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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.07.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188607030
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18860703
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18860703
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1886
- Monat1886-07
- Tag1886-07-03
- Monat1886-07
- Jahr1886
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.07.1886
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»1« t«u>ö r<« l»7«0 t«7L «t- Mrs tu?i> Ubliü .77^- t21.- S«bU X7- 77 VO 'rvvll tNL0 «7 «uo .7» - W7L StSU Erscheint täglick früh 6'/, Uhr. Le-artion an- LrprLition Johannesgasie 8. Sprechstundrn dcr Krdarn»a. Vormittag- 10—12 Uhr. Siachniiliags ü—6 Ul>r. kW tt» «Xg-de ein-ktaadler Minulcrcht« »>»chl ßck dg N«»»«rü>a »ich, «rdmdtich. A»»ab«t der für die iiüchftfelgend« R«««er bestimmten Inserate an Wachrntaie» »t» 8 Uhr nachmittag«, an L«»»- »»d Aefttagru früh bi« V.S Uhr. Zu dk> ^llialkn für Zns.-^nuahmt. vtt« Klemm, Uaiversttät-straße I. L»»t« Lüsche, Katharineastr. UL, nur »«» ',.8 Uhr. t Z Zur geWgen Veachtung. > Unsere Expedition ist morgen I Sonntag» den «. Juli, Bormittag» «nr bis 'ß» Uhr geöffnet. LxpvSMon Ü68 I-elp/.1?er 'raxedlattes. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage 1S,<rS«. ^bonnemrnlsprris viertclj. 4'/, ckM. iucl. Bringerlodu 5 Mk., durch die Post bezogen » Pik. Jede einzelne Nummer 20 Pi Belegexemplar 10 Ps. Bebüuren sür Extrabeilagen lin Tageblatt-Format gesalzi) ohne Postbesürderung 50 Pik. Mit Postbesürderung 60 Mk. Inserate 6gespaltene Petitzeile 20 Pf. Gröbere Schrisle» laut uns. Preisverzeichnisi Dadellarischrr o.Ziflernsatz nach höherm Tarif Urrlamen miter dem Redaction-strich die 4aespall. Zelle öOPs., vor den Jamiliennachrichte» die Kgespaliene Zeile 40 Ps. Inserate stad slei- an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prnvuuwerauüo oder durch Post- nachnahmc. 184. Sonnabend den 3. Juli 1886. 80. Jahrgang: ^ - - 0 .»-.i'L .?a>n ! rüf Amtlicher Thetl. NrlimnlMchlmg. Wegen SchleußenbaueS wird die Poststrafte ron Montag de« 3. Juli d. I. ab auf die Dauer der ürbeiten für alle» unbefugte» Fährverkehr gesperrt. Leipzig, den 29. Ju», 1886. Der Rath der Ttadt Leipzig. H 6895. I>r. Georgi. Hennig. rr .-ck'-- - .-«K'sr.tvNi , ''chl '«27*1 Bekanntmachung. Wegen vorzunehmendcr RohrlegungSarbeiten wird dcr «öhrSpletts »on Montag, den 8. dieses MonatS ab auf die Dauer der etwa 6 Tage i» Anspruch nehmenden Arbeiten siir den durchgehenden Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 2. Jul, 138». Der Rath der Stadt Leipzig H 6961. vr. Georgi. Hennig. . ni'ctr. 1- 7' .vl'ial . -lck7> .:r'v8'c> Bekanntmachung. Die unterm 29. Mai vsS. Ihre, von un« ausgeschriebenen .?-1 !t lrbeiten für die Herstellung vcS BerwaltungSgebäude«, der ,n' ^ -o ü '--' ^kamtenbanser und des Pförtnerhause« des neuen Tchlacht- md ViehhoseS sind vergeben und weiden die nicht bcrück- ichligten Herren Bewerber ihrer Angebote entlassen, Leipzig, am 1. Juli 1886, . Stüs Der Rath der Stadt Leipzig. 74». vr Georgi. Gringmuth. Ass. er .>» t*a»:r dir tl» -v eu» n,i *».; >, -- .15 'r.07>.' In Gemäßheit de» tz l der Instruction für die AuS- ührung von Wafferrohrleitungen und Wasseranlagcn in , l">'5l Wkidatgrundslücken vom l. Juli 1880 machen wir hierdurch ekannt, daß der Klempner Herr Adolf Heuschkel, Münzgasse Nr. 7, ur Uebernahme solcher Arbeiten bei unS sich angemeldet und en Besitz der hierzu ersorterlichen Vorrichtungen nach ewiesen hat. Leipzig, den t. Juli 188», Der Rath dcr Stadt Leipzig. X 2922. I)r, Georgi. Wolfram. i r-'p .80- ,-e 8 " ,t'7' Bekanntmachung. »ll.' Ul Bon dem Unterzeichneten Armenarintc sollen im Stadt« ause Montag, den 3. Juli ». v., BormittagS von »» Uhr an ne Partie getragene KieidungSsiücke, Model, Hau»- und üchengerälhe, Betten rc. »leistbielend versteigert werden. Leipzig, den 1. Juli 188». DaS Armen-Amt. Lukwig. Wvl f. Iunghäbnel. .-n n'i il 4. Bekanntmachung. Die Lieferung von 30 Ltr. Petrolrum, 6000 - ca. guter, schlockenfreier Pechstückkohl« > 500 . ca. böhmischer vrannkohlc bester Qualität, s das Wiutcrbalbjahr 1886/87 sür da- Königliche Landgericht und ! Königliche Staatsanwaltschaft Leipzig hier, soll unter den bet ir Bericht-casse de- Landgericht« — Hochparterre, Zimmer Nr. 76 — ^»sehenden Bedingungen und mit Vorbehalt der Auswahl unter » Licitanten vergeben werden. Angebote sind bis zum IS. Aull diese« Lahre« jrisil.ch eiazureichen. Leipzig, den S. Juli 1886. Königliche« Laadgericht Llvol „Ball rlore«! nach daist mdi!« »ed»ä »gl'I^ m -rlor« Nichtamtlicher Thetl. General Loulanger. Al« General Boulanger KriegSmiuister wurde, wußte man on ihm nicht viel mehr, al« daß er in Tuni« bei Gelegen heit eine« Subordinationsvergehen« eine» Officier» sehr schroff ausgetreten und die Grenzen zwischen der Militair- und Civilgewalt zum Nachtheil der letzteren überschritten hatte. Die Stimmen über sein damalige« Auftreten waren getbeilt, aber bei den Radikalen fand er unaelbeilteS Lob, besonder« war e« Elemenceou, welcher seine Blicke auf der» General lenkte. Dieser Parteiführer war e« auch, welcher den Eintritt Boulanger'« in da» Ministerium Freycinet bewirkte, unter dieser Bedingung wollte er demselben bi» zu einem aewlssen Grave seine Unterstützung leihen. Frchcinet hat sich bekanntlich die Ausgabe gestellt, die Einigung aller Republikaner zu erreichen, und hat erst noch neulrch durch die Enaueruag an diese« Ziel «inen Tbeil der republikanischen Geua« toren, welche eigentlich mit der Au»weisung»maßreael nicht einverstanden waren, aus seine Seite gebracht. Nur di« Rücksicht aus die Einigkeit ver Republikaner aller Parteisarbungen hat da« Abstiinmung-ergebniß vom 22. Juni ermöglicht; hätten di« Senatoren lediglich ihre per sönliche Urberreuguiig zu Ratkie gezogen, dann wäre die Ab stimmung wahri'cheii.lia» >ves»ilich ander« ausgesalle«. Auch der KriegSmimstrr Boulanger ist eifrig bemüht, die Arme« im revublitaaischen Sinne zu resormire», m»d de» sehende Tavalleriebrigade in eine andere Garnison versetzte. Die Maßregel machte damal« viel böse« Blut, uud besonder« wurde dem General entgegenachalten. daß e» ein sehr be denkliche« Ding sei, die Politik in die Reihen der Armee zu tragen. Bi» dahin war r» stillschweigende« Uebereinkommen gewesen, daß die Politik von der Armee möglichst fern- uhalten sei. und au» diesem Grunde kostete e« auch vor drei fahren so große Mühe, die Mehrheit de« Senat« für die ver- etzung de» Herzog« von Chartre» in Inactivität zu gewinnen, stach dem ganzen Entwickelung-gange, welchen Frank reich seit hundert Jahren genommen hat, ist e» ganz natürlich, daß in der Armee alle Parteien vertreten ind, die republikanische sowohl, wie di« bonapartistisihe und die orleanistische, endlich auch die socialistische und die anarchistische. Da« beste Mittel, alle diese politischen Partei» unterschiede au»zugleichen. ist offenbar eine strenge rücksichl»- lose Disciplin, und General Boulanger giebt sich auch den lnschem, al« ob