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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188409304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18840930
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18840930
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-09
- Tag1884-09-30
- Monat1884-09
- Jahr1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1884
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üttw Indem Ich Gl« beaustrage. die« Öffentlich bekanntZu machen, ersnch« Ich Eie gleichzaitlj^ de» betheiligtrn Kreise« und Ortschaften Meine Anerkenn»»« über die fast überall zu Lage getretene gute «»d «ntae»«k»»meade Anfuahme der Truppen in de» Quartieren k»»ln»giVrn. Koblenz, de» «. September ISS«. ge». Wilhelm. U» den Oberprüfidente» der Nheinprovinz. * Wie kürzlich gemeldet, hat Se. Majestät der Kaiser abgelehat. di« Adresse de« katholischen Adel« West falen« entgegenzunehmen. Ebenso hat er die sogenannte »Laien»Adresse" der Kirchenvorstände und Gemeinde vertretungen abgelehnt. (Jede dem Könige zu überreichende Adresse, wie vor ihm zu haltende Reden müssen demselben zur vorherigen Genehmigung mitgetheilt werden.) Bon einer mit denwestiälischen Verhältnissen wohlvertraute»Persönlichkeit wird der „Kölnischen Zeitung" der Wortlaut der Adels-Adresse mitgetheilt, woraus allerdings zu ersehen ist, daß dieselbe zu den stärkste» und nnehrerbietigste» Verdächtigungen gehört, die jemals gegen die Regierung bei der Krone versucht worden sind. DaS Schriftstück lautet: Aklerdurchlauchtiaster, Großmächtigster Kaiser und König! Allergnädigster Kaiser, König und Herr! <k«. kaiserliche und königliche Majestät wollen geruhen, heute — wo «ach langeu Jahre» Allerhöchstdieselbe» Ihre getreue Provinz Westfalen mit Allerhüchstdero Anwesenheit beglücken, die Versicherung unserer innigsten Freude und »nverbrüchlichen Treue Allergnädigst onzunehme», welche wir im Gefühle des Danke« gegen Gott sür Seinen, Ew. Majestät erwiesenen Allmächtigen Schutz darbriugen. was Ew. kaiserlichen und königliche» Majestät bei der sünszig jährigen-Jubelfeier der Besitzergreifung unserer Provinz im Jahre I86S wir erneut gelobt, wir habe» e« treu gehalten, und wir erneuern heute dasselbe Gelöbniß vor unserem sieggekrönten Kaiser und König. Anch die schweren Leiden, welche der kirchenvolitische Kamps in de» verflossene» dreizehn Jahren über Ew. Majestät katholische llnterthauen gebracht hat. können die Treue westfälischer Herzen nicht erschüttern. Aber wir dürfe» in derselben gewissenhaften Trene nicht schweigen, wenn wir aus die Ruine» blicken, welche dieser Kumps augehäust hat, wen« mir fort und sort de» Schinerzensruf der Millionen hören, denen di» freie Ausübung ihrer Religion verschränkt ist, wenn wir so viel« Psarreie» »och verwaist, die Heranbildung des Klerus und die Seelsorge behindert, die katholische Kirche in Fesseln gelegt sehe». Und währe,iddch »lehren sich die furchtbarste» Verbreche»; die dunkele» Mächte dec Revolution gegen Thron, Vaterland uud Ge sellschaft finde» i» den verwilderte», Gott entsremdetc» Herzen den bereiten Bode», ihre unheilvollen Kräfte zu entwickeln und zuletzt alle» in Frage zu stelle». Wir sind ties dankbar, daß Ew. kaiserlichen n»d königlichen Majestät Huld die Hindernisse gehoben, welche der Rückkehr de« Bischof« von Münster in seine Diücese entgegen standen, wie für di« erfolgte Wjederbesetzuug de- bischöflichen Siuhse« von Paderborn; wir danke» alleruntcrthänigst für alle eingetreienea Erlcichierungen. Aber dieselben köune» iu ihrer Beschränkung die vorgeschildcrteu Leiden und Gefahren nicht beseitigen. Ew. kaiserlich« und königlich« Majestät haben da« erhabene, in den Herzen aller getreuen Unterihanen widerklingende Fürstenwort on-gesproche». es solle Ihrem Volke die Religion erhalten werde», Allcrhöchstdirseiben bezeichnete» bei der Erbhuldigung Ihres ge- Irenen Volke« zu Königsberg im Jahre 186t zu Allerhüchstdero Geiiugthuuug da« Verhält,,iß de« Staate« zur katholischen Kirche al« durch Geschichte, Gesetz und Verfassung wohlgeordnet. Ew. kaiserlich« und königlich« Majestät wollen Allergnädigst ge ruhen, diese bewährte Ordnung wieder Herstellen zu lassen, zu dem reichen Segen Allerhüchstdero Regierung auch da« werthvollste Gut. den inneren Frieden, hinznzusügen »nd Allerhüchstdero katholisch« Unterihanen von der schwersten ans drufekben lastenden Bedrückung zu befreien. Darum bitten in tiefster Ehrfurcht Sw. kaiserlichen und königlichen Majestät allerunterthänigft