Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187411227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18741122
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18741122
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1874
- Monat1874-11
- Tag1874-11-22
- Monat1874-11
- Jahr1874
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1874
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Dritte Seitage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. m « Sonntag den 22. November. 1874. Deutscher keichslag. * Berlin, 20. November. „Des Scepter« bin ich wieder ledig", da« waren die Worte, mit denen der Vice-Präsidenl v. Staussenberg gestern Abend seinen Freunden die Mittheilung machte, daß der Präsident v. Forckenbeck die Wieder» wähl zum ersten Präsidenten des Reichstages angenommen habe. Somit wäre denn die Krise glücklich wieder beseitigt, welche der Antrag Laster über den Reichstag herausbeschworen hatte, und damit zugleich das Princip sestgestellt, daß der Reichstag nicht berechtigt ist, bei Gelegenheit der ersten Lesung eines Gesetzentwurfes irgend einen materiellen Beschluß zu fassen. Natür lich beschäftigen diese Vorgänge noch immer die Mitglieder des Reichstages und man erzählt sich ganz interessante Einzelheiten. So fand am Abende der verhängnißoollen Mittwochs-Sitzung ein Diner beim Fürsten Reichskanzler statt, zu welchem die drei Präsidenten des Reichstages und da« Bureau Einladungen erhalten hatten. Herr v. Forckenbeck weigerte sich sehr lebhaft, dieser Einladung Folge zu leisten, da er nicht mehr Präsident des Reichstages sei, und nur das dringende Zureden seiner Freunde vermochte ihn erst, sich zum Fürsten Bismarck zu begeben. Wie Dieser die Angelegenheit aussaßt, geht deut lich auS den Worten hervor, welche er an Herrn v. Forckenbeck richtete, indem er sagte: „Wenn ich so empfindlich wäre wie Sie, Herr Präsident, so hätte das Deutsche Reich schon viele Reichskanzler gehabt." Richtig ist diese Austastung gewiß, und Herr v. Forcken beck hätte einfach die immerhin zweifelhafte Frage dem Plenum zur Entscheidung vorlegen sollen, wie eS sowohl der frühere Präsident vr. Simson, und auch der Präsident v. Bennigsen schon öfter gethan haben. Uebrigens ist auch das Auf treten deS Abg. Vr. Beseler im Plenum nicht ganz ohne Veranlassung gewesen, denn, wie wir erfahren, soll er sowohl wie der Abg. vr. Bähr (Kassel) sich in der Versammlung der national liberalen Fraktion, in welcher über den Lasker'- schen Antrag verhandelt wurde, zum Wort ge meldet haben, um gegen diesen Antrag zu sprechen, der plötzlich herbeigefübrte Schluß der DiScussion aber diese Absicht der beiden genannten Abgeord neten vereitelt haben, in Folge besten vr. Beseler im Plenum das Wort gegen den Antrag und besten Zulässigkeit ergriff. Gestern Abend hatte die Fraction wiederum Versammlung, und die Folge der daselbst gepflogenen Verhandlungen war, daß der Abg. vr. Beseler seinen Austritt aus der Fraction erklärte. Obwohl im Reichstage heule mehrere Commis sionen und Budget-Gruppen tagten, so ist im Ganzen doch wenig zu berichten. Die Budget» Commission erledigte den Militairetat bis zu Titel 20, Nr. 4, ohne dabei Beschlüste von Er heblichkeit zu fasten. Die Verhältnisse der Unter- ofsiclere wurden eingehender besprochen und dabei anerkannt, daß die Lage derselben den Intentionen des Reichstages gemäß verbessert sei. — Es wurde ferner die Stelle eine« Commandanten von Altona als „künftig wegfallend" bezeichnet und dabei gleichzeitig eine Resolution gefaßt, welche der Bundesregierung anheim giebt zu erwägen, ob und welche anderweitige Stadtcommandantenstellen rn Zukunst etwa aufzuheben seien. Die übrigen Beschlüste betrafen fast lediglich die formelle Seite de« Etat«. Am Montag wird die Berathung fortgesetzt. Die Petitions-Commission beschäftigte sich mit der Petition de« Directorium« de« Ver ein« nassauischcr Land» und Forstwirthe in Wies baden, welche um möglichst baldige Einführung der Fabrikatsteuer fakultativ neben der Maisch- Raum-Steuer bitten. Der Commistar de« Bun desrath« gab die Erklärung ab, daß die Regie rungen der Einführung einer solchen Steuer nicht entgegen seien, daß e« sich aber immer noch um die Herstellung des dazu erforderlichen Meßappa rats handle. Mit Rücksicht auf diese Erklärung beschloß die Commission den Uebergang zur Ta gesordnung. Eine größere Anzahl Petitionen von Besitzern sogenannter Cafs chantant« (Tingeltangels) re. um Aushebung der ihnen von den Polizeibehörden vorgeschriebenen Polizeistunde, wurden al« zur Erörterung im Plenum ungeeignet erachtet, da die Ueberwachung der öffentlichen Locale nicht Sache des Reiche«, sondern der Landespolizeibehörden ist. Nach Erledigung der ersten Lesung de« Land sturmgesetzes hat die betreffende Commission auch die Berathung des Gesetzes, betreffend die Con- trole der Personen des Beurlaubtenstandes beendet und dazu einige Abänderungen beschlossen, u. A. dahin, daß für den Reserve- und Landwehrossicier jede Einberufung al« eine Hebung betrachtet wer den loll und daß die Uebungen selbst nur in der durch da« Gesetz vorgeschrievenen Weise abgehal- len rvnden dürfen. — Heute Abend findet die Zweite Lesung de« Landfturmgesetzes statt. Tkzrsgeschichtliche Ueberstcht. Der BundeSrath hat dem Gesetzentwurf über den Markenschutz, wie derselbe au« den Berathungen de« Reichstages hervorgegangen, seine Zustimmung ertheilt. In den national-liberalen Kreisen de« Reichstags und Berlin- herrscht noch immer einige Aufregung über da« wesentlich durch den Maugel au ParteidiSciplin in dieser Fraction, der Präsident v. Forckenbeck al« ein« der ältesten und bewährtesten Mitglieder selber a»gehört, ver- schuldete Ereigniß de« 18. November. So unbedeutend an und für sich die Sache erscheint, da in der That an dem Schicksale de« Bankgesetzes, in welches die Majorität eine Reichsbank emfügen will, dadurch nicht« geändert wird, so bedenklich erscheint es für das Ansehen der größten und maßgebenden Fraction im Reichstage, wenn sie sich bei derlei Fragen — und es geschieht Das nicht zum ersten Male — von der durch ihr feste« Zusammenhalten und ihre widerspruchslose Unter werfung unter die schlaue Führung Windthorst's starken ultramontanen Minorität überrumpeln und sich die Leitung der Geschäfte auS der Hand winden läßt. Man braucht nur die „Germania" zu lesen, wenn man sehen will, wie dergleichen strategische Erfolge von den Organen der Centrumspartei ausgebeutet werden. Es hat sich — und Das ist da« Traurige an dem Falle — auch in dieser Session gezeigt, daß man aus den analogen Vorgängen der verflossenen Frühjabrs- session sich noch nicht die nöthige Lehre gezogen hat, daß ui an die schwierigen Verhältnisse, welche die letzten Wahlen durch em Anschwellen der aus mannichfachen Gründen gegen die jetzige Entwicke lung de« Reiches agitirenden Parteien der Stellung der nicht allzu starken Majorität geschaffen Haben, nicht mit der genügenden Behutsamkeit berück sichtigt und dadurch der Position der Majorität die wünfchenswerthe Sicherheit in allen Fällen mindert. Möchten die Beratungen, die hierüber im Schvoße der Partei gepflogen werden, dahin führen, daß ähnliche Vorkommnisse zukünftig zu den Unmöglichkeiten gehören. ES ist bekannt, daß die Vorschläge der russi schen Regierung aus der Brüsseler Confe- renz an den deutschen Bevollmächtigten ihre wärmsten Vertheidiger gefunden haben und daß das große internationale Werk, welches Kaiser Alexander in Angriff genommen, auf keiner Seite bisher so günstige Aufnahme gefunden hat wie in Deutschland. Es ist deshalb begreiflich, daß die Beziehungen zwischen dem Berliner und dem Petersburger Cabinet in Folge dessen enger und freundschaftlicher sind als jemal« und daß man insbesondere russischerscitS Alles aufbietet, um sich die Unterstützung Deutschlands auch für die wei teren Stadien der völkerrechtlichen Verhandlungen zu sichern. In Berliner diplomatischen Kreisen wird es als gewiß bezeichnet, daß sich die jüngste Unterredung des Fürsten Bismarck mit dem Fürsten Gvrtschakoff hauptsächlich auf diesen Punct bezogen und daß der russische Kanzler die befriedigende Zusage nach Petersburg mitgenom men hat, daß Deutschland auch die Einberufung einer zweiten Conferenz zur förmlichen Feststellung der vereinbarten Grundsätze bei den übrigen Mächten nach Kräften befürworten werde. Ob und inwieweit eine Einigung in den Haupt- puncten möglich ist, wird sich aus den Rück äußerungen der einzelnen Regierungen auf die letzte russische Note ergeben. ES wirb indeß jetzt schon als völlig übertrieben bezeichnet, daß die auf Seiten einzelner Regierungen, wie z. B. der englischen, noch bestehenden Meinungsverschieden heiten geeignet sein sollen, die weitere Entwicklung de- Werks zu gefährden. Man. wird vielmehr die motivirten Antwortsnoten der Cabinele be nutzen, um die in Brüssel vereinbarten Grundsätze dergestalt in eine vertragliche Form zu bringen, daß alle streitigen Puncte auSgeschieden und nur die allseitig angenommenen Sätze zu einem allge meinen, wenn auch noch lange nicht erschöpfenden Kriegsgesetzbuch vereinigt werden. Es ist unrichtig, wenn behauptet wird, das Berliner Kammergericht habe die Beschwerde de« Grasen Arnim über die gegen ihn verhängte Wiederverhaftung und gleichzeitige Einbehaltung der gestellten Caution, ohne die Beschwerdegründe materiell zu prüfen, abgewiesen. Die Beschwerde des Grasen Arnim stützte sich lediglich auf seinen leidenden Körperzustand, ein Motiv, welches durch den jetzt angewendeten Hausarrest vom Kammer gericht als erledigt angesehen worden ist. Da im Uebrigen Rechtseinwenoungen in der Beschwerde nicht erhoben waren, so konnte die zweite Instanz die materiellen Haftgründe des Vorderrichters unerörtert lassen und hiernach den Beschwerdeführer bescheiden. Was die CautionSfragc anlangt, so hatte sich Graf Arnim allerdings auch bezüglich ihrer beschwerdeführend an das Kammergericht gewandt, ohne indeß Nachweisen zu können, daß da« Stadtgericht die Rückzahlung der Caution geweigert habe. Er ist deshalb mit diesem Be- schwerdepunct an die zuständige Vorinstanz zurück verwiesen worden, bei welcher zunächst ein Antrag auf Rückzahlung der gestellten Sicherheitssumme eingebracht werden muß. Dem von vr. Peter mann in seinem Briefe an die Geographische Gesellschaft in London ge äußerten Wünsche folgt die Gewährung auf dem Fuße. In Folge eines am Dienstag abgehal tenen Ministerrathes hat der Premierminister Disraeli ein Schreiben an den Vorsitzenden der Geographischen Gesellschaft, Sir Henry Raw- linson, gerichtet, in welchem er ankündigt, daß die Regierung eine Nordpolfadrt äuSzu- rüsten beabsichtigte. E« heißt in dem Schreiben u. A, die Regierung habe die Vorstellungen, welche ihr von der königl. Geographischen Gesell» scbast, der Royal Society, der British Association und anderen hervorragenden wissenschaftlichen Körperschaften wegen Au-rüstuvg einer Nordpol expedition gemacht worden seien, in Erwägung gezogen und, um den maritimen Unternehmung« : geist, der die britische Nation stets ausgezeichnet habe, zu ermuntern, beschlossen, keine Zeit zur Ausführung des Plans zu verlieren. Nach dem derben Schlage, den sie auf die Car listen geführt, scheint die spanische Regierungs armee wieder in die alte Lethargie zu verfallen. Keine Nachricht meldet von einer kräftigen Aus nutzung des Sieges, den Laserna und Loma im nördlichen Guipuzcoa errungen, und eS scheint fast, daß der Entsatz von Irün die einzige Frucht der heißen Kampftage bleiben soll. Die Regie rung soll angeblich in Angst schweben, daß die Ebro-Linie bedroht sei; ja, man macht dem Prä sidenten Serrano sogar den Vorwurf, daß er aus Gründen persönlicher Politik die völlige Be legung de« innern Feindes verzögere. Dieser Verdacht wird zu weit gehen; sollte sich indessen bestätigen, daß die Schuld an der mangelhaften Verfolgung der errungenen Vortheile der Madri der Regierung zur Last fällt, so verdient deren Kurzsichtigkeit oder Furchtsamkeit den herbsten Tadel. Aus Indien kommt die (bereit« telegraphisch gemeldete) Nachricht, baß Schir Ali, der Emir von Afghanistan, seinen Sohn Iakub Khan, Gouverneur von Herat, gefangen gesetzt hat. Ueber das Verhältniß Iakub'« zu seinem Vater hat bisher einiges Dunkel geschwebt. In Europa galt er für einen Rebellen, in Indien glaubte man, Vater und Sohn schützten nur ein böseS Verhältniß vor, um von der britischen Regierung Waffen und Subventionen zu erlangen. Nach der Verhaftung Iakub Khaws kann davon wohl keine Rede mehr sein. Wie da« Telegramm an- gicbt, begab sich Iakub Khan mit dem Wunsche eines friedlichen Ausgleiches mit seinem Vater über die Thronfolge nach Kabul. Hier wurde er sofort bei seiner Ankunft verhaftet und ins Gesängniß geworfen. Die Reichstags-Krijis. AuS dem Hergange am vorigen Mittwoch, welcher mit einer unerwarteten Beschlußnahme über die Behandlung der Banksrage und dem Rücktritte des Präsidenten v. Forckenbeck endete, mögen alle Parteien und alle Personen lernen, bie's angeht. Die einzige Partei, welche t riumphirt, ist das Cenlrum. Die beiden liberalen Fractionen (Fortschritt und Nationalliberal) trennten sich. Sofort schob sich das Centrum als Keil dazwischen und erntete den Sieg. Mögen die beiden liberalen Fractionen nicht vergessen, daß stets ein Dritter auf der Lauer liegt und jeden Zwiespalt für sich ausbeutet. Der „Fortschritt" vergißt die- zu weilen. Aber auch die Nationalliberalen haben gefehlt. Vor Allem der Prof. Beseler an der Spitze seiner 19 Myrmidonen. Cr begann seinen Protest gegen den Antrag LaSker's auf molivirte Com mission mit den Worten: „Auch ich will eine ReicbSbank." Wir fragen ihn: Wenn man über das Ziel einig ist, verlohnt es sich bann der Mühe, einen Streit auf Leben und Tod anzusangen über eine reine Formfrage, einen Streit mit der Mehr heit der eigenen Partei und mit dem Präsidenten des Reichstags, welcher gerade aus den Reihen dieser Partei hervorgegangen und persönlich in der Sache engagirt war'? Die Einen behaupten, der Streifzug, welchen Professor Beseler aus Kosten seiner Partei unter nommen, sei der Nachklang eines heftigen Zu sammenstoßes mit dem Abg. vr. LaSker in "der Fraction. Andere wollen darin einen Ausfluß der Formen-Pedanterie des Juristen und des Un fehlbarkeitsbewußtsein- des Professors sehen. Ich weiß nicht, ob diese oder eine andere LeSart richtig ist. Das aber weiß ich ganz gewiß, daß Herr Beseler nicht im Interesse seiner Partei gehandelt und den Präsidenten schwer gekränkt hat. Daß er Letzteres absichtlich gethan, wird Niemand be haupten. Am allerwenigsten ich. Denn ich habe mit eigenen Augen gesehen, wa« für ein triumphi- rendes Gesicht der Herr Professor machte, als er in der Formfrage siegte, und waS für ein ver legene« und verdonnertes, als dieser Sieg den Rücktritt Forckenbeck'« zur Folge hatte. So viel über Herrn Beseler. Wa« vr. LaSker anlangt, so glauben wir, un beschadet aller Anerkennung für seine vortreffliche Rede, daß er gut daran gethan, wenn er der Aufforderung seines wohlmeinenden Freunde«/ des vr. Löwe-Calbe, gefolgt wäre und seinen Antrag vor der Abstimmung über die Geschäftsordnungs. frage zurückgezogen hätte. Der Antrag hatte den Zweck, ersten« die Regierung und insbesondere Herrn Camphausen zu zwingen, Farbe zu be kennen, und zweiten« die Stimmung deS Hause« für die Reichsbank zu constatiren. Nun wohlan, beide Zwecke waren erreicht; und Herr LaSker versicherte ja selbst auf da« Nachdrücklichste, er wolle durch seinen Antrag Niemanden ver pflichten, namentlich auch nicht die noch nicht ernannten Mitglieder der im Schoße der Zu kunft schlummernden Commission. Diese Ver sicherung war ebenso wahr als ehrlich gemeint. Aber durchs dieselbe verlor der Antrag seine Be deutung. Entweder wollte der Antrag Fesseln anlegen, dann war er unstatthaft; oder er wollte e« nicht, dann war er überflüssig, wenigsten« über flüssig in diesem Stadium, wo er nur noch neue formelle Differenzen gebären, aber nicht« sachlich Neue« hcrvorbrinaen konnte. Man hätte, namentlich in Anbetracht, da« die unzweifelhaft für die Reichs bank gestimmte Majorität ja die Zusammensetzung der Commission ganz in der Hand hat, zu dem Antrag sagen sollen: „Der Mohr hat seinen Dienst gethan, der Mohr kann gehen." Allein Herr LaSker war für feinen Antrag ein zu zärt licher Vater. Er hielt ihn aufrecht, selbst auf die Gefahr hin. die großen Erfolge, die er errungen, wieder zu verlieren, die Partei zu spalten und den Schwarzen Gelegenheit zu geben, den Präsi denten zu stürzen. Ein Mohr ist manchmal recht nützlich, Dienste zu thun, aber man soll sich in ihn nicdt verlieben. Im höchsten Grade bedauerlich ist der Rück tritt Forckenbeck'S. Ich zweifle zwar sehr, ob derselbe objectiv gerechtfertigt ist, weil in der That Niemand von seinen Freunden die Absicht hatte, ihn zu beleidigen oder zu stürzen. Aber subjektiv liegt die Sache doch ganz ander«. Man hatte Herrn von Forckenbeck, nachdem er am Tage zuvor freiwillig von dem Präsidenten- Sessel des Abgeordnetenhauses, wo er den höch sten Grad von Autorität und Gehorsam genoß, heruntergestiegen war, um sich wieder mehr, al« es ihm lange Jahre hindurch sein an Opfern so reiches Amt gestattet, seinem Beruf und seiner Familie zu widmen, sofort wieder aus den Prä sidentenposten, und zwar diesmal im Reichstag berufen. Dieser Ruf war für ihn die empfindlichste Störung in Vielem, namentlich in seiner Function als Oberhaupt der zweiten Stadt der Monarchie. Er kämpfte lange in diesem Widerstreite der Pflichten und der Neigungen. Er entschied sich für die Annahme tes Präsidiums, d. h. für neue Psichtcn und neue Opfer. Aber sein Herz blieb gethcilr, nur das Pflichtgefühl hielt ihn. Da nun, meiner Frage, welchcdurch dievorhergegangene Debatte bereits alle praktische Bedeutung einge büßt hatte, und von der alle Welt zugab, daß sie zweifelhaft fei (ich sage vielleicht richtiger: alle Welt mit Ausnahme von Windlhorst - Meppen, welcher bekanntlich niemals Etwas zugiebt, das ihm nicht in den Kram paßt), in einer Frage, in welcher sich der Präsident persönlich engagirt hatte, — vielleicht ohne Noth engagirt, aber doch fest engagirt hatte —, da läßt ihn die Majorität im Stiche, und diese Majorität zählt unter sich einen Theil der politischen Freunde des Präsi denten. DaS schmerzt! So betrachtet, d. h. von der subjektiven Seite betrachtet, ist die Sache recht schlimm. Sie zeigt einen auffallenden Mangel an Pietät, an Manns zucht, an Verantwortuchkeitsgcfühl, oder scheint wenigsten« dies Alles zu zeigen. Objectiv aber ist das ganz anders. Allerdings die Herren Redner, wie Herr Beseler, welcher von Umgehung deS Gesetzes (in trauckem legi-;), und Herr August Reichensperger, welcher ein Langes und Breites von „Beschönigung und Ueberrumpelung", und Herr Windthorst, welcher ein Spitzes, Sckarfes und StachelschweinigeS von „Schnippchenschla gen" sprach, waren m ihren Ausdrücken nichts weniger als wählerisch. Aber Keiner dachte dabei an den Präsidenten. Keiner dachte auch nur ent fernt, daß man an ihn denken könne. Sie wuß ten nicht, was sie thalen. Uno deshalb hoffe ich, Herr von Forckenbeck wird ihnen verzeihen, dre ihm gebotene glänzende Satisfaction annchmcn und den Präsiventen- Sessel wieder besteigen. Die Versammlung aber möge daraus lernen, daß man immer das Gefühl der politischen Verantwortlichkeit lebendig erhalten und demselben seine Schrullen und Marotten, seine juristischen Pedanterien, seine professorliche Rechthaberei und sein doctrinaires Unfehlbar keitsbewußtsein unterordnen muß. Sonst macht man Fehler, ohne eS zu wollen. Ober man wird so komisch wie der Abgeordnete für Meppen, welcher den Präsidenten durch sein „Schnippchen" stürzt und in demselben Augenblicke mit melo dramatischer Emphase den Schmerzensschrei au«- stößt: „Ich will meinen Präsidenten wieder haben!" (Berl. Trib.) Museum für Völkerkunde. Die neuesten Erwerbungen sind von Sonntag, dem 22. d. M. an, ausgestellt. Die Schcnkgeber gehören theil« unserer Stadt als Mitbürger an, thcils sind es Nicytsachsen au« dem Reiche, oder endlick, Ausländer im eigentlichen Sinne. Domherr vr. zur. Fried erici auf Gaschwitz brachte von seinen Reisen in Kleinasien und Nordostafrika eine Anzahl Gegenstände mit, die ihm charakteristisch für Land und Leute im Orient erschienen waren. Mit Liberalität begann er aus diesem seinen Reisemuseum unserer Samm lung Einiges zur Verfügung zu stellen. AuS Nordostafrika stammen zunäkbst einige Nubierwaffen, ein Spieß, ein Schild, eine Eisen- holzkculc, ein großer Fcchterarniring auS Elfen bein. Alle diese Armaturqegenstände waren nicht gerade für den Gebrauch im Felde, sondern viel mehr zu Requisiten für Kampfspiele bestimmt. Um doch auch von den dunklen Evatöchtern, die da« Nobinga sprechen. Etwa« bcizubringen, liegt ein Toilcttengegenstand. zugleich da« einzige Garberobestück der hctreffcndcn Person, ein Frauenschurz, vor. Von Nubien im Norden versetzt uns ein anderer Theil der neuesten Geschenke mit einem ethno graphischen Riesensprunge aus einmal hinab an die Südspitze Afrika«. Namen« des Vorstandes der alten Rheinischen Missionsgesellschast in Barmen (gestiftet 1828) beschenkte uns MissionSinspector vr. Kabri mit einer Auswahl friedlicher und kriegerischer, pro-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder