Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188707310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18870731
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18870731
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1887
- Monat1887-07
- Tag1887-07-31
- Monat1887-07
- Jahr1887
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1887
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erfchstmt . früh 6»/, Uhr. UK«üi<» »»tz Lrpr-Mp, I»ha»»««gaste 8. ZPrech-Mllnl »er lle-atts«»: «ormtttag« 10-12 Uhr. «ächmtttag» »-« Uhr. » »«UH- —^ ^ 2» de» Miilr» str 2»s.-L>uuch»r: Vit» Kl«»»». ^Ui^deMlWfirat, 1. r Ä^part. u.^Kü»t«rpl»tz 2, «« «« Apr. Wiger TagMM Anzeiger. Lrga« fjlr Politik, Local-eschichtr, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage LS7SO. Lbonnementspreis Viertels. 4V» Mk mcl. Bringerlohn b Mk., durch die Post bezogt» S Mk. Jede etnzelue Nummer 20 Ps Belegexemplar 10 Ps. Gebühre» für Extrabeilage» (tu Tageblatt-Format gefalzt) «tzne Postbesörverung 60 Mk. «tt PostbrsSrderuug 70 Mk. Inserate Saespaltene Petitzeile L0 Pf. Gröbere Schriften la»t «ns. Prrt«verzeich»lk. Tabellarischer ». Ziffernsah »ach höherm Tarif. Uerlamen »nter dem Redaction-strich die «aelpalt. Zeile 50 Ps., vor dcnFa milien uachrlchten die «gespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind siet» an die Ex-rvitta« z» senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung peaauumoramlc, oder durch Post- nachnahme. 212. Ssmtztag den 31. Juli 1887. 81. Jahrgang Amtlicher Thett. VMmilmchu»-. Der Wkirll« Lusaug der diesjährigen r0Nch«lt»«meffe fällt ans den Xd. Gept«»h«r, und «I endigt dieselbe mit dem Rtd» iOrtwAckr» Wähnend dieser drei Wochen können alle t»- and «n»<- lt»Atsche» Handelsleute, Fabrikanten vnd Gewerbtreibende ihr« Daare» hier öffentlich feilbiet««. Dach kann d« Großhandel in de« bisher übliche» Weis« bereit« in der znm Au»packen bestimmten L»rw»ch«, vom IS. September an, betrieben werde«. Da« »n»P«Se« der Waaren ist den Inhabern der Meß locale in den Häusern ebenso wie de» in Bude» nnd ans Stände« seilhaltend«» Verkäufer» in der Woche vor der Äöttcherwoche gestattet. Zu« Etnchacke» ist da» Offenhalt«« dar Meßlocale in de» Häuser« auch in der Woche »ach der Zahlwoch« erlaubt. Jede frühere Eröffnung, sowie jede« länge« Offenbalten eine« solchen Verkauf«local«, ebenso da« vorzeitige A»S- v«eke» an da» Stände» und in den Bude» wird außer der sofortigen Schließung jede«mal, selbst bei der ersten Zuwider handlung, mit einer Geldstrafe bi« zu 75 ^k oder ent sprechender Haft geahndet werden. AuSwärtlgen Spediteuren ist von der hauptzollamtlichen Lösung de« Waaren Verschlüsse« an bi« mit End« der Woche »ach da, Zahlwoch« da» Speditionsgeschäft hier gestattet. Leipzig, am «. Suli 1887. Der Walch der Stadt Leipzig, vr Trvndli». Her» anig. Velumskmihimg. Wegen der eine ungewöhnliche Ties« erfordernden Trün- vuna«arb«iten für de» Raumann'schen Neubau an der Ecke der Klostergaffe und de« Barfnßgäßchen« wird da» BarfuHgckstche» bi« ans Weitere« für schwere« Fuhr» er» gesperrt. Während dies«« Aeitraame« darf da« ThomaSgäßche» mit schwere« Fuhrwerk von belde» Seiten befahre« werden. Leipzig, am 29. Juli 1887. Der Rath der Stadt Leipzig. IX. 5169. Vr. Tröndlin. Hennig. Vrkannlmachimi. H. Fortbildungsschule für Knabe». Wegen baulicher Herstellungen im Gebäude der V. Bürger schule kann der Unterricht in der H. Fortbildungsschule