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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188411274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18841127
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18841127
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-11
- Tag1884-11-27
- Monat1884-11
- Jahr1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1884
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Erscheint täglich früh e>/.UHr. Krdutiou und Lrprditio» JshaaneSgaffe SS. Sprrchkundkn der Kkdartion: ' Bonnittag» 10—IS Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. lt>»N MX«»«,. «M,et»n»t«r vr,»»i«n»t, »ach« ßch »u ««»Ä,» Mch» »«»«»iich. Nm»h«e »er für die ,Lchftf«lse»d« R«»«er »efttmmten Inserat» a» Wachen»«,e« bis 3 Ndr Nachmittag«, an Sann- und Festtagen srü» bi«'/,» Utzr. In den Filialen für Ins.-Annahme. Otto Itlemm, UniversiläiSstraße 21, Laut« Lösche, Kalharinenstraße 18, p. nur bis '/,S Uhr. Anzeiger. Organ för Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage 18,60« Abonnrmenlvprris viertelj. 4'/, Mir. incl. Bringerlohn 5 Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pj. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) ohne Postbesörderung 39 Mk. mit Postbesbrderung 48 Mk. Inserate flgcspaltene Pctitzelle 20 Pf. Gröbere Schriften laut uns. Preiverzeichmß. Tabellarischer u. Ziffernsatz nach höhenn Taris. llerlamrn unter dem RedactionSstrich dle4gcspalt. Zeile SO Pf., vor den Familicnnachrichtcn di« Kgespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind fietS an die t^pcSition za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenuineraräo oder durch Psst- nachnahme.. 332. Donnerstag den 27. November 1884. 78. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekannlmachuug, dt» Aahl- and Abrechnungs-Tag« der OrtSkrankenrafsen betreffend. Nach tz. 3l der von der königlichen KreiShauptmannschasl genehmigten Statuten der 18 OrlSkrankencasien zu Leipzig und Umgegend sind die Beiträge vierwöchentlich pränumerando nnd zwar für die velsichcrunaSpflichtigen Arbeiter durch deren Arbeitgeber, für die freiwilligen Mitglieder durch diese selbst bei den Lassen I bis >1 an« erste« Dienstag, Lassen VII bis XL! am ersten Mittwoch, Lassen XIII bis XVIIR am ersten Donner-tag jeder vierwöchentlichen Zahlperiode kostenlos einzuzahlen. Da die erste vierwöchenltiche Zablperiode am 1. December beginnt, fordern wir alle Zahlungspflichtigen auf» die ersten Zahlungen für die Cassen I bis VI Dienstag, den 2. December 1884, Vll bi« XII Mittwoch, den 3. December 1884, XIII bis XVIII Donnerstag, den 4. December 1884 bei der provisorischen gemeinsame» Laffenstell« der 18 hiesigen OrlSkrankencasien Weststraffe 77, I., u bewirken und zwar, was die Arbeitgeber anbelangt, soweit w bi« dahin in den Besitz der von un« ausgefertigten Kataster gelangt sind. Mit Rücksicht jedoch aus die vorliegende» zahlreichen BesreiungSgesuchc nach den tztz. 3 und 7b de« Gesetze» und um alle die etwa noch bis Ultimo November geführten BefreiungSuachweise berücksichtigen zu können, wollen wir die Anlegung eines Theile« der Kataster bi- zum l. December binauSsldirben und werden deshalb erst in der zweiten Woche dcS December im Stande sein, diese Kataster an die be treffenden Arbeitgeber hinauSzugeben. Für diese letzteren verlängern wir deshalb hiermit die Zahlungsfristen bis zur -ritte» Woche des December und zwar für die Cassen I bis VI bis zum Dienstag, den 16. December 1884, VII bis XII bis rum Mittwoch den 17. December 1884, XIII bis XVIII bis zum Donnerstag dm 18. December 1884. Für die späteren auS den Katastern ersichtlichen Zahlungs perioden wird jedoch an der Zahlungspflicht in der erste« Woche der betreffenden Periode unweigerlich festgehalt« werden. Leipzig, den 25. November 1884. Der Rath -er -itzodt »eipsta. (KrankenversteyernnpSamt ) Winter. Wegen Reinigung der Locale bleibe» die Geschäfte des Leihhauses und der Sparkasse für Donnerstag, den 27. Novem-er ». ausgeseyt. Leipzig, den 24. November 1884. DeS RathS Deputation fLr Leihhaus «ad Lpnrcaffe. Bekanntmachung. Die Lieferung der im Jahre 1885 erforderlichen Gchleußm- Sohlstücke aus Granit soll an einen oder mehrere Unter nehmer in Accorö vergeben werden. Die Bedingungen für diese Lieferungen kvunen do« nuferer Tiefbau-Verwaltung, NalhbauS, II. Etage, Zimmer Nr. 14, bezogen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Lieferung von Schlenffen-Tohlstnäe»" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 8. December dieses Jahres Nachmittag- 5 Uhr einzureichen. Leipzig, am 20. November 1884. Des Raths der Stadt Leipzig Straffenbau. Deputation. Gewölbe-vcrmiethnng. Eingctretencr Umstände halber soll die z. Z. an die Firma H. Scburath Nacbf. vermiethcte Abtheilung Nr. I der DerkaufShalle PcterSsteinweg Nr. 11 (Grüne Linde) nebst 4 Niederlagen im Erdgeschoß der Seitengebäude ebenda selbst aus die drei Jahre hi» «tt L887 DienStag, den 2. Deceorber d». I»., Bormittag- II Uhr aus dem Rotbbause, 1. Etage, Zimmer Nr. 18, a» de» Meistbietenden anderweit vermtethet werde«. Ebendaselbst aus dem großen Saale liegen die Ber- miethungS- und DersteiaerungSbcdingungen nebst Änveutarium der zu vermicthendeu Lokalitäten schon vor dem Termine zur Einsichtnahme aus. Leipzig, den 20. November 1884. Der Rath der Stad« Leipzig. Stk vr. Georgi. Stöß. Verpachtung. Launtag. den 7. Tcre«ber d. I., Nachmittag» L Uhr soll im hiesigen Gasthosc da» Areal dcS ehemaligen alten Gottesackers auf drei bintereinander folgende Jahre (von Renjahr 188b di» Ende 1887) im Ganzen oder theilweise verpachtet Werda». Der Platz ist 86 lDRth. grob, eignet sich zu Lager- oder Trockenplätzen u. dgl. und ist durch eine 2.58 Meter breite Emsahrt zugänglich. Bedingungen liegen jeden Lag im hiesige» Gemrtxdebureau »> Jedermann» Einsicht während der Expedition-stuudeu von 18 di< 1 Uhr Mittags au». Reusellerhauseu, am 24. November 1884. Der Te«etnher«th. Seyssrrth, Gemein de-B erstand. RenNttbk Der Schuhmacher Karl Moritz Ech«»8 hat sich j>,r Fürsorge seiner Kinder entzöge,». Nachricht von dessen jetzigem Aufenthalte wird erbeten. Neustadt bei Leipzig, am 20. November 1884. Der Vrt»«r»e«»erd8»d. Dietrich. Gem.-Vorsi. Aufgebot. da» Aufgebot > Dirrcttoa der Der Rentier A«g. Brost zu WildenfclS t/G. der für ihn unter dem 20. September 1867 von Germania, LebenS.Bersicherunq->Actien.BescllIchast z» Stettin, a»<- gestellten Lebensversicherungspolice Nr. 165744 über 1000 Thaler beantragt. Der AufgebotSlermin ist bestimmt aus den 7. Juli 1885, Bormittag- 11 Udr, lerminzimmer 53. Stettin, den 13. Rovembcr 1884. Königliche» AnttSßericht. Nichtamtlicher Theil. Die socialdemokratische Fraktion. Die Socialdemokraten im Reichstage treffen Anstalten, die Folgerungen aus ihrer verstärkten Stellung zu ziehen. Schon in der letzten Gesetzgebung-Periode batte die Partei zu er kennen gegeben, daß sie an den Arbeiten des Reichstage- positiven Antheil nehmen wolle, und hatte zu dem Ende eine ganze Reihe von AbänderungSanträgen zum Unsastversicbe- rungSgesctz gestellt, die erst nach Ablehnung der grundlegenden Vorschläge zurückgezogen wurden. In diesem Reichstage werten die Socialdcm'okratcn noch einen Schritt weiter gehen und dem Reichstage einen GcsetzcSvorschlag unterbreiten, in welchem ihre vorläufigen Forderungen gesetzlich sormulirt erscheinen. Dem