treugehoesamstc ,c. * Einzelne Tbellc des iu der Ausarbeitung begriffenen bürgerlichen Gesetzbuch- s4ir da« deutsche Reick sind den Ministerien der verschiedenen deutsche» Staaten zur Begutachtung zugegangen, so wird namentlich der Abschnitt über die Änhaverpapiere in» preußischen Finanzministerium einer speciellen Berathung durch eine besondere Commission unterliegen, an deren Spitze der Präsident der Staatsschulden Verwaltung. Stzdow, stehen wird. * Gegenwärtig werden Vorbereitungen zu einem gemein fcunen Gesuche aller preußischen Gymnasiallehre namentlich der staatlichen, getroffen, uni von dem zunächst zusammentrelendeii Hause der Abgeordneten eine Befür, Wortung der Gleichstellung genannter Lehrer mit den Amts und Landrichtern in Bezug aus Gehalt und Rangverbältniß zu erwirke». DaS Gesuch soll mit einer Denkschrist ver sehen werde», worin die Zeit der endgültigen Anstellung die GehaltSverhältuisse im Vergleich zu denen des Nichter- staude« aus Grund statistischer Darlegungen genauer dar- getha» werden sollen. * 3m Wahlkreise Liegnitz-Goldberg-Haynau ist der Fabrikbesitzer und Stadtrath Rother in Liegnitz als Eandidat der nationalliberalen Partei znr Reichs tagSwahl ausgestellt worden. Rother hat da« Maurcrhaud werk regelrecht erlernt, ist mehrere Jahre hindurch praktischer Maurermeister getvesen und besitzt jetzt eine schwungvoll be triebene Kunstziegelei und Thonwaarensabrik. * Bekanntlich sind die festesten Stützen der polnische Bevölkerung in Westprcußen und Posen der polnische KleruS uud der polnische Adel. Interessant ist nun die Tbatsache, daß rin großer Theil dieses polnischen Adels deutschen Ursprung« ist. Als der deutsche Orden von 1236 ab in mehr al- fünfzigjährigen Kämpfe» die heidnischen Preußen chriftianisirte unv germanisirte, ließen sich auch nicht wenig deutsche Adel-geschlechter in Wrstpreußen nieder und zogen viele deutsche Bauern, Handwerker und Kaufleute nach. Durch die Schlacht von Tannenberg l4lO wnrde die Macht de« deutschen Orden« gebrochen und aus da- Gebiet zwischen Weichsel und Njemen beschränkt. Die znnchmenee Schutzlosigkeit unter der polnischen Herrschaft zwang dm durch seine Besitzungen in Westpreußen gefesselten deutschen Adel, sich de» Polen näher anzuschließen, wenn er nicht auf Einfluß und Stellung ganz verzichten wollte. Dieser Anschluß gelang einigen Familien durch Ver wandtschaft mit polnischen StandeSaenoffen; häufig wurden deutsche Edellcute unter polnischen Ranwn i» polnische Ge schlechtSverbände ausgenommen. Andere, oenen diese« nicht möglich war, suchten gute Polen zu werde», indem sie ihre Namen polonisirten oder nach polnischem Vorgänge meistens von ihren Besitzungen polnische Name» annahmen. Manche deutschen Edrllente sühnen ihre deutschen Namen noch eine Zeit lang neben den polnischen, so daß eine Anzahl Doppel namen entstand, bi« schließlich die veulschen Namen ganz in Vergessenheit geriethen. In den meisten Fällen ist in diesen Familien, die sich jetzt al« echte Polen fühlen, jede Erinnerung an ibre deutsche Herkunft geschwunden. So nannten sich z. B. Zweige der Familie v. d. Bach »ach ibren Besitzungen Gowin. Lewino. Pobolce» Selau bei Neustadt, Paräzin bei Lanenburg nun GowinSki, LewinSki. PobolSki, ZelewSki, ParaSki. Die v. Delck nannten sich Poblocki nach Pobloce bei Neustadt. Da» au« Baden stam mende Geschlecht von Eppinger hieß später nach Boreschau bei Stargardt: PoreczowSki; nach Plachty bei Bereut hießen die von Falcken Plachecki, die von Rützen nach Kopik bei EarthauS KoSziczkowSli oder nach Rekow bei Bütow XekowSki. So sind ferner geworden au- von Reiman» GoiembiewSki (Golmkau), au- von Cxau KczewSki (Kccwo bei EarthauS). an» von Platrn LniSkl (Linewo bei Bereut), «M Von Rubach Plu-kowen-ki (PluSkowenz bei Strasburg), a»S von Wiese Wysierki (Wysiecin bei Neustadt). Von den Familien, welche bi» heute die deutschen Namen neben den polnischen beibehalten, sind die hervorragendsten: Rogalla »o» Bieberstein. BorchertSdors-NenebowSki. Götzendors-Gra- bawSIi, Rautenberg-KlinSki, Rosenberg-GrnSzinkki, Silber- schwecht-LaSzewSki, Kalkstein-LobiliuSki. Einzelne deutsche Familiennamen konnten bequem polonisirt werden, wie Wilkau » VilkowSki, Schknwiese in Szynwecki. Schönborn in Szum- borSki, Kocheustein in Kvchanöki, Elsens» in ElsanowSki. In '?ose» stehen heute mit an der Spitze der polnischen Agitation die Rittergutsbesitzer von Szuinan» und von Grave, deren deutscher Ursprung wohl von Niemand bestritten werden wird. « » » Die von u»S mitgetheilte Rede Herbst'-, mit welcher er seinen Antrag aus Bildung sprachlich gleichförmiger Be zirke in Böhmen begründete, war ein Meisterwerk, welche- wieder einmal bewies, daß Herbst, wenn auch nicht da hervorragendste politische Talent, so doch unleugbar der beste Kops der veulschen Opposition ist. Er vertheikigte eine gute klare Sacke; jeffv Einwendung gegen den von ihm eingc- brachte» Antrag, dessen praktischer Werth selbst dem blödesten Auge einleuchten muß, entspringt einzig und allein politischer Böswilligkeit. Die Czechen sind deshalb in größter Ver legenheit und drehen und winden sich, um nur nicht ein deutliche- Ja! sagen zu müssen, dem sie sich doch nicht ent ziehe» können. Nicht die czechischrn und auch nicht die eigent lich ossiciöscn Blätter, sondern die Organe der sogenannten .Volkspartei" sichren au» diesem Anlässe die den Deutschen eindseligste Sprache. So schreibt die .Wiener Allgemeine Zeitung": < „Die Behandlung de- Herbsl'sche» Antrages im Gemeinde-Au«- chns, de« Prager Landtage« macht fast den Eindruck, al« ob sowohl die Deutschen al« die Czechen sich scheute», an die ausgeworsene Frage ernst heranzutreten. Bei de« Letztere» begreift» wir die Reserve, denn sie wittern in bei» Anträge Herbst die Zwcitheilnng Böhmen«; auch entlpricht e« ihrer Stellung zum Cabinel Taasse, wenn sie zuerst um die Meinung der Regierung sich erkundige». Aber inconftquent halten wir e« von de» »Deutschen, daß sie die Erfüllung ihrer Wünsche von einem Ministerium erwarten, dem sie die Objektivität absprechen. Das Schickial des Antrages Herbst bängt jetzt thalsächlich von der Gunst der Regierung ab. Stimmt deren Vertreter dem Antrag zu, dann ist aus eine Realisirung der au«- gesvrocheneil Wünsch« der Deutschen zu hassen. In diesem Fall ist der, wenn auch in bescheidene» Grenzen gehaltene Ausgleich zwischen Deutsche» und Czechen thalsächlicl, das Verdienst des Cabinet« Taasse. War die« da« Ziel de« Hcrbst'ichen Antrages? Die ablehnende Haltung der Regierung würde natürlich die Eiiisarguug des ganze» Projecie« bedeuten." Man kann sich in wenigen Zeilen keine größere Häufung politischer Perfidie denken, al« eöc» dieser Absatz cnlhäit, in welchem unter dem Deckmantel der Objektivität von der be greiflichen Handlungsweise der Czecben, von der Jnconscgucnz der Denlschen und dem Verdienst de» Grasen Taasse ge sprochen wird. Aus die letztere Demonstration laust ja schließlich bei der .Wiener Allgemeinen Zeitung" Alle« hinaus. Wenn man die Behauptung ausstellen würde, daß ihr statt liches Deficit von Banken und Eisenbahn-Unternehmungen im Dienste und Geiste der „VersöhnungS"-Polilik gedeckt wird, — meint die dcutsch-liberale Wiener..Deutsche Wochenschrift" — so würde sie vorüber Zeter und Mvrdio austinimen. Aber irgend ein Motiv muß doch ihre Haltung haben. Denn mir denken viel zu optimistisch von dem Herzen und dem Ver stände der Menschen überhaupt und der .Wiener Allgemeinen Zeitung" im Besonderen, um annehnien zu können, daß sie die politische Perfidie al« Selbstzweck betreiben. au« * Man schreibt der .Politischen Correspondenz Belgrad, 25. September: In Uebereinstimmung mit den Beußerunge» der meisten Blätter die sich über die Bedeutung der Drei-Kaiser-Begegnung in Skierniewicze geäußert baden, bezeichnet auch da« „Bidclo", welches als da« Organ de« reiferen Theile« der öffenilichen Meinung i» Serbien gelten kann, dg« Ereiguiß von Slierniewicz« al« ei« sür die Interesse» de« allgemein»« Frieden« äußerst wichtiges. „Drei der mächligsten Herrscher Europa«", sagt da« serbische Blatt, „erklären hiermit öffentlich, daß für sie und ihre Böiker der Friede unentbehrlich sei. Dc«halb trscheint die Sntrevue geeignet, da« allgemeine Ber- »rauen zu befestigen und dein U»ternel»»>,ng«gcist Vorschub zu leiste»." Aus die Lage Serbien« übergehend, bemerkt „Bidelo" ganz richtig, daß sür diese« Land, „wo so Vieles begonnen wurde, nichts aber noch dev Vollendung zugesührt werden konnte, ja wo sogar sehr Viele« uüd sehr Wichtige« noch des Beginnens harrt" eine längere Dauer des Friedens geradezu von der grüßten Wichtigkeit sei. „Nur im Frieden", sagt das erwähnte Blatt wörtlich. ..ver mögen wir durch eine einsichtige und klug berechnete Thätigkeit die in Angriff genommene Organisation z» vollende» und dem Reiche neue Kräfte zuzusühren. Nur der Friede wird »ns gestatte», neue Quellen deS Wohlstände« zu erschließen und die alten reichlicher fließen zu machen. Nur der Friede wird uns die Möglichkeit bieten, alle productiven Kräfte der Ration zu entwickeln. Nur im Friede» wird e« möglich sein, jene« materielle, geistige und politische Capital zu erwerbe», das dereinst, in schlimme» Tagen allgemeiner Ber- Wicklung, uns Ansehen und Achtung. Sicherheit und Ruhe verschossen wird.' „Die Bedingungen für den Foriichritt", schließt das hiesige leitende Journal, „sind sür die kleinen Staaten erst dann gegeben, wenn die Großmächte den Säbel in der scheide ruhen lassest." Beide oppositionelle Parteien, die Liberalen wie die Radicalen. haben sich nunmebr »ach Herstellung der Preßfreiheit und Wiederausrikbtung der conftitutionellcn Einrichtungen aus die Oberfläche der Oeffeutlichkeit hervorgewagt. Die „Ustavnost" l..Dcr Tonstituiionalismus") vertritt die Erstere», der „Odjek" („Ectia") ist das Organ der Letztere». Die Redakteure Popovic »nd Proiic sind niemals mehr al» einfache Soldaten in de» Reihe» der beide» genannten Parteien gewesen, klebrigen» ist die liberale Partei in zwei Lager gespalten und die „Ustavnost" scheint speciell das Häuslein zu vertreten, welche« sich um Herrn Ristic gruvpirt hat. Mit de» Liberalen geht e« überhaupt bergab. Im Bolle babc» sie eigeniüch niemals Wurzel zu schlagen vermocht. Die Parte, rccrniii ke sich zu meist, wenn nicht gar ausschließlich, au« de» Rechen euilasjeiier Beamten, persönlicher Anhänger jener Parteichess, welche längere Zeit an der Spitze der Geschäfte gestanden »»d die Gelegenheit hatten, «inen gewissen Anhang zu gewinnen. Ran ist dieser Kreis, dessen Umsang niemals übermäßig groß war. ,n der letzte» Zeit arg verkleinert worden. Biele ältere Mitglieder haben das Zeitliche gesegnet, eine Anzahl der ;üngeren hat der Fahne de« Herrn Ristic den Rücken gekehrt, um sich der siegreiche» Partei anzuschließcn. Laß die „Ustavnost" den im Fortschreiten begriffenen Zerfall der liberalen Partei aushaltea wird, ist daher ganz und gar unwahr scheinlich. Nicht besser steht e« um die Radicalen. Allerdings besaßen sie einen großen Anhang i» den unteren Volksschichten, aber dieser wurde nicht durch da« öffentliche Wort, sondern durch eine unermüdliche Agitation, die mit alle» Mitteln betrieben worbe» war, geschaffen. Gegenwärtig haben aber die Agitatoren nur geringen Spielraum sür ihre Thätigkeit, und die Massen, welch« die Resultate de« Paschic'jchen Treiben« kennen und würdigen gelernt haben, sehnen sich wahrhaftig nicht mchr nach dieser Art Segnungen. Da« serbische Volk, durch die Vorgänge vom November 1883 gewitzigt, wünscht nichts so sehr al« die Ausrechthaltung der Rul^ »nd gesetzlichen Ordnung, um nnler deren Schutz sich der Arbeit und dem Erwerbe widmen zu können. Die neu gegründete» Blätter werden, insolange sie die Grenzen des Prrßgesetzes respectiren, gewiß ungehindert erscheinen können, ob sie aber Nutzen den Parteien, deren Fahnen sie allsgehißt haben, bringen werden, bleibt sehr fraglich. * Wie auS Rom gemeldet wird, ist die Nachricht, da« italienische Eabinel habe neuerdings die Initiative zur Anbahnung einer Regelung der internationalen Sani- tätSver hält nisse ergriffen, verfrüht. Wohl hat aber da» italienische Cabinet kürzlich den Mächten notificirt, daß eS an seiner in, Vorjahre in dieser Frage ergriffenen Initiative sest- halte. So viel verlautet, beabsichtigt die italienische Regie rung. sobald sich der öffentliche Gesundheitszustand iu Italien bessert unv die Aushebuiia der strengen Quarantaine-Ver fügungen gestattet, die Regierungen zur Entsendung von Delegirten nach Rom z» einer gemeinschaftlichen Lösung de« Probleme« «inzulade». * Von besonderer Seite geht der Wiener »Politischen Correspondenz" an« Shanghai, I. Lugnst, der nachstehende bemerkcnswerthe Bericht zu: Den finalen Zwischenfall von Langso», welcher de» srrndig begrüßten Präliminarvertrag zwischen L hlna und Frankreich und die an denselben gelnüvftea Frirdeushoffnungen in so jäher Weise dnrchlöcherie, dars ich wohl in allen Einzelheiten al« bekannt vor- anSsetzeu. Am 13. Juli überreichte nach längere» fruchtlose» Unter- Handlungen zwischen Frankreich und China über die Art der dafür zu gewährenden Geniigtkuung der französische Geschäftsträger in Peking, Virointe Seinall«, ein Ultimatum Dasselbe enthält die Erklärung, die französisch« Regierung besitze Beweise, der Vertrag«, druck» von Langso» sei von chinesischer Seit« ausgeqangeu. Man nehme in Pari« an, er Hab« den Intentionen de« Pekinger Hose« nicht entsprochen und sei nur da« intriguante Werk einer aus ver- Wicklungen hinardritenden Partei. Die« mache aber Vürglchaslen sür die