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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188804295
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880429
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880429
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-04
- Tag1888-04-29
- Monat1888-04
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1888
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120. Zweite Beilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Tonntag den 29. April 1888." 82. Jahrgang. Das befinden des Kaisers. ** Berlin. 27. April. So schwere Besorgnisse und Befürchtungen der Beginn der Woche erweckte — die Gejahr ist noch einmal voriibergegangen, der schreckliche Anfall über, wunden, Dank der eisernen Constitution unserer Kaisers. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" erklärt die Gefahr der Situation, welche durch den letzten Ansall bedingt war. für besiegt. Freuen wir un» dessen und auch darüber, daß daS der Regierung nahestehende Blatt unS die trostreiche Mittheilung bringt, daS Fortschreiten de- Grundübcls sei ein außerordentlich langsame». Man kan« auch heute noch von einer sehr erheblichen Ausbreitung de« Leidens und von dem so sehr gefürchteten Uebergreisen desselben aus andere, besonders lebenswichtige Organe nicht sprechen. Freilich muß immer, so schmerzlich eS un- auch ankommen mag, vor irgendwelcher optimistischen Ausfassung der Lage aus drücklich gewarnt werden. Immer muß man sich wieder erinnern, daß das grausige .Grundübel* wenn auch langsam, so doch sicher fortschreitet. Heute giebt eS Niemand mehr, welcher daS Dasein dieses schrecklichen Leidens zu leugne» wagte. Die Krankheit läßt sich nicht zurückdrängen, sie läßt sich nicht eindämmen. Aber eS ist schon ein bedeutender Gewinn, wenn die ärztliche Kunst es vermag, da-Tempo des FortschreitcnS in etwas zu verlangsamen, die Widerstandskraft des hohen Patienten zu stärken. Alle anderen politischen Fragen sind naturgemäß vor dem Interesse, das Jedermann an dem Fortgang der Krankheit de« Kaiser» nimmt, in den Hintergrund getreten. Selbst die bekannte sprichwörtliche Neugier des Berliner», sei» leichter Sin», die großstädtische Lebelust — sie treten wenig zu Tage, eine volle freudige Stimmung kann kaum recht auskommcn. Mit Jubel wird die Kaiserin begrüßt, der Kronprinz und aste Mitglieder dcS Kaiserhauses, mit chrsurchlSvvller Theilnahme kam die Bevölkerung der Königin von England entgegen — aber das isl nicht Helle«, fröhliches Jauchze». Alles klingt „gedämpft", denn keinen Augenblick vermag der Berliner eS zu vergesse«, daß der Erste nu Staate und im Reich? mehr leidet und weniger Freuden dem Leben abzugewinnen vermag, als der Letzte seiner Unlerthane». Als einen besonder- glücklichen Umstand sehen eS die Aerzte a». daß der Kaiser sich eines verhällnißmäßig recht regen Appetits erfreut und daß er im Stande ist, weiiigsteiiS seit einigen Tagen, festere Speisen zu genießen und trotz de- völligen Mangels an Bewegung gut zu verdauen. DaS Fieber geht zurück, die Kräsle heben sich. Freilich ist der Kaiser noch so schwach, daß er nicht im Stande war, auch mit Unterstützung, vom Bett nach dem Sopha zu gehen. Er wurde die wenigen Schritte getragen. Gleichwohl hofsen die Aerzte, sobald das Fieber ganz beseitigt, und das dürfte in ei» paar Tagen erreicht sei», durch weitere kräftige Diät den Monarchen wieder so weit zu bringen, wie er vor dem letzten Anfall gewesen. M,t gerechnet wizd dabei auch aus den Ein- tritt wärmerer Witterung. Ueber alles Lob erhaben ist die großartige Freundlichkeit, die unerschöpfliche Geduld deS schwerkranke» Kaiser-. Der Herrscher des mächtigsten und augefthensle» Reiche«, der sieg reiche Führer von Wörth und Weißenbnrg, der schlachterprobte tapserc Held, ist dankbar sür die geringste Handreichung. Der deutsche Kaiser befiehlt niemals, er bittet immer und daö in einer so liebenswürdigen Weise, wie eS kein Anderer vermag. Dabei widmet er jeden Moment, den er dem Tode «bringt, der Arbeit. Im heftigsten Fieberkampfe hat ihn fast keine» Augenblick daS Bewußtsein verlassen, und auch während de- letzten furchtbaren Anfall- ist kein Tag vergangen, au dem Kaiser Friedrich nicht gearbeitet, an dem er nicht Borträge empfangen, Actenstücke gelesen, Entscheidungen getroffen. Unter schriften vollzogen hat. Das letzte so sehr kritische Fieber hat sich der Kaiser zugezogen durch mangelnde Schonung seiner Person. Tie Aerzte wollen jetzt doppelte Borsicht walten lasten. Nur langsam vermag sich auch diese stählerne Natur zu erholen Aber vor jedem Luftzug muß dabei der so sehr empfindliche Organismus bewahrt, lebe Anstrengung vermieden werden Nur nach und nach wird der Kaiser sich gewöhnen können außerhalb des Bettes einige Stunden zu verbringen, und ein paar Wochen dürsten immerhin noch vergehen, ehe er wieder an eine Ausfahrt denken darf — immer unter der Voraussetzung daß die Wiedergcnesung nicht durch den geringsten Zwischen fall unterbrochen wird. * Der „Elberselder Zeitung" wird aus Berlin geschrieben: „Damit die jetzt eingetretene neue Pause in der Weiter entwickelung der Krankheit dcü Kaisers von möglichst langer Dauer sein könne und eS gelingen möge, die in Folge deS letzten schweren Anfalls nicht unbedenklich gesunkene Körper kraft wieder zu hebe», wird auf ärztlichen Rath alles ver mieden werden, was Anstrengungen zu verursachen und neue Störungen hervorzurufen geeignet ist. Namentlich werde» di« Vorträge aus daS allernotbmendigste Maß beschränkt und eS wird den, Kaiser jede aufregende Thätigkeit serngebalte» werden. Die durch den Kronprinzen geübte Stellver tretung hat daher die weitestmögliche Ausdehnung erfahren; derselbe vollzieht jetzt u. A. sämmtliche Unterschriften mit Ausnahme derjenigen, welche sich, wie bei den Stande«, erhöhuiigen und anderen Gnadenbeweise», auf Urkunden be ziehen. die au« der unmittelbaren Initiative de« Kaiser« hcr- vorgegangen sind." Aus dem preußischen Landtage. * Berlin. 27. April Als r-ne recht ILftie- Borschrist hat sich wiederholt die Versassuiig-bkst mmung erwiesen, wonach Abände rungen der Verfassung in jedem der beiden Häuser de« Land tags zweier Abstimmungen bedürfe», zwiichen welchen eia Zeitraum von wenigstens 2t lag'» liegen muß. Der Sinn und die Absicht dieser Vorschrift war, die Versassung mit einer brsonderen Schutz, wehr gegen übereilte Abändernngsbeschlüste zu umgeben, bei solchen Beschlüsse» e>ne besonder« gründliche und sorglüllige Erwägung zu sichern. Dieler Gedanke ist an sich gewiß zu billige»; e» muß aber doch bezweiselt werden, ob thatsächlich ein Bebürsiiiß sür solche äußerliche Erschwerungen vorlog. Umerc» parlameniarischen