Vernehme» nach ist eine Commission von sieben Abgeordneten der Partei niit der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs beauftragt, in welchem der Normalarbeitstag, die Abschaffung der Frauen- und Kinderarbeit in den Fabriken, die Befugnisse der Fabrikinspecioren, Einrichtung von GewerbeschiedSgcrichten und von ArbeitSnachweisebureaux gesetzlich geregelt werden. Diese Art der parlamentarischen TbLtigkeit kann nur ge billigt werden, und sie erweckt die Bcrmulbung. daß die Social demokraten den ernsten Versuch machen wollen, die Reformen, welche sie anstrcben, aus parlamentarischem Wege zu erreichen; der Reichstag wird deshalb gut tbun, diesem Versuche den gleichen Ernst entgegenzubringen. Wenn wir unsere Blicke in die Vergangenheit schweifen lasten, so werden wir erkennen, daß die Socialvemokraten im Lause der letzten sechs Iabre ganz andere geworden sind. DaS bimmclsturmenve Wesen, die verächtliche Kritik aller bestehenden staatlichen Einrichtungen ist dem Streben gewichen, die Gesetzgebung im socialistischen Sinne umzugestallen. In diesem Streben begegnen sich beute Bun-eSrath und die staatüerhaltenden Parteien mit den Sociatdemokraten. DaS ist ein großer Fortschritt, und durch diese Veränderung der Sachlage wird die Hoffnung erweckt, daß eS gelingen wird, zu einer Verständigung zu gelangen. Aus beiden Seilen besteht volle Uebereinstimmung darüber, daß der bisherige Zustand dringend der Verbesserung bedarf. Der Staat kann ruckt theilnahinloser Zuschauer einer Entwicklung gegenüber bleiben, weiche einen großen Bruchtheil der Bevöl kerung einem fortdauernden Nothstande überliefert. Die stete Zunahme der Bevölkerung, die Ausdehnung, welch« Vir In dustrie in den letzten Jahrzehnten gewonnen hat, haben Ver hältnisse geschaffen, welche schwere Gesakren für den Be"a7 der gesellschaftlichen nnd staatlichen Grundlagen in sich berge?. Hier galt es. mit Entschlossenheit Hand anzuleqen und die unerläßlichen Reformen aiizubahncn. Die ReickSregierung zeigte hinreichendes Verständniß der Lage, nm sich nicht der " altung derjenigen Partei anzuschlicßen, welche in dem freien ipicl der Kräfte die beste Gewähr für eine gedeihliche Ge- sammtenlwickiung erblickt; sie suchte vielmehr nach geeigneten Mitteln, um dem vorhandenen Bcdürfniß Abhilfe zu gewähren. Daß sie bei diesem Beginnen aus Schwierigkeiten und Hinder nisse stieß, ist sehr nalürltch; war doch ein ganz neues Feld der Thätigkeit eröffnet, auf welchem erst Erfahrungen ge sammelt werden mußten, um brauchbare Gesetze zu schaffen. Mustcrgiltiges entsteht selten auf den ersten Wurf, und so hasten denn auch den beiden socialpolilischen Gesetzen, welche gegenwärtig in Hebung treten, noch Unvollkommenheiten an, die erst mit der Zeit beseitigt werden können. Die socialdemokratische Partei hat da- KrankenversicherungS- gesetz nach dieser Richtung hin geprüft und gesunden, daß eS wünschcnSwerth ist, den Zeitpunkt für das Iukraftreten de» Gesetze- hinauszuschieben. Für den Fall der Ablehnung diese- Antrages haben sie einen andern Antrag vorbereitet, welcher den Tbeilnehmern der eingeschriebenen Hilfscaffcn Frist für den Beitritt zu einer OrtS-, Gemeinde-, Betriebs-, Bau- odcr Innungscaffe giebt, bis über Zulassung ihrer HilsScassc endgiltig entschieden ist. Dieser Antrag entspringt der un befangenen Prüfung tbatsächlicher Verhältnisse und hat des halb begründeten Anspruch auf Beachtung. Nicht minder sachgemäß erscheint der Antrag, welcher den Reichstag aus fordert, die Herausgabe von Normativbestimmungcn für Statuten eingeschriebener HilfScassen, welche den Bestim mungen deS KrankenversicherungSgesctzcS entsprechen, zu ver anlassen. Durch Annahme solcher Anträge würde der Reichstag unsere» Erachten» nur «eigen, daß er die ernsten Bemühungen der Socialdemokraten, sich mit den bestehenden Zuständen auSzusöhnen und erreichbare Ver besserungen anzustreben, zu würdigen weiß. Bis zur Erreichung eine- allen berechtigten Anforderungen ent sprechenden KrankencaffengesetzeS wird nock> eine ganze Reihe von Abänderungen und Ergänzungen deS Gesetzes nolhwendig werden, dieser Wahrnehmung wird sich kein unbefangener Beurtheiler der Sachlage verschließen. Tic socialtemokratischcn Abgeordneten haben aiS die Vertreter der Arbeiter daö Nächst liegende Interesse daran, ein wirklich brauchbare» Krankcn- caffengesch herzustellen; wenn sie also praktische Verbesserungs- Vorschläge machen, so kann man daS nur mit Dank begrüßen. Der Gesetzentwurf, welcher gegenwärtig von social» demokratischer Seile >n der Ausarbeitung begriffen ist, bat aber eine weit größere Tragweite, als die ÄbändcrungSanträge zum Krankencäsfengesetz; dadurch soll n grundlegende Be stimmungen geschaffen werden, welche tief eingreisen in die socialen Verhältnisse. Der NormalarbeitSlag ist eine Frage, welche der freien Entfaltung deS Einz lmilliNS eine un« überschreitbare Grenze setzt, e» ist daS eine Einrichtung nach Art de» Schulzwanges und der allgemeinen Wehrpflicht, welche da» Interesse der Gesammtheit als obersten Gesichts punct hinstcllt. Bei freier Bethätigung der Arbeitskraft ist eS Jedem überlasten, welche Anwenöung er von seinen Kräften und Fähigkeiten machen will, durch die Ueberbietung der wettbewcrbendcn Kräfte wird aber die Gesundheit und die Wohlfahrt der Arbeiter in ihrer Gesammlheit geschädigt, und deshalb wollen die Socialdcmokraten einen Norpial- arbeitötag schaffen, welcher der Leistungsfähigkeit der Mehrzahl angcpaßt ist. Diese Forderung ist theoretisch so gerechtfertigt, daß sich dagegen kaum etwas einwenden läßt, aber r« kommen dabei so diele Interesse» in Bc tracht sowohl auf Seiten der Arbeitgeber als aus Seiten der Arbeiter, die persönliche Freiheit erfährt dadurch so wesentliche Einschränkungen, daß ein starker Widerstand gegen die beabsichtigte Neuerung vorauöznselicn ist. Ans eine Verminderung der Arbeitszeit sind die Wünsche der Arbeiter stet« gerichtet gewesen, aber eS läßt sich nicht ver kennen, daß die Ziehung einer Grenze auch im Interesse der Arbeitgeber liegt. Nur Derjenige, welcher einen vernünftigen und mäßigen Gebrauch von seiner Arbeitskraft macht, kann feine LeistungSsähigkett aus der erreichbaren Höbe erhalten, daS Uebermaß der Arbeit bat Abspannung zur Folge, welche nicht nur die Kräfte der Arbeiter vorzeitig ausreibl, sondern auch den Werth der Arbeit herabsetzt und dadurch der Gesammt heit schadet. In Bezug auf die Abschaffung der Frauen- und Kinderarbeit in den Fabriken sind alle Mciischensrcunke einig, aber auch diese Maßregel ist eine so radikale, daß ihre Durch führung starken Hmdk^mslen bxg,giien wird. Vorläufig erscheint nur die Abschaffung der Kinderarbeit nnd eine Beschränkung der Frauenarbeit erreichbar. DaS Centrum begegnet sich in den Humanitären Bestrebungen mit denen der Sociatdemokraten. indem eS für Abschaffung der SonntagS- arbeit eintritt, die Socialdemokraten sichen aber, wenn sie ihre Wünsche nach dieser Richtung hin mit denen deS Cen- trumS vereinigen, aus einem wesentlich anderen Standpunkt. Bei ihnen handelt eS sich nur um sanitäre GesichtSpuncte, während beim Ceutrum die religiösen Bedürfnisse der Bevöl kerung maßgebend sind. AuS den vorstehenden Andeutungen ergiebt sich, daß die Berathungen über den socialdemokratischen Gesetzentwurf sehr lebhaft zu werden versprechen. Wahr scheinlich wird ein positives Ergebniß zunächst nicht erreicht werden, aber die Anregungen, welche die Verhandlungen ergeben, sind werthvoll genug, um sie nickt als verloren erscheinen zu taffen. Sie werden unzweifelhaft nach allen Seiten klärend wirken und dadurch den Boden iür eine Gesetzgebung schaffen, welche dem vorhandenen Bedürfnis! in einer möglichen Form Abhilfe gewährt. * Leipzig, 27. November 1884. * Die Herrn Windthorst zugeschriebene Absicht, die braunschweigische Erbfolgesrage im Reichstag zur Sprache zu bringen, wird jetzt von klerikalen Blättern in Abrede gestellt. Der CenlrumSsübrcr mag sich wohl über zeugt haben, daß er mit seinem Eintreten für die welsische Thronfolge in Braunschweig seiner Partei einen schlechten Dienst erweisen würde. Bon der in NcgiernngSkreiscn gegen da» Centrum augenblicklich herrschenden gereizten Stimmung zeugt ein Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", worin die Ansprüche de» Herzog» von Cumber- land auf die braunschweigische Erbfolge >n der denkbar 'chroffsten Form zurückgcwiescn und zugleich gegen da» Cenlrum Anklagen geschleudert werden, so heftig, wie nur in den Zeiten de» höchsten Stande» deS Culturkampfe', Der Artikel lautet: Im Segevsatz zu der öisentlichen M-inung, welche mir immer größerer Beftimmthei» und Energie gegen dle km'vrüche des Herzog- von Cumberland aus Braunschweig Front macht, erheben sich von Zeit zu Zeit noch vereinzelte Stimme», ui» angeblich im Namen des bestehenden Rechts zn Gunsten deS wölfischen Prätendenten Provagauda zu machen. Die Frage der braun schweigischen Thronfolge ist, wie wir bereits wiederholt hervor- gehoben haben, in erster Reihe eine politische, und bei einer richtigen Würdigung derselben unter diesem letzteren GesichtSpuncte stellen sich den Ansprüchen de» Herzog» unüberwindliche Bedenken entgegen. ES liegen unzweifelhafte Beweise dafür vor, daß der Herzog von Cumberland bis zu dem Tode deS Herzog» von Braunschweig der unversöhnlichste Gegner von Kaiser und Reich gewesen ist. Eines der betreffenden Beweisstücke ist neulich von uns veröffentlich! worden: ein Brief an den Kaiser ans dem Jahre 1878, in welchen: der Herzog aus das Bestimmteste erklärt, „daß er alle Rechte, Präro gativen und Titel, welch« seinem Bater überhaupt und insbesondere aus daS Königreich Hannover zustandcn, krasl der in seinem Hanse bestehenden Erbiolgcordnung aus sich übergegongen betrachte und voll und ganz aufrecht halte". Daß der Herzog seinen damaligen Stand punkt aufgegeben habe, können seine Anhänger wohl behaupten, aber es steht ihrer Behauptung auch nicht der Schein eines Beweises zur Seite. Hätte der Herzog wirklich den ernsten und offenen Willen, Kaiser und Reich anzuerkenncn, so wäre eS ihm ein Leichte» gewesen, denselben in einer ebenso bestimmten und unumwundenen Form zu äußern, wie er eS seiner Zeit in den Prolcstcn gegen die bestehende Rechtsordnung gethan hat. Eine solche Aeußcrung liegt aber nicht vor. Alle bisherigen Erklärungen des Prätendenten sind derart gefaßt, daß nur eia leichtfertiger Politiker in ihnen eine Bürgschaft finden könnte. Aber selbst wenn auch eine bestimmte und unumwundene Willen». Sicherung vorläge, so würde doch einer Berücksichtigung der welfischen Ansprüche der Grundsatz entgegenstehen: ku<:t» loguuutar. Die Thatsachen ergeben zur Evidenz, daß ein ernster Wille unmöglich vorbanden sein kann. Der Herzog hat sich seine ganze Gesolgschasi ausschließlich au- den Reihen einer Partei gewählt, welche die stän- digen Hospitanten de» EentrumS bilden — also auS einer Partei, die, was ihre Treue zu Kaiser und Reich aubctrifft, aus einer Linie rangirt mit der polnischen und französischen Fraktion. Der Herzog hat damit gemeinsame Sache mit einer lloalition gemacht, an deren Spitze der «HStigste und geschickteste Gegner des proiestanlischen KaisenhninS steht. In dem LentrumSsührer verschmelzen sich m der Thal die beiden entschiedensten Oppositionen gegen Kaiser und Reich: die «elfische und die ultromontane. Wenn der Herzog von Cumberland nnd seine Gefolgschaft sich unter die Schutzherrlichkcit dcS Lcntrum» in eben demselben Augen- blicke stellen, in welchem letzteres eine feindseligere Stellung als bis her gegen die Regierung und die bestehenden Institutionen einnimmt, und io welchem die Hoffnung» daß das Entgegenkommen der Regierung von römischer Seile eine entsprechende Bcanlwortung finden würde, sich »IS Jrrlhum erwiesen hat, so kann man dem Reiche nicht zumuthcn, daß e» sich dazu bereit finde, in Braunschweig daS Hauptquartier der welfikchen Politik ausschlagen zu taffen. Jeder gewissenhafte Politiker wird eS weil von sich weisen, das Reich, welches unter so schweren Opiern gegründet worden ist, einer derartigen Gesahr ouszusetzeu. Unsere Regierung ist stets consequrn» und enischloffe» sür da« monarchische Princip und dir Fürstenrechte cingelrcten. Wird sind aber überzeugt, daß sie nicht den Frieden von 45 Millionen Menschen den Lande»intereffen eines wenn auch noch so alten und vornehmen Hanfes opfern wird. Und »m nichts Geringeres als um ein solches Opfer würde eS sich handeln, wenn die Ansprüche de» Herzogs von Cumberland auf den braunschweigischen Thron anerkannt würden! * lieber die deutsche Reichs marine entnehmen wir der „Vvssifchen Zeitung" die felgenden Mitthesliingen: Im Etat sür die Verwaltung der kaiserlichen Marine aus da« EtatSjabr 1885/86 werden anher der letzten Rate von 600,000 zur Bollendung einer Coivette als Ersatz für „Medusa", deren Bau bi« Ende März 1886 fertig gestellt werden soll, Mittel sür drei Ersatzbauten gefordert, tür die Lorvette „Elisabeth", sür de» Aviso „Loreley" und auch schon für daS Kanonenboot „Albatroß". Die Eorvctte „Elisabeth" ist am 18. Oktober 1868 vom Stapel gelaffen, im Jahre 1870 in Dienst ge kommen und seither viel zu Entsendungen in daS Ausland venoenbet worden. Tie Admiralität nimmt nach dem jetzigen Zustande des Schiffes an, daß e» nach Verlauf üon drei Jahren zur Ver wendung im Seedienst nicht mehr brauchbar sei» wird. Tic bis jetzt aus die Corvette verwendete» Reparalurkosten (2,832,771 >k!) übersteigen bereits den Neuwerth (2,066,268 derselben, so daß man von einer kostspieligen Grundrcparatur des Schiffes absehcn will. Nun hat aber die Reparatur der „Elisabeth" vor der letzten Indienststellung in diesem Frühjabr als Seecadcttknlchnl'chiff erst 316,511 gekostet» so daß man wohl zu der Annahme bereckogt ist, daß die Reparatur eine gründliche gewesen und daß die „Elisabeth" wenigstens als Schulschiff noch ei» Jahrzehnt Verwendung sinden kann. DaS ist um so mehr zu wünsche», als der iu Vorschlag ge- brachte Ersatz einen ganz neuen „TüP" io unserer Kreuzer- statte schaffen soll, nämlich den „geschützten Kreuzer", was in diesem Falle wohl nicht« Andere« heißt, als eine gepanzerte Corvette „von großer Geschwindigkeit", wie im Etat erchen- licher Weise hinzugesügt wird. England und Rußland haben schon seit Jahren gepanzerte Kreuzer gebaut. Erst »n Ansange dieses JabreS ist die „Imperieuse" zu PariSinonth imd „Waripile" zu Chaiham vom Stapel gelaffen. Diele gepanzerten Kreuzer baden vier feste Thürme, tn welchen je ein Geschütz eu liarbetia installirt ist. Wegen ihrer Bestimniung zum Krenzerdienst in weit entfernten Gewäffern. wo sie olleasallS Panzerschiffen zweiten Ranges anderer Nationen feindlich begegnen könnten, dann zum Schilpe des eigenen und zur Hemmung de« srtadlichen Handels