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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188804217
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880421
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880421
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-04
- Tag1888-04-21
- Monat1888-04
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1888
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Erste Leilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. „v° 112. Sonnabend den 21. April 1888. 82. Jahrgang Vas zersprungene Glück. Novelle von Alexander Baron von Robert«. «,»dn»a rxrtott». (Fortsetzung.) Er war eine Scheuerfrau in unserem Hause beschäftig!, ein blaste» Weib, dem da« Elend und noch mehr der Kummer aut den Zügen schaute. Ich hatte gehört, wie die Bedienung den ihr sprach: Ihr Mann war ein Wülherich. der dieser lermsten da« Bischen Leben zur Marter gestattete. Er hatte sie mißhandelt und zuletzt au« dem Hause gestoßen in die MH hinein. Sie rühmten ihr ruhige», sittsame» Wese», w» solche Brutalität gewiß nicht verdiente. Neini nein. eicht da«! Mein Vater möge mir verleihen, daß ich auch nur einen Augenblick an Solche- denken konnte! Da» sahle, hohlstarrende Antlitz de» Weibe» hatte wie eine Erscheinung vor mir gestanden und .. . und ... in heißer Wallung stieg mir da« Blut zu Kops — doch r» war schon die Schani, daß ich solchen verdachte» fähig war! Nein, nicht da«! Nicht da»! Aber e» giebt eine andere Art der Mißhandlungen, ich fühlte e». Mit stummen Blicken, mit knappen, mechanischen Worten, mit dem» wa» nicht geschieht und nicht in Worten gesagt wird. Mein Vater war der Schatten, der kalte, unwirthliche -chatten — und sie war die Sonne, di« schöne freudige Lonne! So war sie gegangen, batte meine Schwester mit- qenowaieo ... Warum gerade die? Warum nicht mich? Ih. vielleicht war meine Schwester bester, schöner, artiger al« ich? vielleicht wollte sie ihn strafen, indem sie ihm Jene ,ahm und mich »nrtrckließ.... Ich hatte über dem Eifer, mit dem meine Blicke über den Zeilen grübelten, nicht auf da» Datum geachtet. Da stand e» deutlich: „Eisenach, Billa Alberta, den ..." Wie ich mich sofort an diese Worte klammerte! Iu Eisenach also wohnte meine Mutter.. . Eisenach ist nicht weit — ick weiß, der Sohn eine» Kaufmannes drüben, un« gegenüber, mit dem ich einen verstohlenen Verkehr von Tbür zu Thür pflegte, hatte mir in seiner renommirenden Gasten- laagenmanier von den Herrlichkeiten der Wartburg erzählt. Und auch di« steine Schreiberin de» Briese« — wenn e« denn s, sein soll, meine Schwester also — war dort gewesen mit der Mutter. ,.E» war sehr schön — ich freue mich sehr, kocht nicht die blaue BergeSweite au» diesen Zeilen? Eisenach ist nicht weit, „nur zwei Stunde» Fahrt", hatte Jener erzählt. In zwei Stunden zu erreichen — und meine Mutter weilt dort und mein Bater weilt hier — al» ob ein Wüste» Meer sie von einander trennte! vielleicht ein Meer de» hochstiirmenden Hasst». Ein Trotz erhob sich in mir — ich meinte, ich müßte ihnen grollen, ihnen Alle». Allen, um meiner Mutter willen, Mathia«. Miß, dem Bater! Und ich fühlte in meiner Win zigkeit. gerade in dieser eine Stärke, ihnen diesen Groll fühlen zu lasten. Gleich am Morgen that ich'». Trat vor Mathia» hin und sagte ihm gerade au»: „Meine Mutter wohnt in Eisenach. Billa Alberta, nicht wahr, Mathia»? Mein« Schwester Else auch?" In dem Tone log nicht» von einer Frage, eö klang wie eine Herausforderung. Wahrhaftig, e» entstand ein Aufruhr in den großen ruhigen Fallen seine» guten Gesichte». In der einen Hand eia Gesäß, iu der anderen den fanatischen