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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880605
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880605
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-05
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1888
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Zweite Geilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 157. Dienstag den 5. Juni 1888. 82. Jahrgang. Generalversammlung -es llationallideralen Vereins für das Königreich Sachsen. i * Leipzig, 4. Juni. Wir lassen dem in der letzten Nummer enlbaltenen vorläufigen Bericht über die am gestr-aen Tage im Krystallpalast hier abgebaltene Generalversammlung drS Natioualliberalen Verein« sür das Königreich Sachsen noch folgende ausführlicheren und ergänzenden Miltheilungen folgen. Außer den erschienenen ReichStagsabgcvrdneten vr. Tröndlin, Temper, Niethammer und Clauß halten die Abgg. Holtzmann und vr. Götz an der Versammlung Theil nehmen wollen, sie waren indessen, wie die verlesenen Telegramme bekundeten, ersterer durch eine unausschieblichr Geschäftsreise, letzterer durch Krankheit, an der Ausführung ihrer Absicht verhindert Worten. Ei» weitere- Begrüßung-« telegramm hatten die Annaberger Parteigenossen gesendet. Der Vorsitzende de- Verein-, Herr vr. Gens et. eröfsnete die der Generalversammlung vorau-gehende allgemeine Partei versammlung mit folgender Ansprache: Meine Herren! Zudem ich hiermit diese Versamm lung eröffne, habe ich zunächst einen Dank au-zusprechen gegen unsere streunte in Zittau, welche uns einaeladen halten, diese Versammlung in der Lausitz, in ihrer schönen Stadl abzuhalteu. Wir wären Vieser Einladung sehr gern gefolgt, wir hätten sicher fein können, dort einen freudigen und sehr angenehmen Empfang zu finden. ES wäre noch ein weiterer Grund gewesen, dorthin die Ver sammlung zu legen, nämlich der, daß Zittau de, einzige Wahlkreis war. der im vorigen Jahre nicht den Carl ! Karteien zugcfallen ist. Indessen mußten wir unS doch sagen, und wir konnten un- dabei aus Erfahrungen ähn licher Art berufen, daß voraussichtlich nur eine sehr kleine Zahl von unseren Freunden aus dem sogenannten Erb lande bi- in jenen schönen Winkel von Sachsen komme» Wllrde, zumal da jetzt noch leider die Eisenbahnverbin dung eine sehr mangelhaste ist. Wenn dieser Fehler ein mal gehoben sein wird, dann können wir vielleicht daran denken, auch dort eine Generalversammlung adzuhalten. WaS die Tagesordnung dieser öffentlichen Versamm lung anlangt, so bot sich der erste Gegenstand, ein Be- richt über die allgenieine Lage, wohl von selbst ES bedarf daS keiner Rechtfertigung. Ich darf aber der Freude de« Vorstände- darüber Ausdruck geben, daß unser alter wackerer Vorkämpfer. Prof Biedermann. eS übernommen hat, diese» Bericht zu erstatten. Den zweiten Gegenstand der Tagesordnung, die socialpolitische Aus- gäbe unserer Partei, darf ich gewissermaßen als ein Vermächtniß unseres verewigten Kaiser- Wilhelm be trachten. Sie wissen, wie die letzten 10, 12 Jahre seine» LebenS ganz vorzugsweise darauf gerichtet waren, zu sinnen, wie der sittlichen und der wirthschastlichen Lage der arbeitenden Claff« ausgeholfen werden könnte. Der Liebe, mit der er sich dieser Ausgabe hingegebe» hat, verdanken wir die großen solialpolilischen Gesetze, mit denen wir zum Theil recht günstige Erfahrungen gemacht haben, und die Entwürfe, denen noch die weitere Arbeit de» Reichstag- gewidmet sein wird. Kaiser Wilhelm hatte aber Wohl erkannt, und hat «S auch wiederholt ausgesprochen, daß alle diese Gesetze nur wenig wirken können, wenn ihnen nicht eine selbstständige Thätigkeit aller der Kreise, die zunächst dabei bethcisigt sind, mit zur Seite steht, wenn nicht die Arbeitgeber mit Einsicht und Wohlwollen sich den Aufgaben, die zu dem gleichen Ziele führen, widmen, und wenn nicht wir Alle, ein Zeder in seinem Kreise, mit dazu wirken, daß die Gegen sätze Zwischen den Ständen allmälig ausgeglichen werden, daß ein friedliches und sreundschastlicheS Vcrhällniß ob walte. AnS diesen Gesichlspunclen haben wir de» Gegen- stand aus die Tagesordnung unserer heutige» Versamm lung gesetzt, unv ein Arbeitgeber, der selbst schon aus diesem Gebiete viel gethan hat, unser Freund Niethammer, hat cS srcundlichst übernommen, de» Bericht zu erstatten. Ich würde nunmehr Herrn Professor Biedermann er suchen, zunächst daö Wort zu ergreifen. Es ergriff hieraus der hochbetagte, aber zur großen Freude seiner zahlreichen politischen Freunde immer noch körperlich und geistig rüstige altbewährte