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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.09.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188609045
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18860904
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18860904
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1886
- Monat1886-09
- Tag1886-09-04
- Monat1886-09
- Jahr1886
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.09.1886
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4SÜ4 nenming von Gudden'« Schwiegersohn, dem verdienten Professor der Psychiatrie GraShey zu Würzburg, zum Nachfolger veS Verunglückten bisher unterliegt. Die ultramontane Mehrheit der oberbayerischen Kreisvertretung glaubt nämlich jetzt den Zeitpunkt gekommen, um ihr Partei» ziel, die Einführung barmherziger Schwestern al» Personal in der Münchener Anstalt an Stelle deS bisherigen, gerade von Gudben zu hoher Vollendung erzogenen Pflege- personale-, zu verwirklichen und will keinen Direktor ernennen, der nicht in diesem Punkte nachaiebt. Professor GraShey ist, wie alle namhaften bayerischen Irrenärzte, ein Gegner dieser Veränderung und wird deshalb von der matzgebenden Be hörde abgelehnt. Die Regierung dagegen wünscht seine Be rufung, aber e» hat vorläufig den Anschein, als müsse sie zu dem Auswege greisen, getrennt von der KreiSirrenanstalt eine psychiatrische Klinik zu errichten und diese dem Professor GraShey zu übertragen, wenn sie ihn überhaupt nach München bringen will. Eine schleunige endgiltige Regelung der An gelegenheit ist um so mehr zu wünschen, al- gerade jetzt der bisherige Oberarzt und Stellvertreter deS Direktor- wegen Krankheit pensionirt ist und seine Stelle durch einen noch nicht dreißigjährigen Assistenzarzt verwest wird, der also vor läufig die feste Spitze eine- so wichtigen Institut» mit mehr als fünfhundert Kranken darstellt." « * » * Betreffs de» Programm- der Reise de- Kaiser» Franz Joses zu den großen CorpS-MauöVern in Galizien, welche i» der ersten Hälfte deS September zwischen Lemberg, Grodek, PrzeinySl. Sambor und Komarno stattfinden werde», verlauten nachstehende DclailS: Se. Majestät der Kaiser wird sich auS Ungarn mit der Ersten ungarisch-galizischen Eisenbahn nach Galizien begeben und am 6. September um 4 Uhr 20 Minuten früh in PrzeinySl eintreffen. Nach einem Aufenthalte von zehn Minuten dortselbst wird der Kaiser die Reise niit der Carl Ludwigbahn in der Richtung gegen Grodek fortsetzcn. wo er. nach einpm Aufenthalte von einer Minute in Sadowa WiSznia, um 6 Uhr früh eintrifst. Von Grodek erfolgt die Weiterreise zu Wagen nach Lubien, wo der Kaiser während der Manöver seinen Aufenthalt nehmen wird. Die Rückreise Sr. Majestät wird am 15. September früh von Lubien auS zu Wagen nach Grodek angetreten. Ben dieser Station wird der Kaiser mittelst Separatzuges der Carl Ludwigbahn um 6 Uhr 30 Minuten früh abreisen und, ohne sich unterwegs aufzuhalten, in PrzeinySl um 8 Uhr früh anlanqen. Nach einem 8'/,stündigen Aufenthalte in PrzemySl zur Besichtigung der umliegenden Fortificationen wird die Weiterreise gegen Wien mit der Carl Ludwigbahn um halb 3 Uhr NachimttagS fortgesetzt. Von PrzemySl ab hält der Hoszug nur in einigen größeren Stationen an, und zwar in IaroSlau. Lancut, RzeSzvw, Debica, Tarnow. Bochnia. Die Ankunft in Krakau erfolgt um 8 Uhr Abend». Dem Grafen Alfred Potocki wird die Auszeichnung zu Theil werden, daß Se. Majestät ihm in Lancut einen kurzen Besuch abstatten wird. * In den Kreisen der österreichischen Sanitäts behörden giebt man sich der Meinung hin, daß. je näher der Herbst und mit ihm die Wahrscheinlichkeit de- Eintreten- kühlerer Witterung rückt, je weniger eine weitere Ausbreitung der Cholera zu befürchten stehe, und daß die Seuche aus den südlichsten Theil der Monarchie beschränkt bleiben werde, um auch dort nunmehr allmälig ganz zu erlöschen. * Zur politischen Lage in Griechenland berichtet die »Politische Correspondenz" aus Athen, 22. August: Der Ernennung des bisherige» griechischen Gesandten in Pari-, Herrn NicolauS Maurokordato, zum Gesandten in Et. Peter», barg kommt eine viel weiterreichrnde Bedeutung zu als einer gewöhnlichen Verschiebung im diplomatischen CorpS. Um dies zu würdigen, muß man sich vor Augen Hallen, daß Griechenland seit vielen Jahren keinen Vertreter am russische» Hose hatte, sowie die Vorgänge in Erwägung «ehe», welche der Wiederbesetzung deS Et. Petersburger Gesandlschastsposten» vorau-gingen. Die Be- ziehuugcu zwischen Griechenland und Rußland waren seit langer Feit äußerst kühle, um nicht zu sagen, gespannte. Seit der Gründung des Königreiches Griechenland bis gegen da- Jahr 1870 hatte das griechische Volk Rußland ab» seinen natürlichen Protektor an- Pesrheu und die rusienfreundliche Partei war bis dahin die stärkste »m Laude. Mit dem Augenblicke jedoch, wo Rußland begann, sich den Ansprüchen und Interessen Griechenland» ratgegenzustellen und sich mit besonderer Wärme sür die Bulgaren einzusetzen, trat in den Gesinnungen des griechischen Volke» ein Umschwung ein, so daß dasselbe in Rußland nachgerade seine» gefährlichsten Wider, sacher erblickte. Ueberall stießen die Griechen bei der Wahrung ihrer Interessen aus der Balkan-Halbinscl aus den Widerstand Ruß lands, und noch heute suchen russische Agenten in Makedonien das griechische Element zurückzudrängen und seine Aspirationen zu unterdrücken. Erst in der letzten Zeit machten sich aus Seiten Rußlands wieder Symptome einer gewissen Theilnahme an den Geschicken Griechenlands wahrnehmbar. Als ein Anzeichen dieser Natur wurde von den Griechen die reservirte Haltung Rußlands anläßlich der Blockade der griechischen Küsten gewürdigt, obgleich der Werth diese» SympathiebeweiseS durch die Thatsache fast voll» ständig aufgehoben wurde, daß die Anregung zu der Erklärung der europäischen Labinete, Griechenland habe auch im Falle eine» sieg reichen Feldzüge- gegen die Türkei keinerlei GebietSvergrößeruuc zu erwarten, von Rußland ausgegangen war. Anläßlich de» Aus rnthalteS der Königin und de- Kronprinzen von Griechenland am Et. Petersburger Hose traten in den Kundgebungen der russischen Presse neue Anzeichen sympatischerer Gesinnungen sür Griechenland zu Tage. Die russischen Blätter kündigten geradezu an, daß Ruß land in Hinkmist den Interessen Griechenland- aus der Balkanhalb iosel warme Antheilnadme zuwenden werde. Diese kuodgebungcu haben, ohne daß ihr Werth überschätzt worden wäre, in der griechi- schen Presse ein lcbhalteS Echo hervorgeruse», und die seitens der russischen Blätter ervffnete Perspective wurde mit Befriedigung b«. grüßt. Es muß nun Jedermann elnleuchten, daß Angesichts dieser Umstände die Wiederbesetzung de» seit Jahren vacanten griechischen GesandtschastSpostenS in St. Petersburg durch Herrn Maurokordato, der, nebenher bemerkt, zu de» begabtesten Diplomaten Griechenland» zählt, eine erhöhte Bedeutung gewinnt und daß dieselbe seiten- der griechischen Presse als ein inarkaater Beweis der Geneigtheit der griechischen Regierung, zu Rußland in freundschaftlichere Beziehungen zu treten, ausgesaßt wird. * Die französischen Vertreter bei den Heidel berger Jubiläums-Feierlichkeiten sprechen sich fort- gesetzt sehr srcundlich über die Eindrücke, welche sie in Heidel berg gewonnen, aus. So heißt eS, wie wir der „Post" entiiebmrn, in einem Artikel de« „Moniteur Universel" über dar Verhältniß Deutschlands zu Frankreich: „Der Kronprinz ist Soldat: er hat es unter Umständen bewiesen, an die zu erinnern überflüssig wäre. Wenn man Thronerbe und Heerführer ist, so kann man wahrhaftig nicht zu Hause bleiben und sich die Füße wärmen, wen» das Volk in» Feld zieht. Er hat seine Pflicht erfüllt, doch da» hindert ihn nicht, milde und friedliebende Gesinnungen zu hegen Im Ganzen haben die Heidelberger Festlichkeiten gezeigt, daß in Deutschland eine Friedensftrümung vor- herrscht; wenn Frankreich davon überzeugt werden könnte, so werden die Beziehungen zwischen den beiden Nationen minder gespannt sein und Alles würde dabei gewinne»." Der Direktor deS Institut de France. Herr Zeller, er- zählte einem Mitarbeiter de« .Voltaire": „Der den fremden Delegirtea und namentlich u«S bereitete Empfang war höchst würdig und herzlich. Aus de». Bahnhole harrten unser die Professoren von Heidelberg und die meisten von uns wurden sogar bei diesen Herren untergebrach«. Den Fronzosrn gegenüber fühlte man den vorgefaßten Beschluß, liebenswürdig, zuvorkommend zu sein. Da» war von voraeherein seftqestellt, eS gab hierbei gewissermaßen ein Losungswort, da» ohne Assectirthrit befolgt wurde. Unsere Gastgeber waren t» der Thai, was sie sei» mußten, ich will dies nanicntlich auerkeauen". Dann theilte Herr Zeller folgende zwei Vorgänge mit „Ein deutscher Professor, der mir vorgestellt wurde, reichte mir die Hand mit dem sonderbaren Gruße: „Sie wisse», daß Ei« aie Straßburg zurückaekmen werden." Natürlich zog ich die Hand inrück, welche ich schon vorgeftreckt hotte, indem ich dem Sprecher de» Rücken zeigte, woraus ihn seme College» eiligst weqftlhrteu und sich entschuldigten. Ich ersuhr sodann, daß d,e Toaste den ernsten Professor eia wenig verwirrt hotten, wa« ich ihm auch nicht eine» Augenblick oorzuwerse» denke. Nun kommt meine zweite Anekdote AIS ich bei dem großen Empfang aus dem Schlosse dem Grohherzog der Großerzoqin und dem Kronprinzen von Deutschland vorgestellt wurde, machte mir der Letztere sehr lebhafte Lomplüueute, welche er mit den Worten becndrte: ,,'keoo raus »utre», wemwur, len rrnnyni», on »'» jnwnli l« Servier (mot?)." Ich wiederhole Ihnen die Phrase so, wie sie mir gesagt wurde. . . Ich constatire mit großer Befriedigung, daß der de» Vertretern Frankreichs bereitete Empsang voll der größten Höflichkeit war. Ueberall nahmen wir den ersten Platz ein, der unt gern von unseren fremden Lollegea abgetreten und mit viel Liebenswürdigkeit von den Deutschen ge- geben wurde." * Die italienischen Jrredentisten haben seit längerer Zeit wieder einmal ein Lebenszeichen von sich gegeben, (ln Udine wurde am vorigen Sonntag ein Garibaldi- Denkmal errichtet. Bei der Feier hielt Cairvli die Festrede, in welcher er mit unverkennbarer Absicht die große Treue sriaulS für Italien und die Opfer der Provinz für die italienische Einheit hervorbvb Am Schlüsse belonle Cairoli die Verdienste Garibaldi'S im Jahre l870. Er hätte damals ein Werk der Befreiung und der Verbrüderung der Völker besiegelt. Außerhalb der Jrredentistenkreise findet diese hier von Cairoli ausgesrischte Theorie nur ganz vereinzelte Anhänger. * Der Verlaus der Adreßdebatte im englischen Unter- Hause hat sich bi» jetzt nicht zu Ungunsten der Stellung e« Ministeriums Salisbury angelasfcn. Im Mittel punkte derselben figurirt unabänderlich das irische Problem, welches den alleinigen Maßstab sür die Beurtheilung deS Verhältnisse» der einzelnen Palleten zum Gedanken der ReichS- einbeit darbietrt. Aus dem Boden diese- PrincipS reichen ich Conservative und liberale Dissenter« ebenso versiändniß- voll die Hände al- Gladstoneaner und Parnelliten mit der projcctirten Abzweigung eine» national-irischen Nebenparla- menlS in Dublin liebäugeln. Jndeß wenn eS schon bei den parlamentarischen Neuwahlen offenbar wurde, daß Gladstone und Parnell die Kraft deS englischen VolkSgcsühlS unter- ckähten, indem sie meinten, die Wähler würden den Home- mle-Tendenzen de» damaligen Premiers unbesehen beipflichten, haben die bisherige» ParlamenlSVcbatten diesen Eindruck nur noch verstärken Helsen. Zur Einführung ernstlicher, durchgreifender Reformen in Irland erklären sich auch die Comervaliven bereit, nur möchten sie kür den FriebenSschluß mit den Parnelliten nicht den exorbitanten Preis bewilligen, zu dessen Erlegung Gladstone schreite» zu wollen erklärt halte. Zn dieser ihrer Abneigung wissen sie sich ein- mit der ungeheuren llehrzahl aller Engländer und ebenso tragen auch die liberalen Dissenter» nur dem herrschenden Zuge der Zeit Rechnung, wenn sie gegen Homerule Schulter an Schulter mit ihren önstigen politischen Gegnern kämpfen. Da» persönliche Ein greifen der Oppositionsführer Gladstone und Parnell hat an dem sür ihre Sache mißlichen Stande der Conjunctur nicht» u ändern vermocht. Namentlich fehlte den Gladstone'schen lledekundgebungen jene überwältigende Beweiskraft, welche in früheren Tagen die unbestrittene Ueberlegenheit de» ZaupleS der liberalen Partei in England auSmachte. Als sichrer der oppositionellen Minorität bat Gladstone die-mal nur einen Achtungserfolg errungen, und seine Abreise nach Bayern verräth verdächliqe Aebnlichkeit mit einer Flucht vor der Logik unanfechtbarer Thatsache». Da» einstweilige Ber- chwinden Gladstone'» vom parlamentarischen Kampsplatz ist auch noch unter einem anderen Gesichtspunkte interessant. ES zeigt, daß der Wiederzusammenschluß der liberalen Parteien noch in weitem Felde steht. Hartington'S und Chamberlain'S Sterne können an Glanz nur gewinnen, wenn die Sonne Gladstone'« am liberalen Horizonte fehlt und die Politik beider Führer findet in bedingtem Zusammengehen mit den Tories um patriotscher Amecke willen immer noch ersprießlicheren Anlaß zur Bethäligung heilsamer Ideen, al- im unbedingten Nachgcben gegenüber dem doktrinären Ab wegen de» einst so gefeierten Gladstone. * Au« Charleston eingegangene Depeschen melden, daß diese Stadt buchstäblich zum Trümmerhausen ge worden sei. Drei Stadtviertel müßten von Grund auS wieder ausgebaut werden, die Bevölkerung verbleibe noch unter freiem Fimmel. Die meisten bei dem Erdbeben Umgekommenen «ieu Neger; die Leichname lägen noch unbeerdigt auf der Straße. Eine telegraphische Verbindung sei nur theilweise wiedekherqestellt worden. ES sei bis jetzt uiiinöglich. den er littenen Schade» der Stadt zu schätzen. Von ähnlichem Schaden melden auch Berichte auS Nord- und Süd-Karolina, auS Nord- und Süd-Georgia. — Charleston hat nach dem letzten CensuS eine Bevölkerung von 49,984 Seelen gehabt, darunter 22,699 Weiße und 27,276 Neger. Die Stadt ist in ihrer Entwickelung durch die Ereignisse deS Bürgerkriege» ehr zurückgehalten worden, erst neuerdings, seitdem ein er- rägliches Verhältniß zwischen dem Süden und den Nord taalen sich herausgebildet, hat sie sich erholt. Bon seinem Handel giebt uns eine amtliche Statistik Kunde, die zwar chon zehn Jahre alt ist, aber um so mehr daraus schließen läßt» wie sehr schwer der Schlag ist, der den ganzen Staat Süd-Karolina getrosten. Danach wurden exportirt: in einem Jahre 385,185 Ballen Baumwolle. 37,672 Faß Rei«, 20,716,283 Fuß Holz, 215,413 Fässer Schiff-Proviant u. s. w. Diesen Ziffern entsprechend war auch der Wohl kand der Stadt ru> bedeutender. Sieben Banken hatten eu> Grundkapital von zusammen 13.000,000 Der Werth de» Grundeigenthuw« wurde im Jahre 1875 aus nahezu 100 Millionen Mark geschätzt. Charleston hatte zwei gulsundirle höhere Lehranstalten — Universitäten —, viele öffentliche Schulen, erne sehr bedeutende Volksbibliothek. 34 prolesta» tische, 5 katholische Kirchen, 2 Synagogen sorgten für die Be riediguna religiöser Bedürfnisse. — Politisch ist Cbarleston radurch hervorgetrrlen, daß hier der große südliche Convent kattfand, der i« Jahre 1860 die Secession der Secessionisten proclamirte. AuS diesem Grunde erklärt eS fick auch, daß irrade Charleston während de« Kriege» und in den ersten Zähren nach der Beendigung so viel zu leiden hatte. — Charleston liegt 1',, deutsche Meilen von der Küste deS Atlantischen OceanS aus einer Landzunge zwischen den Covper und Ashley-Flüssen. Der Hasen ist einer der sichersten und am leichtesten zugänglichen an der ganzen Ostküste Amerika». Diese glücklich« Lage verbürgt auch den Wiederaufbau der Stadt. Es gilt aiü unzweiselhast, daß das nördliche Capital sich der schwer geprüften Stabt gern zur Verfügung stellen wird, um so mehr, als auch die Umgegend eine scbr srncht bare ist. vermischtes. — In der „Deutschen Fechtschulzeitung" (Lahr, I. H. Geiger) finden wir, gezeichnet Hermann, Verbandsechl- meister II), die folgende Schilderung de» ReichSwaisen- hauses in Labr: Nachdem die ReichSobersechtschul« zu Magdeburg dem Verbände Landau «ine Stelle zur Besetzung im I. Reichswaisenbau- zu Lohr zugewiesen, fiel die Wohl de« Berbondsousschusse- aus die Doppel- tvaise Seorg Enge 1. 9'/, Jahre alt, katholischer Consession, heimalh- berechtigt zu Godramstein, und wurde dem Schreiber diese- der ehrenvolle Auftrag zu Theil, den Waisenknaben nach Lahr zu ver bringen. Da« arm« Kind, dessen Vater im vorigen Jahre und die Mutter nach langer Krankheit, 6 Wochen vor unserm Entschlüsse, gestorben waren, war in einer bedauern-werthen Verfassung, so daß die Ge meinde zur Beschaffung von Kleidern 12 bewilligte; jedoch unsere treuen Freunde rüsteten dar Kind von Kops bis zu Fuß reichlich auS und konnten wir die 12 ^ll und noch einige kleine Sammel ergebnisse sür den kleinen in der Sparkasse anlegeu. Wohlverproviantirt traten wir am 19. Juni srüb 8 Uhr dir Reise nach Labr an; in Winden steckte unser treuer Fechtmeister, vadnreftaurateur Silberuagel, dem kleinen noch ein große« Stück Wurst und Brod bei. Aber das Reisen macht Hunger; da« bewies sich auch schlagend bei meinem Schützling, denn bis wir noch Karlsruhe kamen, hotte er alles verzehrt, so daß e» mir angst wurde, der klein« möchte naterweg- erkranken. Meine Befürchtungen waren aber grundlos, wohlbehalten trafen wir in Lahr ein Am Bahnhöfe stand der Waisenhausvater zu unserm Empfange bereit. Wohlgemutd begaben wir uns direkten Wege« nach dem Waisenhaus. Ist der Anblick drt Waisenhauses und seiner Um- gebung während der Fahrt von Dinglingen nach Lohr rin er- bebender. so steigert sich derselbe beim Näherkommen bi« zur Be wunderung. Ans sanft ansteigendem Fußweg erreichten wir in kurzer Zeit da« Waisenhaus und hier übergab ich meinen kleinen Schützling der ihn liebevoll empfangenden Waisenmutter. Zugleich umringlen ihn die schon dort outergebrachten Kinder an« unserer Psolz. Jetzt ging e« an die Besichtigung de«Hause«; ich wollte mir die >auze Einrichtung allein besehen, um mein Unheil objektiv fällen zu könne», deshalb hatte ich schon vorher in der Stadt da- lieben«, würdige Biierbieteu de« Herrn Schuekenburger, mich einigen Herren des BerwalluugsratheS vorzustelleu. welche mich dann iuS Waisen- Haus begleiten würde«, dankend abgelehnt. Die Lage de« Waisenhauses am Südabhange de« Altvaterberge«, geschützt gegen rauh« winde, ist vorzüglich, die Aussicht, einerseits gegen die Rheinebeae und die Stadt Lahr, auderseil« da- Schulter- thal hinaus bi« zur Ruine Hohe»gerold-eck. eine herrliche. Der Garten ist gut angepslanzi. Wege und Beete von Unkraut gereinigt, besonder« erfreuten mich di« herrlichen Obstbäume, Rcbenanlagep, owie der schöne Blumenflor. Im Hause selbst überrascht de» Fremden die minutiöse Reinlich- keit und Ordnung, sowie da« bescheidene und fteundliche Benehmen iowolil des Personal« al- der Kinder unter sich, wie gegen Besuchende. Die Eintichlunq und Ausnatlung deS Hause« ist praktisch und doch gefällig, die Säle hoch, lustig uud mit Benlilation versehen, Schlaf- und ArbeitSsälc liegen nach der Südseite. Die Eintheilung mit 20 Belten in einem Schlasjaal, w>e sie zur Zeit besteht, läßt reichlichen Beweglinq-rauin sür da« einzelne Kind. Die Betten <sür jede« Kind ein-), bestehend au- eiserner Bettstelle, Mairatze, Kopitissen, 2 Lein- lüchern und wollener Decke, sind ganz gleichmäßig ausgemacht, vor jedem Bette steht die Kiste mit Deckel uud am Bette hängt die Kleiderbürste de- betreffende» Knabe»; ich wars einen Blick in mehrere dieser Kisten und fand auch hier die peinlichste Accuratesse im Zu- sammenlegen der Kleider und Wäsche: in den Kisten ist vollständig gleichmäßige Eintheilung, so daß eS selbst bei Nacht den Kindern möglich wäre, einen Gegenstand in der Kiste zu ergreift». Die Wajchsäle mit ihren Waschschüsseln von blauer Emaille machlen aus mich «inen sehr guten Eindruck. Ich fand dieselben vollständig trocken, die Handtücher und Waschschüsseln nach ihren Nummern geordnet, Alles tadellos sauber, ebenso war in der Küche peinlichste Ordnung »nd Reinlichkeit; der auSgehängle Wochenspeise- »cttel zeigte fünfmal Fleisch und zweimal Mehlspeise; die Zusammen setzung desselben beweist ein genaue- Studium über praktische Er- nähcung deS Menschen, die Portionen sind reichlich bemessen, so daß jedes Kind vollständig gesättigt sein kann. Im Saale für Hand arbeiten fand ich Gelegenheit, die Anstelligkeit der Kinder zu de- wundern. Die gefertigten Bürsten re. ,c„ Maaren, welche von den Knaben spielend gen,acht werden, waren sehr schön gearbeitet und zeigte sich der Eifer de« einzelnen, mit seinen Leistungen der erste zu sein. Im Schulsaale traf ich gerade zum Schluß noch die Kinder bei Anfertigung ihrer Schulausgaben vor; hier fand ich auch unfern kleinen Engel schon im kreise seiner neuen Kameraden. Sie empfingen ihr Lesperbrot und eilten in die Halle und aus den Spiel, platz im Hose. Da« ganze Gebände ist mit Wasserleitung versehen und es de- finden sich in jedem Saale Feuerkrahnen mit angeschraubkei» Schlauch, so daß einem elwa ausbrechenden Brande sofort wirksam begegnet werden kann; auch ist zur Zeit noch eine zweite Wasser, leitung im Bau. Die Kinder besuchen je noch den betreffenden Elasten ihres Alters die Stadtschule zu Lahr; dieselben haben im vergangenen Jahr sämmtlich sür Betragen, Fleiß re. re. die Note „gut" erhalte», fünf haben sich in ihren Elasten die ersten Plätze errungen, gewiß ein schönes Resullat, wenn man bedenkt, daß bei Beginn deS Schuljahre« erst wenige anwesend waren, alle andern aber nach und nach während de- ganzen Jahre« eintrateo. Nachdem ich noch einen Theil de« herrlichen Parke-, da- Gewächs, hau« und die im Bau begriffene Jsolirkraakenhalle besichtigt hatte, kehrte ich in die Stadt zurück. Hier hatte ich das Glück, den treuen Freund unserer Sache, Herrn Gymnasiallehrer Schmitt zu treffen, der mich in echter deutscher Weise für de» Rest de- Lage- und noch einen Theil deS nächsten unter seine Fittiche nahm. Allen Herren, welche mich so liebenswürdig in ihrem kreise auf. nahmen und mir einen schönen Abend bereiteten, spreche ich an dieser Stelle meinen besten Dank an-. Am nächsten Tage (Eomttag) zog e- mich mit Gewalt nochmal» aach dem Waisenhausr hin. Ich wollte auch den Gang der Kinder nach der Kirche sehen; am Fuße de« Altvaterberge« stellte ich mich aus und besah mir lange den prachtvollen Bau in seiner herrlichen Umgebung. Während ich so in Betrachtungen versunken dastoad, fingen die Glocken in Lahr zu läuten au, die Bewohner der Um- gebung auS dem Schutterthale gingen vorbei zur Kirche. Die Waisenkinder kamen in ihrer wirklich kleidsamen Tracht, geführt von dem AussichiSpersoaale, herunter, um in ihren betreffenden Kirchen dem Gottesdienste beizuwohnen. Einzelne Landleute blieben stehen und betrachteten sich die srohe kinderschaar und eine ältere Bauers srau sagte zu ihre» Begleitern: „ES ist eia schäneS Werk, war die da auSgesührt haben und eS muß doch auch ein gutes Werk sein/ „BolkSstimme ist Gotte-stimme", dachte ich und ging freudig bewegt Io die Stadt. Mehrere eifrige Mitglieder katholischer Eoufession unsere« Ver bände-, welche durch die vielen Angriffe gerade in religiöser Be ziehuug Bedenken gegen da- Verbringen eine» katholischen Waisen rinde« in- Reich-Waisenhaus geltend machten, veranlaßten uusera Ausschuß, mir den Auftrag zu geben, an kompetenter Stelle in Lahr «in Ausschluß zu bitten, ob die Verwaltung seit dem Bestehen deS ReichSwaiseuhause» irgend welche Veranlassung zu Klagen in Bezug aus religiöse Erziehung gegeben habe, weSkalb ich mich nach dem Gottesdienste in« PsarrhanS begab und meine Bitte und die Be denken der einzelnen Mitglieder dem Herrn katholischen Stadt psarrer Vortrag. Der Herr Deka» gab mir in freundlicher Weise ungefähr mit solgenden Worten de» gewünschten Ausschluß: „Im Princip halten wir daran fest, daß katholische Waisenkinder besser in katholischen Waisenhäusern erzogen werden uud protestantische Kinder in protestantischen Waisenhäusern; jedoch könne er der Verwaltung deS Lahrer Reichswaisenhauses das Lob erthcilen daß sie gerecht vorgehe; sie habe vom männlichen und weiblichen Personal de- Waisenhauses Angehörige katholischer Lonfession engagirt, die Kinder und da« Personal würden zum regelmäßigen Besuch des Gottesdienste- angehalten und, nach dem er schon da- ganze Jahr die Kinder im Religionsunterricht, im Gottesdienste und aus der Straße scharf beobachte, so könne er ihnen da- Zeugniß auSstellen, daß sie sittsam, anständig, fleißig und aufmerksam seien und den Kindern vieler Familien als Muster dienen könnten, und wenn man bedenke, wie die armen Waisenkinder oft aus dem Lande on den Weaigstnehmeudea vergeben werden, die Familien, welche diese armen Kinder sür ein Weniges in Ber vsftgung nebmen. nicht immer die besten sind, sondern in den meisten Fällen die Arbeitskraft deS Kinder auSgeuützt wird, während sür Erziehung wenig geschieht, in diesem Sinne könne ich den Bedenken tragenden Herrn die Ucberzeugung au-sprechen, daß wir eia gute- Werk gethan hätten, dar an» der liebe Gott lohnen möge." Nachdem ich dem Herrn Dekan die Bitte vorgetrageu, unser» Schützling überwachen zu wollen, daß er on Seele und Leib z» einem nützlichen Gliede der menschlichen Gesellschaft heranwachse, welches mir derselbe in bereitwilligster Weise zusagte, schied ich mit dem Bewußtsein au- dem freundlichen Psarrhaule, daß unser Waisen knabe gut aufgehoben ist und daß wir unserer Pflicht, die Erziehung de« in der Welt allein and verlaßen stehenden Kinde« in gute Hände gelegt zu haben, soweit e- t» unfern Kräften steht, Genüge gethan haben. Allen Gegnern unserer Fechtschule und Waisenhaussache ruse ich hier zu: „Uriheilt nicht, ohne Euch erst überzeugt zu haben, gehet hin, sehet Euch die Reichswaisenhäuser, ihre Einrichtung und 8er- waltuag an. und alle, die Ihr unserer Sache noch feindlich gegenüber steht, werdet zur Ueberzeugung kommen, daß e» ein gute- Werk ist, sür da- wir Zeit, Mühe und Geld freudig opfern!" --- Nach einer dem .Liegnitzer Stadtblatte" zugegangenrn Mittheilung hat Brauermeister Rinker in UllerSdors bei Fl inSberg auf Anweisung de» Badearztes vr. Adam in FlinSberg ein wohlschmeckendes extraclreichcS »Mineral bier" gebraut, da» die specisischen Bcstandtbeile deS FlinS- berger Mineralbrunnens enthält. Herr Professor Neclain in Leipzig hat sich sehr günstig über die Ausnahme de» MineralbiercS in die Reihe der Curmittel au-gesprochen. DaS „Liegnitzer Stadtblatt" prophezeit nach dieser Erfindung den Heilquellen einen neuen Ausschwung, da die Möglichkeit, Mineralbier zum Frühschoppen al» Heilmittel zu genießen, den Bädern Gäste zusühren werde, die sonst dem Wasser und den Bädern serngebtieben wären. — Köln. 29. August. Mit aller Energie wird jetzt endlich daran gearbeitet, de» Wunderdom, den Schmuck und zugleich das Wahrzeichen Kölns, au» seiner unwürdigen Umgebung, mehr Hütten als Häuser. hernuSzuschälen und sür den Blick sreizulegen. AuS freiwilligen Beiträgen ist bereits ein beträchtlicher Fonds zusammcngewachsen, auS welchem die Einlösung eine« TheilS jener Baracken zu be treiben ist, und allerneuesten» hat auch nicht blo» die Stadt betreff» der noch die Südseite de» Dom» verunstaltenden Häuser im Domhos da» ExpropriationSvrrsohren und zwar mit der Maßgabe «ingeleitet, daß, noch bevor die gerichtlich« Entscheidung ergangen, mit dem Abbruch der betreffenden Baulichkeiten begonnen werden soll, sondern e» hat auch die Regierung ihrerseits bereit» ein Terrain erworben, aus welchem am Margarelheiikloster) statt der ebenfalls der Freilegung de» Dome- zum Opfer fallenden Domcurien einschließlich der Dompropstei (zwischen Fettenhennen, ber Trankgaffe und dem Domkloster) drei neue Curie» erbaut werden. — Wien, Ans. September. Am 19. September werden eS sünsundzwanzig Jahre, daß sich Erzherzog Karl Salvator, der jüngere Bruder deS Großherzogs von To»« cana, mit de» verstorbenen König» von Sicilien Tochter, der irzherzogin Maria Immaculata, vermählte. Die silberne -ochzeit de» erzherzoglichen Paare», welche Anlaß zu mannig- ackeu festlichen Kundgebungen geboten hätte, wird in aller Stille gefeiert werden, da die Familie de» ErrherzogS Karl Salvator in der letzten Zeit durch harte Schicksalsschläge be troffen wurde. Da- jüngste Töchterchen de« erzherzoglichen 'saare-, die zweijährige Erzherzogin Henriette, ist kürzlich einem schleichenden Leiden erlegen, und die im achten Leben»« jahre stehende Erzherzogin Maria Immaculata ist gleichfalls nicht unbedenklich erkrankt. Mit Rücksicht daraus wird, wie erwähnt, die Feier nur im engen Familienkreise in der Billa in Traunkirchen, wo sich da» erzherzogliche Paar den Sommer über aufhält, begangen werden. Der Ehe de» Erzherzog- Karl Salvator entstammen neun Kinvrr, von denen die älteste Tochter, Erzherzogin Maria Theresia, sich im Borjahre mit Erzherzog Stephan vermählte. - Wien, 30. August. Der so häufig angeregte Gedanke, da» Tricyrle oder daSBelociped in den Dienst der Post anstalten zu stellen, scheint in Oesterreich seiner Ver wirklichung entgegenzugehen. Da» österreichische Handels ministerium hat nämlich mit Erlaß vom 17. d. die Post- und Tetegraphen-Direction beaustragt, sich darüber zu äußern, ob und inwieweit zum PosttranSporte Tricycles Verwendung inden könnten. Die Post- und Tetegraphen-Direction hegt nun die Meinung, daß sich Tricycle» besonder» zur Ein- ämmlung der Briese au» den BriessammlungSkästen und zur Besörderung der Briefpostpackete von einem Postamte uni anderen eignen würden. Abgesehen davon, daß durch diese Einführung in Wien und in den Vororten die Briessammel- wagen erspart und auch viele Cariolwagen überflüssig würden, wäre auch in allen jenen Fällen, wo gegenwärtig die Briefpost packete durch Fußbolen übertragen werden, eine Beschleunigung de» Transports erreichbar. Die Postdirection sür Wien und Um gebung will aber, bevor sie dem Handelsministerium die ab, verlangte Aeußerung erstattet, vorher praktische Erfahrungen ammeln und zu diesem Zwecke mit Tricycle» Versuche mache». Zum Au-sühren dieser praktischen Probe ist die Aushebung der Briese au» den im Rayon deS Postamtes Marokkaner gaffe vor Kurzem ausgestellten neuartigen Weber'schen Brief kasten, sowie die Vermittelung der Brirfpost zwischen dem Hauptpostamt« einerseits und den Postämtern Taborstraße- Nordbahnhos und Landstraße-St. Marx andererseits auS- ersehen. Die Post- und Tetegraphen-Direction gedenkt sich nur noch an die Polizeibehörde zu wenden, inwieweit das Velocipcd, respektive da» Tricycle. zum PosttranSporte im Polizei. Rayon von Wim au» BerkehrSrücksichten gestattet werben könnte. — Pari», 30. August. Zwischen Calais und Dover verkehrt seit gestern ein neuer Postdampfer „Victoria", der daS bisher schnellste Schiss der Linie, die .Jnvicta", welche die Fahrt in 70 Minuten auSgesührt hat. noch übertrifft. Zur ersten Reise von Dover nach Calais brauchte die .Victoria" allerdings in Folge Nebel» 80 Minuten; der Nebel war so dickt, daß man dem Dampfer den LandungSpunct mit Kanonen schüssen zu erkennen geben mußte. Die Rücksahrt hingegen wurde in 54 Minuten zurückgeleat, der Halste der Zeit, welche die besten Dampfer zwischen Folkestone und Boulogne be anspruchen. Die „Victoria" ist in Glasgow gebaut, hat beinahe 2 Millionen Franc» gekostet und kann 900 Reisende befördern; sie ist 309 Fuß lang, 63V, breit und hat 8 Fuß 4 Zoll Wassergang, 5000 Pserdekräste und eine Geschwindig keit von 20 Knoten in der Stunde. Jedes ihrer Räber wiegt 38 Tonnen. Bei der Breite de- Schiffe- ist fast keine Wellen bewegung mehr bemerkbar. — Pari-, 3l. August. (Allgemeine Zeitung.) Alle Zeitungen ohne Unterschied der Parteisarbe widmen dem hundertjährigen Geburtstage Chevreul'S Be sprechungen. Außerdem ist eine besondere Festzeitung ihm zu Ehren erschienen. Die amtliche Feier wurde heute Vormittag im neuen großen Saale de- Naturwissenschaftlichen MuseuniS im Iardin de» Plante- abgehalten. Dm Vorsitz führte der Unterricht-minister Goblet. Hr. de Freycinet war durch seinen Ministerialdirektor Herbette vertreten. Abordnungen zahlreicher gelehrter Körperschaften uud Vereine füllten den weiten Saal. Unter den anwesenden Diplomaten bemcrkle man den italienischen Botschafter General Mmabrea. Die Festreden hielte» Fremh, der Direktor de» MuftumS, eller. NammS der Akademie der Wissenschaften, Zaussen», amenS der ausländischen Akademien; ferner spräche» Vertreter der Studenten, der GobelinSmanusaclur und der Stearinsabrikantm (welche beiden Industriezweige am meisten dm Entdeckungen Chevreurl'S zu verdanken haben) und der Presse Da» Schlußwort hatte der Minister, woraus alle erschienenen Abordnungen an dem Jubelgreise vorbeimarschirtm. Nach dem heute Abend im Stadttiauje stattfinbenden Festessen wird der große. Cbevreul zu Ehre» veranstaltete Fackelzug am Stadthause vorbeikommen »nd von dort durch eine Vorhut von Cürassieren und mit Militair- musik zwischen einer Hecke von Linimtruppen Uber bas Boule- vard Saint-Germain, die Solserino-Brücke. die Ruc de la Paix und die großen Boulevards nach dem Platze der Repu blik geführt werden. Pasteur, welcher am Feste nicht theit- nebmen kann, hat vom Jura au» ein Schreiben an die .RLpublique Fran^aise" gerichtet, in welchem er constatirt. daß alle Parteien, wie seiner Zeit zu Ebren Victor Hugo's, so jetzt zu Ehren Chevreul'S, einen Waffenstillstand geschlossen hättm, und dem Jubilar seine Wünsche darbringt. — Amsterdam, 29. August. (.Kölnische Zeitung".) Der niederländische Iuristentag hielt seine diesjährige Versammlung in Groningen unter dem Vorsitze von de Pinto, Mitglied de» Hohen RatheS der Niederlande. Zwei wichlige, in daS öffentliche Leben lies einschneidende Fragen käme» diese» Mai zur Sprache. Die erste bandelte über die Unter suchung nach der Vaterschaft, weiche hier zu Lande nach dem noch geltenden Ooäe civile ausgeschlossen ist. Schon zu wiederholten Malen bat sich da- öffentliche RechtSbewußtscin gegen die harte Bestimmung sehr entschieden ausgesprochen und auch an kirchlichen Stimmen hat eS nicht gefehlt, welche aus eine Veränderung de» bisher geltenden Rechtes drangen. Professor Fabius an der freien Universität in Amsterdam war Referent, und er sowohl wie säst alle namhaften Juristen, welche da» Wort ergriffen, drangen mit Wärme aus die Ab schaffung de» bi» jetzt durchaus geltenden Verbot- der Unter suchung, nur über die näheren Bestimmungen hinsichtlich der Aus führung gingen die Meinungen auseinander. Die Versamin- lung verwarf zwat daS unbeschränkte Untersuchung-recht, wie sie anck die Frage, oä dabei besondere Vorschriften hinsichtlich deS Beweises geilen sollte», verneinte, dagegen nahm sie mit großer Mehrheit d-n Grundsatz an, daß die Untersuchung i» verschiedene» FäPeu statthaft sei. Der zweit« Punct betras die Entschäviguitz unschuldig Verurtbeilter. Ter Bicepräsi- de»t deS Hohen RatbeS. Coninck Liesstmg, und der Professor an der Groninger Universität. Domela NieuwcnhniS (ein Bruder de» bekannte» Socialdemokralen), traten unbedingt sür die Pflicht d^ Staate» ein. einen unschuldig Verurtheilten außer der sich von selbst verstehenden Wiedereinsetzung auch n>>t Geld, und zwar in nicht karger Weise, zu entschädigen. Die Mehrheit stimmte sür diesen Antrag, wie auch sür den weitere», daß ein durch außerordentliche, gesetzlich sestzustellend« Umstände, wie falsche» Zeugniß, Irrthum in der Person rc^
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