Fcderwcdel, stierte tr mich an. „WaS denn? Wie so denn?" brachte er mühsam hervor. .Nun. ich meine nur so, Mathia»' — vnd ich fühlte. Wie meine Augen ihn anblitzten, al» ich etwa» leiser hinzu ' gte: .Papa hier, dl« Mutter dort . . . Warum wohnen 'ie nicht zusammen?' Eine kurz- Weile noch blitzte ich ihn an» mich an seiner llabchotsenheit weidend, wie er verblüfft und sprachlos dastand, dann, ohne eine Antwort abzuwarlen. machte ich ein mili- tairisches Kehrt und ging davon mit großen Schritten, die durch ihr Trappen die Wichtigkeit eine» Großen afsectirten. Ich weiß, da» Alle» ging sehr gegen seinen .Nespcct'. Und don da ab entstand eine Entfremdung zwischen mir und ihm. Er schien eine Scheu vor mir und einer Wiederholung solcher Fragen zu empfinden. Der Trotz aber stachelt« mich» und zuweilen im Vviübcrgehen warf ick» hin, wie für mich, ohne ihn anzusehen: .Eisenach, Billa Alberta!' Und weiter, in der Schreibstunde von Miß Wood. Sie saß neben mir mit verhülltem Kopf, ganz in ihr Migräne- aejübl versunken, und überwachte mit seltenen, zerstreuten Blicken, wa» ich nach der Vorlage schrieb. Ein paar Sätze folgt« ich cieser, aus einmal, mit großen, kühnen Strichen setzte ich bin: .Eisenach, Billa Alberta.' Und noch einmal: Eisenach, Billa Albrta!' Jetzt merkte sic auf. Ihr« spitze Nase wurde noch spitzer, einen Blick warf sie nach der Vorlage, al» wenn dergleichen wirklich dort gestanden haben könnte, dann glotzte sie mich mit ilircn Achataugen an. Und kein Wort — nur ein stummes, versteinerte» Glotzen. Ich senkte meinen Kops lies aus da» Heft hernieder und begann mit einem wahren Eifer weiter zu copircn. Bald, wohl sÜrLtend, daß noch eine »weite solche Herausforderung mir au» der Feder fließen könnte, begann sie mit mir zu rechnen. Ich war Viesen Tag bester al le >m Rechnen. E» schien Alle» wie geschärft in mir. Dann dei der Tafel. Nock nie war mir die Schneefläche so öde und trostlos erschienen. Mathia» hatte mir mein kleine» Wcingla» bingestellt, da» geschah selten; heute war Papa» Geburtstag Und Papa halte eingeschenkt, auch Miß ließ sich trotz ihrer Zimperlichkeit einen Tropfen gefallen. Papa saß still und düster, wie immer. Und mitte» in dem Schweigen, da» dumpf und drückend über der Tafel lag, flüsterte mir Miß ein Wort zu: ich möchte mit Papa «»stoßen aus Papa» Gesundheit! Ein matte« Lächeln flog über meine» Later» Er nahm sein Gla» und hielt e» gegen da» meine. »Nun, Prosit!' Ich hob diese», faßte e» fest in der kleinen Haust und stieß damit hart gegen sein Gla». E» gab «men laut gellenden Klang, .Oho'. sagte er. ,Do meinst r« tüchtig mit meiner Gesundheit, Kurt. Fast wären e» Scherben geworden I" Wieder stachelte e« mich, und ihm gerade und fest in» Antlitz sehend, sagte ich laut und arttculirt: „Auch Mama- Gesundheit!" Bei dem Worte fuhr seine Hand mit dem Glas« zurück, »nd eia wenig von dem Wein floß über da» Tischtuch. „Gewiß, gewiß, mein Sohn . , brachte er mit hastender Stimme hervor. „Gewiß!" E» stand ein Lächeln auf seinen Mienen; aber aß war da» Lächeln von vorhin, da» dort verpesten schien und nun nicht »ehr hinpaßtr. Nun fluthele eine Röth« über sein Antlitz, da hob er da» Gla» zu den Lippen und stürzte den Inhalt herunter, al« müßte er diese Röth« damit hinwegspülen Gleich schänkte er sich wieder rin und immer wieder, ganz gegen seine Art, bald nachher winkt« er Mathias nach einer zweite» Flasch,. E» entstand eine unheimlich« Stille, kein Dort fiel. Ich kühlte. w,e sie mich von link» und recht» mit ihren Streisblicken beobachtete». E» pochte und pochte iu mir, aber ich sa z schweigend und ausrecht, die Augen groß und ruhig, al» wär «cht« geschehen, nach de« Irystallene» Idol dort drüben au b»» Sim« gerichtet. Zuletzt fingen »rin« Beincheu an zu »«er lauter in di« Still« hiueiu. Miß Wood wagt« nicht, mir da» zu untersagen, jetzt, jetzt nicht l E» war» ' ' " h al» hätte ich einen großen Triumph davongetragen — und dieser Triumph hallte in dem säst übermüthigen Tone wider, mit dem ick diesmal mein Tischgebet sagte. — Gleich nach Tisch« lies ich zu dem Bildniß meiner Mnttcr hin. E» hatte einen so strahlenden Ausdruck, e» lächelte mir enlgegen, ja, wie der Sonnenschein seine goldigen Schmetterlinge heute lebhafter darüber hiiigaukeln ließ, war e». al» nickte mir da» Antlitz zu Halte ick'» gut gemacht? Hakte ich mir ihre Zufriedenheit verdient? Ja. ich hatte da» Wort ausgesprochen, um da» ihre L'ppen zu flehe« schienen — nicht» weiter al» da» Wörtchen: „Mama" ... aber e» war genug! E» war gut so! Bon da ab gab e» zwei Parteien in unserem Hause. Aus der einen Seite meine Winzigkeit in gedeimnißvollem Bunde mit Jener, deren Namen außer mir sonst Niemand über die Rippen dringen wollte, und deren Andenken sie scheuten, wie etwa» Unheilbringende«. Aus der anderen sic Alle, die ich mit der Nennung diese» Namen» herauSgrsordrrt. Ja. ein Krieg wischen zwei feindlichen Parteien, der sich einstweilen noch in umme». lauernden Blicken abspielte! O, eine Lächerlichkeit! sine Unbegreiflichkeit! — Eine Kinderichrulle, die diese Er wachsenen. verständigen ihr« Macht fühlen ließ und sie zu olch seltsamem Kampfe zwang. . . . Die Gewitterschwüle lastete schwerer denn je über un» lllle» — eS mußte eine Lösung kommen! Würde das Ela» aus dem Sim» sie un» bringen, wie «» seine Tradition war — oder war es nicht» Andere» al« ein ehrwürdige» Familien» lück, da» der „Respect" von Geschlecht aus Geschlecht vererbt? lkoch war mir der Glaube an seine Zauberkrast nicht ganz geschwunden — vielleicht wartet da» Glück seine Zeit ob, und man muß Geduld haben! Und immer wieder: Wa» ist doch da« Glück aus dieser Welt? Plötzlich kam «ine Lösung — und da» Gla» brachte sie. Ich halte meinem Straßcnfreunde viel von Leu geheimen Eigenschasten diele» Talisman» erzählt. Er glaubte nicht recht, aber seine Neugierde war doch gespannt, und er hätte da» Wunderding gar gern einmal gesehen. Eine» Tage» and sich eine Getegenbeit, der Vater war verreist und Mathia» nicht in der Nähe, da führte ich Jenen hinaus. Zuerst erregte die aUertbümliche düstere Pracht der Räume ei» scheue» Staunen; mit Vorsicht, aus den Zehen schritt er einher, al» könnte durch seine profane Gegenwart irgend ein Märchenglaube gestört werbe». Endlich hielten wir vor dem bewußten Sims. „Da» ist'»!" flüsterte ich. „Wo denn?" — »Nun da!' .Ah!...' Mit offenem Munde guckte er hin. Jeden allö war er enttäuscht, nun spielte ein breite» Straßenjunge», lächeln um sein« Lippe». .Da» soll e» sein?' Diese Mißachtung ärgerte mich. Papa pflegte ja auch gelegentlich aus die Jahreszahl aufmerksam zu machen — vielleicht würde auch ihm da» einen Respect vor dem Glase abzwingen? Kurz, ich flieg aus einen Stuhl und vorsichtig, in einer gewissen Erregung, Venn ich hatte da» Heiligthiim noch nie zu berühren gewagt, nahm ich'» von seinem Platze und reichte e» nach ihm hin. .Da. lie» einmal!' Er wollte danach fasten, ich entzog e» ihm, da knarrte «ine ferne Thür, eine Angst ergriff mich» ich wollte e» eiligst wieder hinstellrn, da stieß ich damit an den Rand de» SimseS — rin scharfe» Klirren — Scherben klingelten zu Boden — da» Gla» zerbrochen, zerbrochen! Wie versteinert stand ich von dem ungeheure» Schreck, mit entsetzten Augen stierte ich da» Gla» an. Ter Stoß hatte eine breite