tir Knabe» erst Montag, de» IS. August, wieder «ginnen. Leipzig, am SO. Juli 1887. Der SchnlanSschnG der Stadt Leipzig. Vr. Sckmtd. Lehnert. r die Melbourne» Weltausstellung i« Jahre 1888 betr. In Melbourne soll vom 1. August 1888 bi» zum 81. Januar 1889 eine c«ntenutal International Liblbltlon stattfiuden, za welcber die Anmeldungen t»S zum 31. August 1887 zu erfolgen habeu. Die Unterzeichnete Handelskammer will nicht Unterlasten, die« auch ihrerseits hierdurch in Erinnerung zu bringe» und auf di« Wichtigkeit einer Betheiligung der deutsche» und insbesondere der sächsischen Industrie hiuzuweisen. Um betreff« einer eventuelle« Unterstützung dr« Unternehmen« au« öffcntlichcn Mitteln etnen ungefähren Anhalt zu bekommen, er suchen wir die im diesseitigen Kammerbezirk vorhandenen Inter essenten, welche sich an der gedachten Aatstellung zu betheiligeu ge neigt sind, von diesem ihren Entschluss« spätesten« bt« ,um ». August d. S. gefällige «ittdeiluug a» »nsere Kanzle«, «rar vßrse, Tr. I., gelangen zu laste», bei welcher einig« auf die «ogelegeuhett bezüg. liche Schriststücke einzusehea sind. - Leipzig, de» 22. Jnli 1887. Die Haud»l«k»m»er. vr. WachSmuth, Bors. Bekanntmachung. Die für de» hiesigen Pfarrhaus»Neubau erforderliche» Erb» und Manrtr-, Steinmetz» und Zimmer-Arbeite» werden,.vorbehält lich der Anewahl u»ter den Submittenten, hiermit zur Vergebung ausgrichrleben. ... D>e Anschlagsformulare siad nebst Bedingung«».» der Kirche», erpedition. Heineftr. 16,1., ,« entnehmen und versiegelt, mit der Aus- schrist „Pfarrh«US»Ne»bou" verieheu, bi« »n« «. August Hs«. I«. Abend« « >tzr ebenda wieder abzngeden. Die Zeichnungen liegen bei der Formular- entnähme zur Einsichtnahme au«. Liudeaau, de» 29. J»lt 1887. Der Kt,che«»orfton» Pas Sorge. Bekanntmachung. Die Stadlsteuer- und Stodtcaisirerstell« der Stadt Marlraustädt ist durch den Tod de« bisherigen Inhaber« erledigt »»d soll a»d« weit besitzt werden. Hierbei wird bemerkt, daß der Gehalt a I8L0 >l pro anno festgestelltr die »u erlege»» Lautio» beträgt 600 Bewerber, welche im Eteuerfach« erfahre», werd« besoxwr« be- rückstchtigt. Gesuche sind spätesten« bl« zum >S. August du I. t» dem Stadtraih einzureicheu. Markranstädt, den 30. Juli 1687. Der Stadt,e««»u»mea»t. Härtel, Bürgermeister. Nichtamtlicher Thetl. Jur bulgarischen Frage. Sellen ist über «in, Angelegenheit von vornhemi» s» »üb Falsche« verbreitet worden, al« über vie Wahl de« Prinzen Ferdinand von Kodurg zum Fürsten von Bulgarin». Die „Neue Freie Pr,sie" verkündete schon am Tage nach der Wahl, d«h die Sobranje entschlossen sei, die Nnabyängigkeit Bulga rien« z« verkünde» und damtt di« Zustimmung der Vertrags- Mächte znr Wahl de« Prinzen Ferdinand überflüssig zu machen. Dnrch dies« Meldung wnrd« di« Vorstellung ver breitet, da« Prinz Ferdinand den bulgarischen Thron unter Mm Umständen besteige« werde, gleichviel ob Rußland sich damit «inverstandrn erklär« »der nicht. Di« Erklärung de« Prinzen über di« Annahme der Wahl erschien demgemäß als eine leere Form, »elche nur die Bestimmung Hab«, sein« wahre Meinung zu verbergen; dem Prinzen war die Nolle eine« Manne« zugewiesm, welcher sich zum Vollstrecker dr« Willen« de« bulgarische« Volke» zu machen bereit war, der Kühnheit genug besaß, um dem Berliner FriedeaSvertraz zum Trotz den vom Fürsten Alexander von Battenberg be tretenen Weg, mnthiger al« dieser, bi« znm Ziel« zu ver folgen. Zu einer solchen Ausfaflung der Sachlage war nicht der geringste Grund vorhanden und vor allen Dingen hatte Prinz Ferdinand selbst daz« nicht den mindesten Anlaß gegeben. Alle«, wa« er gethan, bestand darin, daß er die aus ihn gefallen« Wahl annahm und darüber «inen nicht unberechtigten Stolz »nr Schau trug, er hat aber die Vertreter de« bulgarischen volre« niemals darüber der Au«druck seiner ehrlichen Neberzeugung, welche er der Abordnung der Sobranje. welche shm den Wahlact über brachte, noch ausführlicher dabin darlegt», daß er nicht befugt sei, seinem Herzenswünsche Folge zu leisten, der ihn nach Sofia ziehe» sondern al« Kürst dir Verträge achten wüste, damit sein Thron auf fester Grundlage ausgerichirt werden könne. Diese Haltung war von Anfang an richtig angemessen und würdig, ft« entbehrte vielleicht de« romantischen Hinter gründe« und eignete sich auch nicht zur Abfassung eine« Heldengedichte«, aber sie war verständig und ging nicht Uber schwerwiegende Thatsacken achtlos hinweg, damit nicht eine« Tage« da« Kartenhau« der bulgarischen Unabhängigkeit rrttung«lo« über den Haufen geworfen und die Sach« Bul garien« al« verloren gelten konnte. Wa» an dieser Haltung unmännlich genannt werden könnte, ist nicht verständlich, sie ist im Gegrntheil mann haft, weil sie sich ebenso frei hält von thörichter Schwär merei al« von Verzagtheit. Dem Willen Rußland-, so weit er durch die Verträge begründet ist. Trotz zu bieten, wäre unter den gegenwärtige« Verhältnisse« die größte Thorheit, welche «ln Fürst von Bulgarien begehen könnte. Die Vertrag«,» ächte würden dann kaum in der Loge sein, gegen russisch« Gewaltakte Einspruch zu erheben. Al« General Kautdar« russische KrieaSschiffe nach Varna kou-acen ließ, um die Bulgaren dem Willen Rußlands mit Gewalt zu unt«- wersen, wurde sofort der Widerspruch der vertrag«- mächte laut und Rußland zog sich unter dem Druck der öffentlichen Meinung Europa» zurück. Wenn dagegen Prinz Ferdinand von Koburg heute in Sofia erschiene und die ügel der bulgarischen Negierung ohne die Zustimmung der ertrogSmächte ergriffe, so würde sich kein« Hand regen, um eine russische Dazwischenkunst zu verhindern. Rußland würde einen Krieg entzünden, wenn e« Bulgarien zur russischen Provinz machen wollte, aber selbst Oesterreich würde nichts dagegen rinwenden können, wenn Rußland einen Usurpater in Sofia entthronte. Dann wäre r« mit der Herrlichkeit de« kühnen Abenteurer« schnell zu Ende und die bulgarische Frage wäre in diejenige Bahn eingelenkt, in welche sie Rußland gern hineintreiben möchte, in die Bahn de« Aufruhr», welcher mit Waffengewalt unterdrückt werden müßte. Bisher haben Regentschaft und Sobranje sich inner halb der durch die bulgarische Verfassung gezogenen Schranken bewegt, Rußland befindet sich nach der Auffassung Europas im unrecht, weil c« Regentschaft und Sobranje nicht al« di« gesetzlich« Vertretung de« -bulgarischen Volke« gelten läßt. Da« ist ein verhältnißmäßig günstiger Zustand sür Bulgarien, welcher Rußland Zurückhaltung aufnölhigt, dieser Zustand muß deshalb mit peinlicher Sorgfalt auirechl er halten werden, Bulgarien darf in keiner Weise von dem ge setzlichen Wege abirren, sondern muß sich streng aus der bis» herigen Bahn weiter bewegen. Da« hat Prinz Ferdinand richtig erkannt und sein« Haltung danach eingerichtet, und darum sollte man ihn tadeln, ihm unmännliche Unentschlossen heit zum Borwurf macken ? Da« hieße ja Bulgarien