Vorkämpfer der national- liberalen Partei, Herr Professor vr Biedermann, daS Wort zu folgender Darlegung über die allgemeine Lage und Stellung der Parte). Beehrte Versammlung! Einer politischen Partei mag es wohl aastehen, daß sie wie ein guter Hausvater von Zeit zu Zeit Buch uad Rechnung führt über ivre Passiven und Active», und dazu eignet sich ja wohl nichts besser als die jährliche Versammlung der Parteigenossen. Unsere Partei dars eS wohl ohne Anmaßung von sich sage», daß sie mehr als wohl die meisten anderen Parteien frei ist einmal von einer blos einseitigen Jnteressenpolitik und anderer seits von einer einseitigen Rücksichtnahme auf die Partei- und Wahl- taklik, daß sie vielmehr es sich immer zum Ziele gesetzt und auch «ach bestem Wissen und Gewissen diesem Ziele immer nachgestrebt bat, die großen Angelegenheiten und Interessen der Nation und de- Rcichs so gleichiam mit sich selbst und ihren eigenen Bestrebungen zu verbinden, daß das eine untrennbar in dem andern ausgcht. Darin mag cs denn seine Rechtfertigung finden, wenn ich Ihnen heute einige Betrachtungen über die allgemeine Lage zuaächü vor trage urd daran nur zuletzt einige andere Beleuchtungen knüpfe über die Stellung unserer Partei zu dieser allgemeinen Lage. Meine Herren! Be, dem Blicke auf da- vergangene Jahr ist S zunächst ein tiefschmerzliches Gefühl, welches uns ergreift. AlS wir im vorigen Jahr um einige Wochen früher hier tagten, da klang noch in unseren Herzen der Jabel nach, der die Feier des SO. Ge- burlssestes unseres herrlichen Kaisers Wilhelm begleite« hatte, der Nachklang jener allgemeinen Theilnahme nicht nur DcutfchlandS, ja, man kann sagen, nicht nur Europas, sonder» der ganzen c vilisirten Welt. Und jetzt, meine Herren, müssen unsere tiesbelrübten Gedanken dem dahingeschiedenen Kaiser gleichsam folgen in jene stille Gruft zu Charlotte,iburg, wo er bei seinen königlichen Eltern ruht. War nun auch dieser Hintritt de- Kaisers Wilhelm nach den allge> meinen Gesetzen der Natur und nach dem, man kann wohl sagen, beinahe über alle menschliche Berechnung hoben Alter des Kaisers nicht unerwartet, mußten wir darauf gesaßt sein, so trat doch dieser Verlust gerade so unter vcsonderS erschwerende» Umständen ein. Meine Herren! Wenn wir früher bei dem immer höher steigenden Alter des Kaisers >a natürlich daran denken mußten und wohl such daran dachten, was werden solle, wenn er nicht mehr unter unS wandle und wirke, so beseelte uns die freudige Hoffnung, daß ihn ein Erbe und Sohn ersetzen werde mit allen edelsten Tugenden und Eigenschaften des Vaters und des ganzen Hobenzollerustammes, daß an ihm sich bewähren werde jene- Horazische „körte» crenntur meine Herren, hat man auch nicht die geringste Spur von einer Be- uarnhigung bemerkt. Alle Well sagte sich beruhigt: eS geht alles so weiter, w,e eS gehen muß, und wie es gehen soll. Meine Herren! DaS ist ein schönes und erfreuliche- Zeugniß von dem ties gewurzelten uud wobt berechtigten vertrauen der deutsche, Nation zu dem ganzen kaiserlichen Hause in allen seinen Gliedern uud Generationen, aus der andern Seite aber auch ein Beweis der schon gefesteten Ein richtungen und Zustände unseres deutschen Reiches. Meine Herren! Jede. Thronwechsel pflegt Erwartungen von irgend welchen Ver änderungen hervorzurusca. Ls ist, als ob mit dem neuen Herrscher auch da« ganze staatliche und Volksleben gleichsab, einen neuen Au- laus nehmen muß. So ists auch diesmal ergangen. Es sind an die Thronbesteigung unseres jetzigen hochverehrten Kaiser« Friedrich Erwartungen gekuüpst worden, von mancher Seite vielleicht sehr weitgehende Erwartungen, die schwerlich wohl ihre Erfüllung finden werden, jo d,.,» Lisüllung in dieser weitgehenden Weise wir unserer- sei,« wohl nicht wünschen können. Die Erwartung aber, die man früher schon von Kaiser Friedrich hatte, wenn er den Thron besteigen würde, die ist voll und ganz in Erfüllung gegangen, nämlich die Erwartung, daß er es ansspricht und nach seinem ganzen Wesen auch gewiß be- thätigen wird, daß er vor allen Dingen eine gewisse Stetigkeit der Regierung sesthalteu will, daß er in den Bahnen seines verklärten glorreichen Later- weiter wandeln wird nach außen und nach innen, und nur da, wo es nötbig ist, den Resormbedürsniffea der Zeit Rechnung tragen und du b ssirndc Hand anlegen wird. Bon Letztiiem hat mau ja, wie wenigstens verlautet, bereits el» Beispiel, indem er einen Schaden, der nicht sowohl im Reiche alt im preußi schen Staate sich geltend machte, die Beeinflussung der Wahlen von oben, durch sein Wort zu beseitigen gesucht hat. Eben, daß Kaiser Friedrich aber auch nicht plötzlich alles zu ändern braucht, daß er selbst in seiner Proklamation sagen kann: „Erschüttelungen und plötzliche Aenderungea der Gesrtze und der Verfassung wüssev vermieden weiden", bas kommt wieder zum The" dadii, daß d.e Zustände im deutschen Reiche im Ganzen und Großen schon untir Kaijü Wilhelm soweit besriedigeiide war,», daß sie zwar natürlich eine künftige Weiterbildung uud Fortentwicke lung nicht ausschließen, daß vielleicht auch in manchen Puncten schon jetzt die bessernde Hand angelegt werden kann, aber daß noch nicht eine tiefe Erschütterung, nicht eine gänzliche Umgestaltung des ganzen Regierungssqstcms »othwendig ist. Meine Herren! Es ist dies der erste Th onwechsel im neuen Reiche. Wir können daher Vergleiche mit früheren Thronwechseln nicht anstelle!!. Allein »n preu ßischen Staate haben, wir Aeltercn wenigstens, schon zwei frühere Thronwechsel mit angesehen, einen 1810, als Friedrich Wilhelm IV. an die Stelle Friedrich Wilhelm's III. trat, und einen 1858, als unser jetzt verewigter Kaiser zunächst als Prinz regent die Zügel der Regierung sür seinen Bruder Friedrich Wilhelm IV. ergriff. Nun, meine Herren, wie stand es damals bei diesen beiden Personenwechsel» aus dein preußischen Throne? Als Friedrich Wilhelm III. starb, ja da war, kann man sagen, im preußische» Vo ke eine hoch ausgcstopelte und ausgcsammelt, Summe von Wünschen, von sehnsüchtigem Verlangen, die man »u. aus Pietät gegen den allen König untcrdiückt hatte, die aber alsbald nach allen Seiten gleichsam explodirten, als der neue König den Thron bestiegen hatte, da wurde die Berufung aus jenen Erlaß vom L2. Mat 1815 allseitig wieder laut, da verlangte man nach der Verfassung, die man bisher entbehrt hatte. Und 1858, ja da hotte Preußen bereits IO Jahre gelitten und geseufzt unter den« schlechten Manteuffel'sch-n Regiment, welches nach innen alle freiheitliche» Be de- Reichskanzlers vom 6. Februar, der ja mit seiner diplomatüchen Sonde, möchte ich sagen, in alle feinsten Falten der europäischen Verhältnisse hineingegriffen hat. Er mußte damals schon gestehen, daß er zwar wohl für die augeublickuchc Erhaltung des Friedens eine Art von Bürgschaft übernehme» könnte, aber nicht aus die Dauer, daß die Lage allerdings »ach verschiedenen Seiten sehr hoch gespannt sei und daher möglicherweise srüher oder später zum Ans- bruch kommen könnte. Meine Herren! Soweit sich? beurtheile» läßt, ist die Lage seitdem allerdings wo möglich noch gespannter geworden, nainenllich von Westen her dadurch, daß in jenem ja immer unberechenbaren Lande Persönlichkeiten austauchen, die man schon durch den Fluch der Lächerlichkeit sür ewig begraben glaubte, die aber morgen oder übermorgen Diktatoren i» Frankreich sind und den Krieg ansangen. Wir haben die Beruhigung wenigstens, und dafür sind wir vor Allem unserem großen Kanzler dankbar, ebenso aber auch dem verewigte» Kaiser und dem Kaiser Friedrich, der in seiner Procla- mation es ja auch ausgesprochen hat, daß der Glanz ruhmvoller Thaten ihn nicht locke. Wir können mit gutem Gewissen sagen, daß von Deutichlaud aus zu einer Störung des europäischen Friedens niemals etwas geschehen ist und wahischcinlich auch »icinals etwas geschehen wird; und wir können mit derselben Beruhigung, aller dings auch gestützt aus jene 3 Millionen wohlgerüsteler Soldaten, die der Reichskanzler i» guter Absicht in seiner Rede dem Auslände vorsührte, gestützt aus jenen mächtigen Fried.nSbund, dem ja auch neuerlich das seemächtige England sich anzunahern scheint, wir können, gestützt aus solche Wassrn und solche Mittel der Bcrlheidigung, ruhig einen Angriff von außen abwarien, und vielleicht ist es nicht zu viel, wenn ich die Hoffnung auespreche, daß auch in diesem Falle kein Feind den deutschen Boden betreten wird. (Bravo!) Meine Herren! daS hat ja alles große Opser gekostet und kostet sie ferner. Wen» wir zusanimenrcchnen, wa- der vorvorige Reichstag uud was der letzte Reichstag an Geldern sür die Ausrüstung, namentlich der jetzt zum Heere geschla gnen Landwehr 2. Aufgebots, was er sür die Ausrüstung der Festungen bewilligt hat, so kommen sehr bedeutende Summen heraus. Das ist eine Last, die das deutsche Volk tragen muß, und die es auch willig trägt i» dem Bewußtsein, es sei immer noch besser, dadurch vor fremden Angriffe», vor sremde» Ver wüstungen geschützt zu sein, als solche z» ertragen, wie wir es in der Napoleonischen Zeit hinlänglich gelernt haben. Meine Herren! Das führt mich unmittelbar hinüber zu einer kurzen Betrachtung über den Reichstag, dessen Zusammensetzung seit de» Wahlen vom Februar vorigen Jahres ja es ermöglicht hat, daß diese richtigen Gesetze zur Verstärkung der Landesverthcidigung ge- schaffe» wurden und unverkürzt zu Stande kamen. Ich will, um gerecht zu sein, nicht verschweigen, daß bei dem letzten dieser Gesetze, der sogenannte» Wchrvorlage. auch die Opposition, die ja sonst gern in allen solch » Dingen operirt, wenigstens insofern Patriotismus gezeigt hat, als sic theil- durch ihr Fcrnhalten, theils durch ihre Zustimmung nach außen den lmmerbin sehr wichtigen Eindruck Herrn» gebracht hat, daß dieses Gesetz nicht etwa mit einer knappen Majorität gegenüber einer starken Minorität durchgedrückt wurde, sonder» gewissermaßen der einstimmige Ausdruck der Volksvertretung und somit auch des Volkes war. Meine Herren! Die neue Majorität im Reichstage, die so genannte Cartelmajoritä», hat sich in zweierlei Beziehungen als außerordentlich wichtig und nützlich gezeigt; einmal, was die Form und Behandlung der Geschälte betrifft dadurch, daß sie rasch und fachlich alle Dinge erledig« hat, während die frühere Majorität sich sehr oft da» in gefiel, die Geschäfte hinzuziehcn durch lange Rede» wegungen »ötten uud nach außei den Staat erniedrigte, und da war es ! und allerhand Str iiigkeite», die nicht zur Sache gehörten. Sodann das erste Geschäft ocs Prinzregenten, unseres nun verklärten Kaisers, j hat die neue Majorität eine Menge wirklich positiver Gesetze hervor« mit diesem Ministerium auszuräumen und ein neue- einzusetzen, mit dem, wie man es damals ausdrückte, eine neue Aera beginne» sollte. Meine Herren! Wen» wir diese beiden Zustände uns vergegen wärtigen und vergleichen mit den Zuständen, wie sie Kaiser Friedrich bei seiner Thronbesteigung fand auch in Preußen, namentlich aber im Reiche, ja so müssen wir doch mit vollster Freude be kennen. daß eS bei Weitem besser bei unS geworden ist, daß solche Zustände, die nicht eine augenblickliche, blos bessernde, sondern eine gründliche und ties umgestaltende Hand erheischten, bei uns schon lange nicht mehr gewesen sind. Und wenn man soviel vorgeredel Hai von der furchtbaren Reaktion, in deren Mitte wir lebten, jo, mein- Herren, ich glaube, wir ini Reiche, abgesehen von Preuße»—LaS lasse ich hingestellt — haben davon außerordentlich wenig empfunden. Wenn unsere frühere liberale R-ichsgesetzgebung seit dem Jahre 1878 gewissermaßen ins Stocken gekommen, ja in manchen Puncten, und namentlich in dem allerdings schi wichtigen Puncte der Zollgesetzgebung rückläufig ge- worden ist, so ist doch das ja weniger einer etwa planmäßigen Reaktion von oben, von Seiten der Regierung, als vielmehr dem Hervorbrechen gewisser Strömungen aus dem Volke selbst zuzu- schrciben. Jene agrarische Bewegung ist gekommen, müchlc man sage», über Nacht und hat überhand genommen und Alles, möchte ich sagen, mit hinweggeschwemmt. Das ändert sich auch wieder. Das sind Dinge, die von den Wahlen und der Mehrheit im Reichs tage abhängen, die man nicht schlechthin der Negierung schuld geben kann. Meine Herren! In jener vortrefflichen Proclaination des Kaiser- Friedrich, welche die Form eines Erlasses an den Reichskanzler hatte, hatte sich Kaiser Friedrich mit einer ganz außerordentlichen Wärme dasür ausgesprochen, daß dieser, wie er ihn nannte, getreue und bewährte Diener, dieser muthvolle Rathgeber seines verewigten Vaters auch ihm treu bleiben, und daß er zur Verwirklichung seiner Absichten sich aus dessen bewährte Erfahrung und Hingebung stützen werde. Ui» so überraschender war cs, daß bald daraus ein Zwischenfall eintrat, der gefährlich zu werden drohte, der aber glücklicher Weise rasch gelöst worden ist, den ich aber doch nicht ganz unbeachtet lassen kan», jene sogenannte KanzlcrkiisiS, Man hat damals von gewisser Seite diese Kanzlerkrisis als eine gemachte darstellcn wollen, als eine, die gar nicht wirklich vorhanden sei, man hat von einer „angeblichen KanzlerkrisiS" gesprochen. Meine Herren! Wer die Artikel, namentlich den eine» Artikel der ossiciöscn „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" damals gelesen hat, wird mit mir der ilcbcr- zeugung sein, daß eine solche ernste Krisis bestand, und daß die Ge fahr, diese» Leiter unserer Politik, namentlich unserer auswärtige» Politik zu verlieren in eiueui Me,»inte, wo wir eines immer sichtren Lett«rs mehr als je bednrttc,., rinc so drohende war. Meine Herren! Diese dienende Gefahr hat damals uns hier in Leipzig veranlaßt, einen Schritt zu thun, der sehr verschiedenartig beurthcilt worden ist, und über den Sie daher einige Worte zu sagen mir gestatten müssen. Wir haben damals im Verein mit d n Eonservativen hier eine Adresse an den Reichskanzler entworsen und zur Unterzeichnung ausgelegt. Sie ist nicht abgegangen, weil untcr- desscn glücklicherweise die Krisis gelöst war. Sie hatte ater, wenn in, recht berichtet bin, binnen 2 Tagen doch ziemt ch 8000 Unter schriften hier gefunden. Die Adresse ist zunächst angeiochten worden — und das bcgr-ise ich — von der deutfchsreisinatge» Presse. Mau hat es als eine Art Jllovalität dai gestellt, daß mau sich a» den Kanzler gewandt und dessen Bleiben gewünscht habe. Auch in unseren Kreise» ist zum Theil wenigstens die Opportunität der Adresse bezweifelt worden. Meine Herren! Ich für mein- Person nehme die V r- antwortung sür diese Adresse voll und ganz auch jetzt ans »ich. Ich würde in ähnlichem Falle gerade wieder so handeln. Ich habe es von jeher in m incr langen politischen Lnusbah» stets zu meiner festen Ucberzeugung gemacht und die« überall, wo ich konnte, und wo es noth war, bethätigt, daß, wo dem Baierlaiide eine Gesahr droht, jeder Einzelne un Volke so berechtigt wie verpflichtet ist, alles zu thun, um diese Gefahr abzuwende», und zu vielem Zwecke auch, wen» es nöthig ist, seine Stimme laut zu erheben. (Lebhafter Beifall.) Meine Herren! Das Recht, Bitten einerseits an die Votks- kortibus et bovis" von Starken und Tüchtige» komme» wieder > Vertretung, andererseits an den Thron zu richten, ist ein heiliges Starke und Tüchtige. Das d-nlsche Volk »litte ihn als de» f Recht, welches sowohl die sächsische Verfassung als auch die deunche Helden kennen gelernt im Kriege, als einen Mann von warmem Herzen und Hellem Geiste in vielen Thaten des Friedens; und so hat es tha verehren und lieben gelernt. Und nun lag dieser herrliche Königs- uud Kaisersoh» von schweren Leiden gefesselt, fern in Jialien, und man mußte zweifeln, ob es ihm möglich sein werde, belmzukommea und die Regierung anzutrelen und sie zu führen. Und als er dennoch mit echt hohenzollernscher Pfl chttreue und echt hohenzollernscher Charakterstärke gleichiam seiner Kiankheit g-bot und die gefahrdrohende Reise dennoch vollbrachte und die Regierung tchrklich antrat, da blieb doch noch so manche Ungewißheit und Un sicherheit übrig, ob cs ihm möglich sein werde, bei wieder zunehmendem Leiden die Regierung sortzufübren. Meine Herren! Wenn eine solche Unsicherheit in der Fortführung der Regierung in manchen andern Ländern entstanden wäre, so möchte leicht daraus mui- bestens eine ziemlich weit verbreitete Beunruhigung, vielleicht eine Erregung, vielleicht noch Schlimmeres entstanden sein. Ich erinnere nur an daS, was 1825 In Petersburg geschah, wo u»r einen kurzen Moment die eigentliche Thronfolge unsicher »ar und sofort ein militairischer Aufstand losbrach. Bei unS, Bunde-.'versassliiig dein Volke zueckenul; und ich würde cS als einen sehr bedauerlichen Rückschritt unserer politischen Bildung und unseres ganzen öffentlichen Leben« betrachten müssen, wenn man dahin käme, dieses dem Volke durch die Verfassung selbst zugesprochcne Recht dadurch zu verkümmern, daß man Kundgebungen diese- Rechts ver leugnet oder mißbilligt! Meine Herren! Wenn wir »ach allem dem Besagten mit Be friedigung aus unsere inneren Zustände blicke» können, mü vollem Vertrauen zu unser»» neuen Kaiser ausbtickea, und nur das Gebet uns übrig bleibt, daß er uns erhalten werde, daß eS ihm möglich sei, die schönen und fruchtbaren Ideen, die er in seiner Proclama- tion niedergelegt bat, auch selbst zu verwirklichen, die Keime, die er gesät hat, zur Frucht reisen zu sehe», wen» wir der Hoffnung gar unS hingcben wollen, Laß der ja aut säst überraschende, aber hoch erfreuliche Weise sich bessernde Zustand des Kaiser« andauert, so ist der Ausblick nach außen freilich weniger befriedigend. Freilich ohne unsere Schuld. Meine Herren! Es wäre thöricht von mir, wenn ich Ihnen die Lage Europas schildern wollte nach jener weltgeschichtlichen Rede gebracht von positivem, wichtigem Inhalt. Ich will Sie' nicht er- müden durch Auszählung dieser Gesetze. ES ist ja zu hoffen, und cs sind ja schon e »z tue Vorgänge dieser Art da, daß unsere ver- ehrten Rcichstagsabgcordneten m ihre» Wahlkreise» Gelegenheit nehmen werden, ihren Wählern Bericht über die Arbeit des Reichs tages zu erstatte».Sie haben dasür ein sehr gutes und ermunterndesMuster. In den letzten Tagen hat der kvnigi. würltembergische Minister präsident von MitiiiachtaisMitgliedder Kammer vor seuicuWähIcrir eiile Berichterstattung geholien. Was dem Ministerpräsidenten t» Stuttgart möglich ist, könne» unscic Reichstagsabgeordneten auch gern thun. Nur auj einen Puacl muß ich noch kommen, der dann noch mit der anderen wichtigen Frage zujammenhängt. Nämlich obgleich die im Carle! ver bundencuParleien, die conservative, die srcieonservativk und unsercPartei, in jchr vielen wichtigen Fällen, aljo bei den »»litairischen Gejctzcn, bet der Branntwein- und Ziickersteucr, bei dem Socialistengesctze, bei der Verlängerung der Wahlperioden, bei der Beschränkung der Oesftnt- tichkeit der Ger,chiSrir! ai dlungen re., fest zusammen g.