Lucke bi- hinab an den Griff hcrauSgeschlagen — und die Scherben dort unten am Boden. Zerschellt da» Glück von Edeiihall! Die Feinde stürmen den Wall, und da» Schloß stürzt in Trümmer. ... Wankt denn brr Boden nicht rinqSum, über mir, unter mir? Ich meinte eil, Brausen und Tosen zu hören, wie von wülhenden Zlaiiiinen. Komm', wir wollen e» sorttragen', hörte ich eine Stimme, die mich auS der ersten Lähmung de» Entsetze»» weckte; e» war die meine» Mitschuldigen. »Ganz zerschlagen, da» ist da« Veste!' flüsterte er. Ein zweite« verbrechen aus da» erste? — Nein, nein ... ich schüttelte den Kops. .So stell' e» wieder hin!' drängte er. »Hier . . und er bückte sich, reichte mir die Scherbe» Thu sie hinein und stell'e» hin, man wird e» nicht merke». Mechanisch folgte ick. die Wappenseite war unversehrt, aus den ersten Blick brauchte der Schaden nicht offenbar zu werden. Daun machten wir un» davon; eiligst, wie zwe Verbrecher flüchteten wir in einen Winkel unseres Garten» um dort Ratb zu halten. »Man läßl e« einfach, wie c» ist — wa» ist da zu machen?' meinte Friedet. »Wir brauchen c» ja nicht gewesen zu sein. . .' Ein Betrug?! Einem Anderen sollte die Schuld aus- gebürdet werden? Etwa dem alle» Mathia«? — „Nein, nein!" — wieder schüttelte ich den Kops. Und dann, in meiner Zerknirschung: „Ich werde Papa eS sagen, sobald er zurück in!" „WaS?l" Er schien erstaunt, dann mit einer bedenklichen Grimasse: „Er wird Dir nicht gerade den Kops abreiße» aber . „Wa» denn; aber . . .?" Einen Augenblick, nur «inen Augenblick Nberlies e» mich heiß, wie Furcht vor einer drohenden Gewaltthat. Bah", meinte er. „ein dumme» Gla»! Ein Gla». wie ein andere»! Man findet fchcn ein nene» dafür — ich habe hundert solcher gesehen! . . . Hast Du Geld?" O, er hatte keine Ahnung, wo» diese» Gla» bedeutete. Wie soll man ein solche» wlederkausc»? Einen Augenblick empörte e» mich WaS denkst Du denn? Für kein Geld in der Welt ist so eine» zu haben! . . ." Und gleich war der Jammer wieder da. „ES ist au» — e» ist Alle» vorbei!" stöhnte ich. Wieder glaubte ich ein Wanken de» Boden» zu verspüren — jetzt wird da» Unheil über unser Hau- hercinbrecheu und u»S zermalmen. . . Er schien sich ein wenig an meiner Verzweiflung zu weiden, seine Augen hatten solch schadenfrohes Glitzern. Jetzt zuckte er die Achseln und warf in säst gleichgültigem Tone hi», al» wäre e« eine Bagatelle: .Weißt Du wa»? Ich würde mich aus und davon machen, ich würbe nicht bleiben! Ich verstand nickt, sah ihn fragend an. „Nun ja, wa» ist da groß? — Weißt D». Kämmerer' Gustav bat eS auch so gemacht, e» ist wahrhaftig da» Beste. Wir halten so lange a» dem Spund von dem Fudersaß in seine» Vater» Keller hrriliiigejplctt. bi» da» lossuhr — glaatsch und sckw .. rr .. rr! Du hättest nur sehen sollen, wie e» herau-stürztk. Und nicht mehr zu stopsen — es war wunder schön, sag' ich Dir» da» schönste Rolbe Meer! Da macht' er sich aus und davon — e» «st das Beite. Die ersten Prügel schmecken am wärmsten, weißt Du! In drei Tagen war er freilich wieder da. rr hatte kein Geld — aber Dir fehlt e» nicht daran. Du kannst bleiben, so lange Du willst!' Er war einen Kops größer al» ich und hatte breite, kräftige Schultern. Ich stand vor ihm, völlig überrascht, bestürzt, mit emporgezogenen Brauen und offenem Munde. Da faßte er mich bei den Armen und rüttelte mich. .Du bist mir ein schöner Held!' lacht« er mit blinkenden Zähnen. »Wegen so eine« elenden Glase»! Detter. Du hättest nicht die Courage, «in Faß au»lausen zu lasten?" Da gellte «ui Pseiseusignal von der Straße her, Arirdel li^mich lo«. »E« ist der Gustav', sagte er» »jetzt muß ich Und im Davonspringrn drohte er wir mit der geballte» saust: .Daß Du Niemandem sagst, ich wäre Labei gewesen!' Mit ein paar tauten Psissen antwortet« er dem Signal. Eine ungeheure Rathlosigkrit überfiel mich. Da» böse Gewissen drückte mich, und ich schlich einher, wie unter einer überschweren Last, die mich danievermersei, müßte. Fast war ich daran, mich Matbia» anzuvertrauen — ab. ich batte ihn ja herauSgesordcrt, ich hatte gegen seinen »Nc- pect" verstoßen, er würde mir nicht verzeihen . . . Zuletzt aßte ich den verzweifelten Entschluß, Papa mein Verbrechen zu beichten. Als er am Abend von seiner Reise zurückkehrte, schien er chweigsamer, düsterer, schwererer Gedanke» voll denn je. Iliiiner tiefer sank mir der Mull». Welche Qual, bei Tafel zu sitzen, die Augen wie in einem dämonisch zwingende» Bann auf das Glas geheftet, da» an« aiig» seine Unversebrlbeit z» heucheln schien — hatte doch »och Niemand den Schaden bemerkt. Leu» schien eS mir, als glänzte und sunkette eS stärker, damit die Anderen daraus auf merksam würden und die Missethat sich offenbare. Bei einem Klapper» deS Geschirr» fuhr ich zusammen, ich meinte, da» Gla» selbst müsse nun klirrend in sich znsanimensallkn. Dies mal klang mein .Gott sei Dank für Speis' und Trank!' wie ci» erlösendes Ausathmen. Nein, ich konnte e» ihm nicht sagen, ich hatte nicht den Muth. Jetzt noch nicht! — vielleicht morgen? Schon be ginnt da» Unheil zu wirken, und e» hat schon seine Schatten über Papa» Antlitz gebreitet. Muß e» sich denn mit krachenden Ballen und zischenden Flammen erfüllen? Unsicht bar, langsam, heimtückisch wird e» kommen. . ick wickelte mich tiefer in mein« Decke, um mich vor all' den Gedankcn- grspenstern zu bergen. In den aufgeregten Halbtraum, der meine Sinne umfing, pielten immer wieder Friedet'» Lcckworte hinein: .Flicken, lilchten — auf und davon!' Wohin denn? In die Ferne, in die ungewisse Weite, in ein grsahrdroheude» Dunkel? — Nein, warum nicht in die sonnige Helle? I» die lachende Welt hinein, wo die blauen BergeSgipsel weiier und weiter locken zu märchenhaft sorgloser Wanderschaft? — .von der Wartburg sieht man tausend Berge", hatte Friedet gesagt. — Al>. die Wartburg! . . . „Ick freue mich sekr!" schreibt meine Schwester . . , und meine Mntler ganz in der Nähe . . ich höre ihre weiche Stimme, sie kommt mir entgegen geeilt, lächelnd, nickend ... sie breitet ihre weißen Arme nach niir au» ... sie »msänql mich ... ich ruhe iu dem köstliche» Atla» ibre» Schooße» . . . o. mir ist so wohl, so wohl, und meine Lippen stammeln- „Mama . . . Mama. . ." Am andern Morgen stand mein Entschluß fest: ich will fliehen! Wohin? Ick will ru meiner Mutter fliehen! — Wobin denn sonst? E» war so «»sack, e» schien so selbst verständlich. Friedel fand sich an unserer Tbllr ein. „Nun. wie steht'»" fragte er. „Ist e» heraus?" Und wieder die schadenfroh glitzernden Augen. „Nein, aber ich will fort!" „Oho!" Nun ist die Ueberraschung aus seiner Seite. „Wohin denn. Du Knirps?" „Zu meiner Mutter!" Da fuhr ein höhnische» Grinsen um seinen breiten Mund. „Habaha", lachte rr, „zu Deiner Mutter? Sehr gut!" Warum denn die» Lachen? Warum diese GrimasseL ES war Etwa», da» mir in die kleinen Fäuste subr und sich diese einen Augenblick ballen ließ. „Jawohl, zu meiner Mutter!" ries ich trotzig. „Gleich heule mache ich mich aus!" „Wenn sie Dich nun nicht haben will, Kurt . . ." und seine blinkenden Zähne schienen zu triumphiren. Dan» sprang er davon, mit einem ausgelassenem „Herrlich! Köst lich!" die Fäuste zusammenschlagend. „Wenn sie Dich nicht haben will . . ." E» war wie ein Stich, der mich in» Herz traf, vielleicht war eine Spur von Berechtigung in diesem Zweifel. Aber gleich daraus, trotzig und entschlossen: „So will ich selber sehen! Ich will wisse,i. wie Alles ist! Eine Lösung, eine Erlösung, weiter nichls!" Eine Stunde daraus saß ich in einer verborgenen Ecke LcS Garten» und hatte meine Sparkasse in Händen, ein kleine», «hvnerneS, birnenförmige» Gesäß, da» nur durch Zerbrechen seine Schätze hergab. Ich nahm einen Slein und zerklopfte e»; die Stücke, silberne und goldene, große und kleine, sielen heran». Mil pochendem Herzen laS ich sie auf, ließ sic vc» einer Hand in die andere gleiten — waren sie denn so heiß, daß sic mir in den Händen zu brennen schienen, wie etwas Glühende»? Ich war auf einen Stein am Wege nirdergesunken. otbci». lo», in Schweiß gebadet, mit taumelnde» Sinnen. Wohl zwanzigmal halte ich den Weg nach Villa Alberta erfragt; verwundert, zögernd war mir Bescheid gegeben worden; die Leute waren stehen geblieben und halten mir nachgeblickt, wie ich rannte — rannte, von einer Angst getrieben, als könnte ich zu irgend Etwa» zu spät kommen. IebeSmal war ich wieder in die Irre gerathcn, bald umsing mich die düstere, von wenigen melancholischen Bogelstinimen belebte Walde» dämnierung. bald hielt ich aus freier Halde, ringsum Bienen gesumme und der zitternde Gesang der Grillen — unendliche Einsamkeit! Und wieder hinab, wieder hinan, vor manchem Garten, gitter hatte ich gestanden, den Namen der Billa aus den Thor- pscitern entziffernd. Einzelne der Pfeiler trugen keine Namen, und kein Mensch zu sehen ringsum, die Wohnungen und Gärten wie auSgestorbcn in der Iulisonncngluth. Einmal war ich schon aus einen Prellstein gestiegen und wollte an der Glocke ziehen. Da schlug mir das Herz so gewaltig, daß ich die Hand wieder zurückzog. WaS sollte ich sagen? Wie mich einsühren? Würde sie mich erkenne»? Muß ich mich den» meiner eigenen Mutter zu erkennen geben? Wenn sie wirklich nicht» von mir wissen will , » » O, nicht möglich, nicht möglich!" Wieder hatte ich mich ausgemacht, in meiner halben Ver zweiflung neue Wege «inschlngenb, immer neue Irrwege. Zu letzt ging e» nicht mehr weiter; da saß ich nu»; hinter mir die braungelbe Lehmwand. die einen heiße» Odem auShauchke. vor mir .er bäßliche Staub de» Wege» und darüber hinan« die in dem Sonuendunst flimmernden Berge. Hier und dort glänzte ein Dach und blitzt« «in Fenster, eine Locomotive ließ ein klagende» Signal ertönen tief drunten im Thal, und da» Ecke der Waldberge wieberholle die Klage in gedehntem Ton Die Liber wurde» mir so schwer, ich ließ de» Kops zurlick- sinken, mein Hütchen fiel mir herunter, noch sah ich cs rocke» in den Staub de« Wege» hinein, aber keine Regung eines Gedanken«, c» wieder an^uhebe«. Es war «ine schwüle Tran,-.,ersticke. Plötzlich vernahm ich flüsternde Stimmen. Ich schlug die Augen auf. Eine Hobe weiße Frauengestalt stand vor mir. eine Fee au» meinem Märchenbuch«. M«,ii Kops fuhr Uber rascht empor und nur weitansgerissenen Augen blicht« ick die Erscheinung nn. Neben ihr stand ein Mädchen mit einem großen gclben Strohhut. der da» zarte Rosa leine» GesichlchciiS he beschattete; in seinen Händen hielt e» zimperlich »ul den Fingerspitzen mein bestaubte» Hütchen — da» erschien weniger märchenhaft. „Da« ist Dir ? WaS machst Du da?" fragte die Stirn nie -rr weißen Fee. Und jetzt, wie ihr Antlitz sich zu mir herab beugte, hauchte «in leiser, köstlicher Oeen, mir entgezr» wirkt« wie eia« Belebung. Zwei blaue, tiefblaue Augen strahlten mich an. E» war mir, al» kennte ich diese Augen . .. „Eisenach . . stammelte e» von meinen Lippen. Wo war ich doch? Hier ist ja nicht der Villetschalter de» BahnhoseS. wo ich