systematisch in eine verderbliche Richtung Hineintreiben, c» zu lhörichteu und kopflosen Handlungen verleiten und einem ;ungen edrln Fürsten zumuthe», sich sür ein Hirngespinnst zu opfern. Aber trotz, seiner Jugend besitzt Prinz Ferdmanv hinreichende Be sonnenheit, um die Thorheit solchen Beginnen« selbst «inzusehen. Wen» auch dieser Versuch, die bulgarisch« Frage zu lösen, welcher mit der Wahl de« Prinzen Ferdinand zum Fürsten Bulgarien« anhebt, sehlschlägt, dann fällt di« ganze veranl- wortuug dafür «»«schließlich ans Rußland. Denn auch der Türkei kann nicht angesonnrn werden» im Widerspruch mit Rußland den Prinzen Ferdinand al« Fürst von Bulgarien anzuerkennen. Der Hi»wei« aus dir Sozeränetät der Türkei über Bulgarien «icht nicht hin, um ihr da« Recht der Ent- scheidung in dieser schwierigen Frag« zu geben. Alle Welt weiß, daß di« Türkei nur ein scheinbare« aber kein thatsäch- liche« Recht über Bulgarien üu-übt, di« Suzeränetät der Türkei über Bulgari« ist nnter di« Bürgschaft der Vertrag«- Mächte gestellt, si, besteht nur nnter der Voraussetzung, daß Bulgarien von einem Fürste» regiert wird, welcher von den Vertrag-Mächten al« solcher anerkannt un» bestätigt ist. Wollt« also di, Türkei einem Fürsten die Anerkennung «rtdeilrn, welcher von Rutzlanv beanftanvet wird, so würde die Türkei sich dadurch in offenen Gegensatz mit den Vertrag-Mächten bringen, ei» Zustand, welcher ihrer würde »nr nachtheilig sein könnte. Schon einmal ist der Sultan dnrch sein Wohlwollen für Bulgarien in «i», schiefe Lag« gebracht worbe«. Zu de, Zrit al» », tza« Irad« „ließ, welche« den Fürsten von Bulgarien auch al« Fürsten von Ostrnmelien anerkannt«. Rußland erhob dagegen Einspruch nnd «an fand den «»«weg. den Fürste« Alexander ans fünf Jahre zu« Gentralgouverneu, Ostrnmelien« r« erwählen. Da« war «ine mittelbar» Lemüthignng de« Türkei, da« Ärad« de« Sultan« wurde dadurch nichtig, ^ »nrb« in einer vo« Sultan nicht beab- sichtigten Werse eingeschränkt. Weit schlimmer nnv »icht wieder gut zu^ machen würde di« Bestätig»«« eine« Fürs«,» " je» welchen Rußland Wider- iderspruch würbe die ganze Türkei Bulgarien gegenüber in da« recht, Licht gesetzt werden. Mau kann sich ja aus den Standpunkt stellen, daß man di« bestehenden unhaltbar«» Zustände aus »n Balkanhalbinsel wieoe, gut pr machen würde »« al« Herrscher Bulgarien« sein, aeae, sprach erhöbe. Durch drese» Wit Hohlheit der Machtstellung der T durch gesündere und der Dauer fähige zu ersitzen sür nöthig hält, da« läßt sich hören und danach wird auch früher ober später verfahren werden müssen, aber cS giebt noch eine höher« Rücksicht, welche diesen Standpunkt vorläufig noch al« zu radikal erschkinen läßt, und diese Rücksicht ist die auf die Erhaltung de« europäischen Frieden«. Nicht alle Fragen sinv der friedlichen Lösung fähig und zu diesen gehört tn erster Linie die orientalische, aber neben der Lösung giebt e« noch die Vertagung und diese ist nach Lage der gcsammten euro päischen Verhältnisse heute entschiede» da« EmpfehlenSwerthr. Die Zeit der Abrechnung kommt noch früh genug. Wenn sie noch recht lange hinauSgeschoben werden kann, so wollen wir dies« Frist gern hinnehmen. * Leipzig, 31. Juli 1887. * Die „Kreuzzeitung" veröffentlicht folgende auffällige Mittheilung über eine Verurtheilung de« Recht«- consulentrn Sparr: lieber den Proceß gegen den früheren RechiScoasulenten Sparr brachten wir kürzlich die Nachricht, daß dessen hier in Berlin verübte hochverrStherlsche Handlungen aller Wahr scheinlichkeit nach im Zusammenhänge mit der von London aus »ach Deutschland übergcleilclen anarchistischen Propaganda der That stehen. Wir müssen jene Notiz dahin berichtigen, daß eine Ver einigung des ProcrsseS Sparr mit dem Proccß Neve nicht mehr mSglich ill. sondern durch den erste» nur eine wcienlliche Bereiche rung des Materials für die Verhandlungen gegen Neve und Genossen geboten wurde. Sparr selbst ist. wie wir mfolg« einer Ansrage mitzutheilea uns veranlaßt scheu, bereit« am 82. April vom königlichen Landgericht zu Berlin wegen HochverrathS zu 4 Jahren Zuchthaus, 5 Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit von Polizei- aujsicht verurthellt worden. Merkwürdigerweise hat keiner der Berichterstatter der Presse von dieser Verhandlung irgend etwas mitgeiheilt, so daß die Entscheidung de- Gericht- völlig un bekannt blieb. Sparr war überführt worden, Nummern der vom Anarchisten Peukert herausgegebenen „Rebell" in Berlin verbreitet, dazu Auszüge aus demselben, sowie eigene anarchistische Pamphlete aus hckiographischem Wege vervicljälligt und im Innern von Häusern und öffentlnheu Bcdürsnlßanstalten angeklebt zu haben. Die einzige Entichuldigung ist die, er habe die socialdemokratische Partei Berlin« diScrcditircn wollen, diese habe ihm sehr übel milgeipielt, so daß er sich aus dies« Weise an ihr zu rächen beschlossen habet Der Gerichtr hos kouule sich dieser höchst bedenklichen Rechtfertigung nicht anschließen, sondern verurtheilte Sparr zu der angegebenen Straff. Erschwerend fiel sür de» Angeklagten ins Gewicht, daß er bereit- im Jahre 1881 aus Grund des Socialistengefftzes aus Berlin ausgcwicsen und ihm nur nach mehrsachen Gesuchen voni königl. Polizeipräsidium der Nnffnthalt in Berlin aus Widerruf gestattet worden war. Er halte sich nach seiner Ausweisung jahrelang in Deutschland und im Au-laude umher- getricben, wobei er überall von den Socialdcmokratcu und Anarchisten Unterstützungen empfing. Er kam dann nach Berlin zurück, angeblich, da er nirgends Beschäftigung zu finden im Stand« sei. Den ihm wieder gestatteten Aufenthalt in Berlin benutzte er jedoch dazu, uni eine anarchistische Agiiakion unter den Arbeitern hcrvorznruffn, wobei er Mitte Januar aus irischer That ergriffen ivnrde. Da er nach seiner Verurtheilung aus die Einlegung der Revision verzichtete, wurde seine Ueberführung nach der Strafanstalt zu Soonenburg sosort angeordnet. Soweit die Klarstellung de» Falle«. Ohne Zweifel ist derselbe ein Glied der Kelle vo» Hochverrätherüchen Ver suchen, welche gegen Ende des vorigen JahreS und zu Anfang diese- seile,iS der Anarcbisten in Scene gelehl wurden. Die endgiltige Entscheidung und völlige Aufklärung dnrite demnach auch über diesen Fall erst tn dem großen Anarchistenproceß vor dem Reichsgericht erbracht werden. * Ueber die mehrfach von der Presse erwähnte Schulzen- wähl in Tempclhof wird der „Kölnischen Zeitung" auS Berlin geschrieben: Die vielbesprochene Schulzenwahl von Tempelhos, einer Vorstadt von Berlin, hat mit einer an- Tragikomische streifenden Niederlage der Regierung geendet. Letztere wünschte mit Rücksicht ans die große Eniwickelung dieser innig mit Berlin zusammenhängenden Vorstadt die Ernennung eine- besoldeten, berufsmäßig auSgebilveten Beamten als Gemeindevorsteher- von Tempelhos, wie das seit längerer Zeit für die übrigen Vorstädte Berlin-, so in R>xbors, Schönebcrg, Steglitz, zu deren unverkenn- baren Nutzen durchgcsnhrt ist. Die Gcmeindevcrirctnng von Tempel- hos aber, die in ihrer jetzigen Zusammenletzung allerdings schwerlich der Höhe ihrer großstädtischen Ausgabe gewachsen ist, war mit einem solchen B ruisbeamte» nicht einverstanden und beschloß deshalb, unter allen Umständen ihr unstreitige- Recht der Schulze,,, wähl aulzuüben. Zunächst wühlte sie zum Schulzen den dortige» Führer der Conjervaiive», einen Bauernguisbesitzec, beste» sachliche Befähigung zu diesem Amte sittlich von manchen Ein- gesessenen bestritten wurde. Da kam der Laiidrath de« Kreise«, Stnbenrauch, ans die Idee, vor der Bestätigung der Wahl die im Gesetze in keinerlei Weise vorgesehene Forderung der vorherigen Schulzenprüsuiig durch den Laiidrath und KreiSauSschuß aufzustellen. Dadurch erhielt aus einmal dieser an sich rein örtliche Hergang eine große allgemeine Tragweite. Die Negierung war entschieden im Unrecht und mußte nolhwendig den kürzer» ziehen, da natürlich sich kein Bewohner der auf ihre „Helligkeit" besonder« stolzen Reichshaudt- padt und Umgebung aus eine solche willkürliche Prüfung einlasten konnte. Selbstverständlich diente ebenso die« Verhalten de« Land« ratb« dazu, Herrn Enge» Richter und seine Reptilien in Bewegung zn setzen und der Welt die große Reaclion auSzumalen, in der jetzt wieder Deutschland unter einem verrosteten BareaukratiSmu« schmachtet. Di« Tempelhoser Gemeindevertretung blieb sest, sie hielt ihr Wahl recht ausrrcht; war der eine Gewählte abgelehnt, fing- wählte sie einen neuen Bauerngutshcsitzer; auch der Landraih blieb sest, von jedem Gewählten verlangt» er da« Bestehen der Schulzenprüsung, und all» Gewählten blieben fest und verweigerten tapfer, sich dieser Prüfung zu unterziehen. Da hatte di» Gemeindevertretung — «in Zeichen, daß sie zu Höherem berufen ist — eine großartige Idee: in ihrer Mitte sitzt und redet ein Mann von gelehrlem Beruf, der »« sogar dazu gebracht hatte, als Vertreter de- deutschen Volke« di« sortschr»liche Seile de- deutschen Reichstag« mit seiner An- Wesenheit zu schmücke». Da« war der Or. m«1. Grevr, der nicht nur die vom Landrecht geforderten Eigenschasten de- Lesen«, Schrei- de»« und Rechnen« in großartigem Maße in sich vereinigt, s,adern al« fortschrittlicher Arzt zu gleicher gelt rin« Leuchte der Wissenschaft und der hohen Politik ist. Der war al« Reich«tag«abgeordneter einst sbgar dem Fürsten Bismarck gewachsen und sollte tchon mit dem Herrn Landraih fertig werden. Und richtig, den ließ sich Herr »tuvenranch ohne Prüfung gefallen; er durchschaute die Komik der Lag», nnd jetzt hat Temvelhof einen fortschrittlichen Gemeinde vorsteher; ,» e« dadurch besonder« glücklich gemacht wird, ist ein« «adere Frag», die schwerlich über den näheren Umtrei« diese« dnrch »,, gewaltigen Srercirp'atz der preußische» Garde blrüdmtrn Ortes hinau« Interesse erregen dürste. Doch tönnen wir etwaigen Neu gierige» schon jetzt verrathen, daß bereit« »» Stillen «ine Einigkeit zwischen alle» maßgebenden Kreisen erziel« ist, die in naher Zukunft ela« bester« und dem Orle nützlichere Lssung aus gesetzlichem Wege hrrdeisührea wird. * Durch cr Einberufung woch den 14. S cS Tccrct de- Prinz-Negenlen wird die bayerischen Lanvlage« aus Milt angeordnet werde». »Der Georg Li Frage ist vorläufig wieder gelöst, Zeit hinau«; da- ist da« Ergebnitz dneten der kretensischen National