Bischofszeit. Haben wir den ersten Burghof durchschritten, so begrüßt uns am Eingang in den zweiten das prächtige Hauplportal, das malerisch zwischen schwere schwärzliche Mauermassen hineingestellt ist. Mühsam entziffern wir die verwitterte Inschrift: LsnoäiotuZ vovit in noiuiirs Domini. Rechts steht der Steinkoloß des Schöfferturms. Mitten darin, wo einst der Bischof seine elegante Wohnung hatte, erhebt sich jetzt eine hochstämmige Fichte, ihr breiter Wipfel muß die fehlenden Obergeschosse und das Dach ersetzen. Links aber, dem Schösserturme gegenüber, ragt der mächtige schmucklose Johannisturm; ein doppelköpfiger Adler mit der Jahreszahl 1509 deutet an, daß er zu Ehren des Schutz patrons von Meißen, des Evangelisten Johannes, erbaut ist. Das Untergeschoß bildetder sogenannte „Richtergehorsam". Hier unter dem himmelblauen Spitzbogengewölbe mit den großen vergoldeten Sternen hielt der Statthalter Petri oder sein Offizial die geistlichen Gerichte ab. Weit bis in die Lausitz hinein reichte die bischöfliche Gerichtsbarkeit. Der dritte Hof wird nach hinten durch die Ruinen des Fürstenhauses abgeschlossen. Einst war cs ein prachtvoller Bischofspalast, heute stehn nur noch die Grundmauern und der geschweifte Unterbau eines Altans, auf den der Bischof hcrauszutreten pflegte, um seinen im Freien versammelten Klerus anznreden. Darunter steigt man in die verzweigten Kellereien, die tief in den Felsen hineingehauen sind. Hier unten wurde das weitberühmte bischöfliche Bier gebraut, jetzt sieht man, wenn man sich mit dem Wachsstock durch die Ginstern feuchten Höhlen tastet, Fledermäuse in den Winkeln hängen. Dicht an das Fürstenhaus lehnte sich die Schloß- ckapelle zur heiligen Barbara an. Sie muß nach den alten Bildern ein Schmuckstück gotischer Bauweise gewesen sein; nur kümmerliche Ueberreste lassen uns heute ihre frühere Schönheit ahnen. Aber die Erinnerung an das wundersame -Geläut ihrer silbernen Turmglocken hat sich doch im Volke erhallen. In stillen Vollmondnächten, so geht die Sage, schwingt noch bisweilen ihr Helles Klingen leise durch die Lust. Wenn aber der Sturm in dunkler Herbstnacht um das Gemäuer heult, dann singen Geisterstimmen die Messe in der alten Burgkapelle. Verkündet das Glockenspiel vom Seiger- turme die erste Stunde nach Mitternacht, so zerstiebt der Spuk. Uns aber, die wir im vollen Sonnenscheine zwischen den Trümmern einherwandern und auf das alte Städtchen zu unfern Füßen herabsehn, treten lebendigere Bilder aus der reichen Vergangenheit Stolpens vor die Seele. Was die Steine verschweigen, das erzählen alte Chroniken und Urkunden.*) *) Anm. Namentlich M. Karl Samuel Senfs, Kirchenrefor mation — und Jubelgeschichte des Amts Stolpen, 1719 und M. Karl Christian Gercke, Historie der Stadt und Bergsestnng Stopsn, 1764.