DER DRESDNER HOF UND DIE „MISSA SOLEMNIS" Wir müssen vielleicht erst durch die Leidenschaft hindurch getrieben und von Affekten verwundet wer den, eh' wir um einen Balsam beim Himmel an fragen. Diesen Weg führt uns Beethoven, in welchem wir das Höchste in der neueren Kunst zu verehren haben. Nikolaus Lenau, in einem Briefe vom 25. Mai 1838. Gegen Ende des Jahres 1822 wurde Beethovens „Missa in D“, die „Solemnis“, beendet. Beethoven hatte schwer mit dem Stoff gerungen. Hemmungen und Schwierigkeiten aller Art waren zu überwinden gewesen. Endlich war das Ziel der höchsten Voll endung erreicht: das Riesenwerk lag fertig vor. Beethoven war nun darauf bedacht, aus dem Werke geldlichen Nutzen zu ziehen. Auf Rat seiner Freunde sah er zunächst von einer Drucklegung ab und beschloß, die Partitur in Abschriften an kunstfreundliche Höfe zu verkaufen. Noch wußte er nicht, welche Höfe dafür in Betracht kamen und wie das Angebot zu bewerk stelligen sei. Da fiel ihm ein Bekannter ein, der durch sein Amt Bescheid wissen mußte: Herr von Griesinger, der Legationsrat bei der Sächsischen Gesandtschaft in Wien, ein Mann, der ihm schon früher guten Rat in Verlagsangelegenheiten erteilt hatte. Er sollte