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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188609110
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18860911
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18860911
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1886
- Monat1886-09
- Tag1886-09-11
- Monat1886-09
- Jahr1886
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1886
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Krdaction und Lrpedition IohanaeSgaffe 3. Aprechkundrn der tle-arliva. Vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittags 5—6 Uhr. kur dt« Rückgabe nngetaubter Manutcrirle macht ft< tic »tetacn«» »>chr rxrbuirlich. Annahme der für die nSchftsalaende Nummer bestimmten Anserate an Wochentage» bis 8 Uhr Nachmittag«, nu Sonn- und Festtage» früh bi« V,S Uhr. In den Filialen für Ins.-Illluahme. Otts Ulemm. UniversitätSstraß« 1. Louis Lösche. Katharinenslr. 23, p. nur bis '/,3 Uhr. eipmer.Tagtlilalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage R»,«ZO. ^bonnrmrnlsprriü Viertels. 4'/, Mil. incl. Bringcrlohn 5 Mt., durch die Post bezogen 0 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pj. Belegexemplar 10 Ps. Gebünre» sur Extrabeilagen lin Tageblatt-Focinat gesalzt) ohne Postbciördcrung ->0 Mk. Mit Postdcsorderung M Mk. Inserate 6gespaltcne Petitzeile 20 Pf. Größere Schristc» laut uni. Preisverzeichinb Tabellarischer u.Zisfcriisatz nach höhcrmTaris lirrlamr» unter dem RedactionSstrich die 4gespal!. Zeile 50Ps., vor den Faiinliennachrichtcn die «gespaltene Zeile 40 Ps. Inserate sind stets an die i^rpevition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenumcramla oder durch Post- Nachnahme. 254. Sonnabend dm 11. September 1886. 8V. Jahrgang Zur gefälligen Venihtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 12. September, Bormittags nur bis ' S Uhr geöffnet. Kxpeültlon lies L-elprlser VaxedlLttes. Amtlicher Thetl. Vekanntmichmii, das Fahre« mit DeloctpedeS in den Strotze» der innere« Stadt betr. Durch da- häufige Befahren der asphaltirten Straßen der inneren Stadt mil BelocipcdeS sind in letzter Zeit wieder holt Unzuträglichkeike» herbeigesührt worden, wetche unS ver- cmlaffen, in Ergänzung der Bestimmung in tz. 64 deS LtraßcnpolizciregulativS vom 14. November 1885 Folgende» anzuordnen: Das Fahren mit DelccipedeS in den Straßen der inneren Stadt ist verboten. Ausgenommen von diesem Bcrboke uns jedoch solche Velocipeves, welche gewerblichen oder industriellen Zwecke» dienen und zum Transport von * Äaarc», Mustern :c. bestimmt find. Zuwiderhandlungen gegen diese Borschrift werden in Ge mäßbeit von 8- 300, Zister 10, de» ReichSstrasgesetzbuche» mit Geldstrafe bis zu 60 ^ oder mit Haft di» zu 14 Tagen bestraft. Leipzig, den 6. September 1886. IX. 8506/S75. Der Rath und daS Polizei-Amt derStadtLei llr. Georgi. Bretschneider. WilisL, Äff Der Postgehilse Oswald Löschte hat am 4. ds». Mt«, seinen bisherigen BeschästiguugSort Aretstadt Nieder-Schlesiea ohne Urlaub nach Unterschlagung von Postcassengeldern verlassen. Derselbe ist am 5. November 1865 in Jauer geboren, evangelisch, Größe 1.76 Meter, Bestall schlank, Kinn klein, znrückstehend, Gesichts- biidung länglich, GesichtSsarbe ziemlich srisch, Mund groß, Zähne gesund, Augen blaugrau, Augenbrauen mäßig, blond, Haare blond, vorn holblang, links gescheitelt, Bart im Entstehen, rasirt, Stirn mäßig hoch, Haltung ausrecht. Kops etwas nach vorn geneigt. Bekleidet war derselbe mit einem dunkelbraunen Rock von glattem Stoff, schwarzen Buckskinhosen mit blaurothcn Langstreisea, Sommer» Überzieher von dunkelblauem Kammgarn und mit einem schwarzen Filzhut. Keschke trägt einen Kneiser mit vorstehendem Bügel Schärfe d«S Glase- '/I und einen dünnen Stab mit neusilbernem öeschlage, silberne Cylinderuhr mit vernickelter Panzer kette, hellgelbe» großes seidenes Halstuch. Koschke ist am Tage einer Flacht Mittags mit dem Zweiuhrzuge von Reusalz a. O. in der Richtung nach Glogau gefahren. Derselbe ist sestzuaehmen und an daS Königliche Amtsgericht in Freistadt Nieder-Schlesien abzulicsern. Glogau, den 9. September 1886. Der Königlich« Erft« Ltaatsanwalt. Ausschreibung. Die Steinmetz- und Zimmer-Arbeiten für die Großviehsctilachlhalte und da» SanitätSschlachthau» der neuen Ichlachtbos-Anlage sollen aus dem Wege der öffentliche» Ausschreibung vergeben werden. Die Unterlagen sind vom 8. September d. I. an gegen Zahlung von l -L für die Schriftstücke jeder ArdcitSgallnng im Schlachthofbau-Büreau zu entnehmen. Die Angebote sind in der den Unterlagen beigegebenen Borschriften entsprechenden Form bi» zum 20. September d. 2. Mittag» 12 Uhr an die Nuntiatur auf dem Nath- haul'e abzugeben. Wir behalten uns die Auswahl unter den Bewerbern de;. auch die Thcilung der Arbeiten sowie die Ablehnung sämmttichcr Angebote vor. Leipzig, den 6. September 1886. Der Rath der Stadt Leipzig. Ia. 5155. vr. Georgi. Gringmutb. Ass. Mit Rücksicht aus die hier und an den anderen Orten der hiesigen Umgebung jetzt stattfindenve allgemeine Revision der Maaße und Meßwerkzeuge sowie Gewichte und Waagen :c. * und de» in Folge dessen vermehrten Gcscbästsumfang sehen wir un» veranlaßt, behufs sorgfältiger Ausführung der Aichnngs- und sonst damit zusammenhängenden Arbeiten den Verkehr mit dem Publicum zu beschränken. Aus Grund von tz. 19 der Ministcrialverordnung vom >l. August 1871 machen wir daher bekannt, daß von jetzt ab bis aus Weiteres das Unterzeichnete Aichamt für de« Verkehr mit dem Publievm nur «ährend der Vormittagsstunden von 8 bt« 12 Uhr zum Bringen und Abholen von Gegenständen geöffnet ist. jür die RachmittagSstundeu aber geschloffen bleibt. Leipzig, am 6. September 1886 DaS Aichamt. Winter. Kühnel. Velianntmachnils. Tie Herstellung eines erhöhten Fußwege- läng- de» östlichen (oberen) Rande» deS Eutritzsch-Schoneseldrr Co»i- municationSwegeS bei dem „Parthenschlößchen" bei Altschöne- scld soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tief bau-Verwaltung, RathhanS, II. Etage, Zimmer Nr. 14, au» und können daselbst ungesehen resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt imd mit der Aufschrift: „Erhöhter Fußweg bei« Parthenschlößchen" ver sehen cbenvasethst und zwar bi» zum 24. d. M. Nachmittag» 5 Uhr einzurcichen. Leipzig, am 10. September 1886. DeS Raths der Stadt Leipzig Straßenbau - Deputation. Der Inhaber des von unserem II. Filial al» abhanden gekommen angezeigten InterimSscheines über da» Svarcassen- biich Serie II Nr. 103110 wird hierdurch ausgefordert, denselben innerhalb drei Monaten und längsten» am 13. December d. 2. an die Unterzeichnete Anstalt zurück- ziigrben oder sein Recht daran zu beweisen, widrigenfalls der Sparcassen-Ordnung gemäß dem angemelveten Derlnstträger nach Beeidigung seiner Anzeige da» Buch an-gehändigt werden wird. Leipzig, den 9. September 1886. Die Verwaltung deS Leihhauses und der Spareaffe Wegen Reinigung der Räume bleiben die Stadtcaffe und die Stislungsbuchhalterri den IS. diese« Monat« geschloffen. Leipzig, den 1l. September 1886. De« Rath« Finanzdepntatto». Zufolge erstatteter Anzeige ist da« der Hedwig Günther au« Delitzsch von der dortig» PvUzeiverwaltuug uatrrm IS. Mai 1888 ausgestellte Dienstbuch ia hiesiger Stadt abhanden gekommen. Wir bitten» da« Buch im Ausflnduuglsalle bei un« abzugeben. Leipzig» a» 8. September 1886. D«« Paltzeiautt der Stadt Leipzig. vretschueidrr. W. Steckbrief. Nichtamtlicher Thetl. Lulgarien und die Vertragsmächle. Der Stein de» Anstoßes für Rußland, Fürst Alexander, st jetzt beseitigt und Bulgarien ist scheinbar sich selbst zurück- gegeben, aber auch nur scheinbar, denn nach der Entfernung des Fürsten werden die russischen Umtriebe sich weit unge- lörter geltend machen können, als unter seiner Regierung. Fürst Alexander gab Bulgarien den festen Halt und die Kraft, Veil russischen Einfluß siegreich zu bekämpfen. Gerade die zähe Widerstandskraft des Fürste», seine Neigung zur Selbst- iändigkeit, machten ihn dem russischen Kaiser so verhaßt, daß er alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um ihn aus seiner Stellung zu verdrängen. Mit einer staunenSwcrthen Auf richtigkeit erwiderte der Kaiser aus da» Telegramm deS Fürsten vom 30. August, daß er seine Rückkehr nach Bulgarien nicht billigen könne, weil er davon verhängnißvollc Folgen sür da» olmehin schon schwer geprüfte Land vorauSscke. Worin diese Folgen bestehen könnten, darüber hat sich der Kaiser von Rußland nicht geäußert, er Kat nur de» Zustand, welchem Bulgarien unter der Regierung des Fürsten Alexander überliefert sei, traurig genannt. Nach Lage der Berhältüiffe kann aber die Schuld an diesen, Zu- tande nur Denjenigen ausgobiirdet werden, welche der fried lichen Entwickelung Bulgariens feit einem 2ahre die größten Hindernisse bereitet und die Verschwörung gegen den Fürsten angezettett haben. Ohne den Einspruch Rußlands wäre beute die Bereinigung von Nord- und Südbulgarien eine vollendete Thalsache, denn der Sultan hatte bereits seine Zustimmung dazu erlheilt, als Rußland nachträglich Einspruch erhob. Ohne diesen Einspruch hätte die Action der Zankvw und Gruew niemals Boden gewonnen in Bulgarien, denn nur die Abneigung der Bulgaren gegen die Wiederherstellung dcS 'ruberen Zustande» in Ostrumelien hat dem Fürsten einen Theil der Sympathien entzogen, welche er bei seinem Bolle genoß. E» kann also kein Zweifel darüber besteben, daß der gegenwärtige Zustand in Bulgarien in der Hauptsache Ruß lands Werk ist. Stambulow, Mutkurow und Karawelow sind wahr scheinlich die bestgeeigneten Persönlichkeiten, um die Rcgent- chost in Bulgarien zu führen, aber e» wäre doch gewiß eine sehr gewagte Behauptung, sie als bester geeignet zur Negierung Bulgarien» betrachten zu Wollen, al» den Fürsten Alexander. Er besaß zunächst den Vorzug vor jeder anderen Regierung, daß er der vom Volke gewählte und von den Großmächten bestätigte Fürst de» Landes war; er hat sieben Jahre lang nach oestcm Wist» alles gethan, um die Wohlfahrt Bulgarien» zu fördern und sicher zu stelle». und er erfreute sich, wie die Erfahrungen der letzten Wochen ge lehrt haben, beim Volke wie bei der Armee der größlcn An hänglichkeit, ausgenommen bei der russischen Partei, die dock nur einen Bruchtheil beträgt und in der Armee i> r zwei Regimenter für sich hatte. Also durch die Abdankung de» Fürsten können die Zustände in Bulgarien unmöglich ver« bessert werden, wohl aber kann e» leicht geschehen, daß die Einmischung Rußland« den Bürgerkrieg zum Ansbruch bringt, der bisher durch die Rückkehr de» Fürsten verhindert worden ist. Wird die Ruhe und Ordnung auch nach der Abreise de» Fürsten bi» zur Neuwahl deS Fürsten aufrecht erhalten, so ist da» nicht Rußland, sondern der Auiorität de« Fürsten zu verdanken, die auch nach seiner Abdankung noch stark genug ist, um die Bulgaren von verderblichen Schritten zurückzuhalten. Wie verlautet, hat Rußland die Absicht, die Wahl des neuen Fürsten zu »organisiren" oder mil anderen Worten sür seinen Eandidaten Stimmung zu machen mit allen Mitteln, welche der russischen NegierungSknnsi zu Gebote stehen. Wer der russische Eandidat ist, bleibt nach allen Gerüchte», welche darüber im Umlause sind, unsicher, Rußland wird damit wahrscheinlich erst hervortreten, wenn der Boden in Bulgarien für die betreffende Person hinreichend bearbeitet ist. Am Montag tritt die kleine Sobranje zusammen. In dieser Ver sammlung wird eS sich zeige», welche Meinung die vor herrschende ist, diejenige, welche die Unabhängigkeit deS Landes aufrecht zu erhalten bestrebt ist. oder die, welche Bulgarien dem russischen Einfluß überantworten will. In Rußland hat man sich der Thatsache nicht verschließen können, daß di- Buigarc» in ihrer ungeheuren Mehrheit auf der Seite de» Fürsten Alexander stehen, daher auch die Zurückhaltung und die überraschende Erklärung deS „Journal de St. PüterSbourg", daß Rußland nicht daran denke, die von ihm sür daS bulgarische Volk gewonnene Unabhängigkeit zu vermindern. Der Zusatz „von Rußland gewonnen" gestattet zwar den Rückzug zu dem Standpuncte, welchen Rußland zu Bulgarien zur Zeit de» Berliner Frieden» einnahm, aber Unabhängigkeit und voll ständige Beugung unter den russischen Einfluß sind doch zwei so grundverschiedene Dinge, daß sie sich niemals mit einander verewigen lasten. Darüver kann auch die Sobranje nicht in Zweifel sein. Im vollkommenen Gegensatz zu der russischen Auffassung der Sachlage in Bulgarien steht die englische, welche nicht das Andenken an Alexander II., die Interessen Rußlands und den Frieden im Orient, wie sich Kaiser Alexander in seiner Ant Wort an den Fürsten Alexander auSdrückt, sondern den Ber liner Frieden und die Beschlüsse der Koustautinopler Consercnz al« maßgebend für die fernere Gestattung der Dinge in Bulgarien betrachtet. In diesem Sinne sprach sich der eng lische Minister de» Auswärtigen, Lorv IddeSleigb. im Ober hause au» und der UnterstaatSsccretair Ferguffon ergänzte diese Mcttheilung dahin, daß kein Grund vorliege, zu glauben, daß die Action irgend einer Macht unvereinbar mit den Ver tragsbestimmungen sei» werde. Diese AuöbruckSweise der englischen Staatsmänner klingt ganz anders als die bisherige» Aeußerungen der englische» Presse und auch der Negiernugö- vertreter selbst. Die „TimeS" vertrat »och vor wenigen Tagen den Standpunct, daß Fürst Bismarck sür die Karte der ranzösisch-russischeil Allianz keine» Trumps in der Hand habe und deshalb entschlossen sei, Rußland in Bulgarien »ach Belieben schalten und walten zu lassen. Heule sieht ich der englische UnterstaatSsecretair dcS Auswärtigen zu dem Gestänvniß genöthigt, daß kein Grund vorliege, zu der Aiinabme, daß sich die bulgarische Angelegenheit nicht innerhalb der Verträge sollte regeln lasten. DaS ist ein so großer Unterschied, daß die englische» Slaalsmänner doch wobt besser gethan hätte», mit ihre», Urlbeit über die deutsche Politik in der bulgarischen Frage etwas zurnckhallcndcr zu sei». Es gicbk noch einen Mittelweg zwischen der schroffen Zurückweisung der russischen Politik in Bulgarien und der Preisgabe der Verträge. England hat in letzterer Beziehung offenbar weit mehr geleistet als Deuljcbland, indem cS von vornberein der Wiederherstellung deS früheren ZnilanveS in Bulgarien und Ostrumelien widerstrebte und sich der hanpt- ächtich England berührenden Aushebung der Freihasenstcllnng Batums mit einigen gewundenen Redensarten bedingnngoloü jugle. Wir haben niemals daran gczweiselt, daß die Nebercin- stimmnng der drei Kaiscrmächle in der bulgarischen Frage nur unter Bedingungen erzielt werde» konnte, welche die Macht des deutschen Reiches inlact lasten. Eine Politik, welche die Demnlbigung Deutschland« vor Rußland und in- direcl vor Frankreich i» sicb schließe» könnte, liegt gänzlich außerhalb dcS Bereichs der Grundsätze, welche Fürst Bismarck seil seiner langen staalsmännischcn Lausbahn stets höchgebalte» und zum Siege geführt hat. , . * . * Die Abreise deS Fürsten Alexander aus Bulgarien enthält so ergreiscndc Züge, daß wir es sür unsere Pflicht erachten, einige Special berichte den knappen Wolsj'schen De 'chen hinzuzlffüHcn. welche wir bisher veröffentlicht bab-n. Die .Posslschc Zeitung" meldet aus Sofia, 8. September: Ni» Dienstag Nachmittag 4 Uhr ersolgte die Abreise des Fürste»; die Regentschaft und das Ministerium waren gebildet, die Pcoclamation gedruckt. Aon 2 Uhr ob sauimelle sich vor de» AuSgängcii des SchloßgarlenS eine große Menschenmenge. Insanterieregiineiiter mit ihrer Musik ohne Waffe» bilüeten Spalier i» allen vom Fürsten zu passireiidcn Straße». Zahlreiche Phaöthons fuhren vor dem Schlosse innerhalb und außerhalb des GartcngNterS aus. DaS OisieiercorpS, die Mitglieder der Rcqenl- chast, die Minister, das diplomatische Corps, Notable vo» Sofia mit ihren Familien, wir Corrcipoiibenlen — Keiner vermochle sich der iniiigen Erschütterung zu erwehren, nicht einmal einer der Diplomaten. Für jeden Anwcscnden hatte der Fürst ein persön- lichcS Wort dcS Abschied», einen Händedruck. Manchen der Osficiere umarmte und küßte er aus beide Wangen, beionderS herzlich den Oberst Popow und das kleine reizende Tüchterchen der von ihm so hoch geschätzten deutichen Familie Häberle »eben den Eltern. Draußen hielt die Ehrenwache des 1. Reiterregiments, die den Fürsten bis Lonipalanka begleiten sollte, z» Pferde; die Osficiere halten sich verabschiedet und schritten sichtlich lies bewegt hinaus. Lakaien brachten Handgepäck und Mäntel zu den Wagen am Fuß der große» doppelarmigen Treppe; unten im Palais standen die zehn Montenegriner der fürstlichen Schloßwache in ihrer prachtvollen Nationaltracht, den blauen mit Silber gestickte» kurze» Jacke» und eben solchen vorn offenen Röcken über den rothen Unterkleider», im breiten bunte» seidenen Gürtel den sssataga» mit Elsenbein griff und die Pistolen. Wenig vor 4 Uhr trat der Fürst auS den Gemächern im Erdgeschoß in den Treppenslur hinaus. Er trug eine flache weiße Mütze mit rothem unteren Rande, den weiße» Uniformrock, lange blaue Beinkleider mit breite» rothen Streifen. Sei» GcsichtSausdruck war ruhig und gcsaßk, er bemühte sich, heiter z» erscheinen und die Wehmuth gewaltsam zurückzudrängc». Denen, zu welchen er sich mit herzliche» Worten des Ndsch eLS wendete, gelang daS weniger gut. Eine Dame überreichte ihm einen Blumenstrauß, den er lächelnd entgegen nahm. Nus allen Miene», allen Worten, allem Bezeigen der Männer, die itm hier umgaben, sprach die aus- richtige, verehrende Liebe, die er sich durch sein perjonticheS Wesen wie durch seine Regierung erworben bat, der bittere Schmerz, ihn seinem Volk entrissen und als ein Opfer aus dein Altar der hohen Politik dargebracht zu sehen. Endlich riß der Fürst sich loS und bestieg, während die Tambours anschlugen, den offenen Wagen, dessen Viergespann ein russischer Skopzenkulscher im blauen Kaftan lenkte. A» des Fürsten Seite nahm Stambulow, der Regent, Platz. Im zweiten Phaisthon fuhren deS Fürsten Bruder und Baron Ricdesel, aus dem Bock ein Mon tenegriner. In den anderen Wagen solgien die Adjutanten Mutkurow, dle Generale Staschew und Pelrokow, die Minister, auch der jüngst »och stark verdächtigte Regent Karawelow. DcS Fürsten Wagen rollte um Gitterhos hinaus aus den Platz, wo die Parade am EinzugStage iattsand. Die Escorte der wcißröckigen und wcißmützigen Reiter, den Carabiner In der Faust, sprengte ihm nach. Der übrigen Wagen lange Reihe folgte aus der durch das Loldatenspalicr frei gehaltenen Straße und fuhr durch die dichte Menschenmenge hinab zur Unter stadt und hinaus in die weile Ebene, der Gebirgskette im Norden entgegen. Aus dem Wege durch die Stadt klang inelancholüch das „Hurrah" des BoltS, von Trauer gedämpft. Unter den Hufen und Rädern wirbelten gewaltige Staubwolken aus; schweigend sahen die Bauern und Hirten, die Mützen abgezogen, den Zug an sich vorüber- jagen, welcher den Geltebiesten seinem Volke cntiührte. An dem kleinen Flecken Urleich wurde rin kurzer Holt gemacht. Hier standen Männer, Frauen und Kinder auS dem Ort, welche den Fürste», der seinen Wagen verließ, umringten und ihm Blumen darboten: mit leidenschaftlich schmerzlicher Innigkeit sprach besonders Einer an» dieser Gruppe auf den Fürsten ein, der Allen die Hände drückte und ihre Anreden erwiderte. Uater lauten Rufen „Aus Wiedersehen!" setzten sich Reiter und Waaen wieder tn Bewegung. Der osstciellen Begleitung war eine säst ebenso starke freiwillige zu Pferde und zu Wagen beigesellt. Achtzehn Kilometer von Sofia, bet der Poststation Kustembrod, wurde el« »weiter Holt gemocht. Auch hier erwarteten zahlreiche Einwohner den Fürsten. Lautes „Hurrah" empfing ihn. Bankdirector Brakaldow hielt eine Ansprache. Anfang- im Wagen verbleibend, sprach der Fürst lange und lebhaft zu den ihn umgebenden Generalen und Ministern; daun stieg er au«, um noch einmal alle jene Osficiere zu umarmen, die ihn hier verlassen und heimkehren mußten. AuS allen Reden und Erwiderungen des Fürsten klang der Grundgedanke heran-: wenn seine Lnlfernung zum Heil seines aettebten Bolke» gereiche, so werde ihn das über olle- jetzt Ge schehene trösten. Unter stürmischen ,Hurrah«" »ud Zurufen fuhr er »«u« an der Spitze feiner Reiter, und Vagen-Lolonne hinan» in die Verbannung, wäl^.nd eben die Abendsonne blutroth hinter schwere» Wetterwolken gerade über jenen blauen Bergen von Slivnltza versank, aus denen er vor kaum neun Monaten sein Heer zum Siege führte und sein Land errettete. Die „Kölnische Zeitung" berichtet au» Orsova (an Bord der H"cht px- Fürsten) vom 9. September: Als Fürst Alexander im vorigen Jahre als siegreicher Feldherr in Sofia einzog, bereitete ihm daS Volk einen für die gewohnte bulgarische Ruhe unerhörten Empfang. Als er gestern Sofia verließt waren die Kundgebungen der Liebe und Trauer größer und ergreifender a>S bei jenem Siegesfest, und in einfacher, aber rührender Weise setzie» sich diese Huldigungen in den kleinen Dörfern fort, die der Fürst durchfahren mußte. Nur den entschieden- sten Bitte» lind Beschwörungen dcS Fürsten ist cS zu danke», daß die Armee sich nicht noch im letzten Augenblick erhob, um den Fürsten mit Gewalt ziirückzuhalten. In tiefer Trauer und unter Thränen gehorchten die Osficiere dem Bcschle dcS Fürsten, der ihnen Gehor sam gegen die Regenischast anbcsahl. Ohne ihn wäre Sofia vicl- ieicht der Schauplatz blutiger Scene» geworden, da die Armee ent schlossen war, den Fürsten an seine» Feinden zu rächen. 10 Kilometer hinter Sofia »ahm der Fürst vo» seinen Osficiere» ergreifenden Ab- schied, worauf er die Reise in Begleitung der Regenten Stambulow. Karawelow, der Minister Radoslawow. Stoilow, Grckow, Nicola- j.'w, sowie seines Bruders sorisetzte. Regenten, Minister und Ad- iniauic» begleitete» den Fürsten bis Turn, um so vor Europa den Beweis z» erbringe», daß der Fürst das Land nicht gls Flüchtling, sondern als betrauerter Landesherr verlasse. In Lonipalanka war der Hase» scstlich geschmückt, und die tief ergriffene Menge begrüßte den Fürsten, als er init seiner Begleitung de» Doiiaudampser Szava bestieg und, eScorlirt von der flacht Alexander, wohl aus Nimmer- wiedcrkehr den bulgarische» Boden verließ. Kein Auge blieb beim Abschied trocken, und wiederholt Hörle man Aeußerungen, daß die Osficiere nachträglich bedauerten, den Fürste» ziehen gelassen zu habe». Kurz nach cingenonimcnem Frühstück näherte sich der Danwfer Aidoin, von wo griechische und runiänische, in vollem Farbenschiiilicl prangende reichbesetzic Dampser dem Fürste» entgegen- suhrc», »in ibn mit Musik und Hurrah m Enipsang zn nehmen. Bon den Wällen WiddinS donnerten beim Nahen des Fürsten Kaiioiiensalve», und die ganze Garnison war am User unter dem Bejelil des Majors Uiunow, der die Festung im vorige» Jahre so lapser gegen die Serben vcrlheidigie, auigcsiell,. Eine linablehbare Menschenmenge umlagerte die User und Wälle und brausendes »ich! endciiwollkndes Hurrah tönte dem Fürste» ans der viel- tauscndlüpsigcic Menge entgegen. A» Bord der Szava und der gacht spielten Musiken, als der Fürst an der Landungsstellc ankam. Unbeschreiblich ist der Eindruck, den das Berhalten der Menge nlachie. als der Fürst daS Land betrat; die säst übereinander gedrängten Menichciimasjrn stürzten sich unter unaufhörlichen Hoch rufen aus de» Fürsten loS und schienen ihn erdrücke» zu wollen. D. r Fürst konnte nur mühsam zwischen den ruscndcn »nd weinende» Mcnichen hindurch die Präsectur erreichen, von deren Balcon aus er eine kurze Ansprache hielt, in der er seinem Volke und besonders der Siadt Widdin sür die ihm bewiesene Liebe und Treue dankte rnd Bulgarien dem Segen Gottes empjahl. Als der Fürst die Präsectur verließ, um sich aus der ?>cicht „Alexander" einzuschiffen, wurde das Drängen so surchtbar, daß eS einen Augenblick lang schien als ob das Volk den Fürsten mit Gewalt zurückhalten wolle. Die beruhigende» Worte des Fürsten hatten aber iliren Eindruck nicht verfehlt, und so konnte der Fürst die N-'äit Alexander er- reichen, die unter erneutem Kanonendonner sich vom Bollwerk loslöste und unter lebhaften Kundgebungen des Volkes und Mtli- tairs, die unter den obwaltenden Umständen nicht anders als herzzerbrechend z» bezeichnen sind, die Weiterreise sortsetzen. Wer immer die« ergreisende Schauspiel eines seinem Volke entrissenen Fürste» gesehen hat, dem wird es ewig in- Herz hinciilgeprägt bleibe», die Stimmung, die an Bord deS Schiffes herrschte, war nicht zu beschreiben. Einige Dampser und 6 Barken begleitete» den Fürsten noch eine Strecke. Auch vom rumänischen Ufer bei Kalasat, an den« die Salutsalven der Widdincr Batterien ich donnernd brachen, grüßten zahlloie Menschen mit Tücherschwenken und Musik; so nahm der Fürst Abschied vom Orient, und »och spät Abends und Nachts zeugten die Beleuchtungen a» beid-n Userscitcn und die durch das Dunkel zum Schisse dringende» HurrahS von de» Sympathien, die der Fürst dort zurückgelassen. Gegenwärtig, wo cs nichts mehr zu verderbe» gicbt, und wo cs anderseits freilich auch nichts mehr nützen dürste, ist eine ossene Dcirlegung der wirklichen Lage wohl am Platze. Al- der Fürst von Lemberg zurückkehrte, hatte er bereits die entschiedene Absicht, dies nur zur Wahrung des verletzten monarchischen Princivs, zur Bestrafung der Empörer und zur Wieder herstellung der Ruhe und Ordnung im Lande zu Ihn» und nachher Bulgarien zu verlassen, wenngleich später dieser Ent schluß vorübergehend infolge deS begeisterten EmpsangS durch das Volk schwankend wurde und die so vst und vergeblich angestr^bte Aussöhnung mit Rußland nvch clnnial versucht wurde. Die bisherige Verhetzung der Bulgare» hatte die Folge ge- habt, daß eine vollständige sittliche Verwirrung in den Geniüihcr» Platz gegriffen hatte und eine unerhörte moralische Be» wilvcrnng entstanden war. Die ia dieser Beziehung aus das Volk eiiiwilkendcn Einflüsse waren so übermächtig, daß man sich eigentlich wundern muß, wenn das Volk ihnen nicht in noch höherem Grade erlegen ist. Die Untersuchung der neuesten Ver- schwörung stellte unwiderleglich fest, daß außer den unmittel bar am Staatsstreich betheiligtcn Personen noch viele Leute um den geplante» Anschlag wußten, ohne irgendwie Mel dung zu erstatten. Männer in höchsten Stellen find schwer compromiltirt, so ist beispielsweise au der Schuld dcS KriegS- ministers Nikisorow nicht zu zweifeln. (Nikijorow war an geblich krank und so konnte Bcnderow nach Willkür schalten.) Um die Ruhe im Lande und durch wiederholte Rtvoliitioncn und Eiicrsüchteleien der Osficiere gestörte DiSciplin im Heere hcrzuslcllen, schien die strengste Bestrasung aller Schuldigen und die Erschießung aller Rädelsführer erforderlich zu sein. Der Fürst war zu diesem Schritte fest entschlossen, nlS er die Note Rußlands, Deutschlands und Oesterreichs erhielt, i» der diese Mächte erklärten, daß sie die Erschießung auch nur eine« einzigen Verschworenen nicht zulaffen und daß Rußland aus die erste Kunde von einer Hinrichtung seiner Freunde durch militairische BesetzungBulgarienS aiittvorien werde. Unter solchen Unistäiiden war dem Fürsten die Möglichkeit benom men, dauernde und ruhige Bcrhültniije herzustellen. Da infolge der Straflosigkeit der Empörer sicherlich unter Nachhülse mit den be kannten Mitteln eine neue Erhebung in kürzester Frist entstanden sein würde. Die Zerfahrenheit der Verhältnisse Bulgarien- im Inner», die D iScip linlosigkeit der Armee, die Weigerung der Mächte, den Fürste» di« Maßregeln, die er zur Herstellung der Ruhe sür nöthig hielt, ergreifen zu lassen, alle» daS zuiammcngcnommeii zwang dem Fürsten die Nolhwendigkeit aus, abzudanken, wenn er nich« da- Land der Gefahr einer russischen Besetzung ciuSsetzen wollte. Der Fürst hat tn einer siebenjährigen Regierung so wenig Freud« von der bulgarischen Herrschaft gehabt, daß er bereits längst aus sie verzichtet hätte, wenn er bloß sein eigne« Interesse zu Rathe gezogen hätte. Es war aus die Dauer unmöglich, lediglich gestützt durch England» platonische Sympathie, gegen den Willen de» mächtigen Rußland zu regieren. Indem wurde der Fürst in seiner Thätigkeit mehr gehindert als unterstützt durch eine naive Vcrsasjnng, welche dem jungen und politisch unzurechnungSsShigkn Volke viel zu weitgehende Rechte verlieb, dir eS nur zu seinem eigenen Nachiheil zu handhaben verstand. Die nach den« schändliche» Anschläge erfolgende Rückberusung durch dal Volk erbrachte wenigsten- den Beweis, daß der Fürst es verstand.» hatte, sich die Sympathien im Laude zu erwerben. Seine Rück- berusung war ein glänzender Act de« Vertrauen«, da der Fürst jedoch die auswärtige Feindschast nicht entwoffnen konnte, schien
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