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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187410144
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18741014
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18741014
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1874
- Monat1874-10
- Tag1874-10-14
- Monat1874-10
- Jahr1874
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1874
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Erste Mage zum Leipziger Lagebla» und Anzeiger. M 287. Mittwoch den 1-1. Oktober. 1874. Herr Eugen Richter und sein Auftreten in Dresden. I. * Man kann sich cincS stillen Lächelns kaum erwehren, wenn man das geschäftige Treiben einer Handvoll Dresdner Fortschrittler, welche sich selbst für einen unzertrennlichen und werthvollen Be- standtheil der deutschen Fortschrittspartei auSzu- gcben bemüht ist, einer aufmerksameren Beobach tung unterwirft. Während die große Fortschritts partei im deutschen Reichstage wie im preußischen Landtage, trotz mancher Verirrungen, die wir nicht billigen können, wenigstens insofern eine achtungSwerthe Stellung einnimmt, als sie der deutschen Reicbsgcwalt wie der preußischen Ctaatsregierung gegenüber sich Selbstständig keit und Unabhängigkeit bewahrt hat, sind die Dresdner Landtags-Fortschrittler, durch ihren einfältigen Haß gegen die Nationalliberalen ver bittert und verblendet, glücklich dahin gediehen, daß sie als die eigentliche ministerielle Partei sich darstellen und dafür anerkannt werden. ES schließen sich ihnen daher mancherlei Elemente an, welche sie als ihnen fremdartige unbedingt von sich stoßen müßten, und wenn z. B. bei den LandtagSwahlcn ein Staatsbeamter, der als Eandidat auftritt, aus guten Gründen es nicht wagt, sich als einen unbedingt Ministeriellen den Wählern vorzustellen, so wird er sicherlich von sich rühmen, daß er der Fortschrittspartei angchöre und dieser sich an schließen werde. Je größer und bedeutungsvoller sonach die Kluft ist, welche zwischen den Dresdner Fortschrittlern und der deutschen Fortschrittspartei gähnt, um so dringender scheinen die Erstcren das Bedürfnis; zu fühlen, von Zeit zu Zeit sich selbst und Andere in den süßen Wahn zu lullen, als bestehe eine solche Kluft nicht, als seien sie ein gewichtiges An hängsel der großen deutschen Fortschrittspartei. Zu diesem Zwecke verschreibt man sich denn ab und zu ein mehr oder weniger bekanntes Mit glied der deutschen Fortschrittspartei, damit das selbe nach Dresden komme, im Kreise der dortigen Fortschrittler einen möglichst gesinnungStüchtigcn Bortrag halte und sowohl durch sein bloßes Er scheinen als auch durch ausdrückliche Erklärung einen wirklichen Zusammenhang zwischen den Dresdnern und Berlinern constatire. Die aus solchem Anlaß eingeladcnen Herren von der deut schen Fortschrittspartei — natürlich sind cS stets „Koryphäen" der letzteren — folgen natürlich alle zeit mit großem Vergnügen einem solchen Ruse, der ihnen persönlich Ruhm, Ehre und Anerkennung verspricht, und eben so natürlich versichern sie, dem Wunsche der Einladenden entsprechend, daß die Dresdner Fortschrittler Fleisch von ihrem Fleisch und Bein von ihrem Bein seien. Dann wird ihnen von Denen, die sie riesen, lauter Beifall zugejauchzt, und auch was dem engen Kreise der Fortschrittler nicht angehört, stimmt wacker mit ein in diesen ChoruS, aus reiner patriotischer Freudedarüber,daß der brave Berliner die schöne Gelegenheit, aus die verhaßten Nationalliberalen zu schimpfen, bestens auszunützcn bestrebt war. Diese neidlose Anerken nung fortschrittlicher Berliner Redner von Seiten der Dresdner ist selbstverständlich lediglich das traurige Erzeugniß kindischer Schadenfreude; denn wenn eö etwa einem anders gesinnten Berliner cinsallcn sollte, in abweichender Richtung sich über sächsische Parteivcrhältnisse eine Kritik zu er lauben und zum Beispiel die reactionair particularistischcn Umtriebe, welche in Sachsen leider in so hohem Grade florircn, rücksichtslos zu beleuchten, ei wie würde dann unser poli tischer Janhagel seinen Mund weit aus reißen und entrüstet fragen: wie kann so ein „hergelaufener" Berliner sich unterstehen, uns hier im eigenen Lande schlecht zu machen, er möge sich doch an seiner Nase zupfen, in Preußen ist cs noch viel schlimmer — und was dergleichen mehr ist. Wenn aber solch ein „Hergelaufener" die Nationalliberalen recht tüchtig geißelt, dann lacht dem biederen Sachsen das Herz im Leibe, dann ist der Fremde, wie die „Dresdner Nachrichten" von Herrn Richter sagen, „einer der interessantesten, schärfst geschnittenenCharakterköpsedesRcichstags" und seine Rede gehört „an Klarheit, Ideenreich thum, Formvollendung und echt deutscher Gesin nung zum Besten, was in einer deutschen Volks Versammlung seit Jahren gehört wurde." Kennte Herr Eugen Richter die „Dresdner Nachrichten" genauer, er würde sich gerade nicht sehr geschmeichelt suhlen, daß ihm von dieser Seite her so überschwengliches Lob gezollt wird, er würde vielmehr feierlich sich dagegen verwahren, den Beifall Derer verdient zu habe», welche in diesem edlen Blatte den sächsischen Namen aus eine so entsetzliche Weise illustrircn. Wir hier zu Lande gönnen ihm den also errungenen Lorbeer von ganzem Herren und lasten heiter und sorglos unfern Blick schweifen über die klein gedruckten Colonncn, in welchen die „Dresdner Presse" die Lufterschütterungen des Herrn Richter zu einem schreckhaften Klumpen zu sammengeballt bat. Die „Dr. Nachr." faseln zwar von „wanrhasten Kculenschlägen gegen die Nationalliberalen, namentlich der sächsischen Spe cictz", welche Herr Richter geführt haben soll; wir müssen indeß gestehen, daß die Lcctüre der Rede Desselben unS keineswegs ein Gefühl bereitet bat, welche- mit einer so gefährlichen Behandlung irgendwie im Zusammenhänge stehen könnte, ja wir freuen uns aufrichtig darüber, daß Herr Richter von Neuem erwiesen hat, wie ärmlich und nichtig die abgedroschenen Vorwürfe sind, welche man seit Jahren immer und immer wieder gegen die Partei schleudert, deren größtes Verbrechen darin besteht, daß sie die einzige ist, welche durch die ganze Neugestaltung der Dinge in Deutschland ihre heißesten Wünsche in Erfüllung gehen sah, die einzige, welche wahrhafte Erfolge' zu erzielen im Stande war, die einzige, aus deren treue und kräftige Unterstützung die Reichsgewalt bei ihrem so überaus schwierigen Kampfe' gegen die Feinde ringsum mit unerschütterlicher Zuversicht rechnen darf. Und wenn wir Dem noch hinzusügcn, daß Herr Richter es nicht verschmäht hat, in Bezug aas die sächsischen Nationalliberalen mit allem Vorbe dacht die gröbsten Unwahrhei tenundVerleum- dungen auszutischen, so wird sich darob Niemand wundern, dessen Gedächtniß bis zur vorletzten Session deS sächsischen Landtags zurückreicht, in dessen zwei ter Kammer damals FortschrittSlcutc wie Minckwitz und Wigard, namentlich aber der berühmte Dresdner Abgeordnete Walther, sich zu Ver bächtigungcn hinrcißcn ließen, welche durch Be weise zu erhärten sie nicht einmal versuchten. Wir schließen hier die allgemeinen Betrachtun gen, welche unS Herrn Richter's Austreten in Dresden nahe legte; ein weiteres Eingehen in Das, waS er gesagt, bleibe für die folgenden Nnmmern aufgespart. Zur Lage. Brrli». 12. Octvber. Das Stadtgericht hat heute über das Dis locationsgesuch deS Grafen Arnim Beschluß ge saßt und auf Grund des von den GcrichtSärztcn abgegebenen Gutachtens darein gewilligt, daß der Verhaftete auS der Stagtvogtci nach der könig lichen Charits übcrgesiihrt werbe. Dort sind zwei große und geräumige Zimmer für den Grasen hcrgerichtct, der selbstverständlich nach wie vor Itreng bewacht werden und Besuche nur in Ge genwart eines Gcrichtsbeamten empfangen wird Mit seiner Familie steht er in amtlich contro- lirter Cvrrcspondcnz. Die Beschuldigung, daß Gras Arnim im Bunde mit den Ultramontancn sei, wird von keinem Geringeren dementirt, als von dem Papste selbst, der, wie der „Germania" auS Rom ge schrieben wird, bei der Nachricht von der Jnhas tirung Arnims geäußert haben soll: „Schau! schau! Also Arnim im Gefängniß, ebenso wie ich in Hast. Das verdient er nicht! Sollte cS ihm nützlich sein, von mir ein Zcugniß zu erhalten, daß er hier gut gedient hat, ich würde eö ihm geben; denn er hat in der That Alles gethan, waS er gegen mich und gegen die Kirte zu thun im Stande war." Ob diese Worte richtig wiedcr- gegcben sind, muß dahin stehen, doch scheint es, daß das Gedächtniß deS heiligen VaterS an die Vergangenheit durch den Unmuth über die Gegen wart einigermaßen getrübt worden ist. Hier wenigstens erinnert man sich, daß Gras Arnim während seines Aufenthalts in Rom mit Vorliebe die Rolle des Vermittlers zu spielen suchte und sich alle erdenkliche Mühe gab, eine Vereinbarung zwischen dem Königreich Italien und dem heiligen Stuhle herbcizusilhrcn. Die evangelische Geistlichkeit des Lan des ist stark verstimmt über die kirchlichen Ober behördcn, weil dieselben bis heute noch keinen Schritt gethan haben, daS durch das Civilstandö gcsetz so geschmälerte Einkommen der Prediger zu verbessern. Es ist bezeichnend, daß alle kirchlichen Blätter von der ehemals Hcngstenbergschen bis zur Protestantischen Kirchcnzeltung in diesem Puncte übereinstimmcn. Eine große Anzahl von Pfarrern in Stadt und Land zieht ihr Einkommen säst ganz auS Stolgebühren, in einer ansehnlichen Stadt Hintcrpommerns z. B. erhält ein Pfarrer, dessen Einkommen auf mehr als 1000 Thlr. ver anschlagt ist, nur lOO^/z Thalcr festes Gehalt, ein Anderer, dessen Einkommen aus 060-/-, Thalei festgesetzt ist, bezieht aus den Stolgebühren 600 THaler. Wie sollen diese Ausfälle ersetzt werden? Die Geistlichen weisen daraus hin, daß die Mah nung des Obcrkirchenraths, sich wie bisher die Gebühren für kirchliche Handlungen zahlen zu lasten, nicht Helsen würde; denn man hat diese Gebühren bisher nicht gezahlt, um den kirchlichen Segen zu erhalten, sondern nur deshalb, um dadurch gewisse staatsbürgerliche Rechte zu er langen. Erhebt man also die bisherigen Ge bühren ferner noch, so dürste der größte Tluil deS Volkes davon absehcn, die Dienste der Geist lichen in Anspruch zu nehmen. Man begehrt deshalb schnelle Hülse und erwartet, daß der Oberkirckenrath mit geeigneten Vorschlägen vor den Cultusminister treten und dieser dem Land tage einen diesbezüglichen Entwurf vorlegcn werde. Die Angelegenheit der clsäsfischen Auto nomie scheint schon binnen Kurzem in Fluß kommen zu sollen. ES handelt sich, wie wir hören, vorläufig um die Einrichtung einer Delc- girten-Vcrsammlung, welche eine consulti- rcnde Instanz für alle specisisch clsässischen Ange legenheiten, namentlich für die Festsetzung des LandcshaushallSetats sein und aus den Mitgliedern der Bezirkstage gebildet werden würde. ES ist dieS der Mittelweg, aus tvclchcm schon vielfach in nationalen Organen hingcwiescn wurde und den nun auch die oberste Verwaltung von Elsaß-Loth ringen empfohlen hat Von Seiten deS Ober- präsidiumS ist, wie cs heißt, ein vollständiger Entwurf nach dieser Richtung hin ausgcarbeitct und dem ReichSkanzlcramte zur weiteren Beschluß fassung ^unterbreitet worden. ES ist kaum zwei« clhast, daß das Project in dieser Form aus eine günstige Ausnahme zu rechnen haben wird. Die plötzliche Abreise des Großfürsten Son st antin von Paris hat nicht nur in dortigen, sondern auch in hiesigen politischen Kreisen Auf sehen erregt. Der beabsichtigte Aufenthalt deS Fürsten in der französischen Hauptstadt ist auf diese Weise um eine volle Woche verkürzt worden. Gestern. Sonntag, sollte im Elnsse ihm zu Ebren ein Diner und an demselben Abend in der Oper eine Vorstellung zu Gunsten der Elsaß-Lothringer stattsinden. Wie man erzählt, telegraphirte der Großfürst nach St. Petersburg, um anzusragcn, ob er dieser Vorstellung beiwohnen dürfe. Un mittelbar darauf folgte seine telegraphische Rück- bernsung, die man geneigt ist, als Antwort auf die oben erwähnte Anfrage auszusassen. Es mag bemerkt sein, daß Großfürst Constantin mit einer Tochter deS verstorbenen Herzogs Joseph zu Sachsen-Altcnburg vermählt ist. — Für das Ca- pitel von den deutsch-russischen Beziehungen liefert der Vorgang einen bcacbtenswerthcn Beitrag. Cagesgeschichtliche Rebersicht. Aus Mailand wird der „Magdcb. Zeitg." gemeldet: Die italienische Reise deS Deutschen Kaisers scheint definitiv ausgegebcn zu sein; alle Vorbereitungen im hiesigen Königopalast wurden eingestellt. Die „Nat.-Ztg." schreibt vom 12. Oktober: Heute sollte beim Stadtgericht die Frage zur Entscheidung kommen, ob Graf Arnim, da in den letzten Tagen sein Leiden — eine hiesige Zei tung giebt dasselbe als „Diabetes" an —wieder heftiger ausgetreten sei, aus der Stadtvoigtci nach einem andern Orte, wo er sich mehr in freier Luft bewegen könne, zu transloeiren sei. Nach dem außer Bethanien auch die hiesige CharitL sich nicht in der Lage erklärt haben soll, den Kranken bei sich auszunehmcn, soll nach der einen Version eine Heilanstalt in der Nähe von Berlin (cs heißt daS Alaikon cko kante in Schöncberg) für seine Unterbringung in Aussicht genommen worden sein, während nach einer andern Version cS der Erwägung unterliege, ob der Graf im Palais des Grasen Arnim-Boytzenburg am Pa riser Platz Nr. 4 unter Bewachung gestellt werden könne. Der Bezirkspräsident von Lothringen Gras Arnim-Bovtzenbnrg soll sich wenigstens nach dieser Richtung hin für seinen kranken Schwager verwendet hahen. — Graf Arnim hat übrigens jetzt die Civilklage wegen Anerkennung seines EigcnthilmSrechtcs an den von ihm znrückbchaltc neu Schriftstücken angcstellt: nach einer der „Weser-Zeitung" zugcgangcnen Mitteilung soll er dem Untersuchungsrichter erklärt haben, „daß er bereit sei, selbst mehrjährige Hast zu erleiden, che er der Gewalt weiche, dagegen habe er sich bereit erklärt, die Documente sofort herauszu geben, sobald er vom Competenzgerichtöhofe dazu verurthcilt werde." Dieser kann nun erst intcr- veniren, wenn von Seiten deS Grasen Arnim die Eivilklagc eingerciebt ist und gegen die Zulässig keit derselben der Competcnzconflict erhoben wor den ist. Die Einleitung der Eivilklagc von Seiten des Grasen Arnim scheint demnach znm Zwecke zu haben, ein Einschreiten des Eompetcnzgerichtshofes herbeizuführen, dessen Entscheidung er angeblich sich fügen will. Nach derselben Correspondenz der „Weser-Zeitung" verlautet auö sicherster Ouelle, baß der Staats anwalt Tesscndors und der Untersuchungsrichter PeScatorc am Sonnabend, 3. Oktober, an welchem Tage die Rathskammcr deS Stadtgerichts die Haussuchung und Verhaftung in Betreff deS Grasen Arnim verfügte, drei Stunden im aus wärtigen Amt waren, wo sie ihre Instructionen empfingen. Aus diese Consercnz sei daS Gerücht zurückzusührcn, daß die Verhaftung im Ministcr- conseil beschlossen, dem Testender! bcigewohnt babe. Wie verlautet, finden noch jetzt weitere Eommunice.tioncn zwischen dem Gericht und dem auswärtigen Amte statt. Anscheinend soll damit dasselbe angcdeutct werden, was der „Magdeb. Ztq." mit folgenden Worten geschrieben wird „Wie wir weiter börcn, soll die Herausgabe der fraglichen Documente mehr als Nebensächliches betrachtet werden. Die Anklage soll sich nunmehr noch aus andere Momente gründen." Die „Voss. Zeitg." hat folgende Zuschrift des Grasen Arnim-Schlagcnthin erhalten: „In verschiedenen Zeitungen wird die Nachricht ver breitet, daß mein Vater, der Wirkt. Geh. Rath Gras von Arnim, angeblich nach den Aussagen deS I)r. Lang bei der Abfassung der Broschüre „Die Revolution von Oben" betheiligt sei. Ich kann versichern, daß diese Nachricht völlig ersun den ist und daß der Herr I)r. Lang meinem Vater selbst dem Namen nach unbekannt ist." AuS Eisenach wird vom 12. Oktober ge meldet: In der heutigen VormittagSsitzung deS Vereins für Social Politik rcserirtc Kalle (Biebrich) über Invaliden- und AlterScassen. Der selbe begründete seine Thesen, daß die ge setz lichcRegelungdeSPensionScassenwesens dringend erforderlich, daß die staatliche Ancrken nung von Pensionscassen und die Ertheilung von CorporationSrechten an dieselben von Einhaltung der zu erlassenden gesetzlichen Vorschriften über Bildung und Verwaltung derselben abhängig zu machen sei, daß die Errichtung von Cassen, wenn dergleichen innerbalb eine» gesetzlich sirirtcn Ter mines durch freiwillige Vereinigungen nicht gebildet sind. durch unter staatlicher Mitwirkung gebildete Verbände stattzusiuden habe und daß nach Maßgabe des Umfangs, in welchem die Errichtung von Cassen fortschrcitet, für alle Lohnarbeiter, auch für die jenigen der Landwirthschast. die Verpflichtung ein- treten müpe, einer Pensionscassc beizutretcn. Franz Dunkcr, welcher an Stelle dcö erkrankten Map Hirsch das Correserat übernommen hatte, sprach sich für die Einführung von GewcrkvercinS- cassen aus und erklärte ebenfalls die schleunige Regelung des Pensionscassenwescns der Arbeiter durch die Reichsgesetzgebung für geboten. Im Einzelnen verlangte er die Ausstellung von Nor- mativbedingungen für die Einrichtung der Cassen, wonach eine obrigkeitliche Conccssion für dieselbe» nicht erforderlich und ihre Verbindung mit be stehenden anderen Vereinen zulässig sein soll. Den Cassen soll ferner die vollständige Selbstverwaltung unter Mitwirkung staatlicher approbirter Sach verständiger eingcräumt werden. Denjenigen Mitgliedern, welche auS anderen Gründen als wegen Nichterfüllung ihrer Beitragspflicht, ausgeschlossen werden, soll eine Entschädi gung gewährt werden. — Ucber die Anträge der beiden Referenten fand eine längere Debatte statt, in welcher Held, Knauer und Wagner-Berlin für die Einführung von Zwangseassen, Müller, Eras und Engel (Berlin) gegen die Errichtung obli gatorischer Cassen sprachen. Eine Beschlußfassung wird erst in der heutigen Abendsitzung statt finden. — Nach Schluß der Debatte stellte Engel (Berlin) noch den Antrag, bei dem preußischen Handelsministerium eine Veröffentlichung der Er gebnisse der von diesem eingestellten Untersuchung über daS Arbeiter Pensionöwcsen nachzusuchen, und beantragte ferner eine ans Mitgliedern deS „socialpvlitischen Vereins" und der volkswirth- schastlichcn Gesellschaft bestehende gemeinschaft liche Commission zur Ausarbeitung eines Ent wurfs für gesetzliche Regulirung der Prbeiter- Jnvalidencassen zu wählen. Der französische Kriegsminister hat an die Armcccorps Cominandos ein Circular er lassen, das sich auf die Berichte stützt, welche die zu den deutschen Manövern abgcsandten Ossicicre cingercicht haben. Dieselben haben be sonders die Gelassenheit und Ruhe hervorgehoben, welche in den deutschen CommandoS herrscht; zu weilen komme cS vor, daß an die Stelle eines lauten Connnandos eine Geste trete. Der Kriegs- ministcr will bei der französischen Armee ein ähn liches Verfahren cinführcii, weil er darin eine sehr förderliche Vereinfachung des Dienstes er kennt. Die Journale sind mit diesem Circulare des Ministers einverstanden, da die darin gegebe nen Instructionen die Cominandos nur auf das Nothwcndigste beschränken und Wiederholungen vermeiden, wie sie bisher üblich waren. Man hofft, daß die commandirendcn Generale die neuen Modifikationen bald praktisch einführen werden. — lieber die eaukv eälökno «I'Arnim cursiren in Paris noch unzählige lächerliche Gerüchte. In einem längeren Artikel des .Msmoi-ial <Ii- pInma. eigne" über diesen Gegenstand ist Fol gendes bemerkt: „Die Gefangennahme des Grasen Arnim, des früheren Gesandten in Paris", beginnt das Blatt, „hat überall in ganz Europa nach ver schiedenen Gesichtspunkten großes Aussehen gemacht. Es ist von besonderer Bedeutung, daß eine so strenge Maßregel aus eine so hochgestellte Persönlichkeit an,gewendet worden ist, wenn sic auch von dem preußischen Strascodex vorgcschricben ist. Wenn man die Doctrin von der Gleichheit vor dem Gesetze in Betracht zieht, so muß das Ansehen der königlichen Behörden, welches in Preußen bis her schon so groß war, in den Augen der großen Masse noch sehr gewinnen. Machten aber die Natur des Delikts und die Stellung des Angeklagten die Verhaftung absolut nothwcndia? DaS ist eine andere Frage, welche man außerhalb Deutsch lands nicht unbedingt bejahen kann. Das Wichtigste bei der ganzen Angelegenheit ist aber, daß durch sie daS Vorhandensein fundamentaler Spaltungen in den höchsten Regionen der osficiellen Welt Berlins verrathcn wird. Diese Thatsache macht vor Allem den tiefsten Eindruck aus Europa. Was uns anlangt, so wollen wir kein voreiliges Urtheil über eine nur unvollständig bekannte Sache fällen. Wir wollen nur darauf Hinweisen, daß weder die Staatöraison noch die Partei-Interessen in unfern Augen Acte der Jmmoralität oder der Jndclicatcsse entschuldigen. Unglllckscligerweise sind seit einer Reihe von Jahren schlechte Beispiele in Bezug aus con« servative Principien und aus gesunde gouvcrnc- mentale Traditionen zu Ansebcn gekommen und haben wie eine Epidemie die anderen Schichten der Gesellsckast angcstcckt." Die englische Presse stellt sich bei Bespre chung der Ar nun'sehen Angelegenheit rückhaltlos aus Seite der Regierung. Das angesehenste Lon doner Wochenblatt, „Satnrdav Review", tadelt auss Schärfste daS Unwesen, welches einzureißen beginnt, daß Diplomaten Documente zu eigenem Nutzen und Frommen oder zur Befriedigung ihres AergerS veröffentlichen. Gras Arnim, sagt das Blatt, hat in einem Ansall persönlicher Er bitterung gegen den Fürsten Bismarck in einer schlimmen Stunde sich zu einer Methode der Rache bcrabgclassen. welche ihn aus daS Niveau der Bencdctti's und Gramont's hinabdrückte. Man hat es hier und da für sehr hart gegen den Grafen Arnim gehalten, daß seine Verhaftung angcordnet wurde ES ist das eine Ansicht, welche wir nicht leicht theilen könnten. Wenn die Geschichte wahr ist, so er scheint Gras Arnim keineswegs als Märtyrer, sondern in» Gegcntheil als eine sebr schuldvolle und strafwürdige Persönlichkeit. Abgesehen
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