Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188804154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880415
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880415
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-04
- Tag1888-04-15
- Monat1888-04
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1888
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erste Anlage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Z? 108. Sonntag den 15. April 1888. 82. Jahrgang. Thllmrlicus als LLckkrmeister. i!»e tragikomisch« Geschichte au» der Brettervelt. von I Beck. MAHtzikWg VttAOtrn« (Schl-,.) Nach etlichen Wochen hatte Marie ihrem sllßen Pepi aber- mal» eine Zusammenkunft in ihrem Hause bewilligt, da Herr Höllriegel zur angegebenen Zeit von einem Freunde zum Ldenbefien geladen war, hatte sie jede Störung sllr unmög lich gehalten. Aber war'» Verrath, war'» Zufall, Herr Hüll» riegel überraschte die Liebenden wieder, und bie-mal kam e» nir Katastrophe. Der erzürnte Vater packle den unglücklichen Pepi am Kragen und warf ihn zur Stubenlhür hinan»; jener die finstere Treppe hinabfliegend, verfehlte eine Stufe. Hel und — ein entsetzlicher Schrei durchdrang da» Hau». LI» man von allen Seiten mit Licht herdeigeeilt, fand man den Aermsten aus der untersten Stufe bewußtlos im Blute liegend. Marie, die ihre- Geliebten Leiche zu sehen wähnte, schleuderte ihrem Vater die Worte: .Mörder I MörderI" zu und fiel dann dem Nebenstehenden ohnmächtig in die Arme. Herr Höllriegel war zerschmettert und keine» Werte» säbig Er saß im Lehnstuhl de» Bäckerladen» und fühlte sich nnsähig, zu denken oder zu handeln. Mitleidige Seelen brachten den armen Christ! in seine Wohnung unter großer Begleitung de» angesammelten Straßen-Publirum», welche» schnell in der Stadt da» Gerücht verbreitete: Hosbäcker Höll- riegel babe den Geliebten seiner Tochter, den schönen Schau spieler Christi, erschlagen. Die ganze Stadt nahm Partei slir da« verfolgte Liebespaar, und Pep, hatte sich zum ersten Male die ungelbeilte Sympathie der ganzen Stadt erworben. Da» Gerücht hatte stark übertrieben, so schlimm war e» nicht Der schnell herbeigerusene Arzt erklärte nach genauer Untersuchung de» verunglückten jede Gefahr für au»geschlcssen, aber — die schöne römische Nase für total zerschlagen. Für Ebr stl da» Schlimmste! Wa« blieb ihm noch, wenn auch da» hübsche Gesicht verunstaltet war? Pseffser, der die Assaire erst am nächsten Morgen erfuhr, begab sich sofort zu seinem Schützling und fand iya in einer »erzweiselten Stimmung. „Warum nicht lieber aus der Stell« todt, e» wäre immer noch ein Glück für mich gewesen, im vergleich zu dem Loo», da» >eyt meiner harrt", ncf Pepi schmerzlich aus, „wer wird mich jetzt noch engagiren, mit diesem Bruchstück von Nase? La» Hab' ich denn verbrochen, daß mich der Himmel so ent setzlich straft?!" Dicke Thränen feuchteten da» Gesicht de» Armen. Auch Pfeiffer konnte sich seiner Rührung kaum er wehren, tröstete ihn, so gut er konnte, und versprach ihm wiederzukommen, ihm die ersehnte Nachricht über Marie'» Befinden zu bringen Pseiffer, dem die Geschichte sehr nahe ging, hatte unter- weg» einen Plan gefaßt und begab sich direct zu dem Urheber ke» Unglücks. Cr war auf einen ziemlich unangenehmen Empfang gefaßt, da er die etwa» robuste Umgang»svrm de» biederen Bäckermeister« kannte, er wurde aber angenehm ent täuscht. Er fand einen gebrochenen. Reue und Mitleid füblenden Mann, der sich angelegentlichst nach dem Befinden seines OpierS erkundigte, überhaupt windelweich war. Marie lag nock krank, der Arzt empfahl höchste Schonung und Ruhe, um kein Nerven fieber zum AuSbruck kommen zu lasten. Der Vater erkannte jetzt erst, daß die Neigung seine» geliebten einzigen Kinde» eine tiefer sehende gewesen, al» er vorausgesetzt, u»d er verwünschte seine Heftigkeit und da» dadurch herbeigesührte Unheil. Lange saßen die beiden Vertreter der verliebten Parteien zusammen und conserirten. „Ich lege Alle» vertrauensvoll in Ihre Hand, Herr Pfeiffer", sagte Höllriegel, nachdem die Sitzung beendet war, „auch ich glaube, daß die» der einzig richtige Ausweg ist, und wenn Alle» glatt geht, will ich Gott tanken und meine verdammte Heftigkeit skir immer oblegen." .Seien Sie unbesorgt. Herr Höllriegel", erwiderte Pseiffer, .aus Regen folgt Sonnenschein Sorgen Sie für die Ge nesung Ihrer lieben Marie, daS Uebrig« lasten Sie meine Sorge sein. Aus frohe» Wiedersehen!" T>er gute Pfeiffer war lange nicht so gut gelaunt gewesen al» jetzt, da er eiligen Schritte« sich zu seinem kranken Schütz ling veisügte. .Roller, Du bist im Trockenen!" mit diesem AuSruf auS Schiller'» Räubern trat er freudig erregt in die Tbür de« halbverzweiselten Christ!, ,3a, ja. Glück muß ein junger Mann haben. Aber Glück und Nas' — wie leicht brxbt da»! haha! Doch der Himmel verläßt so leicht keinen Teulkchen!" Pepi sah ihn schmerzlich an, in dem Gefühl, daß der einzige Freund ihn im Unglück verhöhne. „Thue mir den einzigen Gefallen, Pepi, und mach' kein sc dumme» Gesicht!" rief Pseiffer übermüthig au». „Zum ersten Male in Deinem Leben hast Tu etwa» BernünitigeS gethan. indem Du Dir Deine stolze Römernase einschlugst, zum ersten Male kann ick Dir au»Ueberzeugung ein .Bravo!" zurusen. Für Dich ist au»gesorgt." Nachdem ihn Pepi flehentlich gebeten, ihn nickt länger zu foltern, setzte sich Pseiffer zu ihm, erzählte ihm ausführlich die Unterredung mit Marie'» Vater und den Plan für seine Zu kunft. Herr Höllriegel war eiuverstanben, daß Pepi spater Marien hcirathe, wenn er sich entschließe — Bäcker zu werden. Der Schwiegervater io 8po würbe ihn dann zu seinem aus wärtigen Bruder in die Lehre schicken, nach einem Jahr« könne er da» nicht allzu schwere Handwerk wenigsten» in seinen Hauptregeln erlernt haben, dann solle er al« Bäcker geselle bei ihm vorsprechen, da» Uedrige würde sich finden. Bedingung sei auch, die» Jahr mit Marie nickt zu corre» ipondiren, überhaupt die ganze Abmachung al» Geheimniß zu bewahren. Alle Kosten übernehme der wackere Alte jetzt schon und hoffe, so Alle» wieder gut zu machen, wo» er ihm Neble« „gefügt. Wenn Pepi mit dem Plan einverstanden sei. wolle Papa Höllriegel ihn morgen besuchen und alle» Nähere per sönlich abmachen. Pepi war vor Ueberraschung lange stumm, er konnte sich nicht so schnell in da» Unverhoffte finden, wußte auch nicht, ob Alle» ernst gemeint sei. .Bäckergeselle? O meine Illusionen!' war da» Erste, wa» er hervorseuszte. .Bäckermeister! Meister!" schrie Pseiffer, „zünftiger, ehrea- ester Hosdäckermeister! Kann'» wa» Höhere» geben? Frage tausend Schauspieler, wa» sie lieber fein möchten: Komödianten oder gut situirlc Hosdäckermeister? ob nicht ncunhundertneuii- undnrunzig unwvuo rusen: Hosdäckermeister! von Dir aber bin ich überzeugt, daß Du dazu mehr Talent hast al» zum Mimen. Außerdem vergiß nicht, Marie ist Deine Frau Meisterin, Du Glückspilz!" „Ach. meine arme Marie", stöhnte Pepi, „wird sie den Mann mit der ramponirten Nase »och lieben können?" „Unsinn", erwiderte Pseiffer, „Marie liebt Dich wahr und innig. Und so schlimm ist e» nicht mit der Nase. Für einen edlen Römer allerdings ist sie nicht mehr geeignet, aber sllr einen Bäckermeister geht sie immer noch." „Ich kann an daS Glück, Marie «ein zu nennen und einer sorgenfreien Zukunst entgegen zu gehen, noch gar nicht glauben", sagte Pep, lächelnd; „wie wollt' ich dem Himmel danken und meine Arbeit redlich thuu, wenn sich dieser schöne Traum verwirklichte!" „Er wird sich verwirklichen, sag' ich Dir. Morgen bring' ich Dir Deinen Schwiegervater ln «ps, sei freundlich zu ihm. Eigentlich war der Mann in seinem Recht: aber er hat ein weiche» Herz für sein Kind und auch für Dich. Er handelt, wie ein Ehrenmann nur handeln kann!" Pepi versprach dem scheibenden Freund Alle», wa» er von ihm verlangte, und nachdem er einen frischen Umschlag über seine desccte Nase befestigte, schlief er unendlich be- ruhigt ein. Ein merkwürdiger Traum umgaukelte seine Sinne. Er wähnte, er spiele den ThumelicuS im .Fechter von Ravenna" und seine Nase baumele ihm ganz lose im Gesicht hin und her. Al« ThuSnelda, welche die Gestalt seiner geliebten Marie hatte, ihn umarmen und küssen wollte, fiel die Nase ab. Da nahte Meister Höllriegel, al» Ealigula angetha», und knetete ihm eine neue Nase au» Brokteia. befestigte sie an der gehörigen Stelle mit der Aufforderung, Obacht zu geben, wie'» gemacht werde, da er vo» jetzt ab feine Nase sich selbst sabriciren müsse. Tann brachte Höllriegel einen großen Trog mit Teich herbei und kündigte den Beiden an, daß soeben zwölf Dutzend frische Nasen größten Kalibers vom Hose bestellt wären, dir sofort auSgetheill werde» sollten. Marie- TduSnelda legte hieraus ihren großen Mantel ab. krempelte sich die Aermel hoch und inunlerte Pcpi durch die süßesten LiebeSworte ans, recht fleißig zu sein, sie würde ihm treu zur Seite stehen. Pepi arbeitete, daß ihm der Schweiß strom weise herablief, er fühlte aber, daß seine neue Brodnase allmälig weich und dabei immer länger wurde, bi» sie endlich den Böden erreichte und ganz absiel. worüber der Träumer erwachte. Er entdeckte, daß ihm der Umschlag von seiner kranken Nase gerutscht war. Früh am Morgen betrat Pfeiffer mit Höllriegel Pepi'i Zimmer. Die beiden Männer, die sich vor Kurzem so schrof qegenüberstanken. blickte» sich lange schweigend an, dann reicht! Meister Höllriegel dem Kranken die Hand, welche dieser freudig ergriff. Aus dem biederen Gesicht de« Alten zuckte e« wie Rührung, al» er endlich sagte: „Sic sehen blaß au», lieber Herr Christ! I" „O, bitte, da« thut nicht» I" war Alle«, wa« der Arme in seiner Verlegenheit hervorbrachte. Sie blieben lange zusammen, die Drei, und da» hohe diplomatische Talent Pseiffer'» feierte einen großen Triumph. Al» sie endlich schieden, waren die früheren Gegner Freunde sürS Leben. Etwa» Uber ein Jahr war vergangen. Beim Hosbäcker Höllriegel feierte die einzige Tochter Geburtstag, den fünf- nnvzwanzigsten. Feiern konnte man eigentlich nicht sagen. Marie war seit dem bekannten Ereigniß ernst und vrrschlosien und auch heute erfüllte sie ihre gewohnten Pflichten still und gleichgiltig, ohne im Geringsten eine Feststiminung zu zeige». Papa Höllriegel trat jetzt a»S dem Wohnzimmer, da durch eine Glaöthllr mit dem Bäckerladen verbunden war. ein Bouquet in der Hand haltend aus Marien zu und gratu- lirte ihr mit ei» paar herzlichen Worten. Sie dankte ruhig und gemessen. „Marie, heute bist Du fünfundzwanzig", fuhr der Papa mit Humor fort, „die Jugend kann Dich vom Heiralhen nicht abballen. Wirst Du mir auch in diesem Jahr nicht meinen LiebtingSwunsch erfüllen und mir einen Schwiegersohn ins Hau« bringe», einen tüchtigen, jungen Bäcker? Sieh, ich möchte dem Schwiegersohn mein Geschäft übergeben und mich endlich zur Rübe setzen." „Vater! Ich habe vo» Dir nie verlangt, daß Du meinen Herzenswunsch erfüllen sollst. Du weißt, waS ich meine Ich werde Dir Dein Geschäft zu erleichtern suchen, so gut ich kann: aber verlange auch Du nicht da» Unmögliche von mir, mack/ mich nicht noch elender, als ich schon bin", antwortete da» Mädchen. Ihre Augen füllten sich mit Thränen, vor denen der Alte stelS respektvoll den Rückzug anlrat, auch heute retirirtr er wieder in da» Wohnzimmer, ries ihr jedoch die Worte zu: „Und ich sage Dir, Du heirathest doch noch einen Bäcker! " „Nie!" ries Marie ihm nach. Ter Alte ging drin im Wohnzimmer aus und ab und pfiff sein Liebling-stilck, den Dessaucr Marsch. Seit er vor einigen Tagen einen Brief von seinem Bruder erhalten, war er in bester Laune. Marie batte sich im Laden wieder an ibr Tischchen gesetzt und eine Photographie bervorgezoge», die sie innig küßte, — wir kennen den schönen Kops. Eine Rose au» dem Bouquet legte sie auf da» Bild neben sich, nahm wieder ihre Näharbeit I zur Hand und seufzte tief aus. „Gott grüßt da» Handwerk!" mit diesem Spruch der zu gereisten Gesellen trat rin hübscher Manu ir den Laden, sauber aber einfach gekleidet, den Stock ln der Hand, da» Ränzel aus dem Rücken. Marie zuckle bei dem Ton der Stimme in sich zusammen und wendete sich um. Ein Schrei der Freude ertönte: „Pepi, mein Pepi!" Jetzt lag sie in den Armen de» stattlichen Gesellen. Papa Höllriegel, weniger überrascht, trat jetzt auS der GlaSIbür. die Gruppe wohlgejällig betrachtend. „Na, Marie, wie lsi's? Willst Tu meinen LiebtingSwunsch endlich ersüllen und den jungen Bäckergeselle» da mir al» Schwiegersohn in» )au« bringen?" fragte er lächelnd. „Vater! herzlieber Vater!" war Alle», wa» die sreudig Erregte hervorbrachte, indem sie sich vo» Pepi lo-riß, ihren Vater umarmte und ihm ein Dutzend Küste hintereinander versetzte, dir der Alte lange schwer entbehrt hatte. ES wurde wieder Frühling in ihrem Herzen, — und sie ffatte kurz vorher geglaubt, der Winter wäre schon angebrochen. * * Zehn Weitere Jahre waren ins Land gezogen. Freund Pseiffer, der jetzt eine ehrenvolle Stellung an einer großen königlichen Bühne einnahm, kam aus einer Ferienreise durch die kleine Residenz A. Er erinnerte sich seine» Schützling», deS schönen Pepi, und beschloß, ihn zu besuchen. An dem wohlbekannten Hause prangte ein anderes Schild. Die beiden heraldischen Tbiere, da» herzogliche Wappen haltend, waren geblieben, darunter aber stand jetzt: Herzogliche Hosbäckerei von Joseph Christ! (früher Höllriegel). Die Freude deS Ehepaar« war groß und aufrichtig, al» e» dem Mitbegründer seines Glücks die Hand schütlcln konnte. Und glücklich waren sie, die Chrisil'S, daS sah man auf den ersten Blick. Ter wackere Papa Höllriegel batte vor drei Jahren daS Zeitliche gesegnet; er konnte daS Bewußtsein mit sich nehmen, baß sein gutes Herz ihm keinen dummen Streich gespielt, sondern im Gegenlheil, da» Glück seines geliebten Kinde» dauernd begründet halte. Er starb auch leicht. „Nun Pepi, die Nase sicht ja wieder ganz reputirlich au»", scherzte Pseiser, „wenn auch nicht gerade streng römisch, doch auch nicht böhmisch." „N cht wahr. Herr Pseiffer, Pepi ist immer noch ein hüb scher Mann?" sragte Frau Christ! halb im Scherz, halb im Ernst. „Der schönste Bäckermeister, de» ich ze gesehen", ont- wertete Pseiffer ganz ernstbast. „Wie viel kleine Christl'S kann man denn zur Zeit begrüßen?" „Sech»!" erwiderte Frau Christi halb verlegen. „DaS heißt, eS wären acht, aber zwei sind gestorben", fiel Herr Christ! ein, ohne den kleinen Stoß seiner Frau zu veachten. Eben kamen die größeren drei Knaben und rin Mädchen von der Schule heim und begrüßten etwa» verlegen den fremden Gast. „Ah! Wirklich hübsche Kinder, ohne Schmeichelei!" ries Pseiffer bei ihrem Anblick der erfreuten Mutier zu. „Na. und wie ist'», Pepi, soll keine» von ihnen sich der Kunst widmen?" „Um Gotte» Willen, nein, nur nichts davon!" rief Pcpi energisch auS. „Warum denn nicht?" sragte Pseiffer. „Ich fürchte, sie haben mein Talent geerbt!" v ermisch tes. -°- Berlin, 13. April. Die „National-Zeilung" meldet vom kaiserlichen Hose: lieber den Gesundheitszustand de» Kaiser» wird uns an» dem Charlottenburger Schloß gemeldet: Seit mehreren Tagen zeigte sich bei,» Kaiser eine von u»S bereit» am Sonnabend signalisirte Veränderung in der Fori» deS Aihinungscnnals, durch welche die bisherige Tanüle herauSgedrängt und die Einlegung einer anderen, länger geformten Canüle noihwendig wurde. Zur AuSsührung dieser Manipulation wurden gestern Nachmittag um 4 Uhr der Geh. Ralh Pros. v. Bergmann und l)r Bramann nach dem Charlotten burger Schloß berufen. Nachdem die neue Canüle eingelegt war, wurde die Alhmung, die in Folge deS vorauigegangene» Zwüchen- soll« elwas erschwert war, sofort wieder besser. Die letzte Nacht war gut und Hai den hohen Patienten, der durch die früheren u». ruhigen Nächte geschwächt war. gekräittgt. Der Kaiser ist heute srüh gegen 8 Uhr in verhällnißmäßigei» Woblb finden ausgestande» und beabsichligte, im Lause des TogeS eine AuSsahrt zu machen. Cme unmittrldnre Gefahr, wenn eine solche überhaupt vorhanden war, ist nunmehr ausgeschlossen. Der Kaiser Friedrich und die Kaiseri n Victoria machten beute wieder von Charlottenburg aus eine Spazierfahrt nach Berlin. Die Majestäten hatten etwa um ll'/, Uhr Tharlottenburg verlassen und irasen 10 M anien nach 12 Uhr in Berlin ein. Das kaiserliche Gcsährt, eine geschlossene Stadlequipage, fuhr zunächst die Rampe zum ehemalige» kronprinzlichen Palais emvor. Der Kaiser, welcher einen grauen Militairmaniel trug und da» Haupt mit der Mutze bedeckt hatte, entstieg zunächst dem Wagen und begab sich in daS Palais. Die Kaiserin Mit der Prinzessin Victoria folgten. Ein zweiter, ebenfalls geschlossener Wagen brachte Sir Morest Mackenzie, wählend in einer dritte» offenen Equipage zwei Flüqeladjuionten des Kaisers angesahren kamcn. Nach kurzem Verweilen im ehe maligen kronprinzlichen Palais begaben sich der Kaiser und die Kaiserin nach dem kaiserlichen PalaiS, um hier der Kaiserin Angnsta einen Besuch abzustaiten. Elwa um t2 Uhr 40 Minulen lrale» der Kaiser und die Kaiserin die Rücksahrt wieder nach Tharlottenburg an. Da» Publicum, daS sich vor dem kaiserlichen PaloiS an- gesammelt hatte, beqrüßle die Majestäten aus« Herzlichste. Der Kaiser nahm heut« vormittag niedrere Vorträge entgegen, arbeitete darauf einige Zeit mit dem Wirkl. Geheimen Ra!h von WilmowSki und hatte demnächst noch eine längere Conserenz mit dem Minister von Puitkamer. — Die Kaiserin Victoria hat den Wunsch au-geiprochen, heute Nachmittag 3 Uhr im Schlosse zu Lharloitenburg die Mitglieder de« Ausschusses deS SomilvS zur Unterstützung der Ueberschwennnten in den deutschen Stromgebieten zu emvsaiige». — Die Kaiserin Augusts unternahm gestern eine längere Spazierfahrt und empfing am Nachmittage um b Uhr den Fürsten von Bismarck in einer längeren Audienz. <? Halle, 13. April. Da» hiesige Schwurgericht hatte in seiner heutigen Verhandlung wieder eine Reihe jener Gewalt- thätlgkeilen. verübt durch polnische Arbeiter, die bekannt lich zu vielen Tausenden ln den BergwerkSbeztrken unserer Provinz, wie auch aus den großen »>it industriellen Betrieben verbundene,, Domainen und Gütern bcichäsiigt werden, durch schwere Strafen z» sühnen, Giwaltlhätigkeilen, wie sie tu jeder hiesigen Schwurgerichts Periode zu de» regelmäßigen Erscheinungen gehören. ES handelte sich diesmal wiederum »in LandsriedenSbruch, verbunden niil gemcinjchasllicher vorsätzlicher Körperverletzung. Au- geklagi waren dieser Verbrechen ü Grubenarbeiter, zumeist polnischer Nalionaliiät. Der Schauplatz de» bezüglichen wüsten Borgrnge» war der Bäticher'sche Gaiihos an der Tdaussee Zörbig-Bitterjeld gewesen Dort hatten am 9. Januar d. I. Nachmittag» sich zahlreiche Arbeiter der Deutschen Grube bei Bitterfeld versammelt, da sie an diesem Tage nicht arbeiten konnten. Wie üblich, hotten die Leute viel Branntwein getrunken und waren dann «nier sich, zunächst die Polen gegen einander, in Streit geralhen. Al- der Epectakel zu arg geworden, hat der Wirth Baumgarten Ruhe geboten, die Ruhestörer aus dem Locale gewiesen und erklärt, daß weiterer Branntwein nicht verab- reicht würde. Die Hin niSgewiesenen sind daraus aus den Wnth eingedruugen, haben diesen sowie de» ihm zu Hilfe kommenden Roßichlächier Heydrich, wie auch den Gesellen de» letzteren furchtbar Mißhandejt (u. N. hatte der Geselle b—ü Messerstiche erholten i. nicht besser war e» einem Geschirrsührer ergangen, al« derselbe das Gastzimmer verließ, um sich z« seinem Geschirr z» begeben. Schließ lich haben sich die denijchen Arbeiter zusammeugelhau und haben die Polen mit Gewalt hinau-getrieben, woraus das Thor, sowie die HauSIKür und Fenster deS Hanle» geschlossen worden. Die außen - siebende, etwa 3ö Personen starke Menge hat dann versucht, da. Gchöst mit Gewalt zu stürmen; eS ist ihr nicht gelungen, das Thor gewaltsam z» öffnen, woraus sie im Gehösl allerlei Verwüstungen angerichtet. lleberall suchten die mit Knüliej», Stemmeisen u. s. w. bewaffneten Unholde nach Personen, zertrümmerten z. B. die Fenster »c. Inzwischen war e» dem Ros-schlächler Heydrich ge lunqen, mit seinem Geschirr nach Bilterseld zu abzusahrea, wobei ec allerdings eine Strecke weit von den wülhenden Polen verfolg! wurde. Selbst andere Geschirre aus der Chaussee fielen die Menschen an. Heydrich kehrte al»bald von Biiterseld mit dem Gendarm aut dem Wagen zurück, wobei sie unterwegs eine Anzahl der Polen an- ircisen, die bei Ansichttgwerden des Beamten ihre Waffen Wegwarten. Aus der großen Zabl Pelbeiliglcr haben nur die heutigen 5 Au- geklagten sesigeslelli werden können und diese wurden zu 2 Jahren Zu-lndau- (der Haupt'ädclssührer), 1'/, Jahren Zuchihau», 1 Jahr. 9 Monaten und 6 Monaten G-sängniß verurtheilt. Da die An geklagten nur zum Thcil der deutschen Sprache genügend mächtig, mußi« die Be>Handlung theilweije mit Hilfe eine» Doimetscher», de» Lehrer» Piaschke hier, geführt werde». — Köln, 13. April. In der Nähe de» hiesigen Volk»' garten« brannte vorige Nacht eine Cantine nieber, von 42 darin schlafenden Erdarbeitern kamen vier um, zwei smd schwer verletzt. Die Täuschung. AIS jüngst des Lenze- linder Hauch Die ersten KnoSpen weckte. Da kam'«, daß seinen monarchischen Sinn Herr Eugen Richter entdeckte. Er ries: „Der Thron ist in Gefahr, Nicht länger darf ich'« verschweigen! In seiner wahren Gestalt will ich Dem Volke den Kanzler zeigen. um Lkazor clomiis wächst er sich an», a» macht schon lange mir Kummer; Seil Jahren deutet mein Blältlein zart Draus hin in jeder Nummer. Stets stärker wird sein HauSmeierthum Und die Macht der Krone geringer. Die traurigen Zeiten kehren zurück Der seligen Merowinger. (Ich weiß, die« ist viel zu gelehrt Für die meisten von meinen Lieben, Drum druck' ich in meinen Blättchen ab, WaS Rotteck einst drüber geschrieben.) Und sprecht, waS haben wir schließlich davon, Daß er herrisch waltet i», Lande? Die junge deutsche „Herrlichkeit" Bringt er in Schimpf und Schande. Zieht nur der Russe die Stirne krau», To eilt er schon, sich zu ducken, Und mit ihm zittern deS edlen CartellS Lakaien und Mamelucken. Ist denn dem Fürsten da» Kanzleramt In Erbpacht wirklich gegeben? Wie lange denkl er überhaupt Tenn eigentlich noch zu leben? Ich weiß, die äußere Politik Zählt nicht zu den leichtesten Sachen, Allein ich denke, so gut wie er Könnt'» mancher andre noch machen!" Erschöpft vom Schelten sank er zurück Und lauschte binau». gewärtig Der frohen Botschaft; schon halt' er im Kopf Den Abgangsartikel fertig. Er lauschte geduldig Tag um Tag Und mit ihm da» gesammte Freisinnige Volk, allein e» blieb Der ückajor clawas im Amte. Nun rausl er sich da» struppige Haar Und seufzt in nagendem Schmerze: „Umsonst verschwendet Hab' ich mein Gift Und meine Druckerschwärze!" ^ Kladderadatsch ßtug. pollvk, ««»stehlt. KWW Wlmhl ill M lllckmil Al«»d«rstoffen und Lsufr-tisus sm MW uni! 8m«l z« bckml dillW Pmscii. ! Währen- -er Messe sind die Berka,rfslocalitäten anch Sonntags geöffnet. ! «OWGGG»OO«OG»«GGGG»«G»G»GGG«GG»GGGGGG>*We»«*««O»«»GWOG«G«GOO»««»»»»*«O»«,»,O,»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder