Aus Paulus Gerharöts Testament Nachdem ich nunmehr das 70. Jahr meines Alters erreicht, auch dabei die fröhliche Hoffnung habe, daß mein lieber frommer Gott mich in kurzem aus dieser bösen Welt erlösen und in ein besseres Leben führen werde, als ich bisher auf 8§>en gehabt habe, so danke ich ihm zunächst für alle seine Güte und Treue, die er mir von meiner Mutter Leib an bis auf jetzige Stunde an Leib und Seele und allem, was er mir gegeben, erwiesen hat. Daneben bitte ich von Grund meines Herzens, er wolle mir, wenn mein Stündlein kommt, eine fröhliche Abfahrt verleihen, meine Seele in seine väterlichen Hände nehmen und dem Leibe eine sanfte Ruhe in der Erden bis zu dem jüngsten Tage bescheren, da ich mit allen Meinigen wieder erwachen und meinen lieben Herrn Iesum Christum, an welchen ich bisher geglaubt und ihn doch noch nie gesehen habe, von Angesicht schauen werde. Meinem eigenen hinterlassenen Sohne überlasse ich von ir dischen Gütern wenig, dabei aber einen ehrlichen Namen, dessen er sich sonderlich nicht wird zu schämen haben. Es weiß mein Sohn, daß ich ihn von seiner zarten Kindheit an dem Herrn, meinem Gott, zu eigen gegeben, daß er ein Diener und Prediger seines heiligen Wortes werden soll: dabei soll er nun bleiben und sich daran nicht kehren, daß er wenig gute Tage dabei haben möchte. Die heilige Theologie studiere in reinen Schulen und auf un verfälschten Universitäten und hüte dich ja vor Synkretisten (Religions- mengern), denn die suchen das Zeitliche und sind weder Gott noch Menschen treu. In deinem gemeinen Leben folge nicht der bösen Ge sellschaft, sondern dem Willen und Befehl deines Gottes. Insonderheit: 1. Tue nichts böses, in der Hoffnung, cs werde heimlich bleiben, denn es wird nichts so sein gesponnen, es kommt an die Sonnen. 2. Außer deinem Amte und Berufe erzürne dich nicht. Merkst du dann, daß der Zorn dich erhitzet habe, so schweige stockstille, und rede nicht eher ein Wort, vis du erstlich die zehn Gebote und den christlichen Glauben bei dir ausgebetet hast. 3. Der fleischlichen, sündlichen Lüste schäme dich, und wenn du dermaleinst zu solchen Jahren kommst, daß du heiraten kannst, so heirate mit Gott und gutem Rat frommer, getreuer und verständiger Leute. 4. Tue Leuten Gutes, ob sie dir es gleich nicht zu vergelten haben, denn was Menschen nicht vergelten können, das hat der Schöpfer Himmels und der Erden längst vergolten, da er dich erschaffen hat, da er dir seinen lieben Sohn geschenket hat und da er dich in der heiligen Taufe zu seinem Kinde und Erben auf- und angenommen hat. 5. Den Geiz fleuch als die Hölle, laß dir genügen an dem, was du mit Ehre und gutem Gewissen erworben hast, ob es gleich nicht allzuviel ist. Beschert dir aber der liebe Gott ein Mehres, so bitte ihn, daß er dich vor dem leidigen Mißbrauche des zeitlichen Gutes bewahren wolle. Summa: bete fleißig, studiere was Ehrliches, lebe friedlich, diene redlich und bleibe in deinem Glauben und Bekenntnis beständig, so wirst du einmal auch sterben und von dieser Welt scheiden willig, fröhlich und scliglich. Amen!"