegen. Seine Rede ist noch voll Liebenswürdigkeit, die an Herzlichkeit grenzt. Fräulein Louise heirathet, schließlich auch sie,' ein Gras v. Sparre ist der auserwcihlte Phönix, und in tadellos gesetzten Worten bringt der Prinz seinen aufrichtigen Glückwunsch dar. Ein ganz leiser Unterschied im Tone läßt sich aber doch herausfühlen. Es weht Abendwind. Prinz Louis ist ja auch älter geworden. Ob gesetzter, das wäre die Frage. Das Gerücht erzählt seltsame Tinge von seinem dritten Londoner Auf enthalt. Romane über Romane! Bedenklich naturalistische darunter, jener mit einer gewissen Miß Howard zum Beispiel, die ihre Ge fühle auf Wucherzinscn nnslieh und später von dem Kaiser über fünf Millionen begehrte und auch bekam. Hierüber schweigen die Briefe selbstverständlich, obwohl der Prinz mit der Marqnisin, einer Dame der alten Schule, ziemlich frei von der Leber weg zu reden pflegte, sie wohl auch zur Vertraute» seiner kleinen Geheimnisse machte. Einmal erscheint in den Briefen eine Elaire, die von dem Prinzen durch die Marqnisin drcißigtansend Franks verlangt. Er habe sie ja ihr bereits gegeben, antwortet er-sofort, und wünsche ihr eine glückliche Heiralh. Der Herausgeber bedauert, daß er nicht erfahren konnte, wer diese Claire gewesen. Dies zu erralhe», dürste nicht sonderlich schwer sei». Ein junger Prinz liebt nicht immer blvs Prinzessinnen, er braucht Abwechslung, hie und da ei» Kammer jungfer-Jntermczzo, eine Sonbrettcn-Episode. Kurz, Claire ist offen bar ein Hinlcrtrcppen-Nomcni. Die Briefe gehen rasch daran vorüber. Sie werde» auch nach und »ach seltener, und mehrere Jahre hindurch hören sie ganz auf. „Ihr früherer Nachbar scheint im Range steige» zu wollen", schreibt die Herzogin von Berry der Marquisin, „nun, wir werden ja sehen". Und was die Damen zn sehen bekamen, muß ihnen sonderbar genug vorgekvmmcn sei». Die Marqnisin war die Erste, die den brieflichen Verkehr mit den, Prinzen wieder anknüpste. Lsinge wartete sie auf, Antwort, und was ihr eines TageS die Post brachte, das sah wieder ganz anders aus, als das Gewohnte. Es war stattliches Kanzlei- papicr, amtlich in der Form, Respekt einflößend, und zuoberst stand in selten Buchstaben: „Klrrison än ?resiäsrtt äs In löopuldlicjus". Mit de» Zeiten hatten sich leider die Menschen ei» wenig verändert. Der Prinz-Präsident schrieb nicht mehr eigenhändig; er war zu be schäftigt; sei» Leibarzt Connean führte die Feder in seinem Aufträge, später sein Privalsekretär Mvcqnard, und es kam nun auch vor, daß ein Brief gar nicht beantwortet wurde. Das Kaiserthum wurde gemacht. Gerne hätte die Marquisin den alte» Freund in der neu.» Würde gesehen oder, wie es jetzt hieß, um „eine Audienz gebeten" — aber es kam nicht dazu. Die Beziehungen erkaltete» merklich, und das war bei dem liebenswürdigen, zu dankbarster Erinnerung geneigten Wesen dcs Kaisers im höchste» Grade auffallend. Der Herausgeber findet wohl die richtige Er klärung, wenn er die Politik, die böse Fee, dafür verantwvrtlich macht. Dem dritten Napoleon erging cs wie dem ersten: da» legiliniistische Faubourg zog sich grollend von ihm zurück. Nie wollt« der Marquis v. Crenay das Elysse noch die Tuilerien betreten, nie wohnte die Marquisi» einem öffentlichen Empfange bei, und wenn sic mit dem alte» Freunde zusammenzukommen verlangte,, sollte e» insgeheim geschehe», unter vier Augen. Das scheint denn doch Loui» Napoleon etlvas verbittert zu haben. Höflich, untadelig blieb er noch immer, allein die frühere Herzlichkeit war todt. Ei» einzige» Mal erwachte sie auf's Neue, als die Marqnisin starb (1861). Nu» griff er vielleicht wieder nach der alten Börse, die ihm dreißig Jahre früher Luischen geschenkt hatte; nun glitten sie wieder hervor, die süßen Erinnerungen, matt leuchtend und mit schmerzlichen Sehnsuchts» gcsühle» vermischt; Souvenirs eb rsArsbs, und nun setzte er sich hi» und schrieb eigenhändig Derjenigen, welche er sich einst zum Weibe gewünscht, wie sehr ihm der Tod ihrer Adoptivmutter »ah« gehe: „Sie war stets so gut für mich, und ihr Andenken verknüpft sich bei mir so innigst mit anderen thenren Erinnerungen, daß mir ihr Tod die aufrichtigste Betrübniß verursacht (Iss rvArsts los plus sinvörss)." Ohne daß er cs merkte, schlichen sich ihm die alten Worte in die Feder, die alten Worte für die alten Gefühle. AuS weiter Ferne lachte ihm wieder der liebliche Erdenwinkcl, und di« grüne Höhe am See tauchle aus dem Nebel der Vergangenheit empor, und sein Arcnenbcrg lag wieder vor ihm im schönste» Abend- rvth. Wie ofl mag er nach seinem Sturze zurückgedacht haben an den Ort, wo ihm sein erster Roman erblühte, aber auch der kühne Traum eines wirdcraufqerichtetcn Laiscrlhroncs zum ersten Mal den Sinn berauschte I Dieses vertrug sich nicht mit Jenem. Roman« gedeihen schlecht in der politischen Höhenluft, und dort auf Are>-n bcrg mußte seine erste Liebe sterben, weil dort auf dem N g das zweite Kaiserthum geboren wurde.
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