in Kricgezeileii, sind sie nicht nur mit panzrrsähigen Geschützen, sondern auch mit verhält- nißinäßig außerordentlich mächtigen Maschinen (8000 Pserbekr.) und sehr großen Kohlenvorräthen versehen. Die Schiffe sollen 16 Knoten laufen, doch ist uns da« Resultat der Probesahricn »och nicht be kannt. Wenn die deutsche Marine den Bau eine« gepanzerten Kreuzers sür nothwendig erachtet, so sollte sie ein Schiff proiecliren, welches nicht nur de» entsprechenden Schiffen der fremden Marinen überlegen, sondern auch nach drei oder vier Jahren als Kreuzer ersten RangkS gilt. Mögen auch sonst im Ordinarium dcS Marinc- etal« Ersparungen nöthig sein, bei den Eisatzbanlen wären sie übel angebracht. Die Admiralität hat die Kosten sür einen geschützten Kreuzer aus 4.500,000 (außer Artillerie- und Torpedoarmlrunq) veranschlagt. Die oben erwähnten englischen Schisse kosten 8,400.000 ^ da» Stück, und eS scheint unvcnlbar, daß sür die Hälfte der Koste» eia ebenso leistunge-sähtges Schiss wie die „Im- pericusc" hergestcllt werden kan». Da nun aber die großen Post- dampscr bereiiS 18 und 19 Knoten machen, kann die „große Ge schwindigkeit geschützter Krenzer" nicht geringer sein und dementsprechend müssen Dimensionen und Herstellungekosie» de« Schisse« wachse». Der Bau eines gepanzerte» Kreuzers sür Misere Flotte ist zu enipsehlen, aber z. B. nur unter der Bedingung, daß ein Schiff ersten Rang-- von mindesten- 16 Knoten Geschwindigkeit unter conlractmäß'ger Garantie innerhalb dreier Jahre vollendet werde. — Die Aolhwendigkeit, für den Aviso „Loreley" einen Ersatz zu schassen, wird wohl zugegeben werden müssen, die Hauptsache ist ober auch hier nicht der Ersatz, sondern der Mangel schneller Avisos. Wir leiben mit nnseren jüngsten Nvisobauten nicht viel Glück gehabt, und der Mangel an schnellen AvisoS ist in Wahr- heit ein obsolnter. AvisoS von 16 bis 18 Knoten Ge schwindigkeit sind heutigen Tages nicht zn entbehren. Die Engländer besitzen schon seil vier Deprichenschisfe, welche über 18 Knoten laufen, z. B. „Mercury" 18.755 Knoten, „Iris" 18.57 Knoten. Wenn wir n>ch« vollkommen sicher sind auf unseren Wersten, Schiffe von dieser Schnelligkeit tn vrrbälinißmäßig kn ,er Frist zu erhalten, so wird eS undedtngi im Interesse der Wclirha,u>,kcit der deutschen Marine «othwendig sein, die interna- tiona.e Loncurrruz bei Neubauten nicht prine piell an-zuschließen. Für die deutsche Marine ist eS von der allerentschiedendsten Wichtig keit, daß ihr schwimmendes Material das an Qualität möglichst ersetzt, was ihm an Quantität abgeht. Deshalb scheint eS uns von der allergrößten Bedeutung z» sein, daß bei Neubamc» die Admi ralität sich Garantien verschafft, um der deutichkii Flotte schnelle Ersatzschiffe zu gewinnen, die in ihrer Art vorzüglich sind. * Zur Frage der Steuerreform schreibt die „Na- tionaluberale Correspondeiiz": Die Thronrede ist bekanntlich über die Frage der Deckung des Deficit' und der Beschaffung neuer Einnahmen mit Stillschweigen hinwcggcgaiigen oder vielmehr sic hat sich mit der negativen Be merkung begnügt, daß auS der Ncsorm der Zuckerstener bei der heutigen Krisis dieser Industrie große neue Einiiahmcn nicht ge wonnen werden könnten. ES wird auch osstciöS versichert» die Re gierung beabsichtig« keine neuen Sleiieranirägc zu stellen, nachdem sie in dieser Beziehung schon so viele übte Erfahrungen gemacht, so viele Zulückiveisungen erlebt habe, sondern sie walle Vorschläge aus der Mitte des Reichstags abwarten und r« eventuell, wenn ihr solche Vorschläge nicht entgegengebrachi werden, fernerhin anheimgeben, wie die Emzcl- staatcn die vermehrten Bedürfnisse de« Reich« durch erhöhte Malricular- bciträgc ausbringcn