Formen, einer,dre maligen Plenarberathung und meistens auch einer Com- luissioiiSberathung. kann man allzu große Leichtigkeit, ein Be- günstigen übereilter und unreifer Beschlüsse wabrhastig nicht vorwersen. eher daS Gegenthril, daß sie zu schleppend und schwer- fällig sind. Da lag wohl kaum ein wirkliche- Bedürsniß vor, diese die vollste Gründlichkeit ohnehin verbürgenden Formen bei Ber- sassung-änderungen noch mit ganz besonder« erschwerende» Be dingungen liuszustalten. Es ist dadurch schwerlich jemals el» Be- ichluß ander« ausgefallen oder hinlerlrlrben worden. Die praklische Folge ober ist, wie in diele,» Jahr, soll« da« Volksichulgesetz zu Stande koinnii, eine sonst ganz unnöihige und nutzlose Verlängerung der Landlagslcftio», welche dem Lande täglich einige tausend Mark kostet. Die Reich-Verfassung hat denn auch verständiger Weise vo» dieser lästigen Vorich, ist abgesehen und bestimmt einfach: „Ver- Siiderungen der Versassung erfolge» >»> Rege der Gesetzgebung". Wenn maii Verfassungsänderungen ln der Tdat erschweren wollte, niüßie man sestsetzen, daß sür solche die einfache parlamentarische Mehrheit, die del gewäbulichcn Gesetzen entscheidet, nicht genügt. Die Abfllmmnng-sriftcn der preußischen Versassung aber sind keine sach- liche Erschwerung, sondern nur eine äußerliche Belästigung. Herr Windihorst scheint auf die Verhandlung seines schul« politischen Antrags, der daS Princip der geistlichen Herrschaft über die Schule verkündigle. im gegenwärtige» Augenblick keinen Werth mehr zu legen. Er hal wenigstens nichts geinan, »m eine Erörrernnq herbeizusühren, wozu die Geschäftslage schon längst Raum geboten haben würde. Und doch hätte das Zusammenfinden des Cenlrums und der Conservativen bei dem Volksichulgesetz Aus sichle» eröffnet, Laß Herr von Rauchhaupt mit seinen näheren Freunden vielleicht auch hier wieder einen gemeinsamen Bode» mit dem llenlrum entdeckt häile. Hat doch schon die „Kreuzzeilung" nachdrücklich gegen Bestrebungen prolestirt. „welche zur völligen Ve.staal ich»»g der Volksschule führen sollen und müssen". DaS sind dlesclbcn Red w.»dünge», die Herr Wmdlhorst bei allen seinen schiilpolitiichcn Erörterungen anzuiveuden pflegt. Die Conservalivcn könne» srcv sein, wen» Herr Wnidlhorst rücksichtsvoll genug ist, sie du ch Vcrzickileistunq aus die Erörterung seines Antrags nicht noch weiter in Verlegenheit zu setzen. Da» Abgeordnetenhaus »ahm heule nach kurz r Beralhung i» dr.tier Leinug den Gesetzentwurf, betreffend das Diensteinkommen und die P usivn der Lehrer an nicht staatliche« hötz ren Lehr anstalten, an Es folgten Petitionen. Eine längere Debatte ries die Petition eine- jüdiichcn österreichischen Euülttbeomten um Auf nahm' ln den p eußisch n Slaatsncrband hervor Der Petent Halle provisoiisch die Schächwr gelle in Görlitz erhalte», Hin Nalukalisaiions- gcsu.ch aber war von den preußscken Behörden abgewicsen wora n. Die Peiilionscommission beantragte Überweisung an di- Regierung zur Erwägung. Dagegen deantragieii die Lonser vative», sowie das Cenlinm Uebelgang zur Tagesordnung, die Deutschsrcisliinlgen Berücksichtigung. Ter Uebergang zur Tages ordnung wurde damit begründet, daß da- Peiitionsrecbl nur preu ßischen Slaaisangehörige» zustehe, das Haus also keine Veranlassung habe, sich mit dieser Petition eines Ausländers zu