Hofrath beim österreichischen obersten Gerichtshöfe, enbach « r, wurde ans eigene«Ansuchen in de» Ruhe stand verseht. Derselbe, al-Führer der dculsch-conservativen Jartei drS NeichSrathcS bekannt, ist einer der hervorragend en Juristen Oesterreich-, besten Name mit vielen Theilen de- neueren Strafrecht« verknüpft ist. Lienbacher, der auch Mitglied de« Reichsgericht» ist. tritt von seiner amtlichen Wirksamkeit znrück, um sich ausschließlich dem politischen Leben hinzugeben. Während der letzten Zeit war Lienbacher von slawischer und klerikaler Seite vielfach angefeindet worden, weil er für die Devise „gut katholisch und gut deutsch" geworben hatte. * Ueber Katkow'S Befinden wird der „Now. Wr." unter dem 9. Juli au« Moskau geschrieben: „Die Kräfte de» Kranken haben etwa« zugenomme»; Knikvw hat das Bett verlassen und sich auf einen Lehnstuhl gesetzt. Die gelähmte rechte Hand beginnt wieder, wenn auch nur wenig, thäiig zu werden, und Kattow kann schon einzelne Worte auösprecken. Statt Milch mit Emser Kränchen verdaut der Magen schon Bouillon und weiche Eier. vr. Bjeloustow behauptet im Gegensatz zu Sackarjin und Bertensohn, daß kein Magenkrebs vorhanden, der Organismus aber sehr geschwächt und ein Gehirnschlag ohne jeden sichtbaren Grund hinzugekommen ist. Der Zustand de« Kranken »st immerhin ein sehr ernster und iebt Anlaß zu Befürchtungen. Katkow verständigt sich mit einer Umgebung mit Hilfe de« auf eine Tafel geschriebenen Alphabets, wobet er mit der linken Hand rasch auf die ein zelnen Buchstaben weist und auf diese Weise Worte bildet. Er ist bei vollem Bewußtsein und dieser Umstand ist für ihn um so schrecklicher, al« er sich immer beunruhigt und erregt, wenn er nicht sagen kann, wa« er will." * Telegramme «u» Sosia melde», daßPrinzFerdinaud von Koburg AnfangAu^ust zur Eidesleistung in Tirnova erwartet wird. Der Minister de« Innern vr. StranSky hat bereit« rin Circular an die Behörden bezüglich de« Empfange» de« Fürsten gerichtet. * Die kreteusisch« Fraj vielleicht auf eine geraumes ' der Mission der Abgeordneten der kretensischen Bersammlurg nach Konstantinopel. Je mehr Licht über diese Mission verbreitet wird, desto mehr gelangt man zw- der Erkenutniß, daß die Lösung bcr unlösbar erschienenen Frage wegen der Forderungen ver Christen aus Kreta sowohl ihrer Nachgiebigkeit und Versöhnlichkeit, wie nicht minder dem concilianten Wesen des Sultans zn danken ist. Es dringen jetzt Detail« über dies« Mission in die Ocffciillichkeit, welche e« ganz außer Zweifel stellen, daß eS lediglich die formale Seite war» weiche von allem Anfang an einer allseits be friedigenden Lösung Schwierigkeiten entgegcnstellte. Die Worte, welche ver Sultan an die Mitglieder der krrten- siscbcn Deputation richtete, machten einen tiefen und nach haltigen Eindruck aus sie; er erklärte ihnen klar und bündig, daß er bereit sei, die Wünsche de« kretensischen Volke« zu be friedigen, aber seine Würde müßte darunter leiden; an ihn« feie« daher, ihn au« diesen Schwierigkeiten hinauszubringen, und er bitte sie, ihm irgend einen Weg zu eröffnen, aus dem er in Ehren sowohl die Kretenscr zusriebcnstcllcn könnte, al- auch vie fanatischen Türken nicht noch mehr sanatisirt würden. Die Worte teS Sultans begegneten bei den CominissionS-Mit- gliedern einem so allgemeinen Vertraue» und erweckten eine so zuversichtliche Hoffnung auf vie schlicßliche Erfüllung der driiigendslc» Forderungen ihre« Volkes, daß eS ihnen nach ihrer Rückkehr ein Leichte« war, di« ganze Versammlung um« zustimmcn und zur einstimmigen Annnllirung de» berüchtigt« Beschlusses wegen der Stcuerverweigernng zu bewegen. Natür lich handelt eS sich nur um di« christlichen Mitglieder der National-Dersammlung, denn die mohamedanischen haben bei jenem Beschlüsse ja nicht mitgewirkt. Die christlichen Depu« tirten haben sich sonach zu dem folgenden Beschlüsse geeinigt, den sie alle unttrzeichnelen und hieraus dem Special-Ab gesandten de- Sultans, Mahmud Pascha Dschcllalevin, über reichten, damit ihn dieser dem Sultan telegraphisch mittheile. Die Session der Kammer, deren Dauer durch kaiserliche» Jrade um zwanzig Tage verlängert wnrdr, kann sonach un« verweilt wieder beginnen. — Der gedachte Beschluß der christlichen Mitglieder der kretensischen Nativnal-Versammluug hat folgenden Wortlaut: „Die christlichen Mitglieder der National-Versammlung, welche «tue so tiefe Achtung sür die wohlmeinende Fürsorge hege», die Euere Masestüt ihnen dadurch erwiesen haben, daß hüchlldicselbea in etgeurr Person die Regelung der obschwebende» Frage» durch die Entsendung kaiserlicher Abgesandter in der Person ihrer Excellcnzea Mahmud Pascha und Achmet Paicha übernommen haben und von dem Wunsche beseelt find, einen Bewei« ihrer Ergebenheit und ihre- Vertrauen« zu >eben, daß sie in Ihre guten Absichten und die Ver- svrechungrn setzen, die Euere Majestät den Abgeordneten dcr National- Bersammluna zu machen grrubien, bringen ehrerbieiigst zur Kenntuiß Euerer Majestät, daß sie beschlosten habe», dl« Hindernisse zu be seitigen, welche bisher der Emhcbung der Steuern und der regel mäßigen Function derselbe» entgegengesetzt wurden, und überlasten vertrauen«»»!! die glückliche Regelung ihrer Forderungen dem hohen Urtheilc und k«r väterlichen Fürsorge und Liebe Euerer Majestät. Taue«, am SS. Ju»t/10. Juli >887." (Folgen die Unterschriften.) * Fast an« dem fl«san»mt«n Bereich de« Mittelmeerbeckrn» liegen Meldungen über ungewöhnlich hohe Tempercitlir« Verhältnisse vor; Hand in Hand damit gehl die Nachricht, daß auf Sicilien di« Cholera-Epidemie Fortschritte mache. Bei alter Sympathie für di« Bevölkerung ver heim- gesuchten Distrikte darf man doch darauf ausmerksam machen, daß vom Etandpnnkt« der internationalen Hygieine auS diese Sachlage um dr«willen nicht al« alarmirenv betrachtet zu werden braucht, »eil e« scheint» al« Hab« die Eholera-Invasivn der letzten Jahr« nunmehr den Zraith ihrer internationalen Bedrohlichkeit überschritten und sei im definitiven Rückgänge begriffen. Da der Krankheitserreger sich nur noch m begrenztem Rayon unter abnormen Wärmegrade« und auch da «ur in einem Maß« entwickelt, da« an und für sich zwar immer noch intensiv genug, doch hinter den Epidemie- Erschrinuiigkn der früheren Jahre erheblich zurückbleibt, wäre vielleicht Hoffnung vorhanden, daß mit dem Eintritt Vrr kühleren Jahreszeit die Cholera auch die letzten jetzt noch auf europäischem Boden behaupteten Positionen sür diesmal endgiltig räumen dürste. * Ein Zweikamps zwischen Jule« Ferry und General Baulanger siebt in Aussicht. Wie heute rin Privattelegramin der „Vossischen Zeitung" au« Pari« meldet, bat Boulanger vom französischen Krieg-minister die Erlaudniß erhalten, Ferry herauszufordern, und hat diesem bereit» seine Zeuge« zugrfandt. Den Anlaß »u der Hera»«-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite