Typographische Mitteilungen

sein, da er aus einem Geschlecht stammte, das zu den Mün zerhausgenossen zählte. Da ward ihm sicher der Gebrauch von Stempeln und Punzen geläufig gewesen sein; es ist be stimmt anzunehmen, daß dieses technische Wissen und Können zu der Herstellung von Stempeln und eingeschlage nen Matrizen führte, ohne den von Mori angenommenen Umweg. Dieser gründet seine Annahme auf eine Reihe technischer Versuche, mit denen er glaubt, die Arbeit Gu tenbergs rekonstruieren zu können. Die Tatsache aber, daß es sich bei den frühesten Typen auch schon um in Metall geschnittene Originale und nicht um Holzschnitte handelt, läßt Moris Ansicht als am unwahrscheinlichsten erschei nen und nimmt Dr. Zedlers Behauptung, Gutenberg stehe aufCoster, die wichtigsten Grundlagen. Ganz andre Schlüsse über die Frühgeschichte des Buch drucks läßt der bekannte Fachgenosse Friedrich Bauer in seinem Werke »Das Gießinstrument des Schriftgießers« zu. — Das Werk wurde im Jahre 1922 als bibliophiler Druck von der Genzsch & Heyse Schriftgießerei Aktiengesellschaft (Hamburg) herausgegeben. — Er schlägt unbeirrt den Weg ein, den De Vinne schon vor fünfundvierzig Jahren ge wiesen hat. Bauer verfügt über eine große Kenntnis aller der Momente, die ein Wegweiser auf dem schwer aufzufinden- denWege sein können. Oft findet er sie dort, wo sie niemand vermutet oder wahrgenommen hat. Seinem Werke voran stellt er die Worte De Vinnes: »In diesem Gießinstrument finden wir den Schlüssel zur Erfindung der Typographie.« Man erkennt sofort dieWegrichtung Bauers an diesemMotto. Anknüpfend an einen Vortrag Heinrich Wallaus in der Gutenberggesellschaft im Jahre 1905 führt er zunächst schlagende Beweise dafür an, daß Wallaus Annahme, das Gießinstrument habe ursprünglich die Form gehabt, die ihm Jost Amman in seiner »Beschreibung allerStänd aufEr- den« (1568) gegeben hat, unrichtigist. Nebenbei stellt er fest, daß Amman nicht nur in diesem Falle ungenaue Angaben über die Beschaffenheit einesWerkzeuges gemacht hat. Auch ist ihm bei der Darstellung der Handpresse des Buchdruckers ein Irrtum unterlaufen, der gleiche, den ein Künstler vor ihm beging, indem er den Rahmen des Deckels als geschlos sene Fläche veranschaulicht, in welcher Eigenschaft er doch den Druck verhindert haben würde. Es ist auch ohne wei teres klar, daß Amman nicht so ängstlich mit der genauesten Wiedergabe dieser Werkzeuge verfahren ist; er war doch in erster Linie Künstler, der selbst als guter Beobachter Irr- tümern unterliegen konnte, die einem Fachmann nicht entgehen. Auch wird wohl in manchen Fällen eine künst lerische Wirkung auf Kosten der Naturtreue erreicht wor den sein. So scheint die in den Vordergrund gerückte Papier bank des Druckers aus Gründen der Bildkomposition ent standen zu sein. Außerdem ist auch gar nicht gesagt, daß alle seine Bilder vor der Natur entworfen wurden; wahrschein lich hat er auch aus dem Gedächtnis gezeichnet. Der Pariser Buchdrucker Eugene Duverger gibt in seiner im Jahre 1840 herausgegebenen »Geschichte des Buch drucks« bekannt, noch Gießinstrumente zu besitzen, die Claude Garamond, dem berühmten Stempelschneider und Gießer, als Werkzeug gedient hätten. Dieses Instrument, von dem Bauer auch eine Abbildung gibt, ist in seinen wesentlichen Teilen so wie das noch heute gebräuchliche. Garamond starb 1561, hat also knapp hundert Jahre später gewirkt wie Gutenberg. Ferner führt er das Gießinstrument der alten Gießerei Enschede (Haarlem) vor, das schon im An fang des 16. Jahrhunderts im Gebrauch gewesen ist. Weiter gibt er die Druckermarke des englischen Druckers Antony Scoloker wieder, wie er sie im Jahre 1548 einem Werke auf gedruckt hat. Sie enthält neben einer Handpresse auch einen Schriftgießer, mit einem deutlich erkennbaren Gießinstru ment beschäftigt. In einer Sprachlehre, im Jahre 1567 von Christoph Plantin gedruckt, wird in Form eines Dialogs eine genaue Beschreibung der Schriftgießerei gegeben. Sie be zieht sich sowohl auf den Stempel und die Matrize, als auch auf das Gießinstrument und dieses de.ckt sich in seiner Form mit dem oben angeführten. Wenn man nun annimmt, Ammans Darstellung sei rich tig, dann hätten die deutschen Gießer ganz nahe am Ge burtsort der Erfindung mit schlechterem Werkzeug gear beitet als die Ausländer. Bauer gibt dann eine eingehende Schilderung der in Fachbüchern und Enzyklopädien des 17. und 18. Jahrhunderts von Moxon, Geßner, Hartwig und Diderot aufgeführten Gießinstrumente. Alle weisen nur unwesentliche Abweichungen voneinander auf. Von Wich tigkeit ist aber, daß die charakteristischen Bestandteile des Handgießinstrmnents sich in ihrer ersten uns bekannten Form bis auf den heutigen Tag erhalten haben, ja noch in der Handgießmaschine enthalten sind und damit dicht vom Ursprung der Erfindung des Buchdrucks bis in das Zeitalter der Maschine nachweisbar sind. Wohl wenig Hilfswerk- zeuge der Technik weisen in ihrem Fortbestehen eine solche Lebensdauer auf; man wird an die Töpferscheibe erinnert, deren Bestehen bis in das graueAltertum zurückreicht, wenn man dabei noch in Betracht zieht, daß es sich bei dem Gieß instrument um einen komplizierten Apparat handelt. Zurückblickend über die vorstehend geschilderten Er gebnisse der Erforschung der Frühgeschichte des Druckes muß festgestellt werden, daß zunächst vor De Vinne ganz irrige Ansichten über die Art der Erfindung bestanden. De Vinne fällt das Verdienst zu, der ganzen späteren Forschung Weg und Ziel gewiesen zu haben. Wenn von diesem Wege im Laufe der letzten fünfundvierzig Jahre mancher abgeirrt ist, so soll aber dennoch anerkannt werden, daß auch ein Irrweg zur Auffindung des rechten Weges beitragen kann, ja manchem erst die Erkenntnis weckt, wo der richtigeWeg zu finden ist. Von diesem Gesichtspunkte aus wird wohl hauptsächlich Moris mühevolle Arbeit zu werten sein, wo bei seine verdienstvolle Arbeit über die Geschichte des Buch drucks und der Schriftgießerei in Frankfurt nicht unerwähnt bleiben soll. Zedlers Arbeit dagegen »Von Coster zu Guten berg« scheint j edoch ein Weg in eine Sackgasse zu sein, in die sich wohl kaum noch Weggenossen hineinbegeben werden. Das Wertvolle an Bauers Arbeit dagegen ist, daß es uns heute klar wird, in welcher straffen Kurve sich die Existenz des Gießinstruments in fast unveränderter Form aus dem Jahrhundert der Erfindung bis in unsre Tage hineinbewegt. Es würde jedem Naturgesetz widersprechen, wollte man diese klare Linie an einem Punkte ihrer anfänglichen Be wegung abbrechen, anstatt sie auf ihre Wurzel zurückzu führen, die nur in den ersten Frühdrucken zu finden ist und in Johannes Gutenberg. Carl Adam (Hamburg).