-lUmmt haben, so hat es Loch iiem.nlt.ch zwei wichtige Vcihanblungsgcgenstände gegeben, bei de,»» eine Spaltung dieser Parteien und ein ziemlich scharfer Gegensatz derselben unter einander eingetrele» ist. Das ist einmal bei der Erhöhung der Gelreidczvlle, wo nur ein Theil unserer Partei mit den Conscrvaliven uns Frciconscrvaliven gestimmt hat, dagegen auch ei» Theil des Centrums, und bei der Wiederherstellung gewisser Zunftprivilegien, bei denen unsere Partei geschlossen mit den Freiconservativen gestimmt hat gegen Conservative und Ccntrum. Das sührt mich unmittelbar hinüber aus die Frage des Cartels, seine Bedeutung, die cs vo» Hause aus gehabt hat, und die cs gegen wärtig noch hat, eine Frage, die mir von höchster Wichtigkeit scheint Den» ich erblicke im Cartel »ach wie vor de», möchte ich sagen, eigentlichen Schlüssel zur Lösung des Räthsels, wie wir über zwei Jahre »och einmal eine Mehrheit im Reichstage gewinnen wollen Ich bin fest überzeugt, daß, wenn wir das Larlel nicht ganz fest zusammenhaltk», wir in zwei Jahren wieder unterliegen und wieder eine klerikal-deutschsreisinnigc Mehrheit im Reichstage die Hcrrschast antrilt. (Beifall) Nu», meine Herren, eS sind ja sehr verschiedene Ansichten laut geworden, und auch die praktische Stellung der einzelne» Parteien zum Carle! ist ei ic verschiedene. Ich will nicht vo» den Acußerungen rede», die einzelne Redner im Reichslage oder im preußischen Land tage gethan haben: „Das Cariel ist abgethan, a»liguirt, erloschen, wir habe» eS geschlossen sür die Wahl, min hat cs seine Schuldigkeit gethan, der Mohr kan» gehen." Die Conservative» haben gesagt „Ja, wir haben ,»it den Nationalliberalen das Cartel geschlossen sür die Wahl, wir habe» eS getreulich gehalten, aber dadurch haben w r uns Nicht verpflichtet, auch tu alle» Frage» mit de» National liberalen zu gehen." Meine Herren, das ist ganz richtig; eine solche Verpflichtung ist »ie gefordert und eingegangen worden; cS ist aber auch nicht auf eine solche recurrirt worden. Wenn d e Eonservativen glauben, eS verantworten zu können gegenüber de» großen und allgemeinen Interesse» der Nation, sich lieber dem C'Ntrum zuzuwenden und sich von den Nationalliberalen uud Freieonicrvaiivcn zu trennen; wir können sie nicht hindern. Zu weit freilich geht es, wenn einzelne conservalive Blätter von uns verlangt haben, wir müßten vermöge des Cartels uns den Conser vativcn anschlicßen und ihnen Heeressolgc leisten; es wäre ein Bruch des Cartels, daß nicht unsere ganze Partei geschlossen sür die Getreidczölle gestimmt habe. Das ist eine ganz absonderliche und durchaus ungerechte Forderung. Meine Herren! Unsere Partei im Reiche hat im Geiste und Sinne des Cartels ihr Verhalten insosern sehr streng eorrect abgemessen. Sie könne» ihr nicht einen einzigen Antrag Nachweisen, der nach einer Seile gegangen wäre, wodurch sie sich getrennt hätte von den Conservativen und Freiconservalive» Unsere Partei hat vielleicht auch manche Wünsche im Stillen, die sie wohl bei gegebener Gelegenheit auch äußer» möchte; sie hat srüher manche freisinnige Ansicht entwickelt und freisinnige Anträge gestellt, die sie keineswegs etwa verleugnet, die sie aber zurückhält namenl sich mit aus dem Grunde, um nicht z» einer Spaltung dieser Cartelparteien Anlaß zu geben. Meine Herren! Ich glaube, da- ist eine sehr anerkcnnungcwerlhe patriotische Haltung unserer Partei, uud cS wäre nur zu wünschen, daß andere Parteien diese Haltung »achahmen. (Beifall.) Wir in Sachsen, um aus unser engeres Vaterland zurückzukommen, haben ja das Cartel ganz besonders hoch und warm gehalten. Sie erinnern sich, daß bei der vorigen Generalversanimlung aus meinen Antrag einstimmig beschlossen wurde, das eigentlich nur sür die Reichstag-Wahl geichlosscue Cartel auch aus die Landlag'wahl zu übertragen. Das ist grschchen; wir haben »ns mit ben Conservativen vereinigt bei den Landtag-Wahlen, gerade nicht zu uascrm numcrtschen Vorldetl. W>r haben natürlich den Besitzstand anerkennen müssen, und darnach haben wir sehr wenige Sitze wiederbekvinmeii und die Conservativen sehr v cle. Allein, daS macht sür die Sache nichts aus. Ich muß anerkennen, daß von den Conservativen sowohl bet dem Atschlusse dieses Cartels als auch bei der Durchführung desselben turchaus aufrichtig und ehrlich gehandelt worden ist, wie ich cs glaube ron unserer Leite auch sagen zu können. Meine Herren! Vergessen wir nicht, daß die nächste Reichslags wahl, die ollerd na? erst I8S0 staltfindet, daß diese Reichstagswahl, weil dann die fünfjährige Legislaturperiode in Wirksamkeit tritt, uns eine Reichslagsmchrhett geben wird, die fünf ganz- Jahre lang ihre Herrschaft behauptet, und daß darum aus diese nächste Reichstags- Wahl ganz außerordentlich viel aukommt. Wenn wir dann noch einmal den Sieg erringen, so wird es leichter LaS zweit» Mal. Aber wenn wir diesmal unterliegen, so ist aus snns Jahre hinaus unsere ganze Gesetzgebung einer Mehrheit hingegebe» und preis- gegeben, wie wir sic unS nicht wünschen! Es wäre wohl noch mancherlei darüber z» sagen, was auch noch eiuschlüge, über die Organisation unseier Partei, die ja euch ein wesentlich,S Mittel mit ist zui» Siege bei kimstigen Wah r». Allein, ich uiiicrlasse es, da diese Frage heule in Folge ciiigereichtcr Aairäge i» ziemsich aulgiebiger Weise i» der Generalversammlung zur Fiage kommen wird. Nur eine» Wunsch und eine Hossiiuag lasse» Sie mich hier noch kundgeben, die allerdings ihre B sriedigung mchl >a diesem Kreise zu stade» haben, sondern die gewiss,rinaße» über die Wände diese- Saales binausspiechen. Es hat sich bei d>n letzte» Reichstagswahlen, wie Sie wissen, und schon vor diese» bei jener wichiige» Frage des Seplennats im Reichstage eine sehr w-aiige Spaltung vollzogen innerhalb der sächsisch bculschsreisianige» Paiiei. Es hat sich eine Anzahl sehr angesehener, ehrenweriher Männer, nämlich beinahe die sämmtsiche» älteren Führer des sächsische» Zvil- chritts von jener Partei, wie sie tn Berlin sich darstellt, getrennt. Sie haben mit uns gestimmt, sie sind Mit uns auch vollkommen als Cartetgenossen behandelt worden. Ich weiß auch, daß einzelne dieser Männer, die besonders rührig sind, daS sehr verdienst liche Geschäft vollzogen haben, in ihren Reichslagswahlkreisen ge mischte Vereine zu bilden, Vereine» in denen die patriotischen soklschrittlicheii Herren mit unser« Parteigenossen und de» Eon- crvativen zusammeagehen. Und daS scheint mir außerordeniuch nützlich und gut. Nun, meine Herren, möchte ich glauben, daß diese Herren ihren bisherigen Verdiensten noch eins hinzusüge» können, wenn sie nämlich durch ihren persönliche» Einfluß alle Diejenigen ui» sich sammeln, die bisher so im Allgemeine» dem Liberalismus, dem Freisinn in Bausch und Bogen angehört haben, die aber gleich diese» Herren sich abgestoßen finden durch gewisse Vorgänge in der deulschsrcisinnigen Partei, und die wahrscheinlich, wenn sic solche Krqstallisationspuncte fänden, sich zu einer neuen Partei orgaiiisircn könnte», die t» liberaler Fori» mit uns gehe» und dadurch unsere nationalliberale Partei in außerordentlich wichtiger Weise verstärke» wird. Ich kann dies nur als Wunsch aussprcchcn; aber ich wünsch« und hoffe, daß dieser Wunsch auch draußen gehört und namenilich von jenen Männern beachiet werde. M. H.! Ich habe kurz nach dem glänzenden Ausfälle der vor jährige» Wahl in einem Vortrage, den ich an anderer Stelle hielt, gleich am Anjange gesagt, eS sei sehr fatsch, waS leider in der Politik ost gescheht, daß i»a», wen» eS schlecht gehe, den Much verliere, und wenn cS gut gehe, lässig werde; und ich habe geendet mit der Mahnung an meine Parteigenossen, sic iiiüchle» cs nicht so machen, sie möchten vielmehr fort und fort Hand anlegen, daß der errungene Sieg un- nicht wieder verloren gehe. M. H.l Diese Mahnung möchte ich jetzt auch an Sic richten und möchte wünsche», daß, wie vo» jenem Römer erzählt wird, daß er im Senat bei jeder Sitzung gejagt hat: „Und schließlich wünsche ich, daß Karthago zer- töit werde" — so möchte ich, daß am Schlüsse jeder Gencralvec- amnilung die Mahnung wiederholt würde: Sorgen Sie alle dasüe, auch in der Zwijchenzeil, nicht erst kurz vor den Wahlen, daß die nächsten Wahlen wieder so aussallen wie die letzte! So lange ich noch lebe, werde ich diese Mahnung jedeSmal an Sie richten. (Lang andauernder Beifall.) In der öffentlichen Parteivcrsanimlung sprach nun »och weiter unter gespannter Aufmerksamkeit der Versammlung Herr Eommerzicnralh unv ReichölagSabgeordneter Niethammer über die socialpolitische» Aufgaben der Partei. Wir werde» den Wortlaut dieses bedeutsamen BorlragcS in der nächsten Nummer zum Abdruck bringen. > Der öffentlichen Parteiversammlung schloß sich unmittel bar die eigentliche Generalversanimlung a». zu der nur die Mitglieder oeS Verein- Zutritt hatten. Den ersten Gegen- tand der Verhandlung bildete der vom Schriftführer ve- BereinS, Herr» Rechtsanwalt vr. Heikler, erstattete Ge schäftsbericht über daS abgelausene BereinSjahr. ES belras dieser Bericht zumeist bereit- bekannte Thatsachen und wir können deshalb kurz darüber hinweg gehe». Der Bericht constatirlc u. A. die auS Anlaß der lctzlen Landtag-Wahlen mit de» Eonservativen gepflogenen Verhandlungen, die zur Er neuerung des CarlelS auch bei diesen Wahle» führten. Die »ach dcm Vereinössatut in jedem Wahlkreise vorzunebmende Wahl von VerlrauenSmännern stattgesunden hat, ohne daß jedoch eine grö ßere Thätigkeit dieser Vertrauensmänner zu verzeichnen gewesen ist. Die Zahl der VercinSmitglieder hat sich so ziemlich ans der seitherigen Höhe erhallen, sie betrug am Beginn de- gegenwärtigen VcreinSjahrcS 8S0. Der Geschäftsbericht wurde ohne Debatte genehmigt, desgleichen, vorbehältlich der Special- prnsuttg, der Bericht des Schatzmeister- Herrn Stadtralh Nagel, wonach am Schluffe des letzten VcreinSjahrcS die VereinScasse eine» PcrmögenSbestand von 7860 auszuwcisen hatte, was gewiß als ei» befriedigendes Resultat bezeichnet werden kann. Zu Revisoren wurden die Herren Stadtralh Pohlentz und AugustSicbert gewählt. Herr Stadtralh Nagel knnpsle an seinen Bericht die gewiß berechtigte Mahnung, daß erstens dem Verein die nationalliberale» Gesinnungs genossen in weit größerer Anzahl, als da- bisher geschehen, bcitrelen und baß sie zweiienS ihre ost recht geriugsügigen Beiträge freiwillig etwas erhöhe» möchten. Der dritte Gegenstand der Tagesordnung betraf die Neuwahl de- Borst an des, der i.n Lauft deS letzten ZahreS durch den Tod der um den Verein und die Partei hochverdienten Herren Eomnierzienrath Dietel in Wilkau unv NeichSgcrichlsrath Hnllmann einen schmerzlichen Ver lust erlitten hat. Die Bersaniinlung ehrte daö Andenken an beide Verstorbene durch Erheben von den Sitzen. Aus Vorschlag deS Herrn vr. M a aß - Dresden wurde der derzeitige Vorstand durch Zuruf wieder- und zur Er gänzung der eingctrctcnen Lücken die Herren Fabrikbesitzer Dietel-Coßmannsdors und Fabrikdirector Schulz-Meerane neugewählt. ES folgte nun die Bcrathung iiber einige von Mitgliedern gestellte Anträge. Der erste dieser Anträge, eingercicht vo» den Herren Bär-Zwickau. Vr Denneberg-Groß» stelpcn, Leon Hardt-Leipzig, Vr Richter Dresden. Schu bert Auerbach und Schütz-Volkmar-dors lautete: Den Vorstand de- Vereins damit zu beaustragen, in geeigntter Weise dafür zu wirken, daß die Stichwahlen zum Reich.ttag ab. geschasst werden, so daß immer schon das Ergelmiß der ersten Wahl entscheidend ist, dergestalt, daß Derjenige als gewählt gilt, welcher von de» ausgestellten Candidate» die meisten Stnmneii erhalten hat. Wie zu erwarte» stand, verursachte dieser Antrag ein« sehr lebhafte und ausgedehnte Debatte. Priiicipielle Gegner de« Anträge-, den Herr Leonhardt-Leipzig ii» Namen der Antragsteller begründete, waren die Herien Temp er-Zwickau und Clauß-Ehemnitz, während die Herren Nicthamnier- Kricbstein, Pros. Biedermann und SParig-Reudnitz die großen Schäden, welche die össcnllichc Moral an« der Ein- richluna der Stichwahlen erleidet, und die Zweckniäßigkeil der Abschaffung der Stichwahlen entschieden anerkannten. Herr Geh. Rath Windscheid nahm einen vermittelnden Slandpnnct ein, indem er erklärte, sich vor der Hand weder sür, noch gegen die Stichwahlen auSsprcchcn zu wollen. wol'l aber cS für anaezeigt erachte, daß, ehe der Verein seine Anssaffnnz in dieser Frage äußere, er vorerst mit Ver Ecntralleitung der Partei Fühlung nehmen möge. Den Zmeiscl, ob eS opportun sei. wenn im gegenwärtigen Augenblick der Nationalliberale Verein sür da« Königreich Sachsen mit einem Beschluß gegen die Stichwahlen bez. aus Abänderung de« Gefti es über die Rtich-lagSwahlen hervorlrete. theitle auch Herr Abgeordneter Niethammer. Herr Prof. Biedermann wieü daraus hm, daß er schon bei früherer Gelegenheit rin Mittel ange geben habe, wodurch die Schädlichkeit der Sl chwablen vielleicht beseitigt werden könne: dieses Mittel bestehe darin, daß die relchStrcucn Parteien sich gleich bei den ersten Wahlen zu ge itieinsamem Vorgehen verbinden, also daS Cartel. ES wu.de schließlich vorgcschlagcn, daß der Antrag dem Veesiande zu
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