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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.03.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188603319
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18860331
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18860331
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1886
- Monat1886-03
- Tag1886-03-31
- Monat1886-03
- Jahr1886
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.03.1886
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Nedartten »ud LrMtiou Iohauae-gaffe 8. Lprrchstllll-ru der Ledarlioa: Bormittag- 10—12 Uhr. NachmtttogS ö—Ü Uhr. zur »n NU««-d« «tn^s»ndt»r VI»»>iIcrt»e« t» Nev»cli«n nicht vcrtucdii-. 0« Annahme »er sSr ble «»»Melden»« Rn««er desummten Insrrnte «n rS«chc»t«chr» bi« 4 VHr A»<«it»«a», o» Lonn-und Krstta>e« frsitzbt« V.» Uhr. In de» Filiale» str I»f.-A»»atz»e: Otto Klemm. Untversttät-straß« 1. Louis Lösche, Katharineastr. 23. p. «nr bi« '/,t Utzr. ripMrr.TagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage IS,3Ü0. Äboiinemrntspreis viertrlj. 4'/, Mk. incl. Bringcrlohn 5 Mk., durch dir Post bezogen li Mk. Jede einzelne Nummer 2(1 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren iür Extrabeilagen sin Taaeblatt-Format gescttzl) ohne Postbesörderung SO Mk. mit Postbesörderong 60 Mk. Inserate bgrspalteneHetitzeile 20 Ps Größere Schritten laut uns. Vreisverzeichniß Tabellarischer u. Zisserasatz nach höhermTarit. Neclamen unter dem Redactio ns strich die «gespall. Zeile SO Ps., vor den tzamtlienuach richten die 6gespalre»e Zeile «0 Pf. Inserate sind stet- au die Spedition zu senden. — Rabatt wird uichl gegeben. Zahluag prneoaweinocio oder durch Post- uachuahme. SV. Mittwoch den 31. März 1886. 80. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Uin bei Ausgabe der Legitimationökarten zum Abhvlen des Tageblattes beim Quartalwcchsel den Andrang möglichst zu beschränken, haben wir die Einrichtung getroffen, daß Karte und Rechnung bereits von heute nn in Empfang genommen werden können. LxpvtNtlou Ü68 I-vIpLlxer l'AxvblLttv». Amtlicher Theil. Wir bringen hierdurch in Erinnerung, daß nach tz. 151 jot. 15S de« Slraßenpolizeiregulativ« von, 14. November 1885 da- All-Heben der Tchuer» »»d Dlärzglüelchen, der Schlüsselblume« u»v Matgl-ckchea mit deren Zwiebeln und Wurzeln au» den städtische» Waldungen mit Teldstrase btS zu 00 -E oder mit Hast bis zu IL Lage» de- straft wird. Leipzig, deo 29. März 188«. Der Ruth -er Gt«dt Letpztg. vr. G«orgi. ?crntrVeite Verkeigrruns von VanplStzen in der Nor-oor-M. Ti- der Stadtgemelnde gehörigen Bauplätze Vkr. I bis bt de» hinter de« StaatSaymnaslu« zwischen der Löhr-, Aork- »i,d Pfaffendorser Straße gelegenen Bau» Klock s de» RArMtche« Veba»»»«Spla»eS und z»ar kt. de- betr. Pe.rcellitttmgsplane« Sir. 1 an der Pfaffendorser Straß« von 524.02 qm FlächengehaU, 2 3 - 4 - k . 7 . 8 . Eike der Pfaffendorser, Port- und Löhrstraßr Lvhrstraße sollen 387.37 S3S.S5 . SSI.«8 . «72.83 . 38«.»« . 4«7 22 . 388 71 . Donnerstag, -rn IS. April d. I., von Vormittag« 10 Uhr au im Saale brr Alten Waage, Kalbarinenstraße Nr. 1, 2 Etage, zum Verkaufe versteigert werden. Der Versteigerungstermi» wird pünrllicb zur angegebenen Stunde eröffnet und die Versteigerung bezüglich eine- jeden der einzeln nach einander in obiger Retheasolge au-gebcleue» Bauplätze geschloffen werden, wenn daraus nach dreimaligem Au-rufe kein weitere- Gebot mehr erfolgt. Die BersteigerungSbedingungen nebst ParcellirungSplan liegen auf dem RathhauSsaalc 1. Etage zur Einsichtnahme au- und e« sind davon Exemplare in der Sportrlcaffe l, ebendaselbst Zimmer Nr. 2. für t 20 verkäuflich. Leipzig, den 25. März 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. I)r. Georgi. Eerutti. Bekanntmachung. Nachdem von der Königlichen KreiShauptmannschast Leivzig die Schließung der hier domici'irten Krankencaffe „Prudentia" eingeschriebene HilfScaffe verfügt und diese Verfügung auf dagegen erlwbeiien Recur- vom Königlichen Ministerium deö Innern bestätigt worden ist. so wird Solche« hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Ais Tag der Schließung gilt der 30. diese« Monat«. Dw Abwickelung der Geschäfte der geschloffenen Taffe ist dem Secretär de« KrankenverffcherungSanite« Herrn Uhlmann in Gemäßheit den tz. 30 de« Hilf-caffengesetze« übertragen worden. Leipzig, am 30. Mär; 188«. Der Rath der Stadt Leipzig. (KrankenverstcherungSamt.) Or. Schmid. Scharlach. Die hiesige Bahnhof- und der obere Theil der Gchulstraße soll gepstastert und diese Arbeite» auf dem Wege der Submission »er. geben werden. Blanke!» sind b>4 6. April d». I«. bei Herrn Gemeinderath«. Mitglied Maurermeister Löbe hier zu haben und werde» Reslerttrend« hieraus andurcd auinierkiai» gemacht. Plagwitz, am 29. März 1886. Ter Vemeinbensrftnnb. Uhlig. M. Der in der städtischen Gasanstalt hier producirt werdende Steintoülentheer loll aus die Zeit »«» 1. Lull >884/87 «n de» Meistbietenden im Submission-, und bezügl. Licttatton-tvege verkauit werke»; die Gesammivrodurtto» beträgi etwa IbOOCevtner. Etwaige Geboie sind bi» z« bezügl. in dem aus Mittwoch, den 7. April ». 2 Vormittag» l l Uhr im Rathhauie hier t Trepp: hoch anberanmte» Licit'tton-Iermine abzugebea und wird dann nach Oeffnnng der ichristliche» Gebote im Termine selbst zwischen deo erschienene» Bietern da» Licitation-versahren abgehaltea werde». Bedingungen sind: Zahluag de» Preise- binnen 4 Lochen »ach Empfang jeder einzelne» Sendnng. der Känfer Hot die Fässer zur Verpackung frei anhrr zu tiefer» und dt« Absevdnng erfolgt frone» Bshnhos hier. Weimar, de» 94. März 1886. Dir Dsrmetnbebarstanb al« tztzaSansttUtS^trrett««. »ab». Oberbürgermeister. Die Einweihung der Lutherkirche wird, so Gott will. Go««t«, LLtarr, den S. April 188« stattfinden. Der unterzeichnet« Kirchrnbauvrrei» beehrt sich, auch hierdurch zur Betheiligung bei dieser Feier ergebenst ein« zuladen. Festprogramme, welche zur Theilnahme an dem fest lichen Zuge nach der Kircke und zum Eintritt in da« Schiff der Letzteren berechtigen, können bei Herrn Küster Herrmann, ThomaSkirchhof Nr. 23. entnommen werden. Die «it Eintritl-karten versebenen Damen werden ersucht, vor Eintritt de« Auges ln dir Kirche die Plätze, auf welch« ihre Karten lauten, rinzunehmen. Leipzig, am 30. März l88«. Der Ktrcheuhauvereiu daseihst. ReichSgenchlSrath l)r. Freie»lrben, Vorsitzender. Erledigt Hai sich unsere Bekanntmachung vom 4. Februar 188«, den Handarbeiter Wilhelm Kranz Pinkau au« Eilenburg betreffend, durch dessen Gestellung. Leipzig, de» 25. März >886. Der Rath der Stadt Leipzig. (Armenamt.) Ludwig-Wolf. Hoher. Versteigerung von Buuareal in Bensellerhauseu. Da» der Gemeind« Neusellerhonsen gehängt, mitte» im Orte an der Hauptstraße von Leipzig nach Wurzen belegen«. 8 Kilometer vom Mittelpunkt» der Stadt Leipzig entfernte Vauareal, welche» eine Gesammtfläch« »o> 181L.9 lllMktern entbittt, loll Mittwoch, »eu 7. April 188«, Vormittag» 1« Uhr, t» Safttose z» Reusctzertzause« versteigert werden. Da« Areal wird zunächst einzeln in drei Baustelle» berge stall eingetheM, daß der Platz Nr. 1 8SS.0 OMeierl ... 2 775.7 ^ . s Fläch« HIV- . . . » «71.2 . I ^ . aksbann »wr st» G«»z»» znr Au-btetinq gelang»,. Der Lerstrigerung-termin wird pünktlich zur angegebene» Stund« eröffaet und könne« di» Uerfteigerungebedinguagen nebst Parzelli» runa-plan von be»te ab auf dies. Gemeindebureou eingesehen werden Neusellerhaasen, am -2. März 1886. Ter «ienietuderath daselbst. Seysierih, Gem.-Borstand. Bekanntmachung. Laut Beschluß der httsige» Lladi^eiord.uten-Versammlung soll die Stelle eine- ersten Llabtralhs der Haupi- und Siesidenzsiadt Tkffau demnächst für eine zwülijährige Wahlperiode durch Neuwahl wieder besetzt werden. Mit diesem Amle wird, vorbehaltlich der Landesherrlichen Genehmigung, »nler der Bedingung de- rever». mäßigen Verzicht» ans anderweitige EriverbSthätigkeit, ein Gehalt von 3600 verbunden. Gemäß 8 106 der Anhaltischen Genieindeordnung gebührt den besoldeten Gladtrithe», fall» sie bei Ablaus der Dienstperiode nicht wieder gewählt oder nicht wieder bestätigt werden, nach «jähriger Dienstzeit ein viertel, nach 12jähriger die Hälfte de- Gchali» ol« jährlich« Pension, deren Betrag sodann mit jedem weiteren Dienst- jahre um 1'/, Procent des Gehalts bis zur Hähe de- letzteren selbst steigt. Ebenso wird der neu zu wählende Sladiraih Mitglied der Aahaltischen Witttvencaffe unier den hierfür festgesetzten Bedingungen Bewerbung-gesucht sind an die Stadtverordnetenversammlung z. tz. de« »nterzeichnetrn Vorsteher« derselben di« zum 20. April d. I» zu richten und müssen Nachweisen, daß der Bewerber entweder: li die Befähigung sür da- Richteramt besitzt, oder 2) »war nur die erste juristische Prüfung bestanden, aber im Eommuualditnste schon praktisch sich bewährt hat. Ueber die etwaige bi-hrrtge BerusSthäligkeil sind besondere Zeug »ist« beiznfügen. vessn», de» 29. Mär» 188«. Ter Ttodtverorbnete«-Vorsteher. R ü i» e l t n. Nichtamtlicher Theil. Ultramontane Errungenschaften. „Die sicherste Schutzwehr gegen da» Ueberwuchern de« SocialiSmuS.bildet die Kirche und de-halb muß die Schule unter dem Einfluss« der Kirche, stehen" — so lautet dir Weis heit, welche Windthorst seit dem Beginn seiner parlainen torischen Thätigkeit unausgesetzt verkündet bat. Jetzt sehen wir die Früchte der ultramontanen Herrschaft i» Belgien. Dort haben die Parteigenoffen Windlborst's die Gewalt i» Händen, die gesammte SlaalsverwaUung nebst der Schule befindet sich in