EINLEITUNG Otto Schubert vollendete in diesem Jahre sein 65. Lebensjahr, und diese abgerundete Zeitspanne von sechseinhalb Jahrzehnten ist uns ein will kommener Anlaß, sein graphisches Werk in einer einigermaßen umfas senden Ausstellung der Öffentlichkeit darzubieten. Für die Druckgraphik, die hier in erster Linie herangezogen wurde, hätte eine solche Ausstellung allerdings bereits um 1930 stattfinden können, denn wie leicht aus den Datierungen ersichtlich, entstanden fast sämtliche Arbeiten schon in den Jahren vor 1926. Schubert hat sich mit den mannigfaltigen Strömungen in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg in seiner Art auseinandergesetzt. So verraten die großflächig geschnittenen Holzschnitte um 1919/20 deutlich den Einfluß der Dresdner „Brücke“, und auch die Radierungen zeigen neben dem bewußt primitiven Realismus der Neuen Sachlichkeit expressionistische Tendenzen. Die Lithographien wiederum weisen bis spät in die zwan ziger Jahre impressionistische Züge auf und erinnern häufig an den lok- keren Zeichenstil Slevogts, der nachhaltig auf Schubert einwirkte. Auch die mehrjährige Tätigkeit als Theatermaler blieb nicht ohne Einfluß auf die Druckgraphik und ist in verschiedenen Einzelblättern deutlich spürbar. Im eigentlichen Sinne ist Otto Schubert jedoch Illustrator, und gleich einer der ersten großen Aufträge für die Marees-Gesellschaft wurde sein Meisterwerk, der „Reineke Fuchs“ mit den schwui gvoll radierten und psychologisch sicher erfaßten Tierstudien. Bis in die miniaturhaften In itialen hinein ist dieses Buch mit feinfühligem Sinn für den inneren Ge halt der Tierfabel illustrativ durchgestaltet. Ganz anders, doch verwandt in der zügigen Strichführung, sind die leidenschaftlichen Kaltnadel radierungen zu Balzacs ”Contes drolatiques“. Dann wären noch die Litho graphien zum “Sindbad“ und zum “Gulliver“ und viele andere Illu strationswerke zu nennen, doch mag die Aufzählung der einzelnen Folgen dem Katalog Vorbehalten bleiben. Abschließend sei noch vermerkt, daß alle Druckstöcke, Platten und Teile der Auflagen, einer der Dresdner Bombennächte zum Opfer fielen, so daß nur eine verhältnismäßig be grenzte Zahl von Drucken im Besitz von Kunstsammlern und Museen erhalten blieb.