mich aus den Zehen erhoben halte, mit meine»» Geldstück, kaS ich fest in der Faust hielt, aus da» Zahl- bret tippend. „Nun ja. Kleiner, da bist Du ja! Wie kommst Du hier her?" fragte die Fee. Immer mit den großen, befangenen Traumongen schaue ich zu ihr empor. Sie hat ein schöne», freundliches Gesicht; auch das ist rosa gefärbt, wie da- de» Mägdlein» neben ihr. „WaS willst Du denn? Du bist verirrt. Kleiner." „Eisenach, Billa Alberta..." stammele ich. Da» war mir so geläufig, mechanisch kommt eS heran». „Herrgott!" entjährt ibren Lippen. Sie hat sich aufgerichtet, e» zuckt wie em Schreck über ihr Antlitz. „Wa» willst Du . . . wie kommst Du . . . wie heißt D» denn ?" Fast wühsain bringt sie e« berau», sie atbmel schnell und erregt. Mit der letzten Frage streckt sie die Hand, die ein bcllsarbener Fckethandschuh bedeckt, nach mir hi», ohne mich jedoch zu berühre»; eine seltsame Scheu, ja Furcht, scheint sie noch davon abzuhalten. „Kurt!" sagke ich. Wa» ist? Warn», taumelt ihre Gestalt? Warum ver schwindet daS liebliche Rosa ihre» Gesicht»? Blaß ist sic, todlblaß! Mit tastenden Fingern fährt sie über die Schläfen und Stirn, al- müßle sie die Gedanken, die dort au» den Fugen geben wollen, zusauiiurusasscn. „Herrgott.... Herrgott...." Ihre Kniee halten sie nicht mehr, sie wankt, sie sinkt neben mich hin aus den Stein. In heftiger Erregung wogt ihre Brust, sie ist ganz außer sich. Mil ihrem Spitzrntuch wischt sie sich dir großen Perlen von der Stirn — nun — sie weiß nicht recht, wa» sie tbut — beginnt sie mir selbst mit dem Tuche über da» Antlitz zn tupsrn. »Komm her ... komm her .. flüsterten ibre Lippen, aber ihre Hände, ihre Arme wollen den Lippen nickt gehorchen, sie ist völlig verwirrt. Aus einmal: „Unv auch Papa? Papa ist auch mit Dir?" E» ist wie ein Stöhnen, mit dem sie sich Lust macht. Ob. sie ist'«! Ihre weiche Stimme! Ihre strahlenden AugenI DaS Bildniß au» dem Mausoleum ... DaS über» wältigt mich so sehr, daß mir meine Sinne schwinden wollen. Darauf siube ich mich aus zwei Armen ruhend, fest an gepreßt a» eine stürmende Brust. Ich werde getragen, mit ballenden Schritten eilt man. nebenher trippeln kleinere Schritte. 3» ihren Arme», an ihrem Herzen! — Mir ist so n«hl. so köstlich wobl. — Ich habe die Augen geschlossen, als mußte ich ineinen Traum festhaltcn, den da» Sonnenlicht verflüchtigen könnte.... Dann ächzt eine Thür in den Angeln, nun geht e» eine Treppe hinab, viele Stufen; die Schatten de» Laubwerke«, da» den Treppengang überdeckt, spielen mir über da« Antlitz. Ehe die Treppe zu Ende ist, läßt sie. die mich trägt, einen Nus ertönen: „Dorr! Dore!' — Ein Hilferuf, htein, ein Freudenruf. Wer beschreibt den au» dem Herzen dringenden Ton einer Mutter, die ihr Kind gefunden hat?! (Schluß folgt.) Die Leslimlmmyen über das Miethsrecht im neuen Lürgerlichen Gesetzbuch. * In dem Enlwurs zum Bürgerlichen Gesetzbuch sür da» deutsche Reich ist da» MiethSrccht vielfach gegen die bestehende Gesetzgebung abgeändert worden und zeichnet sich durch hervorragende Klarheit au»: Durch den MietbSvertrag wird der Bermielher zur Gewährung de« Ge brauch» der vermiclhclen Sache während der Gebrauchszeit, der Mielher zur Enlrichtuiig der vereinbarten Gegenleistung des Mietbzinse» verpflichtet. Der vermietbrr bat die Sache in einem z»i„ vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande zu überlasten und sie in diesem Zustande während der ganze» Mü'lhszeil zu erhalten. Leidet die Sache zur Zeit der Ueber- lassnng an den Miether an dem Mangel einer zugesicherten Eigenschaft, oder a» einem Mangel, welcher ihre Tauglichkeit zu dein vertragsmäßigen Gebrauch« ausbcbt oder mindert, oder tritt später ei» Mangel der eine» oder anderen Art ein. so rst der Miether sür die Zeit, während welcher die Tauglichkeit aiiigehobe» oder gemindert war. im Falle der Aushebung von der Entrichtung deS Mietb-preise» befreit, im Falle der Minderung nur einen verhältnißmäßigen Theil de» MiethS- preiseS zu entrichten verpflichtet. Hierbei ist zu bemerke», daß, wenn daS vermielhen eine- Grundstück» eine bestimmte Größe desselben zugesichert hat, diese Zusicherung al» Zusicherung einer Eigenschaft gilt. Außer diesen Rechten hat der Miether einen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung de» MielhS- vertrage», men» einer der eben bezcichnetcn Mängel zur Zeit der Schließung de» vertrage« vorhanden gewesen, oder später durch einen vom Bermielher rechtlich zu vertretenden Umstand eingetretcn »der wenn die Beseitigung eine« später eingrtre- lenen Mangel» von dem Bermielher verzögert ist. Auch für den Fall, baß dem Miether der vertragsmäßige Gebrauch durch daS Recht eine» Dritten ganz oder znm Tyeil entzogen wird, greisen die angeführten Bestimmungen Platz, und c» ist zu erwähnen, daß auch die auf grober Fahrlässigkeit des Miether» beruhende Unkenntniß jene» Recht» de» Dritten die Geltendmachung de» Schadenersatzanspruches gegen den Der mielbcr nicht auSschtießt. Der Nechissatz „Kauf bricht Miethe" ist auch im Entwürfe anerkannt worden, insofern dem Miether gegen den Ber- miether nur ein persönlicher, dem dinglichen nachstehender Anspruch zustcht. Bezüglich der Zahlung de« Mieth- preiseS bestimmt der Entwurf, daß derselbe am Ende der MiethSzeit, wenn er jedoch nach bestimmten Zeitabschnitten beniesten worden ist. je nach Ablauf eines Kalciidervierlel- jakres am erste» Tage der Monate Januar, April, Juli unv October zu entrichten ist. (Da werden denn koch die Leipziger Hausbesitzer sich dazu entschließen müssen, die Miethe nicht mehr im voran» sich bezahlen zu lassen.) Die sonstigen Verpflichtungen de» Miether» entsprechen im All gemeinen den Bestimmungen deS geltenden Rechts. Die Bor schristen über da» gesetzliche Pfandrecht de» BermietherS an dem Eingebrachten de» Miether« sind gegenüber dem geltende» Neckte abgeändert, und zwar im Wesentlichen dahin, daß die jenige» Gegenstände, welche der Pfändung nicht unterworfen sind, auch von dem Pfandrechte nicht betroffen werden. DaS Pfandrecht erlischt mit der Entfernung von Sacken vo» dem gemwtliclei: Grundstück. eS sei denn, daß die Entfernung heimlich oder gegen de» Widerspruch deS Bermielher« erfolgt ist. Der Vermiclher kann der Entfernung derjenigen Sachen nicht wider sprechen, zu deren Entfernung der Miether im regelmäßigen Betriebe seine» Geschäft« oder durch die gewöhnlichen LebenS- verbältnisse veranlaßt wird. Er ist berechtigt, auch ob»e Anriisung de» Gericht» alle anderen, seinem Pfandrechte uttterliege iden Sachen zu fordern und, wenn der Miether daS Grundstück räumt, rn seine Innrhabung zu nehme» und die Zurücksckiassung der heimlich oder gegen seinen Widerspruch eiilielnle» Sachen in seine Innehabung zu verlange». Sicher heitsleistung kann daS gesetzliche Pfandrecht ganz oder zum Tl < il auft-eben, wobei da« Gesetz eie Bürgschaft ausschlicßt. Der Entwurf regelt auch da» verhältniß de» gesetzlichen Pia ikrechle» des Bermielher» gegenüber anderen Pfandrechten >-los.-rn, al» nur die MielhSsorderungrn au» dem letzten I. brc cin Vorrecht bedingen. Der Gesetzentwurf sübrt eine, in Ermangelung der Partei- Vereinbarung geltende Kü»digung»sr,ft ein. Die Kündigung bei unbeweglichen Sachen soll regelmäßig nur zuläsflg sein bi»
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