ihrem Besitz, und oennvch schlagen die Flam men de- Aufruhr« über dem unglücklichen Lande zusammen und bedrohen e« mit Vernichtung. Wäre die Wmdthorst'sche Wei«heit wahr, dann würde e« in Belgien nicht dahin ge kommen sein, daß die Socialisten da« Land verwüsten und durch Raub und Plünderung sich nähren, statt durch Arbeit. Die belgische Lrbeiterbevölkerung ist aus den Unterricht an- gewiese», den ihr die ultramontane Regierung zu verabreichen für g»t befindet. Worin dieser besteht, ist bekannt: er ver meidet Ille« sorasältig, wo« über da« wirkliche Leben Aus klärung schaffe» könnte. Die Hauptsache ist, daß die Geist lichkeit den Einfluß ans die große Menge brbält. Dieser Einfluß ist aber nicht im Stande, die revolutionaire» Leidenschaften zu zügeln. Wenn die socialistischen Agita toren von den Arbeitern fordern, daß sie die Arbeit einstellrn. dann lasten diese ihre Werkstätten im Stich und ziehen sich zurück oder schließen sich den Zerstörung», bereiten Horden an, statt sich zur Wehr zu setzen und da« Eigentbum Derer zu verlheidigrn. die ihnen viele Jahre hin durch Verdienst gewährt baden. Die belgischen Arbeiter handeln ohne Unterscheidung«. vermögen, gleichviel ob sie guten oder schlechten Verdienst haben, sie lasten sich von der Bewegung sortrrißen. Wenn die Bergleute hei Lüttich mit ihrer Löhnung nickt zufrieden fi»d, s» hat da« ei»ea Dia», di« Bergwerkt-Gesellschafte» bezahlen die Leut« trotz bedeutende» Gewinne« schlecht; ganz anbei« aber steht die Sache in den Glasbläsereien bet Tharleroi. Dort sind die Erwerb-derhältniste sür die Arbeiter ebenso lohnend wie für die Hüttenbesttzrr. Baudvux verdiente jährlich 3 Millionen und zahlte davon mehr als die Hälfte an die 1200 Arbeiter, die er beschäftigte. Jetzt stehen von der großen Fabrik in Jumet nur noch die Brandmauern, die Arbeiter sind brodle«, und ihre Familien sind dem Elend )rrri»grgeben. Ebenso steht e- mit den anderen Glashütten in der Umgebung von Tharleroi. Aus die Tage der Zer störung und der Gelage folgen die Zeiten de- Mangel- und der Armuth. Dafür mögen sich die Leute be> der Regierung bedanken, welche sie schutzlos gewissenlosen Agitatoren zur Beute gab. Zn keinem andern Lande Europa« haben die socialistischen Verführer so leichtes Spiel gehabt wie in Belgien, weil sie hier niit einer rohen abergläubischen Maste zu lbun haben, Vie Alle- glaubt, wa« man ihr vorsagt. Ganz Belgien ist durchlränkl mit den socialistischen Lehren, und e- bedurfte blos de« Zeichen« zum Ausruhr, um ibn überall in Hellen Flammen auslodern zu lasten. Und dieser Bewegung steht die Regierung ralhlo« gegenüber, sie hat sie weder vorbergcsehen noch hat sie Maßregeln ergriffen, um ihr entgegenzumirken. Zn Belgien giebt e» so gut wie keine Gesetze, welche für Krank heit, Unfälle und Arbeil«unsähigkeit der Arbeiter Sorge tragen, welche die Frauen- und Kinderarbeit beschränke». Auf dem Gebiete der Fabrikthäligkeit herrscht die vollste Freiheit, da« Berhällniß zwischen Arbeitgeber und Arbeiter ist lediglich der freien Vereinbarung überlasten. Dazu herrscht in Belgien ein Grad von Preßfreiheit wie kaum irgendwo sonst noch aus der Welt. Vereins» und versammlung-recht ist schrankenlos, also unter den Augen der Obrigkeit werben die Maßregeln be- schlosteu, welche da« Land der Herrschaft von Räubern über liefern. Zn Brüste! erscheinen eine Anzahl Blätter, wie .Peuple' und .Nalional". welche die Majrstäl-beleidigung und die Revo> lution ganz systematisch betreiben. E- bedurfte erst der Ersah rungen, wie sie in den letzten Wochen gemacht worden sind, um ein verbot hervorzurufen gegen den Verkauf de- schlimmsten Hetzblätter, de« „Peuple". Diese Zustände haben sich vor den Augen der ultramontanen Regierung entwickelt, ohne daß sie auch nur eine Hand gerührt hatte, um sie abzuwenden. Da« Wort, welche« einst der Nuntiu« in Pari« Meqlia au«ries: „UnS kann nur die Revolution Helsen", erhält in Belgien eine merkwürdige Zllnstration. Gerade in Belgien bedurfte der Ultramontam-mu« dieser Hilfe nicht, denn dort hrstUtdeu sich jasriue Vertreter am Ruder. Wa« soll einer ultr»«ontaste» Negierung di« Revolution - Soll sie etwa ein Schreckbild f9r di, anderen Länder Europa« liefern? Wenn wir un» auf den Glanbpunct der ultramontanen Presse stellen wollten, dann müßten wir die herrschende Partei in Belgien der Urheberschaft der socialen Revolution in den Aabrikdistrictrn beschuldigen. Zndirect ist diese Partei aller, ding- sür die socialistischen Ausschreitungen verantwortlich, denn sie stand an der Stelle, von welcher au- sie Einblick in die thatsäcklichen Verhältnisse, in die Bedürfnisse der Bo Vvlkcrung halte: aber sie that nicht-, um sie zu befriedigen, sie ließ Alle« gehen, wie e- ging. Jetzt wird die Regierung durch ihre eigene Schuld vom Schauplatz ihrer Thäligkeil hinweggeriffen, denn wenn Belgien sich von dem furchtbaren Schlage erholt hal, dem da- Land jetzt unterliegt, dann wird dir erste Folge ein Umschwung im RegierungSsyslcm sein. Auch di« liberale Regierung hat die Zeit, während welcher sie die Zügel in Händen balle, nicht ausreichend benutzt, sie mußte ihre Aufmerksamkeit weit eifriger auf die socialen Zustände der Arbeiter richten, aber der größte Theil ihrer Kraft wurde durch den Kamps gegen die ultramontene Gegen partei in Anspruch genommen, und bann kam noch die un selige Spaltung im eigenen Lager hinzu. Da- wird jetzt ander« werden, durch Schaden wird man klug, die Einigkeit wird jetzt hoffentlich vollständig hergestellt werden. Der Abgeordnete Windthorst sagte bei der Polendebatte, daß die Polen sich mit Gewalt zusammenrotten werden, um sich der Unterdrückung durch die Regierung zu erwehren; er mag jetzt seine Blicke nach Belgien wenden, wo sein« Gesinnung«, genossen da« ihnen zugesallen« Glück nicht sestzuhalten ver mochten, dort ist da« geschehen, wa« Herr Windthorst nach dem Recept de- Nuntiu« Megsta sür da« Königreich Preußen al« da« probateste Mittel erachtete, um die Macht seiner Partei fester zu begründen. Ader in Belgien ist der Spieß umgekehrt, er richtet seine Spitze gegen die herrschende Partei. Nach jesuitischem Muster müßten wir un« eigentlich darüber freuen, daß in Belgien die ultra- montane Logik so scharf »ck »dsurclum geführt worden ist. da un« aber die Mittel, durch welche wir sittliche und der Mensch heit heilsame Zwecke anstreben. nicht gleichgiltig sind, da wir die Gesannntwohlsahrt für höher achten al- die Parteiersolge, so beklagen wir Da«, wa« jetzt in Belgien geschieht, auf da- Tiesste und wünschen, daß eS der Regierung gelingen möge, Ruhe und Ordnung schnell wieder herzustellen. Da« aber ist unser innigster Wunsch, daß die deutschen Wähler au« den Ereignissen in Belgien die darin enthaltene Lehre zielten mögen, daß die socialistische Gefahr nicht mit den vom Tentrum aiiaepriesenen Mittel» vermieten werte» kann. Wenn der Einfluß der Kirche die socialistische Gefahr abzuwenden vermöchte, so wäre c» in Belgien geschehen. Da- allein zweckmäßige Mittel ist in Deutschland richtig erkannt worden, es besteht einerseits in Maßregeln gegen die schranke», lose Verbreitung der socialistischen Lehren und antererseitS in der Beseitigung der Schäden, an welchen unsere socialen Zu stände kranken. Fürsorge sür kranke, invalide und durch llnsälle arbettSunsäbigc Arbeiter ist die Hauplausgabe, welche wir zu erfüllen haben, wenn wir ähnliche Erfahrungen, wie st- jetzt in Belgien gemacht werden, vermeiden wollen. Da- schlechteste Mittel aber wäre dir Auslieferung der Schule an di« Kirche. * Leipzig, 31. März 1886. * E« verlautet bestimmt, daß die Entwürfe über ander weitige Besteuerung de« Branntwein- von Reich wegen bereit« im Lause der Woche an den BunteSrath gelangen würden. Zhre Feststellung ist bereil« erfolgt, ein rndgiltiger Abschluß war noch einem Miniflrrratbe Vorbehalten der möglicherweise al«bald stattfinden wird. Montag Nach mittag« hielt Fürst BiSmarck dem Kaiser Vortrag; e« läßt sich vermulhen, daß die« mit dieser Angelegenheil zu sannnenhängt. Man hält e« sür möglich, daß die neuen E»t würfe noch vor Ostern an den Reichstag gelangen, ihre Be- rathnng wird sich aber erst »ach den Ferien ermöglichen lasten * Zn welcher Tonart gegenwärtig im Reichstag, hervorgerufen durch die parlameutarischen Gewohnheiten eine- Eugen Richter und seiner Genoffen, verhandelt wird, davon ol.qendeS Pröbchen auS der letzten MontaaSsttzung: Abg. v. Köller spricht sich sür die Verweisung der Vorlage an eine Commission von nur 14 Mitgliedern auS, well eine solche schneller arbeitet al« die au- 28 Mitgliedern bestehend« Budgetcommission. Die Beamten in de» kleineren Städten lägen ihm (Redner) viel mehr am Herzen al- diejenige» t» de» großen Städten. Der Abg. Richter kümniere sich um diese klei»e» Städte nicht, wett er nicht in ihnen gewesen. Nbg. Richter: Ich bl« mehr in kleinen Städten gewesen und habe niehr Beziehungen zu denselben, al- es den Tonservativen lieb ist. Plan »ins; ans die kleinen Städte anspaffrn, damit dort die Land- rlsthe keinen Unsug treibe». Abg. v Köller: Ich habe dem Abg. Richter zn erwidern, nich! Name»- der Landrälbe, sondern al- Mitglied de- Hause-, daß ihm jedes Verständlich dasür abgrlst, wa- die Landräthe zu thun haben (Obol link»), daß ibm jede- Urthest fehlt, ob eia Landeath Unsug treibt oder inchl. Cr i»ag darüber urtheilen, was der Unsug ernes Parlamentarier-, eine- Schriftsteller-, «ine- Zeiiung-redacteur- ist, aber über die Landräihe soll er sich besser de- Unheil- enihaltea. Abg. Richter: Ich habe nur zu antworten, daß ich schon ein LandrathSanit vcrwastele, al- Herr v. Köller noch gar nicht zu stabilen anfing. Abg. v. Köller: Der Abg Richter hat eia LandrathSamt der- waltet, ist aber nicht Landralh geworden. Warum nicht? Weil er nicht zu brauchen war. (Heiterkeit.) Abg. Richter: Ich mSibte den Abg. Söller bitten, sich so «eit zn orientirea, daß er nicht Dinge vorbringt, die Jeder, der die Nask' in den Parlament-almanacd hineingesteckl hat, bester weiß. Abg. v. Köller: Ich bin über da- Vorleben des Abg. Richter so unterrichtet, daß ich nicht nöldig habe, die Nase in den Alma- nach hineinzustecken. Spj,^lberg ich kenne Dich. (Der Präsiden! erklärt den letzten Ausdruck sür unpaclamentarisch). * Auch in der Schweiz scheint sich da- Bcdürfniß nach einem ZuliuSthurm gellend zu machen. Die liberale »Nene Züricher Zeitung" führt au-, daß die Million Franke», welche iiii BundeSrathe für Bestreitung der ersten Bcoürsnisse einer Mobilmachung bereit liegen, doch eintretenden Falls nicht aus reichend sein würden, und daß cS. trotz allem Patrioli-mue. doch schwer halten würde. 20, 30, 40 Millionen in einem kritischen Momente zusammen zu raffen. „Darum wird sich", fährt sie fort, „der BundeSralh und die Bunde-versamnilnng Vie Frage stellen müssen, ob die Schweiz nicht allinälig cinc» ansehiiilchen Kricg-schatz in baarein Gelbe anfamme!» soll. Wir sprechen bannt nicht sllr das System der Anlegung von Krieg-sond- im Allgemeinen, denn sür jedes Land falle» eigen artige Verhältnisse und Bedürfnisse in Betracht, und osiendar wäre eS ganz überflüssig, wen» z B. England oder die Ver einigten Staaten etwas Derartige- schaffen wollten; — .>ber wir sind kein England. Wir sind ein kleine- Land, vas leicht zu überrumpeln ist, uni«'- großen Geldre'ervoirS liegen ;»m Theil an der Grenze u^o im Kriegsfälle könnte es u»S darum bald am Nothwendigsten mangeln." * ES wird un« auS Brüssel ein Privatbries von, 27. März zur Verfügung gestellt, dem wir Folgendes entnehmen: „Ihr habt vielleicht tu den Blättern gelesen, daß seit t'/, Wochen in der Umgegend von Lüttich Unruhen herrschen, das, dort ci»e große Militairmacht zusamnieiigezoge» und eine ziemliche Menge von Per- mundeten und Tobten zu verzeichnen ist. Die Ursache ist der Streik der Kvhlenarbeiter in den dortigen Gruben, die höheren Lol», vcr- langten, weil sie jetzt nur 1.50—2.20 FccS. (1.20—1.75 .§) bekommen pro Tag. Die Leute haben da- in durchaus nicht aufrührerischer Weise gclhan, aber trotzdem haben die Bescher der Gruben Militair reguirirt, wodurch die Leute natürlich erbittert sind. Es ist deshalb zu blutigen Zusammenstößen gekommen. — Allerdings sind auch politische Gründe in» im Spiel; e» aiebt nämlich in Belgien bin allgemeine- Wahlrecht, nur wer mehr al» 42 Franc- 33 Cent. Steuer bezahlt, bars wählen. Ti Arbeiterpartei hat nun schon mehrere Mal vergeben- vetitionlrt, um da» allgemeine Wahlrecht eingcsührt zu sehe». Das „»»fi'rnxo uvirsrael" (allgemeines Wahlrecht) bildet überhaupt das TngeS- gesvräch hier. Der ganze Streik wird den Socialisten ober gar deu Anarchisten, deren e» 8 oder 10 in der Lütticher Gegend geben soll, in die Schuhe geschoben und überall wird in jeder Versammlung eine «»ssorderung zur Revolution gesehen. Es ist aber noch in einer jeden Arbeiter-Versammlung äußerst ruhig bergegangen und nian macht sich über die Maßregel», die zur Verhütung etwaiger Unruhen getroffen werden, nur lustig. Das erste ist immer, daß die Vürgerwehr zusammengcrufen wird, die hier überall besteht, und der, wie ich glaube, jeder Bürger vom einundzwanzigsten Jahre an angehört. Hier war e» am vorigen Sonntag bekannt, daß in zwei Vorstädten gegen Abend Ardeiterversammlungen stattfinden sollte». E- waren „natürlich" Anarchisten; man mußte daher Borstcht-niaßregel» Ircsscn und womöglich den Einmarsch der „Anarchisten", die jeden falls bewafsnet sc»» würden, verhindern. Die Folge davon war, daß am Abend nicht weniger al- 10,000 Mann (Bürger- garde, Polizei, Feuerwehr) unter Waffen waren; auch das Mililair war in den Casernen bereit, jede» Augenblick gegen die Anarchisten loszubrechea. Da» Gerüchi von diesen Vor bereitungen war schon Vormittags verbreitet. Ma» glaubte es aiisang» nicht, al» aber Nachmittags gegen 5 Utzr die Bürgergarde in vollcr Ausrüstung ihre» Sammelplätzen zueillc, wurde cs klar, daß ma» für den Abend wirklich etwas erwartete. Gegen 8 Uhr ging ich i» die Stadl. Da- Leben zeigte seinen ge- wohnten Gang, nur hörte man überall von der x-nnl« oivi-ms, der Bürgergarde und den Anarchisten, sowie von Lacken, dem Lrt der Versammlung, sprechen. Der Markt war von einer ungewöhnlichen Menge belebt, aber lauter Neugierige — wie ich —, die auf die Dinge warieten, die sich dort ereignen sollten. Alle wäre» garz sorglo-. Daß aber wirklich etwa- erwartet wurde, Iah man an der Börse, die von der eivigns besetzt war. Die- Gebäude war insofern günstig, al« der Zug. der jedenfalls aus dem Markle eine Deiiionstralion veranstaltet hätte — wenn es überhaupt die Abst-bt der Arbeiter gewesen wäre — hier vorbei mußte. Aber Alles blieb ruhig; um 10 Uhr verließ die Garde ihre Festung, um sich in die Kneipen zu stürzen. In allen Blättern erschiene» Satiren über diese Ereignisse, worin der Bürgermeister arg verspottet wurde. — Die Presse ist hier übcr- baupt sehr frei; so erhält z. B. der König die verschiedensten Schmeichelnamen. In solchem Stil ist der ganze Katechismus ge schrieben; ich würde ihn per Kreuzband schicken, denke aber, cs könnte sich unterwegs ein Liebhaber finden. Hier in Brüstet hat eS übrigens keine Noth, daß eS zu solchen Austritten kommt wie bei Lüttich und seit gestern bei Charlervi; Brüssel ist keine Fabrikstadt, daher die Zahl der Arbeiter nur gering. * Die „Kölnische Zeitung" läßt sich c»uv Tharleroi, 28. März, schreiben: ..Zn Roux, wo schon in der vorigen Nacht bei einem Angriff auf die große Spiegelgla-sabrik 4 Todte und 8 Verwundete geblieben waren, zogen gegen Mittag etwa 2—300 Ausrührer aus eine kleinere Glasbläserei zu, die von einer Tompagnie Fußsoldaten besetzt war. Sie wollten auch dort dir Arbeiter »um Feiern zwingen. Der Osficier forderte sie dreimal vergeblich aus, sich zu entfernen. Nun stellten sich die Soldaten gegen eine Mauer und legten an. Darauf drangen die Meuterer gegen sie vor und stürzte«
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