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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188805063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880506
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880506
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-05
- Tag1888-05-06
- Monat1888-05
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1888
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Vierte Äeilage ;um Leipziger Tageblatt und Anzeiger. irr. Sonntag den 6. Mai 1888. 8L. Jahrgang, verstoße». Historische Srzthlaug LadMtg Habicht. kFortsetzuaz.) N. Der erste blaffe Strahl ve« Morgen« fiel bereit» durch dir runden, io Blei gesagten Scheiben seine« Schlafgemache», al» Heinrich seine Epistel beendet hatte. E» war ihm. al» bade er damit eine Centnerlofl von seiner Brust gewälzt, denn er hatte den ersten Schritt gethan» zu dem urplötzlich wie eia Naturereigniß über ihn hereingebrochenen Geschick Stellung zu oehmeu. Al« er nun sein Lager wieder aussuchte, trat die Jugend in ihre Rechte. Ein tiefer, traumloser Echlas umpfing ihn. und Heller Sonnenglanz erfüllte da» Zimmer, al» der junae Mann die Augen wieder ausschlug. verwundert schaute er um sich. Da war er ja Wieder in dem Von ihm bewohnten Thurmgemach» auf der Burg seine» väterlichen Freunde», de» Grasen zu Hennebrrg. Halte er dasselbe vielleicht gar nicht verlassen und war olle» Furcht» bare, wa» er inzwischen erlebt, nur ein wilder, wüster Traum gewesen, der mit der Nackt, die ihn geboren, entflohen ss Einen Augenblick wiegte er sich in diesem schmeichlerischen Wahn, im nächsten fielen seine Blicke auf die beschmutzten und zerrissenen Kleider, bi« er am verwichenen Abend abgelegt, auf den Bries an den Fürsten Wolfgang, den er gesiegelt aus dem Tische liegen gelassen, und nun wußte er, daß Alle», wa» sich mit ihm zugetragen. Wirklichkeit, harte, grausame Wirk lichkeit war, der er die Stirn bieten müsse. Dennoch schien der Zustand der tiessten Niedergeschlagen heit und Zerbrochenheit, in welchem er im Schlosse ange kommen war, von ihm gewichen, und al» er wieder seine adelige Kleidung angelegt, sich durch einen kräftige» Imbiß gestärkt und durch Vermittelung de» Grafen zu Henneberg einen Boten obgeferligt hatte, der seinen Brief an den Fürste» von Anhalt überbringea sollte, da fühlte er auch den Mulh. Gertrud auszusuchen. Er eilte in den Schleßgarten, und feine Ahnung hatte ihn nicht getäuscht. An dem stillen Plätzchen, da» oft schon Zeuge ihre» Liebesgeflüster» gewesen, harrte seiner auch heute da« rosige Kind, da» längst seine Ankunft erfahren und sich vor Sehnsucht nach dem Wiedersehen mit dem Geliebten fast verzehrt batte .Gertrud, liebe, liebe Gertrud, habe ich Dich endlich wieder l" rief er bei ihrem Anblick, alle» Andere vergessend und ihr mit au«gebreiteten Armen entgegenfliegend. Sie ruhte einen Augenblick selig an seiner Brust, daun machte sie sich aber lo» und sagte traurig: .Nicht also, Junker Heinrich. Wir dürfen un» nicht mehr Wiedersehen. Nur um Euch da» zu sagen, kam ich hierher. Graf Wilhelm hat bei meinem Vater Klage geführt, und der ist gar streng mit mir in» Gericht gegangen, hat mich eine leicht sinnige und hoffährtige Dirn' gescholten und mir streng ver boten. je wieder mein Auge zum ältesten Sohne de» Burg, grasen v. Hartenstein zu erheben. Heinrich lachte bitter auf. „Da» hat der Herr Burggraf ebenfalls arg verpönt." „Also deshalb wurdet Ihr so schnell nach Hause berufen?" fragte sie leise. „Euer Vater hat also Kunde von unserer L>eve erhalten uud Euch vor sich gefordert, um Euch darüber zur Rechenschaft zu ziehen?" „Den Burggrafen kümmert e» wenig, wen ich lieb« oder freie", versetzte der junge.Mann und wieder brannte in feinem Herzen die Erinnerung an jenen entsetzlichen Austritt, wo er in Gegenwart der Geschwister und Diener von seinem Vater entehrt und au-gestoßen worden war. „Er hat mich zu sich berufen, um mir zu saqen, daß ich nicht sein Sohn sei." „Nicht sein Sohn?!" wiederholte Gertrud ungläubig. „Ja, er und seine Gemahlin haben Euch doch allezeit al» solchen gehalten?" „Und jetzt erklären sie, daß ich keinerlei Anspruch au ihre Liebe, wie an ihren Namen und ihr Gut habe» daß ich ein Niedriggcborener sei." Ein Heller Freudenstrahl flog über de» Mädchen» Gesicht. ..Heinrich, mein Heinrich", jubelte sie und schmiegte sich an ihn. „So sind meine heißen Gebete erhört, so trennt un» nicht» mehr!" Er stieß sie unsanft zurück. „Wie kannst Du frohlocken über die tiefe Schmach, die man mir angethan? Ich hätte Bessere» von Dir erwartet, Gertrud I" - Erschrocken, mit gefalteten Händen, die Augen voll Thränen, stand sie vor ihm. „Bergieb. Heinrich", bat sie mit rührender Stimme. Ich dachte ja nur daran, daß un» nun nicht» mehr trennt." „Hat Dein Vater Dir erst verboten, mit dem Sohne de» Burggrafen Verkehr zu haben, so wird er Dich jetzt nicht minder strafen, wenn er vernimmt, daß Du dem in der Un» ehre Geborenen, dem Heimalhloseu, AuSgestoßenen anhängst." .Da» wird er nickt, und tbäte er e», ich leistete ihm keinen Gehorsam", antwortete da» Mädchen und di« zarte jugend liche Gestalt schien zu wachsen, au» den blauen Augen blitzte eine Entschlossenheit, daß Heinrich erstaunt, keine» Worte» mächtig vor der Geliebten stand. .Dem Sohne de» Burg grafen hätte ich entsagt, dem Namenlosen gehört meine Lied« und Treue." Glühender schloß er sie in seine Arme. „Dank, tausend Dank, mein« Gertrud", ries er, „Tu giedst mir eiu köstliche» Geschenk, und ich Armer muß e» zurückweisen", fügte er traurig hinzu. .Zurückweisen?" wiederholte sie betroffen. „Warum?" „Weil ich eia AuSgestvßener bin. Weil für mich kein Raum mehr ist in der Heimath. Weil ich je eher je lieber sorlzieben will in» heilige Land, damit man hier uie etwa» von mir höre." Sie schlang beide Arme um feinen Nacken. ' „Ich lasse Dich nicht: wohin Du gehst, da folge ich Dir und wäre e» bi» an» Ende der Welt. Vorerst glaub' ich aber.noch gar nicht, daß Du nvthig habest, in die Ferne zu ziehen. Willst Du mir nicht erzählen, wie e» gekommen, daß der Burggra Dich nicht mehr seinen Sohn heißen will?" »Wüßte ich nur selbst, wie e» gekommen", sagte er bitter ,wa» ich aber erfahren, da» sollst auch Du hören." Er setzte sich neben sie und schilderte ihr seine Erlebnisse von dem Augenblicke an, wo er auf Befehl seine» Later» gen Hartrustein ausgrbrochen war, bi» zu dem gestrigen Abend an dem er abgehetzt wie ein verfolgte» Wild zu Gras Wil Helm »urückg,kehrt. Gleich dem alten Herrn vermochte auch da» junge Mädchen da» Ungeheure, Unerhörte nicht zu fassen. »Dem Vater hat Dich nur aus die Probe stellen wollen sagte auch sie. .verhalte Dich sein still, lehne Dich nicht gegen ihn aus. und Du wirst sehen, er beruft Dich bald genug wieder zu sich und heißt Dich seinen liebe» Eobn." Heinrich schüttelte den Kopf. .So meinte Gras Wilhelm auch; so könnt Ihr reden, die Ihr nicht gesehen, wir er mich dabei anblicktr, die Ihr nicht gehört habt, mit welcher Stimme er mir sagt,, daß ich keinerlei Erbanspruch habe, und mich bedrohte, wenn er rrsübre. daß ich mich künftig solcher An- fprück« unterfangen würde, so würde er Riemen au» mir schneiden lassen." Die grausame Androhung mußte einen zu niederschmettern, de, Eindruck aus ihn gemacht haben, er kam immer wieder daraus zurück, führte sie al« letzten, unwiderleglichen Bewei« M». baß für ihn Alle« verloren sei. Eine weil« saß Gertrud schweigend unter de« Banne de» soeben vernommenen, dann fragte sie schüchtern „Und Deine Mutter. Heinrich, wa» sagte Deine Mutter?" .Nicht«", erwiderte er dumpf. .Sie wandte sich von mir ab und überließ mich jenem Weibe, jener Pigkler, di, mich geboren haben soll." .Kann eine Mutter ihr eigen Kind vergessen und e» der- leugnen?" fragte sich Gcrlrnd, und dieser Emwurs, verbunden mit dem heimlichen Wunsche, den Geliebten ihr gleichgestellt zu sehen, ließ auch sie sich der Annahme zuneigen. Heinrich sei nicht de» Burggrafen Sohn, sondern ein untergeschobene» Kind. Aber ebenso schnell, wie ihr dieser Gedanke äusgestiegen war, verwarf sie ihn auch wieder. »Du bist doch ein echter Neuß, bist doch der berechtigte Erbe de« Burggrafen", sagte sie sich erbebend und stand wie begeistert da. .WarumDichTein Vater verstoßen will, kan»ich freilich nicht ergründen, dazu ist mein armer Kops zu schwach; aber mein Herz sagt mir. Du bist ein echter Gras und darum mußt Du nickt sorlzieben in fremde Lande, wobt aber hier Deine Zeit erwarten. Magst Du bleiben oder gehen, ich laß nicht mehr von Dir", und sie lehnte sich zärtlich an seine Brust. Gertruden» Rath fand wunde, barerweise von verschie denen Seiten Unterstützung. Fürst Wolfgang von Anhalt, an den sich auch der Burggraf gewendet, schlug dem jungen Heinrich zwar vor. er wolle versuchen, ihn mit Verhehlung seiner niedrigen Geburt durch Markgraf Albreckt in den deutschen Orden zu bringen, ließ ober dabei nicht undeutlich merken, daß er selbst nicht glaube. Heinrich sei ein Codn der Pigkler. Noch weit entschiedener trat Gras Heinrich der Zilebfertige von Neuß aus, welcher da» Bersabrca seine» Vetter» von Hartenstein im hohen Maße mißbilligte, den ungerecht Verstoßene» seine» Schutze» versicherte und ihm zu nächst eine Zufluchtsstätte beim Markgrafen von AnSbach anS- wirkte. Von so vielvermögeiidcn Gönnern unterstützt, vom Arm der Liebe gehalten, zog Heinrich c» vor, in der Heimalh zu bleiben und seinen Lu>e,ilhalt in AnSbach zu nehmen. Gras Wilhelm von Henneberg hätte den jungen Mann wobt bei sich behalten, so lange derselbe eben Lust zum Da bleiben gebabt; da sich aber für den Aermsten ei» so gute» Unterkommen fand, war er mit seinem Wegzüge einverstanden. Der Gras lebte g-rn mit der ganzen Welt in Frieden, und stand er auch mit seinem guten, ehrlichen Herzen aus Seiten de» verstoßenen Heinrich, so sagte e» seinem bequemen Wese» doch wenig zu. offen Partei zwischen ibin und dem Burg grafen in einem Streite zu nehmen, der über kurz oder lang entbrennen mußte. „Du hast beim Markgrafen von AnSbach Gelegenheit, Dich in allen ritterlichen Knusten uud Tugenden auSzubilken, und da» ist vorderhand da» Wichtigste für Dich", ermahnte er seinen bisherigen Pflegebefohlenen beim Abschiede. „Uniernimm nicht», wa» den Burggrafen ausbringen und den Nus, der von Dir gehrt. Du seiest trotzigen und verstockten Sinuc», bestärken könnte. Laß Deine Freunde und Gönner für Dich reden." „Und wenn der Burggraf bei seinem Ausspruch beharrt?" „Dann bist Du geschickt genug im Waffenhandwert, um Dir selber eineu Namen zu erkämpfen. Ziehe io Frieden, mein Sohn!" Heinrich erwiderte nicht» darauf. E» war doch nutzlos, mit dem alten Herrn zu streiten, ihre Ansichten gingen zu weit auseinander; bester verstand ihn Gertrud. Am liebsten hätte er da» Mädchen beim Wort genommen und sie sofort mit sich ziehe» lasten; so jung und leidenschaftlich er aber auch war. so viel sah er doch ein, daß er am Hose seine- neuen Gönner» nicht in ihrem Geleit erscheinen dürfe und daß ihm also nicht» Andere» übrig bleibe, al» sich vorderhand von der Geliebten zu trennen. „Du vergißt »iich nicht, Heinrich, Du holst mich bald?" schluchzte sie an seinem Halse. „Bleibe Du mir nur treu", antwortete er gepreßt, ,.Gertrud, sie baben mich alle verstoßen. Vater, Mutter uud Geschwister — falle Du nicht auch von mir ab!" „Ich bleibe Dir treu bi» in den Tod." „Und folgst mir. wenn ich Dich rufe?" „Ich folge Dir." So schieden sie. Ul. Eine düstere, unheimliche Stille herrschte aus dem Harten stein. Der Burggraf Heinrich hatte nur noch eine kurze Spanne Zeit zu leben, sein Testament war in aller Form Liechten» abgefaßt, und im Vorzimmer harrte der Priester, der die Beichte de» sterbenden Herrn hören und ihm die letzte Oelung und geistige Wegzehrung reichen sollte. Noch aber weilte die Burggräsin im geheimen Zwiegespräch bei ihrem Gemahl. .Barbara", sagte der Kranke mit matter Stimme, »soll ich an» dem Leben scheiden mit einer so ungeheuren Lüge aus der Seele? Noch ist e» Zeit, da» Testament zu ändern, unseren Erstgeborenen in seine Rechte einzusetzen.' Die Burggräsi» sank neben dem Lehnstuhl, in welchem der Kranke auSgestreckt lag, nieder und ergriff feine Hand. »Meinst Du. c» sei dem Mutterhcrzen nickt unsäglich schwer geworden, da» eigene Kind zu verleugnen? Ich habe ein Opfer gebracht wie Abraham, al» er seinen Sohn dem Herrn darbringen wollte." „Da» Opser heischte Gott und er ließ e» nicht vollenden", «ntgegnete der Burggraf. „Da» unsere —" „Hat Gott nickt m'inker von un» verlangt", unterbrach ihn seine Gemahlin. „Durch Weissagungen, durch Träume und Gesichte hat er un» gewarnt. Aergert Dick Dein Auge, so reiße e» au». hcißl'S in der Schrift. Mil bluicndem Herzen haben wir da» eine wilde Nci» von unserem alten Slanime entfernt, damit e» nicht den ganzen Baum zu Grunde richte." „Und wenn wir ihm dock Unrecht gethan hätten?" fuhr der Burggraf fort. „Im Angesicht de» Tode» Wägt man sein Tbun mit einer schärferen Waage." „Du hast gethan, wa» Tu thun mußtest", sagte die Burg gräsin mit Festigkeit. „Wer kennt sei» Kind besser. alS eine Mutter? Auch ohne Weissagung kenne ich Heinrich'» bösen Sinn, weiß, daß er feine Geschwister haßt und da» Schlimmste gegen sie plant; Nvthwehr ist e», Schutz der Unschuldigen, daß Du ihn der Macht beraubst, seinen Gelüsten zu folge». Damit nicht Alle untergehen, mußten wir den Einen opfern." Der Burggraf blickte schmerzlich vor sich hin und schwieg. „Wa» sinnst Du. mein Gemabl?" fuhr die Burggräfin »ach einer Pause fort. „Ich flehe Dich an. mache Drin Werk, da» Werk, wozu wir un» nach heißen Eeclenkämpfen ent schlossen, nicht ungeschehen, denn furchtbarer al» vorher würde jetzt da» Geschick Deiner Kinder sein. Z» dem alten Haß würde sich da» neue Nachegefübt geselle». Vollende, ich bitte Dich, vollende, wa- mir da» Herz zerreißt, uud wa- ich doch verlange» muß." „E» sei", sagte der Burggras mit einem tiefen Seufzer. „Ich will vollenden, aber versprich auch Du mir. daß Du nicmal» Deine Hand ganz von ihm abziebe» willst!" Mil schmerzlichem Lächeln reichte sie ihm die Hand: „AlS ob e» für eine Mutter eine» solchen Versprechen» bedürfte!?" „So laß mich mit dem Priester allein, und dann bc- scheide die Kinder, die LehenSlcute und Unlerthanen hierher, aus daß ich vollende." Nach einer halben Stunde öffneten sich die THÜren de» burggräslichrn Scklasgemache»; der Kranke ließ sich in seinem Lehnstubl noch der großen Halle tragen, dir angesüllt war von seinen Leheu-leuten und Dienern; neben seinem Lebn- stuhke nahmen di« Burggräsin, sei«, L«»v«n Söhn« «od sei»« Töchter Platz, Der Kranke winkte, daß er sprechen wolle, und tiese Stille lagerte sich Über die Versammlung. „Meine Lieben und Getreuen", beganner.ich habe Euch hierher berufen, um Euch kund und wissen zu thun. daß ich einen letzten Willen errichtet, worin ich meine beiden Söhne.idie gegenwärtig bier aus dem Hartenstein bei mir gehalten werden und birr au- wesenv sind, sowie meine Heiden rbensall» gegenwärtigen Töchter zu Erben eingesetzt bade. Einen ankern Sohn al« diese Beiden besitzen weder ich, noch meine Gemahlin, und wer sich sonst »och der Abstammung von un» rühmt und daraus hin Ansprüche begründet» den erkläre ich für einen Betrüger, und al» einen solche» soll gegen ihu verfahren werben." Der Burggraf machte eine Pause, um Athen» zu schöpfen, dann winkte er seinem ältesten Sohn. der. so lange der ver stoßene Heinrich für einen echten Abkömmling der Reuß angesehen worden, al- der Zweilgeborene gegolten hatte, und fuhr fort: „Ich stelle Euch hier meinen ältesten ehelichen Sohn und Erben vor. Ihn wollet Ihr nach meinem Abscheiden al» Euren reckten Burggrafen ansehen. »hm babt Ihr Pflicht und Gefolgschaft anzugelodea und zu thun. Wollet Ihr daS?" Wobt in achte die Eröffnung aus die Versammelten einen überraschenden Eindruck, denn Nicht Alle wußten von brr Verstoßung Desjenigen, der bisher für den Erden gegolten, und d,e davon gehört, hatten doch nicht recht daran glauben wollen. Wa» war aber angesichts eine» solchen seierlicheo Aussprüche» zu thun? Erklärten Eltern, und noch dazu so h'chst benbe Ellern, ein Kind für unecht, so mußte e» damit w hl seine Nichtigkeit haben und nicht war e» die Ansgabe F nstebenter. die Rechte Desjenigen zu vertheitigen, den die nä öfter, Anverwandten verstoßen. So ward denn der jüngere Heinrich al» Nachfolger de» Burggrafen anerkannt — die Enteibuug de» älteren Heinrich war feierlich besiegelt. Der Abend war hereingebrochen; auf seinem Lager ruhte der Burggras. Langsam, wie der Sand im Skunbengtase, verrann der letzte Rest seiner Lebenskraft . . . Gewaltsam batte er sich noch einmal, um seinen letzten Willen zu er kläre». ausgerafft; desto unaufhaltsamer ging e» jetzt mit ihm dem Ende zu. Er war allein in dem gewölbten Gemache mit dem hohen Bogenfenster. Eine aus dem Tische brennende Lampe ver breitete einen trüben, ungewissen Schein und ließ, während sie da» Bett und dessen nächste Umgebung beleuchtete, die übrigen Theile de» Gemache» in desto tiefere Dunkelheit fallen. Im Vorzimmer auf einem Lehnstuhl saß Grete und hielt Wache. Sie hatte e» bei der Burggräsin durchgesetzt, daß idr die Pflege de- Kranken anvertraul worden war, und der Burggraf, der ansang» von der ihm widerwärtigen Dirne nickt» wissen gewollt, hatte sich später gut dabei befunden. Grete zeigte sich geschickt, aufmerksam, unermüdlich, zu jeder Stunde gleich munter und bereit. E» war, al» bedürfe sie keiner Nahrung und als habe sie daS Geheimniß gesunden, wie ein menschliche» Wesen leben und bei Kräften bleiben könne, ohne dcS SchlascS lhcilhastig zu werden. Auch heute batte Grete Alle- zur Ruhe geschickt und war allein iu der Nahe deS Kranken geblieben. „Trauen Euer Gnaden meiner Erfahrung", batte sie zur Burggräsin gesagt, die »bren Gemahl nicht verlassen gewollt, „die dunkle Stünde ist nahe, aber noch nicht herbeigekommen. Euer Gnaden werden Kräfte brauchen, schont Euch, die Grete machet. Sobald cS Zeit ist. ruse ich Euch und die jungen Herrlei» u»v Fräulein herbei. Der Kranke bedarf jetzt nicht der Gesellschaft, sondern der Ruhe." .Du Treueste der Treuen, wie soll ich Dir lohnen?" ver setzte die Burggräsin dankbar und reichte ihr die Hand. Grete beugte sich darüber, um sie zu küssen, und verbarg dabei der Herrin geschickt den sich in ihrem häßliche» Gesichte malenden Ausdruck hämischen Triumphe», de» sie bei aller VcrstellungS- kunst koch nicht ganz zu unterdrücken vermochte. Ter Burggraf lag im Halbschlummer. Traumgesichte zogen an seiner Seele vorüber, Gegenwart, Zukunst und Ver gangenheit wogten im lauten phantastischen Gemisch durch, einander.... Er hielt seinen Erstgeborenen in den Armen, den die Wärterin ibm soeben gebracht, und begrüßte in ihm de» Erben seines NamenS und seiner Güter. Und dann wieder sah er diesen mit Jubel willkommen geheißene» Sohn verstoßen, enterbt, heimathlvS die Burg seiner Väter ver lassen. Er sah ihn bettelnd und zerlumpt am Wege, ihn dann wieder unter Räubern und Strolchen aus der Land straße, sab ihn morden, rauben, plündern, und endlich sein Haupt unter der Hand de» Henker» fallen ... Laut stöhnend und ächzend wand sich der Kranke auf seinem Lager. Grete eilte herzu, flößte ihm einen beruhigenden Trank ein und strich ihm die Kiffen glatt. Wieder entschlummerte er. Bilder au» längst vergessener Zeit tauchten vor seiner Seele auf. Er sah die Iugendgeliebte wieder, die schlanke Jungfrau mit den schönen stolzen Zügen, deren Haupt die blonden Flechten wie eine Krone umgaben. Er hatte sie geliebt, ach, so sehr geliebt, und doch halte er sie, dem Machtgedote deS Vater» folgend, verratben — verlassen ... „Eva. Coal" murmelten die trockenen Lippen deö Sterbenden. .Hier bin ich", antwortete dicht neben ihm eine tiefe Frauenstimme. Er versank wieder in seine Lethargie; aber eine feste Hand ergriff die seinige. und scharf und eindringlich subr die Stimme fort: .Erwache, Burggras Heinrich, erwache zum letzten Zwie> gespräch mit mir aus dieser Erde! . . ." Al» ob die auf ihn gehefteten Blicke eine Zauberkraft bc- skssen hätten, schlug der Burggraf die müden, halb erloschenen Auge» aus. Bor ihm stand eine hohe Gestalt in dunklen Gewändern; da» schneeweiße Haar in Flechten wie zu einer Krone aus- gcsteckl und nur leicht mit einem schwarzen Schleier verhüllt. .Wer bist Du? Wie bist Tu hereingekommen?" fragte der Kranke bebend. „Wer ich bin? Die, welche Du soeben gerufen. E» ist freilich lange her, seit wir un» da» letzte Mal ge sehen, kein Wunder, daß Du Eva v. Nosenberg nicht mehr kennst." .Eva, Eva —" murmelte er. sie beachtete e» nicht und subr fort: .Und wie ich hereingekommcn bin. möchtest Lu wissen. O, e» gab eine Zeit, da war ich in diesem Schlöffe sehr bekannt, da betrachtete ich e» schon al» meine Heimatb. und keine Thür und kein Gang blieben mir verborgen, auch nicht der geheime Gang, der »n diese» Gemach führt." Der Kranke hatte sich etwa» ermannt. „Warum kommst Tu zu mir unter dem Schleier der Nacht, in heimlicher Weise? Wenn Du etwa» von mir wolltest. we»balb tratest Du nicht am Tage und öffentlich vor mich hin?!" Sie lackte bitter auf. „Ihr habt mich ja so tief ge. demüthigt, Du und Dein Vater, daß ich da» Licht de» Tage» scheuen mußte, daß ich mich nur mit den Eulen und Fledermäusen und anderem lichtscheuen Gethier unter dem Schleier der Nacht berau-wagen durste. Welche» Empfange» hätte ich mich von Dir und der stolzen ASkanierin. Deinem Weide, zu versehen gehabt, wenn ich vor Euch hin» getreten wäre?" „Eva. ich war unschuldig an Dem. wa« Dir widerfuhr, beim allmächtigen Gölte, ich war unschuldig!" «) v-ft-rssch. „Laß den Namen Gotte» au» dem Spiel«, lästere nicht noch in Deiner Todekstunde". herrschte sie ihn an. „DaS ist die Entschuldigung aller Schwächlinge. Sie taffen geschehen, wa» nicht zu dulden ihre Pflicht wäre, und belheuern dann ihre Schuldlosigkeit. Bist Du auch unschuldig daran, daß man Deinen ältesten, ehelichen Sohn wie einen Hund au» dem Hause seiner Väter gejagt, ihm da» Brandmal der Schande aufgedrllckt hat? Bist Du auch unschuldig daran?!" — wieder holte sie mit einem leisen, höhnischen Auslachen. „Was weißt Du davon?" ' „Mehr al« Du ahnst, mehr al» Dir lieb istl Aber Du sollst e» erfahren. Nur um Dich darüber ouszuklären. bin >ch hier." Eie ließ sich ia einen neben dem Bett« stehenden Lehnstuhl sinken und begann mit leiser, eintöniger Stimme zu erzähle», da» große graue Auge unverwandt aus den Burggrafen ge richtet, der unter ihren Blicken wie gebannt war und keine Bewegung zu machen, keinen Laut von sich zu gebe» in, Stande war. „Ich war jung, ich war schön, hoffnung-reich. vertrauen», voll und gut. al» ich unter da» Dach Deine» Vater» trat", begann sie, und die Worte kamen langsam und deutlich zwischen ihren Zähnen hervor, al» sei jede» eine Dolchspitze, bestimmt, sich ,a sein Herz zu bohren. „Wa» hat Dein Vater au« der Waise gemacht, der er zum Vormund und Schutze bestellt war? Wie hast Du an dem Mädchen gehandelt, da» Dich geliebt, da» Dir grenzenlos ver traut hat?" Er ve, suchte zu sprechen, eiu gebieterischer Wink von ihr gebot ihm Sckweigen. „Ibr habt mich beraubt, bestohlen", fuhr sie fort, „nicht um Geld und Gut. da» hätte ich verschmerzen können, aber uin meinen Glauben, um mein Vertrauen. Haß und Ver- achlung gegen die ganze Menschheit habt Ibr in ein Herz gepflanzt, da» der Liebe und Barmherzigkeit offen war. Be schimpft hat mich Dein Vater und Makel hat er geworfen aus meine Geburt. Weil sein hockmüthiger Sinn nach einer Verbindung mit dem anhaltischen Fürstengescblcchte strebte, war ihm die Heiralh seine» Sohne» mit einem Fräulein v. Rosen berg nicht gut genug. Und Du, der Du Dich mir mit tausend heiligen Eiden gelobt, der Du mir Liebe geheuchelt. Du ließest c» geschehen, daß man mich mit Schmach bedeckte. Du wandest Dich treulo» von mir abl In die Burg, die ich verbülltea Haupte» verließ, führtest Du dann die ASkanierin. Ich stand verkleidet unter der Menge, als Du mit ihr eiuzogst, und während Euch Alle» zujauchzte, fluchte ich Euch und schwur Euch Rache." „Entsetzlich, entsetzlich", stöhnte der gequälte Mann. Sie lachte höhnisch aus »nd fuhr fort: „Als man Deinen Erstgeborenen zur Taufe trug, stand ich in der Capelle und erneuerte meinen Schwur der Rache, wußte ich doch jetzt, wohin ich meinen Pfeil richten sollte, daß er Dich und Dein Ehegespon» in» Herz traf. Wie Du und Dein Vater mir gethan. so solltest Du selbst dielen Deinen eigenen Sohn verleugnen und verstoßen. Ich gelobte e» mir und habe e» gehalten." „Du! Du? . .." stammelte der Burggraf verwirrt und fassungslos. „Ich", sagte sie langsam und schneidend; „ich war e». die Euch dazu trieb, und ich hatte prächtige Bunde-genoffen in dem Trotze und der Unbändigkeit Deine» Buben, in dem Aberglauben Deine» Weibe» und in Deiner unmännlichen Schwäche. Grete, meine getreue Milchschwester, die meinen Haß theilt, machte sich zum Werkzeuge meiner Rache. Als Wärterin. Beschließerin,Rathgeberin wußte sie sich derBurggräsin unentbehr lich zu machen und ihr unumschränktes Vertrauen zu gewinnen. Sie hals dazu, den störrischen Sinn de» Knaben zum finsteren Trotze zu steigern, sie ließ keine Gelegenheit vorübergehen, der Mutter ihren Erstgeborenen im schwärzesten Lichte zu malen; sie säet« den Samen de« Mißtrauen« zwischen Kind und Eltern, zwischen dem Bruder und den Geschwistern, und al» die Saal üppig aufgegangeu war, da kan, ich in der Gestalt einer Zigeunerin und vollendete durch meine Prophezeiung da» Werk der Rache. Ihr habt da» Unerhörte gethan und Euer eigen Fleisch und Blut verstoßen uud enterbt!" „Weib, entsetzliche» Weib!" ries der Burggraf. „Nein. Du bist kein Weib, Du bist eine Teufel!», die Eva'» Gestalt angenommen hat» um meine letzte Stunde zu entweihen und zu vergiften!" „Teuselin — warum nicht?" erwiderte sie mit eiskaltem Hohn. „Ihr habt mich ja dazu gemacht. Auch Lncifer war ein Engel, bi» er au» dem Himmel verstoßen ward." „Bist Du wirklich Eva?" stöhnte der Kranke. .Ich bin «S. schau mich an. Burggraf. Die blonden Flechten sind weiß geworden, ich trage sie aber heul« wie ehedem." ^ . .Meine Krone nannte ich sie", flüsterte er. - ^ .Die Krone habt Ihr mir vom Haupte gerissen und in den Staub getreten", fuhr sie fort. .Wie Ihr mir thalct. so ließ ich Euch Eurem Sohne thun. Ich bin gerächt." .Hall, »och nicht!" ries der Burggraf mit Ausbietung seiner letzten Arast. .Noch kann ich widerrufen — da» Gewebe, da» Weibertücke gesponnen, zerreißen, kann —" erschöpft sank er zurück. .. (Fortsetzung folgt.) . - Sachsen. f Dresden, 4. Mai. In der akademischen Kunsts- auSstrllung im .Albertinum" aus der Brühl'schen Terrasse sind in der plastischen Ablheilung u. A. zwei riesige japa nische Bronze-Basen mit au»gestellt. welche die allge meinste Bewunderung erregen uud der Beachtung weiterer Kreise empfohlen werden dürfen. Die in schwarzer Bronze gehaltenen Basen, reichlich 2 Meter hoch, wurden in Kiolo rn Japan bergeftellt und repräsentier» sich al» wirkliche Kunst- producte, wie sie nur höchst selten zur Verschiffung gelangen. Die Beschaffung derselben hat der auSstellenden Firma R. Seelig <L Hille in Dresden, Praaerstraße S5/36 (Import und Lager bon Japan- und Cbina-Waaren). große Mühe und viele Kosten verursacht. Die hohen Relief- auf den durch originelle und schwungvolle Conception in der Form sich aurzeichnenven beide» Basen sind bi» in di« kleinsten Details der Zeichnung überau» sauber auSgeführt. Die ganze Arbeit läßt erkennen, daß die plastische Bildnerei im fernen Osten der de» Abendlandes in nicht» nachsteht. Der Preis der beiden Kunstwerke ist ein derhällniß- mäßig sehr geringer und stellt sich aus 2000 — Da» vielbesprochene Oelgemälde „Imperator mar,", welche» s. Zt. von der akademischen Kunstausstellung in Berlin zurück- gewirsen wurde, bat sein Gegenstück gesunden in einem von dem Maler A. Weiß in Pari« zur akademischen Kunst ausstellung in Dresden eingesandtm großen Oelbild: „Die Nymphe findet da« Haupt und di« Leyer OrphenS." Die AuSstellungS-Eommission hatte zwar an fänglich da» Bild angenommen und auch im Ausstellung»« Katalog mit verzeichnen kaffen, ist aber nachgerade au» ethi schen Gründen zu dein Beschlüsse gelangt, dasselbe vou der Ausstellung au-znschließen. Nicht allein die Nudität der iu Lebensgröße gemalten Nymphe, sondern viel mehr noch da» naturalistisch dargestellte schaurige Todtenangesscht de» mit gebrochenen Augen aus der Bahre liegende» Orpheus, von welchem die Nymphe den Schleier lüstet, soll bei der Au»- stellung-commission Bedenken hervorgerusen haben. Da» leben-wahre Iucarnat der Nymphengestalt wurde von hervor- ragroten Kunstkennern, welche da» Bild zu sehen bekam«», al» „meisterhaft" anerkannt.
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