er sich diese« Mittel« alle,» bedienen wollte; nur müßte er dann auch sür seine Person sich von allen, Parteigetriebe vollständig fernhalten. Da« thut er aber durchaus nicht, im Gegenlhcil ist er bemüht, Lei jeder Gelegenheit nicht nur feine republikanische, sondern sogar eine radikale Gesinnung an den Tag zu legen. Wie könnte r sonst AuSsprücbe thun, wie den, daß die Soldaten nach einem Wunsche ihre Suppe mit den streikenden Arbeitern in Decazeville theilen sollten. Aus der einen Seite rücksichtslose ManncSzucht halten, aus der anderen den militairischen Zusammenhang auslvsende Reden führen, verträgt sich schlecht mit einander. Durch die AuSweisung-maßregel ist die Armee wieder nicht unbedeutend in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Niederlegung de« BorsitzeS im Verein zur Pflege verwundeter und kranker Soldaten, welchen der Herzog v. Nemours bisher geführt hatte, hat sogar eine Sympalhickund- gebung für den auSscheivenden Vorsitzenden zur Folge gehabt, der Verein hat den Herzog zum Ehrenpräsidenten ernannt. Da« ist eine sehr bcachlen-werthe Thatsache, welche beweist, daß die Ueberlieserungen der Vergangenheit noch sehr lebendig sind in der Armee. Solche Gefühle bedürfen der Schonung, wenn man den Geist der Auflehnung von dcr Armee sernhalten will. Die AuSweisung-maßregel ist von beiden Kammern genehmigt, also ist daran nickt« zu ändern, und auch die Armee wird sich den Folgen derselben fügen, aber gerade in so erregter Zeit, wie die gegenwärtige, erscheint es angezeigt, Vaß der Knegsminister m anderer B-ziekn ng doppelt schonend und vorsichtig verfährt. General Boulanger tkut adcc genau das Entgegengesetzte, er verletzt durch die Schroffheit seine« Auftretens nicht nur die Anbänger dcr Monarchie in ver Armee, sondern auch die ertiäne» Republikaner, wie den Gouverneur von Pari«, General Saussicr. Durch den Tadel, welchen er diesem verdienten und ungewöhnlich befähigten General zu Tbeil werken ließ, und die strafweise Versitzung seine« Stabschefs Bousscnarv wurde eine Lage geschaffen, weiche dem Kriegsminister nickt« weniger al- günstig ist. Er hat sich deshalb genölkigl gesehen, der öffentlichen Meinung ein Zugeständniß zu macken, welche« seiner Autorität in ver Armee nur schaden kann. Der Ministerralh hat da« EntlasiungSgesuch de» General« Saussicr einstimmig abgelebnt, und Boulanger ging soweit, den General Saussicr schriftlich zu ersuchen, daß er aus seinem Posten verbleiben möge. DaS wird aber kaum geschehen: denn General Saussier wird verlangen, daß man ihm seinen Stabs chef zurückgiebt, und das kann Boulanger nicht, ohne sein An sehen in der Armee vollständig zu untergraben. Die Fehler, welche General Boulanger begangen hat, fallen jetzt auf ihn selbst zurück, VaS Mißtrauen ist gegen ihn rege geworben, daß er persönliche Plane auf Kosten dcr Interessen der Gesammtheit verfolgt, und deshalb werden jetzt alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn zu Falle zu bringen. In der Kammcrsitzung vom l. Jul, m er mit ge nauer Noth dem Schicksal entgangen, ein Mißtrauenövolum zu erhallen. Nur elf Stimmen über die Hälfte der Dcpukirten kaben eS ihm ermöglicht, auch in Zukunft fremden Hafer für die Bedürfnisse der Armee anzukaufen, andernfalls würde ihm der Vorwurf nicht erspart worden sein, die französische Landwirth schast geschädigt zu haben. Schon daß solche Dinge über baupt m der Kammer zur Sprache gebracht werden, ist ein Beweis, daß die Feinde de- Krieg-minister» seinen Sturz berbeisühren wollen, und er wird großer Geschicklichkeit de dürfen, um ihm zu entgehen. Auch da« wird ibm sehr ver dacht, daß er den General Courcy wegen Veröffentlichung eine- Schreiben» in den öffentlichen Blättern getadelt bat, er entfremdet sich dadurch allmälig einen großen Tdeil der Generalität. General Schmitz. General Saussier, General Boussenard. General Courcy — die Reibe der Feinde verlängert sich immer mehr, bi« dcr Rücktritt Boulanger'« nicht mehr zu vermeiden ist. Im französischen Interesse liegt e« sicherlich, daß der zersetzenden Thätigkeit de« General« Boulanger ein baldiges Ziel gesetzt wirb, aber der General bat auch mächtige Freunde und m erster Linie Clemenceau. Für alle Fälle bleibt ihm die Freundschaft der Communisten und Socialisten, sie werden ihm den Ausspruch, den er in Bezug aus die streikenden Arbeiter iu Decazeville gethan, niemals vergesse». * * Leipzig, 3. Juli 1886. * Bei den Socialdemokrate» ist nicht Alle« i-, wie die äußere Einigkeit vermuthen ließe. In der Partei gährt e« und auch dort spielt der Kamps um« Dasein der Einzelnen eine wichtige Rolle. Man wirv sich erinnern, daß d>« Leiter deS zu ziemlicher Bedeutung innerhalb de« Gewerks gekom menen Organ- .Der Bauhandwerker", der NegierungSbau Meister Kegler und Maurer Wilke au« Berlin, auSgewiesen worben sind. Daß der momentane Verlust der Organisatoren »licht vortheilhast aus di« Verhältnisse de- Blatte« einwirkeu kann, ist augeuscheiulich, «« hat deshalb auch in deu letzten Wochen einige Male den nominellen Besitzer gewechselt. Nun sollte man aber meinen, daß die Parteigenossen den .Bau- bandwerker" die Krise überwinden Helsen, allein weit gefehlt. Die Hamburger .Genossen* benutzen di« Gelegenheit und gründen schleunigst einen .Neuen Bauhandwerkrr", welcher im Verlage von Dietz erscheint. Darob große« Geschrei iir. Berliner Lager. Wir brauchen aus die Episode nicht näher einzugehen. Die Handlung-weise der »Genossen* sollte nur niedriger gehängt werden, damit sich jeder rin Bild von der Brüderlichkeit im soeialdemokratischen Staate machen kann. Di« Einkünfte de« alten .Bauhandwerker' flösse» bisher i» dt« AgUatioo-casse de, Berliner Maurer. * Der auSgewiesene Reich«tag»abgeordnete Singer »eabsichtigt zunächst eine Rundreise durch Deutschland zu machen, um die Verhältnisse der soeialdemokratischen Parte» überall an Ort und Stelle eingehender kennen zu lernen, ll» ihm aus dem Polizeipräsidium die AuSwrisungSordre vorgelesen wurde, wurde Herr Singer befragt, ob er Zeit und Ort seiner Abreise Vor seinen Parteigenossen geheim halten werde, woraus er erwiderte, daß er selbstverständlich eine Veranlassung habe, sich gewissermaßen „wie ein Dieb in der Nacht" au« Berlin sortzuschleichen. Er könne also keine Garantie dafür übernebmen, daß nicht einige von seinen Bekannten ihm da« Geleit geben würden. Ebenso wenig war Herr Singer in dcr Lage, dem Polizeipräsidium an« >eben zu können, woliin er sich zunächst zu wenden gedenkt. Darüber wirv die Polizei sich aber aus andere Weise ge nügende Kenntniß zu verschaffen wißen.) * Die freiconservative »Post* richtet an die Adresse de« Herrn von Kleist-Retzow und von Hammerstein die folgende A»«lassung: Herr von Kleist-Retzow hat weder dem Herrenhause noch der evangelischen Kirche einen Dienst dadurch erwiesen, dah er die Verhandlung und Beschlußsassung über seinen m.t dem Ham- merstein'schea gleichlauienven Antrag »ach in letzter Stunde her- deisührie. Schon äußerlich war cs d„ser Rürpcrlchait kaum würdig, in Hast und vor irotz der geringen zur Vc>.liluüiäh,gkcit ersordc» lichea Zahl kaum beichlußsaliigeni Hause cuie ivlche Frage zu er örtern. Diese Bedenken mutzten sich versiäiken, al' nicht blos der Ti>ltuSmi»>ster sernblicb, sondern auch die andern Minister sich cnl- seroten. ES liegt auf der Hand, daß ein nuler solchen Umständen gesaßler Beschluß jeder praktischen Bedeutung entbehrt und nur dazu dienen kann, die Autoriiäi de« Herrenhauses zu compromiiliren. Letzicres ist um so bedenklicher, al« da- Herrenhaus ohnehin Mühe hat, sich die ihm al- glkichberechtigiem Factor der Gesetzgebung gebührende Geltung iu Wirklichkeit überall ,u verschaffen. Eine» schlimmeren Dienst »och al» dem Herrrnhause bat aber Herr v. Kleist-Retzow der evangelischen Kirche geleistet. Indem er die extremsteu bisher über die Organisation der evangelischen Kirche hervorgetreienen Auffassungen sich nicht nur anetgueie, sondern sie mit der beinahe unglaublichen Forderung der Erziehung der künftigen Theologen in Eonvicie» und Seminaren „ach dem Muster der römisch-katholischen noch überbok, rust er die romanisirende» Be strebungen, welche Herr v. Rauchhanpt abzuwiegela bestrebt war, wieder wach. Diese romanisircnden Bestrebuiiqeu charakicristrt Probst Frhr. von der Bol- »refseud mit solgende» Worten: „In den äußeren Ersolgca Roms liegt heute die Befahr, daß das Gelüste erwacht, das römische Kirche,iwesen im Interesse hierarchischer Lendenzcn nachzubilden, zumal heut- unsere Kirche "gen früher eine vom Staat orabhänglgere Stellung und Org»- ..ilisu gewonnen hat. Wir haben eben nicht den katholischen ituoienbegriff und wollen ihn nicht haben. Den lüsternen Blick aus löniisch' Machtmittel halte ich sür eine Versuchung, der ebenso be stimmt A d.rsiuu», gzeleistei werden niuß. wie »er gzerr in der Wüste die verlockenden Anerbieiungen de« Versucher« zurückgewiesen Hai." Sie bedrulen iu der Lhat den Abfall von dein evangelischen Geiste, der etwaige Sieg m i r nur die äußere Zertrümmerung, son dern die völlige innerliche Verkümmerung der evangelische» Kirche. Sic heiße» nichts anderes, als die in der evangelischen Freiheit beruhenden Wurzeln der Kraft deS Protestantismus veruichien, um einer kirchlichen Ordnung nachzujagen, welche im besten Falle cinc Caricaiur der Pavstkirche ist, indeß auch nicht eniserni die dieser auS ihier Organisation einspringenLe Stärke erlangen kan», weil ihr die dogmatische Grundlage sür diele äußere Bestallung fehlt. Dies ist die eine Leite der Sache. Die andere ab-r ist die, daß e« die Pferde geradezu hinter den Wagen spannen heißt, wenn mau von der Regierung legislative und materielle Füderung der evan gelischen Kirche verlangt und dazu rm Mittel wähll, das von dcr Regierung aiS ein Sloß gegen die von ihr >» der allgemeine» Politik eingeschlagene Richtung empfunden werden muß Daß dies in der Thai so ist, beweist das Verhalten der Mit glieder des Staalsmiiiistcriums, welche >n höchst bezeichnender Weise bas Herrenhaus verließen, als die Verathung begann. Es war von dem Grasen Schuleuburg mehr al« naiv, diesen Vorgang dahin aus- zuiasse», dag die Regierung den Antrag »ck reioreuünio nehme; es war im Gegentbeil beschlossen, i» dicjem Falle da» gänzlich ab- lehnende Verhalten der Regierung >» dcr deukvar deutlichsten Weise durch völlige Abwesenheit ei»cS Vertreters der Regierung bei der Beraihung zu documentireu. Selbst, wenn wir »ichi bestimmt mutzten, daß dies der Sinn des Fortgehens bez. Fortbleibens der Minister war, so wäre es aus analoge» Vor gängen, z. B. der Pvleiidebattc im Reichstage, mit Sicherheit zu schließen gewesen. Wie sollte e« auch anders bezüglich einer par- lainenlarische» Action sein, deren geistiger Vater Herr Brüel, deren Path« Herr von Hammcrstein »nd deren Haupiqünner Herr Windl- horst ist! Wir fürchte», daß unter dcr Verquickung mit römclndeu uud hierarchischen Tendenzen und politische» Momenten der bezeich- neteu Art auch die Aussichten aus Erfüllung berechligier Forde- rungen der evangelischen Kirche, wie sie namentlich aus ma teriellem Gebiete unleugbar bestehen, sehr stark geschmälert sind. Und zwar beruht diese Besürchiung nicht etwa aus bloßen Ver- muthlingen, sondern aus ganz bestimmter Ihatsächbcher Unterlage. Wenn Einleitungen, welche in dieser Hinsicht bereits getroffen waren und trotz der sich entgegenstellenben Schivieriakeiten Hoffnung aus Ersolg dolen, jetzt scheuern, so bat die evangelische Kirche und ihr» Geistlichkeit sich bei den Herren v Hammerstein uud v. Kleist-Retzow zu bedanken. Will letzlerc die Interessen der evangelischen Kirche durch den Staat wirklich gefördert sehen, so wird sie, uni mit Probst v. d. Boltz zu reden, die Lockuuge» dieser Verführer ernstlich zurück- weisen müsse» I * Die »Augsburger Abendzeitung* schreibt: »Die »Frei sinnige Zeitung* de» Herrn Eugen Richter in Berlin hak sich bekanntlich dem ullral»oiita»e:l Pro»unciai»e»to gegen daS Ministerin! Lutz angeschlvssen. Darüber war man nirgends erstaunt. Eugen Richter ist den Ultramontanen für gcleiftete Wahlhilse zum grötzlen Dank verpflichtet, will sich fernerer ultramontaner Unterstützung würdig erweise» und handelt nur consequent, wenn er. der gegen die ReichSverfassung stimmte, den Minister Lutz, welcher Bayern« Eintritl iu da» Reich vermittelte, zu beseitigen und einen Mann ,n« Amt zu dringe» sucht, ver Bayern« Eintritt in daS Reich bc- kämpste. Bemerkcnswerth ist eS aber, daß keiner der in unserer Abgeordnetenkammer sitzenden Parteigenossen de« Herrn Richter der von ihrem Meister ausgegebene» Parole zu folge» sür gut fand.' * Wenn die deutschfreifinnige Presse sich über die Annahme de« preußischen Herrrnhau-deschlusse» bei der westfälischen KreiSordnuna ereifert, so thut sie gut, die Präsenzliste ihrer Partei bei Vieser Abstimmung zu studireu. Von ihren 42 Mitglieder» fehlte» »ach dem jetzt vorliegenden stenograpdiscben Bericht l9. also säst die Hälfte, darunter nickt weniger al» 9 ohne Entschuldigung. Der fragliche Beschluß ist bekannllich nur mit 2 Stimmen Melir- beit gefaßt worden. Warum hat denn die beulschsreisinnige Partei nicht sür eine bessere Besetzung ihrer Bänke gesorgt, wenn ihr die Sach« so sehr am Herzen lag'/ « « » * Der ungarisch« Ministerpräsident Kolomaa Tisza ist in Wien angrlangt. Der ossicirlle Zweck seiner Reise ist. dem Kaiser, ehe dieser sür längere Zeit Wien verläßt, über eine Nrihe lausender Regierung-geschäste Bericht zu erstatten. Gleichzeitig dürste Herr v. LiSza mit den österreichischen Ministern Über den Zeitpunkt, in welchem die Erneuerung der Au-gleich-verhandlnngen stattfinden soll, Rücksprache pflegen. * lieber die Eindrücke, welche Großsllrst Wladimir und besten Gemahlin aus der Reise durch die Ostsee- Provinzen empsangen haben, äußern sich die Berichte de« publicistisch tbätigen Kammerberrn SlulschewSky fast über schwänglich. Unumwunden erklärt er die Loyalität der bal tischen Provinzen sür größer, al« e« vielleicht auf den ersten Blick scheint, und nennt die von dort stammenden russischen tapferen Generale, Staatsmänner und Gelehrten den Stolz deS russischen Volke«. Dcr Adel sei stet- seinem Eide treu. Weiter rühmt er die hohe Cullur derProvinzen, welche sie scharf von den benachbarten russisch-polnischen trennt. So lange die Bewohner Zusammenhalten, werden sie, seiner Meinung nach, in wirthschastlicher wie in socialer Beziehung stet« ihr angesirebleS Ziel erreichen. Von der Reise de« GroßsürstenpaareS hofft er großen Nutzen. Die erprobte Anhänglichkeit der Balten an da» Kaiserhaus müsse auch auf deren Beziehungen zu dem russischen Volke eine Rück wirkung ausüben, und vergeblich seien die Bemühungen, dort Mißverständnisse hervorzuruscn, wo nur Wohlwollen und Vertrauen herrschen und herrschen müßten. Weit weniger rosig sieht man die Lage in den deutsch-baltischen Kreisen selbst au. AlS Ergebniß de« Besuche« de« Groß fürsten, so argumentirt man dort, ist höchstens zu erwarten, daß die Russisicirung ihre» bisherigen religiösen, aller Toleranz zuwiderlauscnden EbaraklerS entkleidet wird. Der jüngste Be weis sür b,e ungeschwächte Fortdauer der Russisicirung der deutschen Schulen ist die soeben angeordnete Schließung der seit hundert Jahren bestehenden Kreisschule in Riga be hufs Umwandlung in eine russische Anstalt; wie wenig Be- dürsniß dafür vorhanden ist, kann man daran» erkennen, daß die Anstalt im letzten Halbjahre unter 325 Schülern nur sieben Rüsten zählte. In Kurland ist Kapustin bemüht, die au» Littauen stammenden Schüler von den deutschen Schulen sernzuhalten. Die Auswanderung selbst bemittelter Letter in« Innere, namentlich nach den den Ostsecprovinzen benachba ..n Gouvernement« von Smolensk. Witeb-k, Pleskau, ist in stetiger Zunahme begriffen. * AuS London wird der „Nationalzeitnng" vom 30. Juni geschrieben: „Die iveue auch vielleicht za weitgehende» Besorgnisse, dir nur» 1-, manchen diesige» Kreisen wegen der Verschlechterung der russisch.türkischen Beziehungen hegt uud welche« r« u« Bar>ckiul> leiste,, kam», wenn man täglich von militairischen und maritimen russischen Vorkehrungen liest, ha! begreiflicherweise durch die olficiellc Sprach«, die nun an der Newa geführt wird, neue Nahrung erhalten, daß Rußland keine Separataction beabsichtige, wird übrigens in dem Artikel de-„Journal de Si. PeierSbourg" rund deraus geiogi. Eine solche wird auch in ernsten polnischen Kreisen nicht besorgt, vielleicht weniger au« Vertrauen zn den Absichten Ruß lands als in der Ueberzeugung, daß Rußland allein nicht« unter nehmen könne. Vermöchte e« dock, nirgends einen Verbündeten za finden; und wenn französische Blätter t» dasselbe Horn stoßen, wie die russischen, so drückt sich darin nur aut, daß mau au der Seine vielleicht gern sehen möchte, wenn Rußland zu einer Action schritte, nicht aber, daß man die Lust Hab«, mitzu- thun. Gerade aber, weil man wahrnimmt, daß e» hanvisächlich die Unmöglichkeit einer Action ist, die Rußland von einer solchen ab hält. sieht man sich überall veranlaßt, ein wachsames Auge auf Ruß land und nicht aus Rußland allein zu haben, um nicht von etwaige» Constellationen überrascht zu werden, die Rußland doch die Mög- lichkcit sür ein aciiveS Vorgehen bieten könnte. Daß ein Staat, der gerne zu einer Actlon schreiten würde, durch die Machlverhältaifle hieran gehindert ist, bietet allerdings eine nicht zu unlerschötzeude Bürgschaft für den Frieden. Wir sehen diese am besten a» Frankreich. Allein es ist immer etwa« Unheimliches, mit einem Staate rechnen zu müsse», der den Aerger über die Unmög lichkeit einer Aetion nicht zu unterdrücken vermag. Nachdem mau in St. Petersburg ungeachtet aller uolhgedruugen uur sehr allgemein gehaltenen Phraftn über die Verletzung europäischer Be schlüsse seiienS Bulgariens auch nicht zu dem leisesten RechtStitel für eine Actio» zu gelangen vermochte, ist man nun türkischer alt der Türke selbst. Es ist aber begreiflich, daß die Haranguirung der Pforte au, Bosporus nicht versanaen kann. Man hat dort die Moskauer Ansprachen nicht vergessen. Und wenn man die Thronrede des Fürsten Alexander auch mit der Loupe prüft, so vermag man in derselben noch lange nickt» zu finden, da» halbwegs so verletzend sür die Rechte der Psorle wäre, wie die Anreden deS Moskauer Siadt- bauptes und Metropoliten on de» Zaren. In diesen ließ sich ja Kaiser Alexander unverblümt den Wunsch nach Eroberung KonstantlnopelS Vor trägen. Je m-hr man also an der Newa gegen den Fürsten Alexander eiscrt. desto fester muß naturgemäß der FreuneschaftSkitt werden, welcher den Sultan mit dem Fürsten Alexander verbindet. Man betrachtet zwar längst am DosvoruS Siidbulgarten al« einen verlorenen Posten, aber man weiß, daß an diesem eia Freund Wache hält, der im eigenen Interesse Ursache hat. die- zu thun und läßi sich daher zu nichts bewegen, daß die Sicklung diele« Freunde« zn Gunsten des unter dcr MoSle der Bersechluag türkischer Rechte austretcuden Gegner« crschütiern könnte." * Die am Montag durch eine Deputation dem Fürsten von Bulgarien überreichte Adresse der Sodranje hat folgenden Wortlaut: Die Vertreter des bulgarische» Volkes sind glücklich, heute, nach volllührten große» historischen Ere gnissen, dem Fürsten die wahren Gesinnungen, von welchen die ganze Naiion erfüllt ist. ausdrücken zu lönnen; denn nachdem Nord- und Süd-Bulgarien unter dasselbe Scepter gestellt sind, so vereinigt die erste National-Ber- iaininlung die Vertreter beider bulgarischer Länder. Wir iheilcn die Gesüiile der Erkenntlichkeit Eurer Hoheit gegen die Nation, die sich wie Ein Man» zur Mitwirkung an der Union und zur Bertheidigung des Vaterlandes erhob, sowie auch gegen die lapsern bulgarischen Soldaten, die mit beispielloser Bravour und Selbst verleugnung unter der wack ren Fükrung de« Fürsten den Feind deroutirten und siegreich in dessen Gebiel eindrangea. Der Elser, den da« bulgarische Volk bekundete, um sein Ideal zu erreichen und die Ehre, Freiheit und Integrität de« Gebiete« zu ver- theidigen, leine Entschlossenheit zu allen Opfern und die ruhm- würdigen Thaien unserer jungen Armee bilden eine glänzende Seite in unierer modernen Beschichte. Es ist da« ein Beweis, daß unsere Armee tm Stande ist, das Land zu veriheidigen. Mit ungeheurer Freud« sah die Nation ihren sehr geliebten Souderain als tapfecen Führer der Armee da- Land vertheidlgen, behüten und bereit, zu sterben für den Ruhm, die Ehre und Unabhängigkeit des geeinigten Vaterlandes. M i gleicher Freude vernahm die Nolionalverlretung die Worte Eurer Ho,' u. mit welchen constatiri wurde, daß die lange erwolielc und auiiir.,,,g «rsehulc Union beider Vulgaricn bereu- vollzogen ist. Sic ist von der »iesea Ueberzeugung durchdrungen, daß unter der geichickten und erleuchieten Leitung ihre« sehr ge liebte» Fürsten »nd der Regierung alle Mittel zur Anwendung kommen werde», damit Nord-und Süd-Bulgartrn lür immer eiu dauerhafter, unlheilbarer politischer Körper bleiben. Da- bulgarische Volk hat den Sympathien der civilisirten Welt stet« einen geoßen Werth beigeleat; et siebt mit Freude, daß e» diese Sympathien erlangte und letzt lür die Zukunft volle- Vertrauen iu die Humanität uud Großmut» der <7
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