werden. Es wird jetzt an den Reichstag und die ver- schtedciien Parteien eine schwere und verantworlungevollc Aus gabe herantreten. Die Mehrdedürsniffe des Reichs ciusach wieder aus die Einzrlstaaten abzuladen, geht aus die Dauer nicht an; die Steuerquellen der letzteren sind dazu längst schon viel zu sehr erschöpst. Die Bedürfnisse de- Reich« müssen auS den eigenen Einnahmen des Reichs bestritten werden; diesen Grundsatz werden nachgerade alle Parteien als berechtigt anerkennen müssen und eS wird sich auch keine Partei mehr der Aufgabe entziehen können, ein bestimmles positives Stenerprogramm auszustellcn, ain allerwenigsten die deuischsreiffnnige Partei, welche ans der Steuerfrage bei den Wahlen so viel agitatorisches Capital geschlagen. Wer sonwährend gerufen Hai: Keine Besteuerung und Berlheuerung unentbehrlicher Gcnuß- niiiiel! der hat ganz besonders die Pflicht, andcrwciie Vaeschlaqc zur Bestreitung der ReichSbedürsniffe zu machen. Diese Pflicht beginnt aiich in dentschfreisinniaen Kreisen anerkannt zu werden. So sinden wir z. B. in der Barih'schen „Nation" einen Aussatz, dessen Grundgedanken wir freilich zum größten Theil für uiiauSsührbar halte», der aber doch als ein Versuch Anerkennung verdient, anflalt des rein negativen AbsprechenS über daS bestehende Slcueriysteni ciiiinal po sitive Vorschläge zu machen. Bei ruhiger, ernster Beschäftigung mir diesem Gegenstand muß auch der radikalste Liberale zu der Emsie»! kommen, daß es ein ganz frivole« Schlagwort und ein gewissenloses Agitations- Mittel ist, in die Wählermaffen hlneinziirusen: Fort mit aller Be steuerung der Lebensmittel! Unter den Vorschlägen zur Vermehrung der Rnchecinnahmen, welche aus dem Reichstag hervargeue» werden, wird ohne Zweisei die Böriensteuer in erster Linie stehen. ES ver lautet von verschiedenen Vorschlägen, die au- Börsen- und Handels kreisen selbst in dieser Richiung vorbereitet werden, und eS wäre sehr wünschenSwerth, wenn sich dies bestäkigtc. Kommen »ich, bald die nächstbcthriligien sachverständigen Kreise selbst mit zweckmäßige» und ausgiebigen Vorschlägen hervor, so ist zu befürchten, daß der weiwcrbreilcte Haß gegen Börse und Capital sich dieser Gesetz gebung bemächtigt und die Frage in wirthschasllich verderblicher und unverständiger Weise ansaßt. Indessen, so gerckl-/ ertigt und wünschenewcrrh auch eine höhere Besteuerung der Böisengeschäste und deS Geldumsatzes ist, so wird doch nur ein Phauiast erwarten können, daß aus diesem Wege allein so reichliche neue Eiunahinen gewonnen werden können, um jede weitere Steuerreform entbehrlich zu machen, lieber anderweite Stenervorschlage werden sich die Parteien bei der bevorstehenbeu Liaisberathung aussprechen müssen, und wir hoffen, daß dieselbe nicht mit einem bloS negativen Resultat oder nur der Abhilfe sür die augenblickliche Verlegenheit endigen, sondern zur Verständigung einer große» Mehrheit des Reichstags über die Grimdzüge einer dauernden Steuerreform führen wird. * Ucber die SucccssionSsrage in Lippe-Detmold schreibt die „Post": Nicht nur Braunschweig und Luxemburg haben ihre Siiccessions- fragen. auch im Fürstenthum Lippe-Det mold siebt man nicht ganz klar in die Zukunft, wenn die jetzt regierende fürstliche Linie deS Hauses erlöschen sollte. Der regierende Fürst Waldemar, geb. am 18. Avril 1824, steht demnach im 61. Lebensjahre, und wenn auch glücklicher Weiic sein Gesundheitszustand durchaus nicht- zu wünschen übrig läßt und ihm noch eine lange Reihe von Lebens jahren bcschicdc» sein kann, so ist doch ».cht zu verlemie», daß er in cinem Alter steht, welches von nicht zu vielen Menschen über»
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