beschäftige«. Dem wnrde vo» verschiedene» Redner» widersprachen und schließlich dem Commilsionsanlrag gemäß beschlossen. Bei der weiteren Beralhung von Pct tiviien ergab sich die Beichlußiiiifähigkeit des Hauses. Montag: Weichiclregtilirunq, schicsivig-bolsteinische Kreisordnung. Die heutige Beschlußunjähiakeit. eine im Abgeordneten. Hanse sellene Erscheinung, iiiahnt daran, daß die Kräne de- Hauses nochgirade erschöpft sind und genstgendcr Sloff, der eine gute Besetzung sichern könnte, nicht mehr vorhanden ist. An, nächsten Doiiuerstag wird denn auch nach Erledigung der schleswig.hol steinschen Kreisordnung und einiger ander» noch rückständige» Voll lagen eine längere Pause einireten. Das Haus wird dann am 14. Mai nochmals zur Abstimmung über das Bolksschulgcsetz jusanimentreten. Eine Leipziger Unsitte. * Wir erhalten die folgende Zuschrift mit der Bitte um Abdruck: Ich weiß nicht, ob es in anderen Städten auch so schlimm ist wie in Leipzig, aber das weiß ich. daß es in Leipzig in der lebten Zrlt vo» Jahr zu Jahr schlimmer geworden ist n»o gegen wärtig einen Grad erreicht hat, der für anständige Menschen kaum noch zu ertragen ist: ich meine die Unsille, aus Straße» und Plätzen und ln den Prvmenadenanlaaen Papiersetzcn und Speisereste berumzuwersen. Ganz so schlimm scheint es anderwurl- doch nicht zu sein. Ich habe kürzlich ln Dresden beobachtet, daß aus der Streck« von der alten Elbbrückc über de» Schießplatz beim Theater und beim Museum vorbei bis nahe an die Sophieakirche weit und breit kein Papierstück aus der Straße zu eben war, und da- war a» einem Wochentage. Es siel mir an genehm aus. In den Straßen sah e- zum Theft freilich auch nicht viel besser au- al- tn Leipzig. Bel mit ist es ober, wie gesagt, besonders schlimm, und es ist in der letzten Zelt immer schlimmer geworden. Nicht bloß in den Vorstädte», nickt blos l» den kleinen Seitengassen der inneren Stadt, nein, auch aus den Hauplstraßen, aus dcn freien Plätzen, aus den Raseubeelen und i» dem Strauchwerk der Promenaden — überall dieselbe Lüdorlichkclt! Und genau so sieht eS aus den Wegen ln unseren Waldungen au-: »n Rosentbal, im Echeibenholz, überall dasselbe häßliche Bild! Kaum sind die Straßen gekehrt, d ePaplerstücken,Apfelsinenschalen, Eicischalen, Bücklingsschale» aus Häuschen gebracht und weggesahre», so beginnt der Unsug vo» Neuem. Die Kebrichtwaqen sind aus der eine» Halste der Straße noch nicht fertig, so ist die andere Hälfte schon wieder verunreinigt. Kaum bat der alle Proi»enadeiiwärter mit seinem Körbchen die Rasenplätze abgesuctst. so kommt schon wieder ein fünfzehnjähriger Bengel oder eine „Dame", wickelt ei» Stück Küche» aus n»d wirst da- Papier in de» Rasen. Am empörendftc» ist e- de» Sonniags. Am Sonnabend geschieht alle- Mögliche, um der Stadt sür den Sonntag cin anständiges Gewand zu geben; aber wie sehen Sonn tags Vormittag» schon manchmal wieder der Königsilatz, die PeierS- brncke und die angrenzende» Proi»enadentheile aus! Kann es etwas Widerwärtigere- geben, als wenn am Sonntag Bormitlaq ich»» wieder um dle Bänke aus unsere» Plouiciiadeinvcgc» die Ars lsinen- und Bücküng-schaicn heruniliegin? Wenn man einen Mißstand gern beseitigen möchie, so forscht man seinen Ursache» »ach. Nu» haben alle Dinge bekannilich em paar Ursachen. Die eine ist im vorliegenden Falle entschiede» die: das Papier ist immer werihloser geworden. Wo sind die Zeiten hm, ivo die alte Tante monatelang ihre» Strickstrumps sorglältig in denselben Papierbogen w ckelte, weil sie nicht wußte, wo sie einen andern dernchmcti sollte, wen» dieser zerrisse» war! Wo sind die Zelten hin, wo der Lumpensammler mit dem Sack über der Schulter durch die Straße» ging und sich emsig nach jedem Papiersiückchen bückte, das er liegen sad, weil er dcn vollen Sack ganz leidlich ve» weitkeu konnlel Wo sind die Zeiten hi», wo inan l» jedim Eß- waarenladen sein Körbchen. Töpichen, Schüssclchen miibcmgen mußte, weil Einem nicht» eingewickelt wurde! Jetzt giebl's Papier in Hülle und Fülle. Jeder Quark, de» mau in eiiicm Lade» kauf», wird Einem eingewickelt, auch weil» mnn'S gar nicht ivüiischt. Kommen die Leute aus tem Laden heraus, so haben sie natürlich nichts Eiligere» zu Ihn», als die Waare wieder ausznwickeln und das Papier wegjiiwcrsen. Daß ein großer Theil unserer Strahciilüder- lichkeit lediglich auf diesen letzien Umstand zlirückzusührk» ist, taiür ist der schlagendste Beweis, daß es vor sogenannte» Deli- eatesscnläden, vor Fleischer-, Bäcker- und Cigarre»- ILden stets am schlimmsten auSjieht Man achte einmal daraus, und ich empfehle da namciillich der Beachtung de» G«im- maischen Sieinweg, de» Johanni-Platz, die Nürnberger Straße, die Windmühlenslraße, den Königsplatz, den Peierssteinweg, die Zeitzer Slraße u. a. Das sind wahre Herde der Lüderlichkeit. Das also ist die ctne Usiache. ich möchte sagen: die objektive, die im Object liegende. Dazu komnit aber ,»,» djc andere, die sub jektive, die In de» Subjoesen liegt. Das ist der entschieden im Abnchmeu begriffene Sin» sür Ordnung, Schicklichkeit, Wohlauständigkeit. Was nützt uns all unser Luxus, alle Hebung de- Geschmack«-, alle Verfeinerung der Gewerle zu „K»»st- -ewerben", wenn daneben eine immer mehr zunehmende sittliche Roh heit hergeht? Man sage nicht, das sei zu ichwarz gesehen; in cer geschilderten Lüderlichkeit spricht sich i» der Thal ein gut Thelk sin- Ocher Rohheit aus. Unsere Behörden thun Alle-, uni unsere Stadt und ihre Umgebung zu einer schönen Stadt zu machen. Es geschieht unendlich viel, Nicht blos zur Hebung der Ordnung und Sauberkeit, sondern geradezu auch zur Verschönerung dcr Stadt. Wer zurück- denke» kan», der vergegenwärtige sich das Bild, das die Pelersbrücke, der Obstmaikt, der Künigsplatz noch vor süiis, sechs Jahren boten, mit dcm denügen Bilde, er vergleiche de» Augustusplatz vor fünf, sechs Jahre» mit dem heuliqen. Leider giebt es Tausende von Menschen, die sür solch' Verschönerung gar kein Auge und keinen Sinn habe». Darum haben sie aber auch weder Auge noch Sinn sür das Gegeniheil, und da« ist enisch eben ei» Zeichen zunehmender Verrohung. Ei» Mensch, er sei alt oder jung, Mann oder Weib, der im Stande ist, auf dc» bunten Fliese» und dcn kunstvoll angelegte« Rasenplätzen, die unsere» Mende- brunnen umgeben, einen Papiersetzrn binzuwerfen — wie man es alle Tage mit ansehe» muß — ein Mensch, dcr im Stande ist, den Ruheplatz am Waldwege, an dem stündlich Hunderte vorübergeben, die sich nickt blos an der frischen Luft, sondern auch a» den wohl- gepflegten Waldwegen erfreuen wolle», durch wegqeworsene Speise reste und Papiersetzen zu besudeln, ist ei» roher Mcnick. Ich frage mich: wie mag'- »i euer» Wohnungen auSsehen? Die Wege, Slraßcn und öffentlichen Plätze dcr Stadt sind unser aller Wohnung. Wer sür deren Sauberkeit und Schönheit keinen Sinn hat, wie soll der in seinen vier Pfähle» dafür sorge»? Wie ist nun dem Uebel zu steuern? Einzig dadurch, daß man die Quellen verstopft, die Ursachen liesest gi. Da? ist leicht gesagt. Man kan» doch das Papier nicht wieder sciiener und Iheurcr machen. Rein, leider ist da» billige, beinahe werlhlos gewordene Papier, um eine beliebte Redensart zu brauchen, „ein Factor, mit dcm man rechnen muß". Und da enistcht denn doch die Frage: Ist unsere osficiclle Straßenrcini ung genügend? Meines Wissens Hai die gegenwärtig in Leipzig gellende Slraßenreinigniigsordniing — wo- »ach jeder Hausbesitzer dreimal der Woche, Dienstag«, Donners tags und Sonnabends, vor seinem Hause zu kehren bar und dann die Kehrichthaufen hinweggesahren werden, schon zu Ansange des vorige» Jakihunderts, vielleicht noch früher bestanden! Kann dieses Bersahre». da« vor anderkliald oder zweihundert Jahren genügt hat, wo ein viel, viel schwächere! Verkehr in unseren Straßen herrschte und wo, wie gesagt, ein Stück Papier noch eine Kostbarkeit war. heule noch ausieichen? Gewiß nickt, der Augenschein lehrt es lägiick. Wenn man sich aber wirk- lick nicht dazu entschließen könnte, eine häufigere, igge» wir geradezu eine tägliche Reinigung der Straßen aiizuordncn, da»» mußte wenigstens etwas gcsckehe», nm insbeioiidere der Papierictzenwirthschast ein Ende zu machen. Denn diese ist es, die den Anblick unserer Straßen und Plätze so ganz besonders widerwärtig macht. Da dev Lumpen sammler keine Geschäfte mehr zu machen scheint, so müßten eben Leute in genügender Zahl dazu angestellt werden, die Straßen und Platze, vor Sille», anck unsere Promenadenai,Iac,en täglich mehrmals abzusucken. Es giebt ln Leipzig genug arbeilSsähige Leute, die Armcn- unlcrslützung genieße». Könnten nicht ein paar Dutzend von ihnen dazu verwendet werden? lind noch etwas: könnte man nicht die Ladeninhaber. vor deren Lade» Tag sür Tag, Sonntags wie Wochen- tags, von sinh bis Abends die gleiche Lüderlichkeit herrscht — der deutlichste Beweis dasür, daß sie eben ihrem Laden enlstamml! — sür diese Lüderlichkeit verantwortlich machen, sie bedeuten, daß sie dem Publicum nickt jede Kleinigkeit unverlangt einwickel,, sollen, und dazu auhalte», täglich mehrere Male vor ihrem Laden zu kehren? Aus diese Weise könnte man doch virile chi das böse „Object" einigermaßen bekämpfe». Nun aber die SubjekteI Der Kainpi gegen sie ist freilich dcr schwierigere und noihwendigere. Es giebt so sehr viel unerzogene Erwachsene heute, und eS weiden ihrer täglich mehr. Wie sollen die dann Kinder erziehe»? Auch in de» sogenannten „gebildeten" Kreisen sehlt cs vielfach an dcr Kcnntniß von te» cinsacksten Regeln der Schicklichkeit. Im Treppen haus,' dcr Universitätsbibliothek steht ein Anschlag, der die Besucher der Bibliothek bittet, d,e jiirückgegebenen Entlcihicheinc nicht z» zerreißen und aus die Treppe zu werfen! Also auch dort dieselbe Unart Man braucht ja auch nur den Kreuzgang im Pauli»»,» cinzuiehcn. Die Schule allein, die heutzutage Alles machen möchie, reich: zum ErziehlingSgesckäste nicht aus. E- ist recht gut und schön, wenn, wie eS der Verfasser dieser Zeilen einmal zu seiner Freude sali, in der Freiviertelstiinde eine Schülerin im Schulhofe die Fiühstückspapierr ihrcr Mitschülerinnen in einen Korb sanimcil, damit sie nicht aus dem Hofe heiumgeworsen werden. Aber men» das Haus die Schule nicht unterstützi, sind ihre Veinühungeu ver geblich. Ich habe auch scingekleidele Damen schon mehr als einmal große Papicrbogen aus d e Straße werfe» sehen — wie sollen solche einmal jpä:cr ihre Kinder zur Ordnung erziehen! Aus dcr Straße müßte sich das Publicum selber belfen. Ein Erwachsener, der cs sieht, wie ein halbwüchsiger Bursche auS einem Fleischer laden tretend sein Wnrstpapicr aus die Straße wirst, mußte ihn nur sofort zwingen, es wieder aulzuheben, nöthigcnsavs mit Hilfe cin paar tüchtiger Ohrfeigen. Der Rath erläßt von Zeit zu Zeit — eS ist übrigens lange nicht geschehe»! — eine Bekanntmachung, worin er das Umherwcrse» von Papierstücken verbietet. Wer sorgt aber sür die Durchsührung de» Verbotes? Wenn keine Geldstrafe daraus geietzt wird, wenn die Schutzleute nicht täglich ein paar Dutzend Fälle zur Anzeige und zur Bestrafung bringen, nützt das Verbot gar nichts. Draußen im Walde kann sich das Publicum nur selber Helsen, und das sollte es recht gründlich Ihn», je eher, je lieber. Ganz arg ist eS aus dcm Wege vom Keitenstcg »ach Lchieußig. Er wird einmal >» der Woche, Sonnabend-, ahgeiuchl; aber wie sieht er Sonntags schon wiedcr auS! Möchie sich doch die Behörde ebenso wie das Publicum dieser iinmermehr zuuehniendeii „Leipziger Unsitte" gegenüber nicht mit einem salaiistischen laisser aller beqnügcn. Ma» sage nicht, daß dem Uebel nicht zu steuern sei, es sec anderwärls auch nicht anders WennS anderwärts auch nicht anders ist, dann sollt« es wenigste»- in Leipzig besser werden. Literatur. „Die tztrenzboten." Zeilschrist sür Politik, Literatur und Kunst 47. Jahrgang. Nr. 18. Fr. Wilh. Gruiioiv, Leipzig. Inhalt: Die Lage dcr französischen Republik. Das juristische Studium. Das Geschlecht Tcxtor, Goelbe«' mütterlicher Stammbaum. Von H. Düntzer. Neue Romane Bon Moritz Necker. Gegen den Strom. Niels Lyhnc. Roman von I. P Jacobsen. Aus dem Dänischen übersetzt vo» Mathilde Mann, lFortsetzung.) Kleinere Mittheiliingeo. Rechts Unsicherheit in Brasilien. — Aus dcr Schweiz. — Vom Kunstmark» Literatur. Rud. Hanncke. Pominersche Skizze» und Neue Ponimersche Skizzen. Hierzu eine literarische Beilage von Robert Oppenheim io Berlin. » * Die von Otto Hendel in Halle a. S. unternommene und auch in diesen Blättern mehrfach erwähnte „Bibliothek der Ge sammtliteratur des In- und AnsIanSeS" (2ü-Psenniq.Nusgabe) ist bereit- aus 200 Nummern angewachse» und schreitet i» immer schnellerem Tempo vorwärts. Bon Beginn an Hot dieses Unternehme», das durch correclcn, deutlichen Druck, handliches Format und euch dadurch sich auszeichuet, daß die Bändchen i» steife» Umschlag gehestet und beschnitten sind, überall Eingang ge- sunoen und nimmt gegenwärtig eine der ersten Stellen aus dem deuisch » Büchermärkte ein. ** I. si >k s a SsrvorrLxsQä soküvs kMMi's-MlliiMil Oro88arti^6 8ortimente von krüdtLdrs- Stoff-Neuheiten ia HVollv N<« a«fBei»om«e»: Var»inrvsllei<-waar-n, Leinen, Taschentücher nnd Tischzenge. KeiegentikilskLufv. Bei doppelter Breite ^l6t«r«»-»vlxv l Mk. 2', Pf? Reinwollene streiken U", PI? 1° nivvl -1° sülen ii M uck« Wsi W Usr! 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