Zukunft erfmderkich. Al« solche begehre Frankreich: schleunige Anordnung der Riumnug Tonkint durch eiu kaiserliche« Edict iu der Pekmger Zeiluug und eine Geldenlschäbigung vo» 250 Millionen Fraues al« Sirase unv Criatz der sür Frankreich erwachsene» Mehr kosten; doch ließ das Uliiniatni» durchblicke», daß diese Summe aUeiijaliS reducirt werde» könnte, iudcm e« bezüglich der „genauen" Feststellung derselben aus spätere Verhandlungen hillwies. Sollte diesen Forderungen nicht entsprochen werde», müßce Frankreich ein Faustpfand nehmen und sein Recht aus Genuglhnniig selbst geltend mache». Mit einer Warnung vor fremden Enislüsterungen und mit der Fixirung einer achtiägigen Bedenkzeit schloß das Schriftstück. Der Präsident de« Tschuiig-Li-Pameu. Prinz Beyle-Y-Kuang. aiitivortete schon am folgende» Tag« (13. Juli) ablehnend. Nicht China, sondern Frankreich habe den Artikel II der Vorcouvenlio» verletzt und verletzte neuerding- den Artikel III durch da« Ber- lange» einer Geldentschädlgung. Fall- Frankreich letztere fallen lasse, sei China zu Veröffentlichung de« begehrten Edicte«, wodurch vor aller Welt feierlich die Beilegung des ConslicleS conftatirt würde, bereit. Anderensalls werde China an die Mächte appelliren. Die Antwort schloß mit der dringenden Einladung zu* Eröffnung der Verhandlungen behus« Vereinbarung de« in der Tienisiner Conven tion vorgesehenen desiiiltiveii Vertrage«, zu welchem Zwecke e« sich emvsehlc» würde, daß der in Shanghai weilende Herr Paftnülre nach Peking selbst lamme. Einige Tage daraus brachte die »ificielle Zeitung in Peking ein Edict, welche« unter Hinweis aus die Con vention vou Tientsiu von, 11. Mar den Rückzug der chinesischen Trupve» au» Tonkin binnen Monatsjrist anordnete, offenbar zu de», Zwecke, um die Verantwortung sür eventuelle Weiterungen von China abznwälze». Das Edict kann, wenn die Entjchädignngssrage zum Consllcte sichren sollte, jeden Augenblick widerrufen werde». China adrejsirte hieraus eine Denkschrift an das diplomatische Corps. Cs erklärte in derselben für die Affaire von Langso» die Frauzojcn verantwortlich. Trotzdem beanspruche China keine Ent schädigung, weise aber das Verlangen Frankreichs »ach einer solchen zurück. China verlange de» Abschluß des definitive» Vertrages »ach de» Slipulalioueu von Tientsin. Es erkläre sich der Pflicht bewußt, alle Fremden und selbst die Franzosen in China zu schützen und mache sür schlimme Conscqueiizei, sür ausländische Ansiedler im Falle von Feindseligkeiten Frankreich verantwortlich. DaS achttägig« Ultimatum lies am 20. Juli ab. Ei» energischer Schlag Frankreichs zu dieiein Zeitpunkte würde, wie die europäische Welt hier zu Lande meint, China erschreckt und gesügig gemacht haben. Frankreich ließ sich aber zu einer Fristverlängerung bis 1. August herbei, wodurch die Ueberzeugung Chinas, es müsse den Conflict zu vermeide» suche» „nd krachte nur, aus dem Zwischen falle vo» Langson als kluger GeschästSmauu möglichsten Nutze» zu ziehen, neue Nahrung erhält. Der vielgenannte Vieekönig Li-Hu»g. Tschang selbst gicdt dieser Anschauung unverhohlen Ausdruck. Alles, waS vo» sranzvsi'cher Seite nach Ablaut de? Ultimatums geschah, war das Bordringen französischer Kriegsschiffe bi« Joutjchou, um sich gegebenenfalls des dortige» See-Arsenals zu bemächtigen »nd dasselbe zu zerstöre». Es ist bezeichnend, daß die feindlichen Schiffe alle Forle passirten.^ovue beschossen zu werden, und daß anderseits weder der französische Geschäftsträger in Peking, noch der srauzüsijche Conjul in Tientsin ihre Posten verließen. Nach Verlängerung des Ultimatums ernonute die Kaiserin den Bice-Könlg der Liang-Kiang-Provinzen, Tieng-Kuo-Chua», zum kaiserliche» Eonimissär sür die mit Herr» Pateuütre in Shanghai zu eröffnende» Unterhandlungen und attachirtc ihm den nenerimnnten Gesandte» sür Deutschland, Frankreich, Oesterreich-Ungar» und Italien, Hü-Ching-Che ng. Beide trasen in Shanghai am 25. Juli Morgens ein. Bald daraus brachten chinesische Kriegsschiffe 5000 bis 6000 Mann chinesischer Truppe» hierher, welche eia Lager beii» Arsenal aufschlugen und befestigten, während in Woosung eine Flotte von etwa 16 chinesischen Kriegsschiffen sich vereinigte: beides offenbar, um der Stellung der chinesischen Unierhändler einen ge wissen Nachdruck zu geben. Bis heute sauden vier Couserenzen statt, die Mitunter lehr lebhafte» Charakters gewesen sein sollen. Sic waren alle von kurzer Dauer, weil die Chinesin an der Berwcige rung einer Geldeiilschädigung standhaft jefthielten. Man kam ein ander nicht näher, als daß Patenütre aus 200 Millionen heradging und Tdina sich zu 8 Millionen, nicht als Lnilchädigung, sondern als Remuiieration sür die Hinterbliebenen und Angehörige» der bei Langson gefallenen und verwundeten Französin bereit erklärte. Somit sind heute, am Ablauftage deö verlängerten Ultimatums, die Verhandlungen al» relultalloS anzusihc», was die beiderseitigen Be vollniächliglen den respective» Regierungen telegraphisch anzeigte». Doch soll eine neue Verlängerung bi« 4. August bereit« gesichert sein. * Wie aus Athen unter dem 2l. September geschrieben wird, trifft die griechische Regierung energische Maßnahmen, um eine Einschleppung Ver Cholera aus dem benachbarten italienische» Festland« nach den jonischen Inseln thuulichst zu verhüten. DaS Kanonenboot „ParaloS" hat infolge Auftrags des MarincministerS von der Garnison in Corsn Truppen an Boro genommen, um dieselben nach den westlichen Küste» pnnclen dieser Insel zur wirksameren Bewachung derselben zu bringen; dieselben haben die zahlreichen kleinen Fahr zeuge, welche zu dieser Jahreszeit auS Italien dort zu landen pflege», hieran zu hindern unv an die bestimmten Onaraiilaine-Hcifen zu weise». Auch auf de» übrigen Inseln wird ein solcher Militaircordon errichtet. I» Zante hat der Capital» des dort aus einem verseuchten italienischen Hasen cmgclaufencn englischen Dampfers „Zcnra" sich geweigert, der Anordnung der Hasenbchörde Folge zu leisten, und die vorgcschriebene Ouarantaine in einer der hierzu bestimmte» Ouarantaine-Anstalten abznthu». Die OrtSbehörden haben deshalb den Dampfer mit einer Anzahl von Kähnen und Barken, aus welchen Militair postirl war. förmlich blockiren lasse», damit eine Ausschiffung von Maaren oder Passagiere» von diesem englischen Schiffe verhindert werde. Ein auS PatraS nach Zante beordertes griechische« Kriegsschiff konnte erst den Capital» deS englischen Dampfer- bewegen, sich der Anordnung ber Sanitätsbehörde zu fügen unv nach der Quarantaiue-Anstalt von Troezen abzudampsea. Aus der nalionalliberalen Partei. D Kassel, 28. September. Heute wurde dahier der aus Anlaß der bevorstehenden ReichStag-wahlen einberusene national liberale Parteitag sür den Regierungsbezirk Kassel abgcballen zu welchem anch von auswärts einige Delegirte eingetrvffcn waren. Nack einer Vorversammlnng. in der die Vertrauens männer Mittheilungen über die Aussichten der Partei in den einzelnen hessischen Wahlkreisen machten und dabei constatiren zu können glaubten, daß man sich hinsichtlich de- Erfolges den besten Hoffnungen hingcben dürfe, fand Nachmittag- von 4 Uhr ab im Stadtparksaale die nicht gerade sehr zahlreich besuchte Hauptversammlung statt, die von Herrn Jnstizrath Hupseld nnt dem Hinweise aus da- seil Woche» bemerkdare Aufblühen deS »ationaliiberalen ParteilebenS eröffnet wurde Als Hauptredner trat LandtagSdeputirler Professor Or Ennccceru« auS Marburg, der ReichStaHScandidat sür den Wahlbezirk Kassel-Melsungen, aus. um ein Bild über die gegenwärtige politische unv sociale Lage zu geben und jene Frage» zu erörtern, die zur Zeit im Bördergrunve der öfseiit licken DiScussion stehen. Nock vor wenigen Jahren sei im Reichstage die nationallibcrale Partei kie ausschlaggebende gewesen, und ihrer Mitwirkung habe man die Schaffung so vieler Gesetze von höchstem sittlichen Werthe, so vieler posi tiver Schöpfungen zu verdanken. Daß die« oft nicht ohne .Comprvnusi'e" habe geschehen können, liege aus der Hand, zumal ja damals der NationalliberaliSmuS keine Vertretung rm Sckooße der Regierung besessen habe. Sehr bald sei aber dieser für dir Gesetzgebung so ersprießliche Zustand einen« solchen de« „Suchen- nach der Majorität, wo man sie findet" gewichen. DaS Centrum mit Herrn Windthorst habe die Macht i»> Parlament erhalten, und diese Macht zu brechen, bleibe jetzt die erste politische Ausgabe. Im Weiteren ging sodann Redner aus die Bestrebungen der Socialdemokratie ein. denen «in Körnchen Berechtigung nicht abzusprechen sei. die aber in ihren AnSwüchse» zu den gräßlichsten Thaten führten und deshalb eine gesetzliche Bekämpfung nothwendig machten. Ganz falsch sei die Behauptung, daß da« Socialistengesetz nicht die hier gekennzeichnete Bewegung eingedämmt, nickt die Ausbreitung socialistischer Jrrthümer verhindert habe. Unbegreiflicher Weise batten diejenige» deutschsreisinnigcn Abgeordneten, di« nochmals für die Verlängerung de« Socialislen- gesetze« stimmten, erklärt, daß diese- ihr Volum al« da- letzte bejahende zu gelte» habe. Wer also „dentscbsreisinnig" wähle, nehme damit die Verantwortung dafür auf sich, daß möglicher weise nach zwei Jahren die erprobte Schntzmauer gegen die Ausschreitungen vor Svcialisle» falle. WaS die sogenannte Socialpolitik der Regierung betreffe, so habe sich derselben die nalionalliberale Partci niemals im eigentlichen Sinne des Wortes wirersitzt, sondern sich stets vo» Fall zu Fall sür entsprechende Maßnahmen erklärt. ES beweise dies die Annahme deS Kranlencaffen- und tcS Unsall- vcrsichcrnngsgesetzcS durch die Nationallibcralen, die auch dem Jiivalidenversicherungsgesetze sympathisch gegenüberständen. Aus die Haltung gegenüber der Ha»dwerkerbewegu»g ein gehend. erklärte Herr EnnccceruS, daß eine Rückkehr zum Zmifkzwange unmöglich erscheine. Tie Handwerker müßten zur Selbsthilfe greisen und vor Allem Gcnesscnschasten bilden, die im Stande feie», ihnen die gleichen Vvrlhcilc zu gewähre», welche de» Grvßiiidustrikllen zu Gebote stände». Vor Allem handele cs sich darum, richtige Grenzen zwischen Groß industrie und Handwerk zu ziehe», und t»rS vermöchten mehr als Gesetze die zu schassenden Innungen, denen eS auch ob liege» werde, sür aste« DaS einzulrelen, waS zur Hebung des AaiidiverkerstandcS diene Nachdem der Herr Redner noch die Landwirthschast der Fürsorge durch die nalionalliberale Partei versichert Halle, wandte er sich zu den Stenersragen und erklärte e» sür «in Unding, wen» man sciuer Partei insinuire, daß dieselbe der Regierung alles Mögliche bewillige» wolle. Der Inhalt des Heitelberger Programms bekunde kaS directe Gegenlheil. Anch erscheine eS als eine böswillige oder lächerliche Behauptung, die Nalionalliberalen würben schließlich mit den Conser- vativen das Tabakmonopol bewilligen. In dieser Frage ei die Stellung der Partei und ihr bisheriges Ber tolten zur Genüge bekannt. Wohl gebe die nalionalliberale s Zartei zu. daß die Börse noch eine Besteuerung vertragen könne, nicht aber eine solche, die daS solide Waarengeschäsl drücke. Hinsichtlich der Zollsragen muffe der Slaiidpnnct als der richtige anerkannt werten, daß in der heutigen Zeit vcS zweifellosen wirthscbasllichcn Aufschwungs eine Stetigkeit, die ehrliche Probe aus daS Geschaffene, allein ersprießlich und ein andauerntes Schwanken in der Gesetzgebung zu per- horreSciren sei. Noch erklärte Redner, daß der von der Fortschrittspartei verlangten jeweiligen Feststellung der HcercS'Präse»zstärkc durch den Reichstag entgegengetreten, bargen den Bestrebungen der Regierung in ber Colomsations- rage »ach jeder Züchtung Unterstützung geboten werden müsse. Zu letztere», Thema griff Redner namentlich de» Abgeord neten Bamberger scharf an und bezeichnete die deutschsreisinnige Partei als die;enigc, welche „stets ein „„Nein"" mit immer wechselnden Grnnocn" sage. Hiusällig bleibe der Bouvinf, daß die nationallibcrale Partei seit Heidelberg rc. das Epitheton „liberal" abgestreift habe. Einen Beweis hierfür habe man nickt und den erbrachten Gegenbeweis ignorire man geflissent lich. Mit dem AuSdrucke der Hoffnung, daß bei den bevor- slekende» Wahlen daS Volk dazu beitragen werde, daß daS mit Hilfe der nationalliberalcii Partci iu langem Kampfe Geschaffene auch der Nation erhalten und zu deren Nutzen auSgebaut werden könne, schloß Redner seinen Vortrag. Herr Oekonom Souckay (Künzell) svrdertc noch in längerer Rede zur Unterstützung der Parteipreffe und zur regen Bctheiligung an den Wahlen aus, unv Herr Rechts anwalt vr. Hausier (Kassel) gab einen Ueberblick über den Stand der Wahlagitation im Wahldistricte Kaffel- Melsungen. wonach die Aussichten sür die Nalionalliberalen recht günstig sei» sollen. Wie über Nacht der Fortschritt in Kassel eingezogen sei, so werde er auch rasch einer besonneneren Stimmung Platz mache». — Schließlich gelangte einstimmig folgende Resolution zur Annahme: „Der nationalliberale Parteitag deS Regierungs bezirks Kassel hält fest an dem Partei-Programm vom 29. Mai l88l tritt dem am 18. Mai o. zu Berlin ge faßten Beschlüsse und damit der Erklärung der allge meinen Partcivcrsammlung vom 23. März d. I. bei und fordert die Parteigenosse» zu energischer Thätigkeit bei den bevorstehenden Wahlen auf. damit der begeisterte Aufschwung, der alle national und liberal gesinnten Kreise ergriffen hat. dem Baterlandc Frucht bringe". Sodann wurde die Versammlung geschloffen. Königliches Landgericht. LV. Straskammer. I. Aus der Anklagebank saßen die Handarbeiter Karl Richard Pötzschig auS Bolkmarsdorf, Bernhard Hermann Markgraf an« Pegau, Friedrich Max W itzel aus Connewitz und Gustav Wilhelm Kuhrig von hier; der fünfte Angeklagte, der Handarbeiter Alexander Rose ans Altcuburg, war ausgeblieben. Am Abende des 26. Juni d«. JrS. befanden sich die Angeklagten. inSgeiammt Leute im Alter vo» 16 bis 18 Jahren, im hiesigen Scheibenholze, woselbst Kuhrig mit dem im Scheibenholze spazieren gehenden Sch'ieider H. von vier in Berührung kam und in Differenzen gerieth: aus ein von Kuhrig gegebene« Signal fielt» sämmtliche Angeklagte über den Schneider H- h«r und mißhandelten ihn, u. A. wurde ihm auch ein Messerstich verletzt; ebenso wurde der in der Begleitung der Auge- klagten befindliche Handarbeiter L. verletzt, und zwar nach Inhalt der Anklage durch einen vou Rose in dem allgemeinen Gemenge geführten Messerstich. Es hat sich nun zwar nicht fcststellcn lassen, vo» welchem der Angeklagten der Schneider H. den Messerstich er halle» hat; Kuhrig selbst nahm zur Entschuldigung aus seinen da malige» trunkenen Zustand Bezug; allein der GerichlShos «ahm al« erwiesen an, daß Kuhrig derjenige gewesen, von dem die ganze Sache ausgegangei» ist, während Pötzschig bereit« einmal wegen gleichartiger Vergehe» Strafe erlitten Hai, und au« diesem Grunde wurden Beide zu je 5 Monaten Gesängniß, Markgraf uud Witzel zu je 4 Monaten Gesängniß verurtheilt. Da« Verfahren gegen Rose mußte dagegen auSgejetzt werden. II. Der Handarbeiter Friedrich August Thieme an« Oschatz, welcher bereit« wiederholt wegen Diebstahls bestraft worden ist. hatte sich am II. Juli dS. Ir«, in den Besitz einer dem Gut-bcsitzcr L. in Lübschütz gehörigen Sense gesetzt. Znr Motivirung seiner rechts widrigen Handlungsweise nahm Thieme daraus Bezug, daß er an dem fraglichen Tage bei L. Feldarbeit verrichtet und nicht, wie er gehofft, nach gethaner Arbeit Essen erhalten habe; er habe sich des- halb durch Wegnahme der Sense schadlos halte» wollen; diese Aus flucht rette!« ihn jedoch nicht vor der Strafe, welche der Gerichtshof da mildernde Umstände angenommen wurden, aus 3 Monate Gesängniß sestsetzte. III. Der Schneider Friedrich Karl Sichting au« Neustadt hatte vor einiger Zeit in einer Restauration in Mockau einen Beutel mit 150 welche» der Wirth des Restaurants nur aus einige Augen blicke uiibeanssichcigt halte liege» lassen, schleunigst sich angceignet, allein der Verletzte war noch dazu gekommen, ui» zu sehen, wie Sichling den Beutel wieder an seine» früheren Ort hinstellcn wollte. Ter Bestohlene sertigte den Angeklagte» mit ein paar Ohrseigen ab und nahm sein Geld wieder a» sich. Ter Angeklagte bcmühic sich zwar, glauben zu machen, als hätte er gar keine diebische Absicht bei der Wegnahme gehabt, sich vielmehr nur einen Spaß mit dem Wirthe erlaubt; allein der Gerichtshof nahm den Diebstahl al« erwiesen an und verurtheilte Sichling zu 6 Monaten Gesängniß und 8 Jahren Verlust der Ehrenrechte. IV. Der Tischler Richard Reinhard Römbach an» Broßjena stand unter der Anklage, au- einem verschlossenen Schreibsicretair de« Möbelhändlers B. in Reudnitz, mit welchem Römbach in Ge schäftsverbindung stand, zu der Zeit, al« B. mit Käufer» sich zu de- schästigen und deshalb Römbach zu warte» gebeten hatte, «inen Hunderlmarkichein entwende« zu haben. Der Angeklagte war der That geständig; er gab aber an. a» B. eine Gegenforderung gehabt zu habe»; da ihm nun a» jenem Tage gerade die Beschaffung de« Gelbe« iür einen säkligen Wechsel abgelegen, so bade er den Hnn- dertmarkscheiii au sich genommen, »nd zwar mit dem Vorhaben, B davon Mitthciluiig inachen zu wollen; letztere« ist jedoch erst geschehen, nachdem B. der Polizei bereit« Milthcilung von dem Verluste gemacht hatte. Römbach wnrde daher der Entwendung sür ichuldig erachtet »nd zu 1 Monat Gesängniß verurtheilt. V. In ber Anklagesachc gegen Wilhelinine rerw. Stöcker au« HolleSgrnn bandelte e« sich nm die Entwendung e,ne« geringwerthigen TascheiilucheS an« der Wohnung ihrer LogiSwiifthin. Dir wiederholt rückfällige Angeklagte betheuerte ihre Uujchnld und behauptete, sie habe da« Tuch nur a»S Bersche» mitgenommen. Der Gerichtshof, bestehend an« den Herren LandgerichlS-Dircetor Bartsch (Präsidium), LkiiidgerichlSräihen Sachße, Siegel, von Somnierlatt und Höffner, erachtete nur eine Unterschlagung für erwiesen und verurlheilte de»»- geinLß die Angeklagte zu l Woche Gesänaniß. Die Anklage führte Herr Staat«anwaltichast<-Affeffor vr. Wnlsrrt, die «ertheidignng Römbach'« Herr Recht»an»alt vr. Nosinthal.
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