Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188804287
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880428
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880428
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-04
- Tag1888-04-28
- Monat1888-04
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1888
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erste Geilage M Leipziger Tageblatt «ad Anzeiger. A? 118. Somm^eud den 28. April 1888. 82. Jahrgang. Der Ring am /ingkr. Eine Sünstlergeschichte von Ge»r» Aebe». R-chin»v »erröte». (Fortsrtzu,,.) Oppn war allein. Er drehte i» nervöser Hag seinen SLaurrbart und zischte fast unhörbar zwischen die Zähne: „Ist dieser Alte denn zum Idioten geworden!" Dann versank er i» vnmpseS Hinbrülen, und e» entging ihm, daß hinter dem etwa» zurnckgeschodene» Thiirvorhang ein frische», kecke» Madchengestcht mit koketten aschblonden Stirnlöckchcn neugierig hcivorlugte. Bald folgte eine schlanke, kaum au-gereifte Figur, an die sich ein elegante» Reitcostiim kleidsam anschmiegte. Es war die Coinleste Blanche von Eggebrecht, ein Backfisch der Aristokratie. Eie blieb an der Tbür stehen und knallte kräftig mit der Reitgerte. „Cousin! Cousinl" Ausgcschreckt wandte sich Oppen um, trat hastig einige Schritte vorwärts und wäre beinah' Uber ein kleine» Fuß- ktsse» gestolpert. Entzückt über de» Ess et ihrer Ueberraschung, ries Blanche ausgelassen: „Rein, das ist zum Todtlachenl D« machst ein Aesicht wie ein ertappler Schulknabe!" „Du verwechselst die Rollen, liebe Blanche", sagte Oppen, sich iuipo»irend ausrichtend. „Ich werde mir erlauben. Dich z« eraminiren, wa« Dich in eine s» zweisethaste Häuslich keit führt". „E>, ei. mein theurer Vetter ist ja auch dal" erwiderte Planche, durchan» nicht «»geschüchtert. - „Da» ist etwa» ganz Andere». Ich bin ein Man», noch dazu einer, für den da» Spriichwort gilt: llubleuz« vdligo!" „Verstehe! Die heutige Mor-euzeUuug hat Dich hierher geschickt." „Du- Du hast schon gelesen?" „Ta» kann ich bereit» seit meinem siebenten Jahre." „Du wirst unartig. Blanche! Ein vornehme» junge» Mädchen sollte derartige Reclainenotizen übersehen " „WeSbalb ist da» Reclamc?" „E» wäre unschicklich. Dir da» zu erklären. Es handelt sich hier um die Hand einer Tänzerinl" „Um die Klaue» einer Theaterlöwin l" ,.Wa» sind da» sllr AuSvrücke!" „Die Deinigen. lieber Cousin! Du wirst gut tbun, wenn Du wieder bei un» Gast bist, die Tbürcn zum Rauchsalon zu schließen Ich bade rin sehr feine» Gehör." „Da» ist ketne Entschuldigung für solche Extravaganzen," ermahnte Oppen streng. „Gieb mir Deinen Arm, Blanche I Mademoiselle Palm fvll nicht prahlen können, daß die Comlesse von Eggcbrechl bei ihr antichambrirt hat." „Ich bleibe!" ries Blanche, wie eia verzogene» Kind mit dem Fuß ausstampsead. Gras Oppen war in peinlichster Verlegenheit. Blanche war ihm Von seinem Onkel al» zukünftige Gattin bestimmt werde», und er hatte sich diese Wahl gern gefallen lasten, denn er fand sie reizend. Trotzdem verhehlte er sich nicht, daß «» nur der Reichlhum seine» Onkel- und nicht seine Schulden waren, wa» Blanche'» Eltern dieser Verbindung geneigt machte. Er zweifelte gar nicht, daß, wenn sie den Ring a» der Gipshand nach Hause brächte, man sich sofort vorsichtig von ihm zurückzichen würde. Mit einem geschickten Alsts hatte er bereit» vorbin de» vcrrLtherischen Abdruck in seine Rocktasche versenkt. Jetzt versuchte ex noch einmal, sie zu« Fortgehen zu Überreden. „Ich begreife nicht, welche» Intereste Mademoiselle» Hand siir Dich hat. Ein junge» Mädchen in Deinem Alter ist doch keine Balletenthusiastin." .Warum denn nicht? Dürfen denn nur Männer be- deulende Künstlerinnen verehren? Ich werde mir da» Der- dikilsi erwerben, diese ungerechte Mode zu bescitigeu. O, ich schwärme für Misere Coralie!" ,.Unsere Coralie? Wa» fällt Dir ein!" „Nun. Deine und meine l" .Du vergißt Dich immer mehr. Weiß Deine Mama davon, daß Deine Rcitpartie zur Jagd nach einer Tänzen» inSartet?' „Nein!" antwortete sie mit trotziger Aufrichtigkeit. ,,N»i', ich werde über Leine Unüberlegtheit nicht plaudern, wenn Du sofort aus bei» verbotene» Weg mit mir umkehrst. Die Theatcrreliquie sollst Du später erhallen." „Ich denke, Du hast sie gelaust. Zeige sie mir!" „Ich ... ich ", stotterte Oppen, „habe nur den Prei» be zahlt, ohne die Waare zu fordern. Da» ist mein Princip, wen» ich au» Barmherzigkeit kaufe." „Hast Du noch mehr solch' »ncigennütziger Principien?" sragle sie schnippisch. „Tn wirst sie „och schätze» lernen, wen» ich erst mehr Rechte über Dich habe, kleine Blanche." „O, so weit sind wir noch nicht, großer Harrhl" Sie schlug ein überlaute», silberhelle» Gelächter auf. „Kobold I" murmelte Oppen mit verhaltene»! Zorn. Er iishu, seinen Hut und schloß in gereiztem Ton: „Ich gehe zum Grasen Sh. Und Tu?" „Bleibe aus verkoken«, Wegen zurück. Adieu! Adieu!" Gre grüßle spötlisch mit der Reitgerte. Finsteren Blicke», »hne ein Wort Le» Abschiede», verließ Graf Oppe» da» Zimmer. AIS Blanche einige Minuten allein war und noch Niemand kam. sing sie an, sich zu langweilen. Sie öffnete da» Albuin, welch.-» in silberbescblagenei» Elsenbeineinbanv aus dem Tische lag Wie erstaunte sie. al» sie oari» lauter bekannte Gesichter, bei, Gothaer Almanach in Photographien, entdeckte. „Ganz »ie bei un»!" sprach sie kopsschütlel»» vor sich hin, „nur mit dem Unterschied, daß in Coralie'» Album die Damen fehlen. Oe« srtrömes se touckont! Die Gräfin Eggebrecht und Fräulein Palm haben dieselben Freunde. Was ist denn da für eine Welt, in der wir leben!" Beim vorletzt«, Album Kalt ließ sie dir Hand sinken. Sie blickte aus Herbarl'» Brustbild, al» wäre er lebendig, und sie wollte ihn mit den Augen durchbohren. „Meine Ahnung.... meine Ahnung!" flüsterte sie erregt, „er gehört »>it z» ihrem Triumphgesvlge' äadesteii." sudr >>e plötzlich beruhigt fort, ,,r» ist auch mög sich, daß sich Coralie sein Bild gekauft hat. Ich habe mir ja selbst seine Photographie au» «»«» Kiinstladen geholt, wen» da» Harrh wüßte!" Bon der Tbür vernahm ma» da» Rauscheu einer Seide» schleppe Blanche sprang auf. „Behalten Sir gefälligst Platz. Comteffe!" ries ihr Coralie zuvor kommend entgeqen. „Ich bitte um Verzeihung, daß ich Sie so lange warlen ließ, aber ich empfing Ihre Karte, während ich Toilette machte." Ohne zu antworten, maß Blanche sie mit einem langsam priiseilden Blick, der etwa» Verletzende» hatte. Ihr Gesicht uahni einen harten, licchmüthigen Ausdruck an. Sie war nicht mehr der lustige Springinsfeld, der sich gern gehen l eß, sie sühlle sich ganz alS geborene von Eggebreckt. Ihre Haltung war in diesem Augenblick so stanse-gemäß correct, daß ihr Vetter. Gras Oppen, nicht» daran hätte au»zusehen zebabl. Sir ließ sich schwerfällig aus da» Fauteuil nieder »ad sagte, während sie zerstreut niit der Reitgerte spielte: »D e mir «nein Vetter, Gras Oppen, mitlheilte, hat er seinen EoallhätigkeilSkaus nicht al» Eiaenth»,» reclamirt. Ich bin Kreil, ihn für die Hälfte de» Werlho». de» er gezahlt hat, »och einmal zu ersiehe». Sie machen dabei noch immer ein »»!c» Geschäft." „Tie erhalte» »ach Belieben einen anderen Gegenstand Wa» den Kauf de» Herr» Grasen betrifft, so hat er denselben behalten." „Mein Cousin lügt nicht", antwortete Blanche mit eisiger Ruhe. „Ich bebaupte die» ebenso wenig, wie ich da» von mir be haupten laste. Vielleicht hat Ihr Herr Cousin zu dieser Mit» tbeilung einen Grund gehabt, de» »vir Beide nicht kennen." „Nun. lasten wir da»! Ich werbe den vollen Preis zahlen. Wo ist Ihre . . . Ihre . . . dingSda — Wa» ver lausen Sie doch?" „De» G PSabdruck meiner Hand." „Richtig! Ich bitte darum." Während Coralie die Schublade auszog, fragte Blanche chcindar gleichgiltig: „Herr von Herbart hat ihre Hand rnovellirt. nicht wahr? " „Ganz recht, mein Fräulein!" „Sie haben ihm dazu gesessen?" „Nein ... ja . .. Mein Gott, ha» ist doch selbstver- kändtichl" „Solche Movelliruug nimmt wohl viele Sitzungen in Anspruch?" ..Allerdings!" Coralie hatte sich wieder dem Tisch genähert und bemerkte etzt. daß da» Album gerade aus der Seite, die Ludwig'» Portrait enthielt, geöffnet war. „Sie wunder» sich wohl", sagte sie betroffen, „den genialen künstler in meinem Album zu sehen?" „Durchau« nicht. Er befindet sich dort in guter Gesell» cbasl. Herr von Herbart" — sie legte eineu besonderen Accent ans da» Wörtchen „vvn" — „Herr von Herbart ist ja auch von Adel!" Zum ersten Mal mußte Coralie daran denken, daß Lud wig von Adel war. Sie wußte selbst nicht, weshalb sie plötz- lich bei diesem Gedanken erschrak. „Sie scheinen Herrn von Herbart persönlich zu kennen, Comlesse?" „Sohr genau. Er verkehrt viel bei un». Er ist mein bevorzugter Tänzer. Sie allerdings." fügte sie mit leiser Ironie hinzu, „deren Berus da» Tanze» ist, würden mit seiner Begleitung nicht zufrieden sein." Coralie zweifelte nicht mehr, wvhin djfser Pfeil zielte. So vortrefflich e» Frauen verstehen, da» andere Geschleckt zu täuschen, ihr eigene» Geschlecht überlisten sie niemal-. Und dennoch! Coralie blickte sich nach dem Sträußchen, da» von der Brust ihrer Feindin aus den Teppich gefallen war, um die Nölhe zu verbergen, die ihr purpurn das Gesicht üb-rgoß „Danke vielmals!" sagte Blanche nachlässig, den Strauß wieder befestigend. Dann besichtigte sie die G pShand in ge steigerter Erregung „Dieser Siegelring gehört Gras Sy!" „ES ist der meinige. Comteffe!" „Um so schlimmer!" Die verschiedensten Empfindungen durchstürmtcn Blanche. Wie kam der Siegelring, besten Bedeutung sie wohl kannte, in Coralie'» Besitz und welche» Recht hatte sie. daß sie den selben öffentlich trug? Ob eS Harry wußte? Wenn sie sein verlegene» Leugnen mit der Behauptung Coralie'S verglich, s» war sic jetzt geneigt, anzunebmen. daß er mit der G,p»- hand da» Testament seine» Onkel» vor ihr batte verbergen wollen. Dies« Combination wurde ihr immer wahr scheinlicher. Den verarmten, enterbten Harry zwang ihr Niemand aus. uud doch ahnte er nicht einmal, daß sie seinen Platz längst vergeben halte. Ludwig! Der Gedanke na ihn, der ihr plötzlich unendlich nahe gerückt schien, hätte sie vor Freude laut aussckreieu gemacht, wäre sie nicht ebenso sehr im Stande gewesen, sich zu beherrschen. Wie sie in diesem Augenblick tafaß — blasirt unausmerksam, über ihr Vis-L-vis hinweg vornehm in» Leere starrend — bot sic eia treffliche» Bild jener Töchter der exclusiven Gesellschaft, die, ohne Uebergaiig. vom Kind gleich zur Weltdame reisen. Blanche stand auf und sagte mit eine», Lächeln, da» sich kau», mehr bemühte, eiueo Triumph zu verbergen. „Wieviel bin ich schuldig?" „Dreihundert Mark." „Sic erhalten »och heute den Betrag gegen Uebergabe de» Abdruckes. Tie Hand ist zwar klein, aber die Künst ist groß. Ich werde Herrn von Herbart mein Compliment machen." Mit einem leichten Kopfnicken verabschiedete sie sich. Bevor Blanche in den Wagen stieg, wars sie noch einen verstohlenen Blick nach de», Fenster hinaus. Sie schien diese» Geleit par- clistauev — Coralie war wirklich am Fenster — erwartet zu haben. Aber sic batte sich getäuscht, wenn sic ge hofft, aus dem Gesicht ihrer Rivalin Spuren von Acrger oder gar Niedergeschlagenheit zu finde». Coralie kehrle ihr halb den Rücken zu, so daß von der Straße a»S nur ihr Profil zu sehen war, und wars mit lächelnder Miene Klißbällve in da» Zimmer. Blanche wäre am liebste» wieder umgekehrt. Wer konnte wohl der Empfänger dieser Liebkosungen sein? Nun, wer ander», al» — Sie vermochte den Namen nicht aii-zudenken. wenigsten» jetzt nicht. Der Bediente, welcher verwundert noch immer den Wagen schlag geöffnet hielt, glaubte endlich, etwa» sagen zu müsse». „Wohin beseht«. Gnädige?" ..Nack Hanse!" herrschte ihn Blanche so heskig an. daß der Mann >n Livrü- zusammenfuhr. Sie ließ die Rouleanx herunter, lehnte sich tics in den Wagensond und schloß die Augen. — Inzwischen waren Coralie'» cisersiichlige Regungen ebenso rasch verflogen, al- sie gekommen waren. Sic lachte über sich selbst. Welche» Hinderniß gab e» denn noch zwischen Ludwig und ihr! Etwa Blanche? Bah, da» war eine von jenen verwöhnten Prinzeßchen, denen ein Künstler gerade gut genug ist, u», sich mit ihm die Zeit zu vertreiben. Also fort damit! Coralie trat in- Nebenzimmer an einen Eisenständer, auf dem ein dunkelblauer Papagei von seltener Raste uud unge wöhnlicher Größe geduldig seine Kette trug. Dieser war», dem sie vom Fenster au» Kußhände zuwarf und Fragen stellte. „Wie beißt Du?" „Alter Gras! Dunimkopf! Dummkopsl" kreischte der Papagei al- Antwort. „Teufel! Sie mache» sich über mich lustig!" rief plötzlich eine zornige Stimme von dcr Thür au». Der Eintretenve war Graf Sy. „Sic sind eitel, lieber Gras", sagte Coralie ironisch. „Glauben Sic etwa, daß ich jeden Moment an Sie denke?" „Dock! doch! Sic denken »lehr an mich, al» mir lieb ist." Der Gras wankte, auf seinen Stock gestützt — die Gicht plagte ihn augenblicklich — dem Sopha zu. Unterwegs be merkte er einen großen Ring, der die Kette dc» Papagei» an die E>se»slanqe schloß „Dieser Ring da", flüsterte er, stehe» bleibend, „ist viel leicht der meinige. Sie wären» im Stande! Ihne» traue ich jetzt Alle» zu! Zeigen Sie gefälligst da» Ding da her!" „Es hängt ja vor Ihren Augen!" „Bin leider sehr kurzsichtig, leider!" Der Graf berührte mit seinem Stock di« Kette. Der Papagei mochte diese unvorsichtige Annäherung sllr einen An griff halte». Seine Federn sträubten sich, und gereizt flog er so pfeilschnell auf. daß er die Stange umriß. Hätte Coralie den Grafen nicht schnell zurückgezogen, der wüthende Papagei würde ihm da» Gesicht zerhackt haben. In da» Kreischen de» Vogel» mischte sich da» Slöhnen de» Grasen. ..Oh... oh... wa» sind da» für Posten! Be» bandelt man so einen allen Mann! Schassen Sie mir die Bestie fort! Schnell!" „Es darf jetzt Niemand wagen, sich dem Thierchen zu nähern, selbst ich nicht. Folgen Sic mir in den Salon!" .Unmöglich! Der Schreck hat mich säst gelähmt. Ich bni ganz consu». Oh ... oh! Haben Sie nicht etwa» Er frischende»?" Coralie bolle einen Flacon und sandte dem Grasen einen ieinen Sprühregen duftender Esten» aus die runzelige Stirn. Erschöpft ließ sich der Gras aus einen Fauteuil nieder. .War vorhin mein Nesse bei mir", plauderte er mit sichtlicher Anstrrngung. „Schöne Geschichten gehört. Machen WeihnachtSbescheerung auf meine Kosten. Compromittiren mich. Hel Wie?" .Also c» ist compromittirend für Cie, daß Sie mich compromittiren". antwortete Coralie in verändertem Ton. .Diese Einsichl kommt etwa» spät." ,.Hc! Wie?" Letzteren An-rus gebrauchte der schwer hörige Gras der Kürze wegen at» Aufforderung für unter geordnete Personen, lauter zu sprechen. Diese Cavalier»- »hrase war ihm schließlich zur Gewohnheit geworden. „Sie sollte» mich doch versieben, lieber Äras. Ich denkr, mriiic Ablehnung Ihrer überflüssigen Galanterien war deut lich genug. „Bi- aus die Perleuobrringe, die Sie behalten haben." „Soll ich Ihnen die Asche znschickcn?" sagte Coralie der» ächltich, auf den Kamin deutend. „Unsinn! Ich vermulbe. die Oh ringe sind da. «» mein Siegelring ist: in Ihr«» Toilettcukasten." „Herr Gras!" „Nun meinelwegen! Ein Andenken können Sie von mir behalien, aber zwei sind zu viel. Bitte, geben Sie mir meinen Siegelring heraus!" „Ich besitze Ihre» Ring nicht, ich kenne ihn gar nicht!" „He! W.e?" „Ich habe mich »ieuial» so viel mit Ihrer Person be- chäsligt, um aus Ihre Ringe zu achten." „Jetzt werden Sie beleidigend. Aber ich bin nicht so »»böslich wie Sie. Ich behaupte nicht, daß Sie den Ring gestohlen haben." Coralie fuhr aus. „Ich wünschte, Herr Gras, daß hier Zeugen wären." „Gott ist mein Zeuge", schrie der Graf mit dünner, heiserer Stimme, „dag ich diese» unersetzliche Fannlienerbstuck verloren habe. Wer ander» al» Sie, mein Fräulein, hat eiu Interesse daran, rS zu finden." .Darf ich fragen, weshalb?" .Um mir eine Falle zu stellen, in die. so sei» sie auch an gelegt ist. ich doch nicht hineiiisalle» werde. S>e dachte»: Ist die Well erst ans diese Mesalliance vorbereitet, so wird e» schließlich der Herr Graf auch sein. 8»pristil Ich habe nicht zwei Comtisten zu Gattinnen gehabt, um ihnen eine Tänzerin al» Nachfolgerin zu gebe». Ich kan» e» nicht Asten," fuhr er fort, sich an die Stirn schlagend, „ein Fräu- ein Palm vom Ballet erhebt de» Anspruch, da» Wappen de» Grasen Ey z» tragen! Wahrhaftig, da» ist da» un glaublichste Ercigmß feil Anfang diese» Iahrhunderl»!" „Sic irren sich, lieber Gras," eriuiverte Coralie gelassen, „dazwischen liegt die Schlackt von Sedan!" Eine Panse trat ein. Der Gras sammelte sich zu einem neue» Angriff. Aber Coralie kam ihm zuvor. Sie reichte ihm die G PShand, die er betastete, al» ob der G>P» unter dem Druck der Hand »acbgeben werde wie da» Fleisch. „Eine kleine Hand! Eine reizende HauVl Dieser T»rs» «nacht neugierig auf da», iva» nicht da ist. Hoffentlich haben Sie vo» diesen Bruchnückcn Ihrer Schönheit »och nicht» unter die Lrule gebracht?" „Gras Oppen und Comtcste Eggebrccht gehören wohl nicht z» den „Leuten"?" „TaS ist Familie. Aber seit wann euipsangeu Sie denn junge Mädchen ?" „Seil ich durch Herrenbesuch nicht mehr genirt bin!" autworlele Coralie schlagfertig. Der Gras rückte unruhig aus seinem Sessel hin und her. .Cie bürsen um keinen Preis den Verkant sorlsctze». Stellen Sie sich meine Blamage vor. wenn eS heißt, Gras Sy bat um die Hand de» Fräulein Palm «»gehalten und sic beeilt sich, mit dieser Hand Sensation zu machen! Ich mag dann deuieutire», so viel ich will; die Welt nimmt vo» ihre» kleinen Bosheiten nicht» zurück." „Wenigstens ist die Welt gerecht. Erst war sic bvöhast gegen »lick, nun wird sie e» gegen Sie sein. Meilen Sie sich'». Herr Gras! Die Verleumdung ist weder plebejisch noch aristokratisch — sie trifsl immer da» menschliche Herz!" „Dann appellire ich an Ihr Herz, da Sie »och ein» zu haben scheinen. Versprechen Sie mir, den Vcikauf einzustcllen!" „Gern: sobald durch »iei»e Gefälligkeit der gute Zweck nickt geschädigt wird. Dies ließe sich am einfachsten dadurch erreiche», daß Sic die »och übrigen vier Dutzend GipShände für eigene» Besitz übernehmen." „W»n sie billig sind", stöbnte der Gras, der sich sofort seinen Verlust berechnete. „Ich taxire da» Stück zu drei Mark." „Sie sind »»galant. Gras! Glauben Sie, daß meine Hand weniger Werth ist, alS mein Handschuh?" „Also sage» wir da» Doppelte." „Sagen wir da» Huuderlfacbc!" Der Graf bekam vor Schreck ei»«, Hustenanfakl. ,.H»n— Hüll— dert— fache? Sind Sie von Sinnen!" „Gut, Sie solle» eine Gewinnchance haben, wie ein Lolterie- spicler. Sic bezahlen die Summe, die nur mein nächster Be such bietet, das heißt, höchsten» bi» zur Höhe de» genannten Betrage», Entschließen Sie sich! Ich laste nicht mit mir handeln." Der Gras ergab sich in sein Schicksal. Er nickte resignirt mit dem Kops. „Jbr Wort?" „Mein Ehrenwort!" „Al'o abgemacht! Sprechen wir jetzt von meiner zweiten Bedingung I „Wir, Sie haben noch eine! Wollen Sie mich den» au»- plündern?" „Eine Kleinigkeit! Sie werden die Güte haben, mit mir zu correspvndire»." „Niemals!" „Aber, bester Graf! Sie thaten e» doch soust so gern!" „Unsere Verbindung ist abgebrochen!" „Um so mehr möchte ich von Ihnen ein paar AbschicdS- zeilen haben." „He! Wie?" „Ja, theurer Freund! Die vorige Abmachung geschah in Ihrem Interesse, die jetzige wird in meinem eigenen geschehen. Da Sie doch einmal genölhigt sind, den Rückzug anzutrelen, so will ich Ihrem Verhalten eine diplomatische Tirective gebe». Ich wünsche von Ihnen ein Schriftstück zu besitzen, aus dem klar hervorgeht, daß zwischen un» niemal» da» geringste Ein- verständniß bestanden hat." Dcr Gras fuchtelte wie rin Rasender mit dem Stock durch dir Lust und schrie: „Mir scheint. Sie Wollen mit mir Komödie spielen!" Coralie hatte schon rin Ja aus der Zunge, aber sie unter drückte cs. indem sie sich abwandte, um ihre Heiterkeit z» verbergen. Die Wulh de» Grafen schlug in ein cynische» Gelächter um. „Prächtig! Also ich soll Ihnen ein Tugendzeugniß auS- stellen?" „Wen» Sie es so nennen wollen!" antwortete Coralie mit ironischer Betonung. . Von einem s» erfahrenen Lebemann wie Sie sind, ist ein solche» Zeugniß wohl unaiiscckibar. Da Sie indeß in derartige» Sliliibuugen wabrsck iulich ungewandt sind, so werde ick Ibn-n dc» T>xl vorsckreiben." Aus die Erregung de» Graten folgte jetzt völligeAbspauiiuug. Er saß wie IheilnatimSloS da. niit kcainpjliast geschloffene» Auge», während Coralie Papier und Feder zur Hand »ahn« und zu schreiben begann. .Fertig I" sagte sie nach einer Weile. .Haben sie d«e Güte, riese» Brief abzuschreibe» und um zwei Monate zuriick- zudatircn." Ihre Anrede weckle ihn au» seinem Halhscklummer. .Jak Wie?" stammelte er mecbaniich Coralie wiederholte. Der G>as wollte a»ff,ihren, aber seine Kraft war ge brochen. Cr vermochte nur noch zu flüstern: .Al»! Sie werden mich tödte»! Ich kann nicht schreiben! ich kan» nicht! Sehen Sie denn nicht, w>e mir die Hmd zitiert?" .Ich werke nie zugeben, lieber Gras," erwiderte Coralie Pötlisch, .daß Ihr jugendliche» Her, außer Staude in. Iore gealterte Hand zu bemeistern. Borwärt«! Beweise» Sie va» Gegenkheil!" .Kan» nichl!" wehrte der Graf. „Meine Auzen I Habe meine Brille vergessen!" „Hier!" sagte Coralie heiler, indem sie da» Brillensultcral au» der Außeiitasche seine» Nocke» zog, au- dem c» vcrrälhcnsch hervorguckle. So. von alle» Seite» umzingelt, wagte der Gras keine» Versuch de» Widerstandes mehr. Er setzte die Hornbrille ans die Nase, preßte den Fckerhattcr zwischen die kiiochenciiir«, iinger und kritzelte die Sätze nach, die ihm Coralie vorgeschri bei, «alte. Diese Copie, die sicher zu de» anstrengenkstei! Arbeilcn eine» Leben» gehörte, beendete er mit einem schlangenkalt ge wundenen Schnörkel, der ivabrschcinlich die Abrcstaliu dieje» Briese» versiniibittlichcn sollle. Mit einer Geberde vhiiiiiächlige» Vrotcsll» wars er die Feder bei Seite. .Sie sin» grausam! Sie sind herzlos! Sie waren fähig! mich mein eigene» TodeSiirlheil unlerschrcihe» zu lasten!" .Nur nicht tragisch, lieber Gras! Sic wist«, doch, der Klügere giebl nach!" .Wer ist denn vo» un» Beiden der Klügere?" .Da» wäre ein WeiSheilSspruch Sal»,»»'-!' sagte Coralie lustig. In diesem Augenblick »ikldele die Zofe: »Krau Gräfin Eggcbrechl!" Mit erstaunlicher Elastwität sprang der Gras ans die Füße. .Auch da» noch!" jammerte er. .Wollen de»» beule die Unannehmlichkeiten kein Ende nehmen? Die Gräfin darf mich unter keinen Umständen hier treffen ... initcr keine» Umstände»!" .Schnell! Verschwinden Sie im Nebenzimmer!" .Aller Graf. Tuininküps! Dumillkopsl" schallte e» ih« dort entgegen. »Oh ... oh ... diese Bestie! Ich gehe keinen Schritt weiter I" .Aengstigen Sie sich nicht, lieber Gras? Da» Tbiercheu itzt jetzt ganz zahm i» der Ecke und kann Sie gar nicht cr- rcichen. Fall» Sie e» nicht vorzieben, init ihm zu plaudern, liegt hier eine belehrende Lectüre siir Sie. der Don Ouixote " Lachend schlug Coralie die Tbür hinter sich zu. (Schluß folgt) Der Lchlch drr üömyi» vs» England in Berlin. * Uebcr den Besuch der Königin Victsria von Cag^ land in Berlin meldet de» Weiteren die .Post" vo« Donnerstag: Ihre Majestät die Königin von «roßbritannien »er- brachte die Z tt von ihrer Ankunft an und wäy >nd de» gestrig- » stille» lag,» zuiueist mit Ihrer Majestät der iiaiieri» Bcior>o »uv Ihre» königlichen Hoheiten den Pimzefsinne» Victoria, Sophie uns Margarethe n» «lasten Faiuilienkreise, der tuich die Pinizesti» Beatr,x und ihre» Gemahl, de» Prinzen Battenberg, „och erweitert WM de. Schon am Mo, gen begab sich die Königin an» ihren Ge- niächern hinüber nach dem Salon der Kaiserin Bieiorta, um mit ihren Kindern da» erste Frühstück einzunehmrn. Prinzessin Beallix und Prinz Heinrich von Battenberg haben die mimu »nter denen de» Kaisers inne. Ai» Tage ihrer Aatu»st we am gestrigen Tage verweilte die Königin zu wedeiholte» Maie« am Krankenbett Seiner Majestät de§ Kaisers, der >m Belte liegend die Königin zu empsangen gezwungen war. Bei einem der gkstligen Besuche händigte, wie man verniimnt, der Kaiser der Monarchin die Dekoration«! des mililairisLeu Bathorden» und HoienbandordenS aus, welche die Königin dem hochieiigen Ka ser am l. Januar 18ä7 zur Feier seines bi)jährige» Dikiisijubiläniu» verliehen Halle, ebenso die D corationen de» Hoie,>bai>d-OrbciiS Um tt Uhr fand, wie wir schon gestern gemeldet haben, >u der Sch oN- capelle zu Charlollenburg zur Feier des Bußtages ein Go:t »bie»ft statt. Die Königin von Großbritannien und die Kaiserin Victoria, Piiiizesiia Beatrix, die Prinzessinnen Bictoria, Sophie nah Margaielhe, Prinz Heinrich Battenberg wohnten demselben bei. Ober - Hoiprediger 1). Kögel osstciirte, der Zwüisapostel-l!hor sang. Der gestrige Dag war einst der Geburtstag der zwenen Tochter der Königin, der Äroßherzogin von Hessen, gew ie»; auch ihrer wurde i» der Rede pietätvoll gedacht. Dieses Berw«leu der Königin im engsten Familienkreise der kaiserlichen Familie winde durch die Besuche der hohen Herrschaften aus Berlin unieibrochen. Ihre kaiserl. und künigl. Hoheit die Kroiiprinzessin durste sich dem Gcjuhic des MuilerstolzeS hingebe», indem sie in ihren viel Prinz n der Königin vier Urenkel vorsuhre» konnte, wie sie lieblicher, frischei, schöner und gesunder eine Urgroßmutter nicht wüiilchen kann. B - kanntlich sind eS die einzig »iännlicheii Ureukelk nder, weiche die Königin hat und — vier preußische Prinzen zugleich. Ui» den Mittag hatte der am hiesigen Hose beglaubigte gi aß- britanuische Bolschajter Sir Edward Malet die Ehre de» Emoia»,,«». Um 12 Uhr erschien dcr Rech.-kanzler Fürst BiSmaeck bei der Königin. Tie Monarchin des britischen Reich s sah hier i» ihleiu Salon den Kanzler deS deutschen Reiche» zum ersten Mal. Die Audienz war ohne Zeug n und dauerte e!wa e ne halbe Stunde. Be, dem 5-Ul,r Thee, welchen die Königin vor ihrer Uiiisadrl durch Berlin mit der Kaiserin Bictoria und den Prinzessinnen in de, britische» Botschast «»nahm, war auch die Fülstin BiSiiiaick zugegen. Boc ihrer Absahit nach Eharloltenburg Halle die Königin den Blsuch der Kaiierin Angusta empsangen, die säst «ne halbe Slunde im Salon der König,» v rweilie, in einem Beisammensein, dessn> Elinnerungeu aus mehr denn M Jahre enger Freundichasl zu ückgingen. Aus der Fahrt nach Berlin zur englischen Botschaft und von da »ach der neuen englischen Kirche berührte die Königs» einen großen und jedensaNS den schönsten Thell von Berlin. Sie änßcrie sich, wie man vernimm», über die Ausdehnung und Schönheit der Residenz stadt i» schiueichelhaftester W ise sur dieselbe, ebenso wie auch die Raume der brit scheu Botschast ihren Beifall gesunken halten. ES mag eine lange Reihe von Jahren gewrsen sein, seit die z« ebener Eide des Schlosses zu Eharloltenburg »ach dem Garten h nau» gelegene Galerie der Königin Sophie Charlotte. Ser Schwester Gcorg'S I von Großbritannien, nicht mrhe in solchem Lichierglanz erstrahlt laite, wie an dein gestrigen Abende zu dem Diner, der einzigen Gelege»»«!, wo die König», aus dem engen Fam lienkreise hinaus i» einen giößere» Kreis von Gästen trat, den höchst n Brr- tretein deS deutschen Reiches, deS preußischen Ttaales, i» den obcriien Hoiwuiden, seinen Ministern, seinen Generale». Die bvisirte, mit discreter Vergoldung ausgestaitele Galerie, ein Werk, wen» »ichl vo» Schlüter selbst, doch im Geiste deS Meisters, war i» einen Festiaal voll blendender Schönheit uiiigeivandeir worden. An den Wänden, dcr Fensterseite gegenüber banlen sich in Pyramiden»»«« vergoldeie Elags, e» aus, die mit den schönsten chi»> stich«, »nd japanischen Vasen nnS jener in ihrer Art einzigen G säße'»»»,,>lu,ig beseht waren, w-lche die hollan- diiche Kilisman»schoft einst der Gemahlin des Große» Kniftusten, der unverg,ßlichen Orcinieiin, als HochzeitSgabe verehrt Halle. Der Bode» war in seine, ganzen Linie nach m k einem lailki.piach-igrn Smyrnciieppich Krieg». Ans diese,» erhob sich die lasrl Mit ihren hohe» silbernen Kandelabern, niit silbcrnen Palen, au» d ne» IierauS Frühlingsblume» l labten und duftete», und mit anderen lasel- g-kaß-ii au,' i nrem Golde oder vergoldete», Silber. Um die Taste
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder