58 Josef Hegenbarth Bär Es ist erstaunlich, wie Hegenbarth dieses Zeit hafte, das was in der Luft liegt, in anschauliche Werte umzusetzen versteht. Mit sparsamsten Mitteln. So begabt er für plastische Gestaltung im Zeichnerischen wäre, viel mehr treibt es ihn zum Umriß, ja zur Arabeske. Er hat eine besondere Kurzschrift der Kurven entwickelt, in deren jede er das Charakteristische einer Silhouette, einer Geste, einer Fortbewegung hineinzudrängen weiß. Jede Figur, in einem unbewachten Augenblick überrascht, wird auf ein paar schwingende Linien reduziert. Aber sein eigenstes Geheimnis ist das Beiein ander der Einzelheiten auf der Fläche, das zur Koexistenz sich verdichtet. Und hier wächst er nun über den Pathologen, der allein er zu sein vermeint, weit hinaus und wird zum Bild schöpfer. Seltsam gibt eine Kurve die Be wegung an die andere weiter. Sende- und Aufnahmestationen sind über das ganze Blatt verteilt und stehen kreuz und quer, oft enge, oft weit auseinander, in Verbindung. Gern wird eine nur konturierte Gruppe von einer tiefschwarzen Silhouettenpartie ausbalanciert. Die Farbe schafft eine bazillengeschwängerte Atmosphäre — Giftgrün, Schmutziggelb, ein stechendes Ziegelrot und ein wenig von bran- stigem Lila, und da und dort ein Flatschen, ein Punktgewirre, ein Bündelchen Striche weiß gehöht. Einzelnes scheußlich; einzelnes von höchster Sensibilität; das Ganze eine Symphonie. Es gibt aber auch Bilder, wo die Gouachefarbe, diese staubige, aschenhaft trockene Materie, die Hegenbarth bevorzugt, die zartesten Nuancen eines Juni-Vormittages eingefarigen hat. Das letzte in Hegenbarth ist der Illustrator, der, indem er Dichtungen anderer, Geschichten und Märchen bebildert, selbst zum Erfinder und Erzähler wird. Der nervöse Beobachter dessen, was ihm vor Augen steht, wandelt sich zum Phantasten — eine Metamorphose, die verstandesmäßig schwer zu begreifen ist. Aber er rettet auch in diese andere Sphäre seine besten Eigenschaften hinüber und bleibt im Grunde der, der er ist. Was, als ein Faktum von überpersönlicher Geltung, noch näher zu untersuchen und zu beweisen wäre. 59 Josef Hegenbarth Reinemachen im Krankenhaus 128