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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880615
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880615
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-15
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1888
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Zweite Leilage M Leipziger Tageblatt «nd Anzeiger. Ui7. Freitag den 15. Juni 1888. 82. Jahrgang. vom Kaiser. ** Berlin. 13. Juni. DaS Befinden de- Kaiser» ist etwa» bester, die künstliche Ernährung gehl gul von Stallen, mw nachdem der hohe Patient mehrere Tage hindurch fast »hne Nahrung gewesen, zeigte sich heute sofort eine Hebung de» KreislezustanbeS, nachdem eS ermöglicht war. vermittelst -e» Rohres Nahrung in reichlicher Menge dem Magen zu- Zufuhren. Eine unmittelbare Gefahr ist nicht vorhanden, aber die Gefahr ist doch eine recht große, Lust und Nahrung müsse» nunmehr dem Kaiser aus künstlichem Wege zugesührt werde»! Wer hatte je vorher so sehr, so viel gelitten! Selbst Mackeuzi« gesteht jetzt osficiell ein, daß die künst liche Ernährung nothwendig ist. um daS Leben zu ver längern. WaS sollen, waS dürfen wir »uu noch hoffen. Jetzt wagt der hartnäckigste Optimist den bös artigen, den sehr bösartigen Charakter der Krankheit nicht mehr zu bezweifeln, und die Tbalsache liegt vor, daß auch die Speiseröhre ergriffen ist. ES hat sich eine ,.Bcr> binvung zwischen Kehlkopf und Speiseröhre" gebildet, ist die Wohi zugestutzle Art, sich auSzudrückeu. Aber welcher Art ist diese „Verbindung"! Wem kan» eS einen Trost gewähren, daß Patienten öfters noch einige Monate und selbst länger gelebt haben, wenn die Ernährung durch eine Sonde erfolgte. Leben heißt Leiden — aber da- ist zu viel de- LeidS für einen Sterblichen, wenn er auch die Heldennatur unseres Kaisers besitzt. Still und stumm trägt Kaiser Friedrich sein furch.bareS Leid und ringt mit dem grausen Feind seit einem Jahre. WaS auch geschehen, die Thatsache liegt vor. daß die schleichende Krankheit immer mehr Terrain erobert hat. und WaS man auch von Besserung gesprochen und versprochen, nichts ist eingelrosfen. es ist der ärztlichen Kunst nicht möglich gewesen, auch nur für einen Augenblick der Krankheit Halt zu gebieten. WaS den hohen Dulder auf dem Sicckbett für * Amsterdam, II. Juui. Der neue Kriegsminister Berganfius hat in dem BesörderungSwesen eine durchgreifende Veränderung vorgenommen, welche die llnzusriedenh-it und die E-bitterung, welche im OfsiciercorpS herrscht, zu beseitigen geeignet ist. Be, den HesSrderiiugen, namentlich zu den höher» Posten, herischte bl icht die denkbar größte Willkür : unter dem Vorwand außergewöhn licher Fähigkeit rückte« sehr häufig junge Osficiere über ältere weg in höhere Stelle» aus. aber da- von den verschiedenen Reginients- couimaadcurtn abgegebene Urtheil über Fähigkeit war rn> äußerst subjective-, und eS kam »st vor, Laß ei» nicht grade hohe An forderungen stellender Vorgesetzter dem Kriegsminister einen jüngere» Osfieiec zur Beförderung einpsahl, dem von einem strenger» Ch s dre Befähigung zu einer höher» Stelle kurzweg abgesproche.i worden wäre. Daher kam e- auch, daß viele tüchtige Osficiere, wenn sie ei» gewisse- Alter erreicht hatten, ei'isach mit Pension entlassen wurden. Fortan soll die Beförderung nicht mehr ousichließlich von der Eiiipfehlung der Vorgesetzten, sondern von einem allgemeinen, streng durchzusührenden Maßstal» oblängen. wobei der Minister in erster Linie mit seinen eignen Augen zu sehen haben wird. Ganz ähnliche Mißstäude wurden vor enilger Heit vom „Standaard" auch in den Beförderung-Verhältnissen untergeordneter Livilbeamten >» Len verschiedenen Ministerien gerügt. vr. Sarth's Ermhungsschule als Jubilarin. ir Leipzig, 14. Juni. Daß die Privatschulen in ihrer Wirksamkeit nicht zu unterschätzen sind, das ist schon öfter- ans- eiuandergesetzt worden. Sie Laben ja nicht bloS deshalb Vorzüge, weil sie wenig Kinder in einer Classe vereinigen und deshalb aus die Individualität derselbe» näher eingehen können, als e- in vollen Klassen möglich ist; sondern auch deshalb, weil sie manche Reform leichter als die öffentlichen Schule» aussühren können. Ist e- doch Thalsache, daß ei» beträchtlicher Thcil der Fortschritte aus deni Gebiete der Schule und der Erziehung von den Privatschule» au-gegangen ist. Und deshalb werden w r auch einer Privatanstalt, die wie dieBarth'sche Erziehungsschule ein Bierteljadrhundert in großem Segen gearbeitet bat. unsere innigste Theilnahme und Anerkennung nicht versagen dürsen. Dieselbe wurde 1863 eröffnet, >«,.» »m t« xr. - « L,7i'"Lr NW widmet er dem Dienste seine- Volkes. Und Eines hält ihn! ausrecht: daS unerschütterliche Gvtlvertrauen. Auch hierin ist Kaiser Friedrich unS Allen ein leuchtendes Vorbild. Wir! vermöge» nicht- weiter alS zu beten. Die menschliche Kunst ist am Ende. Möge Gott da- Flehen der Millionen erhören Uiid noch einmal und für längere Zeit daS Schlimmste abwendc» von Kaiser Friedrich und der deutschen Nation! DaS Wolss'sche Bureau meldet: * Potsdam. 13. Juni. Da bei der augenblicklichen Lage Sr. Majestät die Einführung einer ErnährungSsonde mit einiger Gefahr verbunden ist, so hat Sir Morell Mackenzie seine Zustimmung zur Anwendung dieses Instrumentes erst gegeben, als von alle» Aerztcn einstimmig zugegeben war. daß die Methode nothwendig wäre, um daS Leben zu »er- länzern, da Patienten öjterS noch einige Monate und selbst länger gelebt haben, wenn die Ernährung durch eine Sonde erfolgte. — Bereits am Sonnabend Morgen hat Sir Morell Mackenzie eine Tampoiicanüle eingesetzt, da sich eine Ver bindung zwischen Kehlkopf und Speiseröhre gebildet hatte. Die Ernährung Sr. Majestät eisolgt durch Sir Morell Mackenzie mehrmals im Lause des Tage-, und zwar mit concentnrler Milch, Sahne. Whiskey :c. * Potsdam, 13. Juni. Se. Majestät der Kaiser empfing den König von Schwede» auf der Gartcnterrasse im Stuhle sitzend. Der König balle mit Sir Morell Mackenzie eine etwa 10 Minuten währende Unterredung. DaS Allge meinbefinden des Kaisers ist verhällnißinäßig befriedigend. Allerhöchslderselbe nimmt schon festere Speisen ohne Sonde zu sich. — Gegen 7 Uhr Abends stallcle Se. k. und k. Hoheit der Kronprinz Sr. Majestät eine» Besuch ab. (Wiederholt.) * Potsdam, 13. Juni. Se. Majestät der Kaiser verweilte von ll>/r Uhr ab einige Zeit auf der Terrasse. Um 2 Uhr 48 Min traf der Reichskanzler Fürst Bismarck auf der Slalion Wildpark ein und fuhr sofort nach Schloß Friedrichskron. * Potsdam. 13. Juni. Der Reichskanzler Fürst Bismarck verließ um 4^/, Uhr Schloß Friedrichskron und fuhr zu Wage» nach Potsdam und von dort mit der Eisen bahn «ach Berlin. - - Mi Mainsches. * In Folge der durch daS neue Wehrgesetz vom ll. Februar d. I. bedingten Ergänzungen und Ab ändern n gen der Wehrordnung vom 23. September 1875» ist die letztere bekanntlich jüngst einer Umarbeitung unterzogen worden und daS Erscheinen des Werkes in nächster Zeit zu erwarten. Die wichtigsten Abänderungen und Ergänzungen sind die folgenden: 1> Die Ersatzbehürden sind nicht besugt, die Zeugnisse anderer al - der vom Reichskanzler sür das Ausland bezeichnet-,, und gehörig bekannt gemachlen Aerzte und die der Marine-Aerzte anzunehme». 2> Die dem Musterungs-Peesonal zuzniheilenden Iiisanlerie-Osficiere find aus der Zahl der Lieutenanls des Friedensstandcs anSzuwählen; nur wenn solche ncht verfügbar sein sollten, darf die Heranziehung bis ans 288 stieg. Durch Trennung der Töchterschule von der Anstalt verringerte sich die Zahl einigermaßen, aber immer beträgt sie noch nabe an 200. Im Ganzen haben in den 25 Jahren 4328 Kinder die Erziehungoschule betucht. Dieselbe ist ein Gpmn,>sial- uud Realinstitut nach H-rbarl-Ziller'jche» Idee» und dient zugleich auch als Bordereitungsanstalt sür andere höhere Schulen. I» unserer schnelllebigen Zeit gelte» allerdings 25 Jahre niibt viel, und eS werde» die Silberjubiläen ofimai-S wenig beachtet. Allein 25 Jahre einer Schule, uns besonders einer Privalschule, was bergen die in sich! Die Barlh'jche Erziehungsschulc Hai nicht uur Berge Vau äußeren Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, sie hatte auch ununterbrochen an der Ausführung ihrer Ideale und ihrer Reformen zu arbeite». Zu de» besonderen Eigemhümlichkeiten, durch welche sie sich von auderen Institute» unterschied und »och unleischcidet, gehören n. A. auch die folgenden. Nah« am Schul- Hause ist ein Garte», der die Liebe zur Natur pflegt und auch den Zöglingen, die dort spiele», turne», pflanzen, oder an Thieren ihre Freude haben, zur Gesundheit dient. Barlheühast sür die Ent wickelung der einheitlichen Wirksamkeit waren auch die Wochen- consereiizen und die Praktika, bei welchen die Mitarbeiter sich gegen seitig förderten. Die Schulabende, welche dazu dienen sollten, das Haus in> engsten Zusammenhang »lit der Anstalt zu halten, mnßte man freilich später fallen taffen, richtete aber dafür die „Mid theiluugen an das Elternhaus" ein. Statt der Censuien führte die Schule „Elternberichtc" ein, eine Reform, die manches Beeenklxhe der Eeusiiren uuigeht »nd den Eltern ein treueres Bild von dem Anhalten ihres Kindes in der Schule gicbt als die Ceusurea. Daout man sich einen klaren Begriff von diesen Eiternder,chteu mache« kann, theilen wir hier zwei wörtlich mit: R. ist ei» eigenihiimlichcr Schüler. Im Umgänge liebenswürdig, munter und aufgeweckt, heiter und siöhiich. kennt er den ernsten Ton der Schule noch nicht und will ihn auch nicht kenne» lernen. Die Geschichten, welche wir erzähle», liebt er nur solange, als sie erzählt werden, und der Besprechung über dieselbe» weicht er aus, wenn sic nicht in die Fo m de- Spiele- gekleidet ist. In der Naturkunde ergiebt es sich, daß R Manches beobachtet hat. doch leitet ihn hier seine Phantasie ost irre, und soll er dann in strenger Auscinanderfolqe rcprodiic>ren, so tcblt der innere Zusammenbau Schwer, ja beinahe noch ganz »uver stündlich ist ihm daS Lauiirc» und Rechne». Seinen, »owe» Wese» scheint eS geradezu absurd zu sein, wenn verlangt wird, daß ein kleines Wort in Laute ausgelüst werde» soll. Wie der Schmetterling über die Blume», so sorglos und beiter flattert R. über die eigentlichen Schulausgabe» hinweg. Im Rechnen und Zeichnen tritt dies am meisten hervor. Sei» äußerst beweglicher Gedankenkreis läßt es ihm nicht z», die Objecte, mit denen gerechnet, die Linien, welche gezeichnet werden tolle», genau zu fixire». Unsere Hauptsorge sür die nächste Zukunft wird eS daher sein, R Stetigkeit im Denken beizubringen, und ihn abzu halte», seiner Phanlasie die Zügel schießen zu lassen. Im Singen zeigt R. gutes Gehör, in der Werkstatt Liebe und Lust zu praktischer Beschäftigung. Versäumnisse rc. Direktor. X. b>'., Elassenlchrer. R. hat von den Fehler», welche wir in unserem vorige» Berichte rügen mußten, im Lause des letzten Halbjahres sich so ziemlich be- sreit. Er gewinnt jetzt mehr Interesse sür die formalen Unterrichts gegenstände, insbesondere sür die Vorübungen zum Lesen, ja im Rechnen »nd Zeichnen hat er den Slandpunct der Classe erreicht, und er würde in diesen Fächern gewiß noch mehr leiste», wenn cs nicht immer noch zuweilen vorkäme, daß ihn seine Gedanken weit wegsührten und ihn die Ansorderunge» des Unterricht s vergessen ließe». Seine Gesangsleistungen sind nach wie vor gut. Wir hoffe» von Osficiere» des Benrlaubteiistandes statifinden. 3) I» die Recru lirniigs-Ttammrolle» sind alle Bestrafungen, mögen sie vor oder nach I daher, daß R. die Mängel, welche ihm noch anhaflcn, im nächste» dem Eintritt des Betreffenden i» das militairpflichtige Alter erfolgt > Schuljahr oblegen werde. Mehr „och aber wünschen wiih daß er in sein, einznlraqrn. Unter den zur Mitwirkung bei der Eontrole be rufene» Gerichten sind auch die Polizeigeiichte zu verstehen. 4) Die Unabkömmlichkeit von Officieren des BeurlaubtenstaiideS ist sür sich allein nicht ausreichend, um den Antrag aus Abschicdscitheilung zu begründen. 5) Die wegen hoher Loosuumnier oder wegen geringer köiperlicher Fehler der Ersatzreserve l. Classe überwiesene» Volks- schnllehrcr dürfe» nicht als UcbniigSpslichtige au-g wählt werde». 6- Wer sich behufs Erlangung der Berechtigung zum einjährig-srei- willigen Dienst nicht spätestens bis zum 1. Februar desjenigen Jahres, in welchem er das 20. Lebensjahr vollendet, bei der be treffenden PrüsuiigScommilsion anmeldet und den Nachweis der Be- rechligung nicht bis zum 1. April desselben Jnhrcs bei der Eilatz- kominission führt, verliert das Anrecht aus Zulassung zum einjährig- srenvilligen Dienste. * Durch die erwähnte Auslassung der .LandeSzeitung für Elsaß-Lothringen' wird die jüngste sogenannte Grenz verletzung, über welche französische Blätter berichtet hatten, klargestellt als eine auS Versehen oder Unkenntniß crsolgte geringfügige Ueberschreitung der Grenze seiten- ewiger Zöglinge der Metzer Kriegsschule. ES werden hierüber auS Slraßburg nachstehende nähere Mittheilungen gemacht: Die thatsächlichcn Vorgänge, welche den Klagen französischer B aller über die Grenzverletzung bei Saint-Ail z» Grunde liegen, sind gutem Bernedm:» nach folgende: Am 2. ds. Vormittag» kamen be, eine», Nebmigsmarsche 13 Fähnriche, Zögling- der Kriegsschule in Metz, auS Versehen über die französische Grenze, und zwar einige etwa 40, andrre 10 w weil; als die ersteren ihre» JrrlhuM erkannt halten, verständigte., sie die Hinlerleute, und jSmintiiche zogen sich ohne Zwischenfall oder Ausenthalt wieder zurück. An der fraglichen Sülle bildet da» französische Gebiet eine kleine Ausbuchtung; die Verbindungsstraße zwischen St. Marie-anx.Ehönes und Bionville durchquert diese Ausbuchtung in der Richtung von Nord nach Süd; vo» Weskrn noch Osten wird sie durch die Bahnlinie Lerdun-Metz durchschnitten. Alle Besucher der Schlachtfelder kommen hier über dieses Stück sraiijüsischea Bodens, wenn sie es nicht verziehen, eine» Umweg zu machen. Der Vorfall ist au sich so unbedeutend, daß die sranzdsiiche Regierung ihn wohl schwerlich znm Ausgangspunct für eine Beschwerde benutzen wird: der Bortall wird jedoch ohne Folgen inofern nicht bleiben, als bereits die dienstliche Untersuchung gegen die Fähnriche wie gegen de» Ossicier, der die Uebung führte, eingeleitc» ist, trotz der Geringfügigkeit des Vorfalles bildet er näm- l ch eine» Verstoß gegen da- alle» MilüairS bekannt gegebene strenge kerbst, die Grenze zu überschreiten oder auch nur in zweckloser «eise der Sr hize sich zu sehr zu nähern. viele» Stücken das bleibe, was er ist. Wir meine» seine Frische und Lebendigkeit im Umgänge, seine verlraueudc Hingabe an den Lehrer sein kindlich-fröhliches Wesen. Mache» diese vorzüglichen Eigen schalten ihn an sich schon zum Lieblinge seiner Lehrer und Kameraden, so erhöht er den Effect noch dadurch, daß er alle seine Erlebnisse, so klein »nd unbedeutend sic wohl auch ost sei» mögen, in wohl geordneter Rede mit dramatischer Kunst znm Ergötzen Aller mit zutiieile» vermag. Versäumnisse rc. X. K., Elasjenlehrer. Dicector. Wma nun eine Schulanstalt wie die Barth'sche Erziehungsichule verschieden: Rcsornipläne auszusühren hat. wenn sie namentlich mit aller Entschiedenheit aus die Ausrüstung fürs praktisch- Leben hin arbeite«, so kann man sich wohl einen Begriff davon mache», wie die Jubilarin hat kämpfen und ringen muffen, um zum Ziele zu gelange». Und deshalb verdient sie eS an ihrem Jubeltage, daß man ihr zu dem Kranz der Anerkennung auch die besten Wünsche legt. Möge sie unter der Leitung ihres hochverdienten Gründer» und Leiters auch das zweite Bierteljahrhundert in Segen zurück legen und möge ihr bei all ihren Bestrebungen nie der glücklichste Erfolg fehlen. Das Jubiläum wird sie am 21. und 22. Juui bei Bons ran festlich tegehen, und zwar mit einer Feier, die in Reden Gesängen rc. bestehen wird; mit eiuem Festmahl (an welchem auch frühere Schüler und Schülerinnen Theil nehmen können), einer Abendiinterhaltung und einem Schulseft. Ein herzliches Glück aus! zu ollen diese« festliche« Augenbftckesj Musik. Episoden aus dem Lebe» des Posauuenvirtuosen Moritz Nabich, voo ihm selbst geschildert. *) Wenn schon das Leben eines jeden Menschen reich au bedeut samea Momenten ist, so gestaltet sich das eine- Künstlers i» der Regel noch viel bunter und vielseitiger. Indem ich mir jetzt erlaube, als eia ehemakiger Posaunist meiae Memoiren und überhaupt mein sehr bewegte-, mitunter aber auift sehr trübe- Leben zu beschreiben, will ich gleich lm Voraus beknerkea, daß ich die herrlichsten Momente erlebt uud daß mir die großartigste Anerkennung nicht nur vom großen Publicum, sonder» auch von oeu *) Diese Memoiren de» ia Leipzig seit Jahrzehnte» bekannte» und geachteten Mannes dürste» allsetiige» Interesse fiudeu. D. N größte» Künstlern zu Theil geworden ist. vr. Louis Spohr sagt: „Herr Moritz Nabich aus London besuchte mich aus sein-r Reise in die Heimath und gab mir eine Probeseinei Virtuosität aus der Baßposaune, die mich außerordentlich besrtedigte, weshalb ich ihm aus leinen Wu isch darüber das vorliegende Zengniß au-stelle. Herr Nab ch besitz! eine» imposanten kräftige» Ton aus seinem Instrumente, dabei aber große Zartheit, große Feriigkeit i» den rapidesten Passagen und einen geschmack- und gefühlvollen Vortrag in de» Gesangstellen, ist mithin ei» »ach allen Seiten auSgebitdeter Virtuose aus seinem Instrument, den »ia» nur mit höchster Besriedigung höre» wird." In der kraiiee Unreale, Bd. 27, 1863, p 102, >03 laS man: „Als Herr Moritz Nabich. dieser berühmte Poiaunen-Spielce, zum ersten Male i» Paris erschien, gab eS überall, wo er sich hören ließ, in den Theatern, wie in den Coneerten und den SalonS, einen allgemeine» Ausruf deS Erstaunens und der Bewunderung. Seit sjagaujui hatte »:a» dergleichen nicht wieder erlebt und sein Er- scheine» wurde »ilt Recht als ei» Pdänomen »n Gebiete der Inftru- mcntal-Mnsik bezeichnet. Dieses Jahr ist Herr Nabich abermals unter uns erschienen und hat ein ebenso begeistcrleS Publicum vor« gesunde» wie 186t wo Herr Gounod, nachdem er ihn gehört hatte, ihm diese» so schmeicheldasten und so wahrheitsgetreuen Brief schrieb: Herr! Ich bin nach voll des Erstaunens und der Bewunderung über Das, was ich gehört habe. Ich mußte dieses Instrument in Ihren Hände» sehe», um dem Zeugniß meiner Ohren glauben z» können Ich erinnere mich nicht, je etwas Aehnliches i» dieser Art gehört zn haben. Glauben Sie. daß ich einer der ausrichttgsteu Be wunderer Ihres unvergleichl'ch n Talentes bi» Ihr ganz ergebener gez. Ch. Gounod." (So lautet der Oiiginalbries.) Wir haben diesen Worte» rincS Meisters, dessen Competenz ichertich Niemand bestreite» wirb, nichts hiiizuzusüge«. Nie hätte vor Nabich c>» Posaunenspielcr eS gewagt, sich in einem Concert vorzuftihre». Aus diesem widerspenstige» und unaiimuthiaen In strument hat er es verstanden, ein allen Launen fügsames Werk zeug zu machen. Man glaubte zu träume» neulich Abends in dem Concert, welches er in dem Saale Herz gegeben hat. Es ist »»- möglich, die Wiikiing zu beschreibe», welche er mit seinen, Concertino von David und einer deutsche» Romanze seiner eigenen Compvsilio» erzielte. Begnügen wir uns also damit, den großen von ihm er langte» Erfolg z» constatir.»: wen» Herr Nabich noch ei» Concert veranstalte» wollte, würde Alles, was in Paris an Musik-Liebhabern lebt, dahinströmen, um ihn zu hören. Gez. M. Escndier." I» seiner Kritik im „Journal d s Dr-bals" vom l3. Apiil 1851 sagt Berlioz. nachdem er über das Talent inehrcrrr Künstler be. richtet: „Ein ganz andcres Ding ist es »och, Herr» Nabich die Posaune spiele» zu hören. Man könnte es nicht glaube», ehe dieser vorzügliche Künstler den Beweis dafür geliefert hat. daß es möglich wäre, die Siimmc dieses mächtig » Instruments bis zu diesem Grade zu mildern. Außerdem beherrscht Herr Nabich die größten Schwierigkeiten, welche die Haiibhabung der Zuge bietet; der Ansatz ist so voll, der Angriff so rein, daß er die schwierigsten Stellen mil »ngtandlicher Leichtigkeit aiiSführt; er trillert mit aiißerordeutlichec Ungezwungenheit und Reinheit «nd seine >» vollem Fluge ge chlcuderlen diatonische» Leiter sind von niederschmetternder Krait und Ausdehnung. Here Nabich, welche» seit Kurzem der Capelle des Großherzogs von Weimar angcbürt, ist eine der besten Er Werbungen, welche LiSzt bisher gemacht hak. um die Kräfte dieser vo» ihm mit liebender Hingebung geleiielen Capelle zu hebe» »nd zu vergrößern." Zn de» Bricse» bkiühmter Künstler üb.» mich gehören auch die olgeadc»: „Mein lieber M. Nabich! Ich schreive Ihnen diese wenige» Zeile», um Ihnen zu sage», wie sehr ich von Ihrem Talent aus der Posaune entzückt gewesen bi». Ich betrachte Sie a>S ei» prachtvolles Beispiel des vollendete» Künstlers und Sie verdienen das größte Lob sür die Art, in welch » Sie ungeheuee Schwierigkeiten besiegt und sich zum iinuinschrünkicu Beherrscher Ihres Jnitruinents geinachl haben. Gez : Balte.' „Ich habe Herr» Nabich gehöil und kan» versichern, daß diese» Künstlcr aus der Posaune ein gauz irngewöhnliches Talent besitzt. Er zeichnet sich eben so sehr durch d«e Güte des ToneS als durch die Schönheit des Stiller auS »nt geht mit seltener Sicherheit an die giößien Schwierigke tcu heran. Gez.: Felicic» David.' Noch möge ein Bericht über ein Concert der Gesellschaft ..Felix Meritis' ,» Amsterdam (Auszug aus „t'evilia", .sournnl älunieo «le Ilollamlo. 1er l-'öveier rh. 55) folge» Der Held des Abends war Herr Nabich. TaS große Verdienst dieses treffliche» Künstlers war schon denjenigen unserer Leser bekannt, welche ihn vor 2 Jahrr» gehört batten; Herr Nabich ist ei» Künstler i» des Wortes bester Bedeutung. Mn ciiiem prachtvolle» Ton, mit Macht. Gesüh!, Ge chmack und Leichtigkeit weiß er dieses kolossale Instrument zu Hand habe» und ihm ebenso leicht die schmetternde» Kriegswclse», wie die zartesten Romanze», die semsten Figuren der Virtuosen nicht minder als die stärksten Fanfaren z» niilocken. I» einem Worte, er ist über dieses edle Instrument vollkommen Herr und handhabt eS wi ein Kiudcrspielzcug. So ist es »ich', erstaunlich, daß das hingerissene Publicum ih» i»,t Begeisterung hcrausries. Indem der Künstler dein Wunsche der Versammlung »achgab, spielte r, »och eine reizende Romanze vo» Mendelssohn „Ans F üg-.-In des Gesanges" mit solcher Fertigkeit, daß der beste Tenor ihn hätte darum beneiden könne». Nach diesen Stimme» über mich, deren Mittheilung man mir nicht als Unbescheidenheit aiislcqen möge, möge mir em Wort über die Künstlerschasl selbst erlaubt sein. Ich habe darüber left'ndere Ansichten, die ich aber nicht in unbescheidener Weise als- iinuinsiößlich richtig ansehen will. Ich bin nämlich der Meinung, daß ei» I» strument nicht den Künstler, sondern der wahre Künstler Vas Instrument mit seinem Genie zur Geltung bringen muß. mag es nun heißen, wie es will. Ich habe einmal mit meinem Freund Franzt Lie-zt eine Discnssion darüber gehabt und »ach längerer Debatte hat er »irr Recht gegeben Ob nun gleich die große Masse nicht so viel Interesse an einem Posannenkiinstler als an einem Clavier- oder Violiiicii-Spicler habe» kann, weil sie das Instrument nicht kennt, vielleicht »ic als Solo-Instrument vo» einem große» Künstler gehört bat, so gicbt es ober doch auch Per'onen, welche ein großes Interesse an der Posaune nehmen. Das sind in erster Linie natürlich die Posaunisten selbst; dann kommen wohl die großen Coniponisten o war z. B. Berlioz ein großer Verehrer der Posaune. Er nennt dieselbe den König der Instrumente. DaS Lieblings-Jnstrument des großen Coniponisten und Violinspieler Svohr war »ach der Violine die Posaune, obgleich er selbst dieselbe nicht beherrschte Sein bester Freund war ein Posaunist; es war der Gesanglchrer unseres jüngst verstorbene» Professors Götze, des cheinaligen Gesangslehrers an» Leipziger Conservaloriuni. Ich muß hier ein schalten, daß die Posaune sich ganz anSgezeichnct zum Gesang eignet Diejenige», welche das herrliche Posaune» Quartett vom Leipziger Gewandhaus hörte», wenn die Künstler ihre schönen Lieder zum Vortrag brachte», werden solches bestätigen. Für alle Diejenigen nun, welche Musikfreunde sind und welche ein Interesse an der Posaune »nd deshalb auch an dem ehemaligen Posaunisten Morn; Nabich nehmen, sind diese Memoiren gejchrieben »nd gedruckt. Je, beginne nun die Beschreibung meiner Künstlcr-Lauibahn mit einigen kleinen Episode» aus meinem Leben. Meine Wiege stand in Alt stadt Waldenburg, wo ich am 22. Februar 1815 als dritter Sohn des Kunstmalers Franz Nabich geboren wurde. Mein Vater bestimmte mich ansangs sür seinen eigenen Berus. Da ich aber weder Lust noch Talent dazu zeigte, jo gab der Vater endl meinem Wunsche, Musikus zu werden, nach, und ich kam 183: zu dem damaligen Sladtmusikdirector Schröder in Glauchau in die Lehre. Von dieser Lehre, wie sie sich zu meiner Zeit, also vor über 57 Jahren, gestaltete, will ich hier eine kurze Beschreibung geben. Es waren damals gleichzeitig mit mir 8 Lehrlinge be, dem Meister. Von Unterricht erhalten war keine große Rede; gewöhn lieh waren die Lehrlinge schon etwa» musikalisch und mußten sich selbst auSbildeu; eS übten 2—3 ln einem Zimmer, wovon der eine Aagol, der andere Flöte oder sonst ein Instrument maltraitirle Alle Wochen waren gewöhnlich einige Gesammlproben. Außerdem hatten nun noch die Lehrlinge die Woche: das waren nämlich Haus arbeiten, z. B. früh bei Zeiten sür den Herrn SladtmusikuS und dessen Gemahlin, sowie deren Kinder und die Conditionaire (Gesellen) die Stieseln und Schuhe zn putzen und die Kleider zu reinigen; dann gab eS ia der Küche zu thun, zum Beispiel Kartoffeln zu schälen, Möhren zu putzen, Wasser zu holen, Messer und Sabeln zu reinigen und Wege zu lausen. Mittags galt es, den Tlsch zu decken und ganz in Ordnung zn bringen, und da nichl genug Stühle vorhanden waren, so mußie eine Bank für dle eine Seite de» Tische» herbeigeschafft werden, aus welcher ich mich oft mals recht genirte, besonders wenn die loebler deS Herrn Schröder Besuch von jungen Mädchen hatte und ich mitten unler Backfische gerieth, die dea 16 Jahre allen Lehrling neugierig belrachtelen. Ich machte mich aber nach einiger Zeit von der Woche frei und das ging so zu: Bei eiuer Gelegenheft, ich weiß nicht welcher, bal ich eine» meiner Lehrcollege», die Woche für mich zn übernehmen, wobei ich »hm r prach, dann die scinige zu besorgen; er thal es aber nicht, und da wurde ich so ärgerlich, daß ich zu »hm sagte: Nun sollt Ihr aber sehe», daß ich von jetzt an die Woche gar nicht mehr b sorge; — das war nun Revolution, und alle »icinc College» lachte», denn so eliva» war noch »ichl dagcwesen, da der Lehrherr in einer solchen Glo.ic bei den Lehrlingen stand, wie selbst der Kaiser von Rußland nicht be> de» Leibeigene». Aber ich hatte keine Auicht, da ich wlißie, daß in dem Lehrcoiilracl nichts von der Woche stand. Als ich nu» a» die Reihe kam niit der Woche, wurde ich ger.ijc». um dn-ieibe zu übernehmen, was red aber mit dem Bemerke» ablehiiic, daß dies nicht im Lehrcontract stünde und eS mir auch zu viel Ze» lins Studium raubte. Es kamen nun die K ndee, die Madame »nd der Herr Principal, um mich zu bewegen, vo» nie neni Vorsatz zunickziitrelen, aber ich blieb fest, habe die Woche nie wieder übernommen — und da ich dein Herr» Stadliuuiikus >» musikalischer Wc>se sehr von Nutzen war, jo wuide Alls bald ver gessen. In e ner solche» Lehre z» damaliger Zeit — w c e-s >-tzl i>l, weiß ich nicht — inußtc inan nun icdes Jnftrume»', was gerade gebraucht wurde unb für iv-lches kein Mann !a war, kt lernen, da habe ich nun nach und nach Elailnelte, Fagoi, Co.üra- baß. Troii'p le und beinahe olle übrigen Instrumente leinen mlisjeii. und als es einmal a» einem Posaunisten sehtle, sagte »i.-in Principal zu mir: Moritz, du i»ußi vo, jetzt an Poiaunc lernen, cenu Müller geht fort (Letzterer war d r Gehitse, welcher die Posaune blies, und zwar sehr schön), und da sing ich denn die Posaune z» blajcn a». Mein Principal zeigte nur die Züge. Scaia uud Accordc und »un gingS «leben los. Ich gebe nun zuerst ein Bild vo» der Posaune, die ich in die Hand bekam. Dielelbe hatte den sranjösischen Krieg iniigemachl »nd zwar mit eintin Posaunisten in einer Militair-Capelle; es war eine Quint.Posaune: das ist die tiefste Stimmung. Diese Posaune war beinahe »och einmal so groß wie ich. dabei alt und verbogen und ging zum Unglück auch noch an verschiedenen Stell » aus, d. h. sie hatte Löcher, wo keine »olcheii ein sollien. DaS Mundstück war von Blei und so groß, daß skuin und Nase mit dem Muud hmeingingen; das Blasen war eine wagte Tortur und rs wurde eiiiei» ganz schwindlig dabei. Einige Zeit habe ich es ansgkhallcn, aber da»» habe ich »itch diejer Qual entlev gt und zwar aus folgende Art. Es war zn meinrr Zeit Brauch, vom Thurm z» blasen. Bei einer solchen Gelegenheit Halle ich den Schwengel s.velcher in einer Schraube grng uud am Querbalken des Poian, en- zugeS angebracht war, damit man dcn Zug ganz auszichen konnte) so locker g. inachk, daß der e ne Theil des Zuges beim Zieh » ich loslüien mußie »nd auch richtig wahrrnd des Spiele,is vom Thuiiii hiuunler flog und zwar ans Ni»iuierw:esersel>eu. Die Ainu Schiöder verkaufte das schöne Posaunchrn al-s alles Messing und ich inußtc mir nun ri»e muc Posaune sür mein Geld anjchl.ssen. Nachdem ich nun einige Jadrc die Poiaunc geblasen halte, wir ein Trauersall i» Glauchau (Glauchau Halle rinen Hos mit regierenden Grase» von Schönbcrg) vorgekommcn, und da kam ich aus die Idee, wählend der Ferien eine stunstteije zu mache». — Ich hatte etwas von Lonvrtgcven und Coucerlreisen bereits gehört, oaS wollte ich nachmachen — und veranstaltete mein erstes Concert in Penig. Er brachte »»r nach meiner Meinung großen Bestall; von Rereistione» aber hörte und wußte ich noch nicht», hatte auch noch »:ch,s Ge- druckics «der »ned gc>evk» und gclrs n. Allein in EöUn bei Meiprii,' wo ich da? zweite Concert nm 1l. Oelober 1837 gab, sah ich meinen Name» aus einem an der Mauer a igeklcbtc» Zeltet mit jolgendrr Bekanntmachung; „Unterzeichneter erlaubt sich einem geehrte» Publicum er- „gebenft cinziizeigen, daß der sehr gut rmpsohlene Musikus. „Herr Nabich auS Waldenburg, morgen Donnerstag, de» „12. Oetober, aus der Baß-Posaune ein Concert, mit Unter- „stühuug des Meucr'jche» MusikchorS, in meine»! Galten „ausznsühre» die Ebrc habe» wird. „Der Ansaiig ist AbendS 6 Uhr; Eintrittspreis 2 Groschen. „Jiidem >ck> versichert bi», daß Herr Nabich die An sprüche >edcS MiisikkennerS befriedigen wird, bnt« ich »>>» „gütige» zahlreichen Besuch. „Cölln bei Meißen, am 11. Octl r. 1837. Friedrich Brojev" Daß ich an diesem Tage 20 »nd noch mehrere Maie vor v ciem Zettel voiüber ging »nd meinen Namen las, war wohl »allstlud, so auch, daß ich eben diese» Zettel am Tage nach dem Concert vo» der Mauer ablöste und ihn jetzt »och unter Glas und Rahmen besitze. Geld habe ich freilich von meinen Coneerten »ich! mit nach Hanse gebracht, obgleich ich uur per perle« reiste und sehr srural tebte. Nachdem ich meine Lehre beendet hatte, bekam ich eine Stelle beim Sindlmusikus Zillmann in Dresden und blieb bei diesem ein Jahr. An- diele» Zeit will ich »nn zwei kleine Episode» erzah'e», welche geeignet sind, die Lachlust ein wenig zu erregen. An einem der ersten Tage ging ich ,» Dresden über die zugesroreiic Elbe von Neustadt nach der Altstadt, wo ich Elbberg Nr. l, bei einer 78 Jahre alte» Frau, Namens Lohra», wohnte und monatlich 1 Thalcr sürS Logis bezahlie. Bei diesem Ucbergang über die Elbe brach ich ei» (es war am 28 Februar 1838) und wäre beinahe ertrunken, mdeß arbeitete ich noch doch wieder heraus, war aber natürlich biS aus die Haut durchnäßt. Al« ich nn» zu »iriiiec allen Sahra» »ach Hause kam, schrie diese geradeaus vor Schreck, mich pudelnaß vor sich z» sehen, besonders als ich ihr erzählte, daß ich in der Elbe geleiei, halte. Doch das Schlimmste kam nach. Ich hatte von Wälche undKleidnng nichts bei mir, als waS ich aus dein Lrstoc trug, da ich meinen Koffer jede» Tag von »leinen Eltern erwartete, welcher — da gerade Jahrmarkt in Dresden stattfinden sollte — mittelst eines Töviergeschikres a»-s Altstadt-Waldenburg hierher befördert werde» sollte, n»d doch war ich gezwungen, mich meiner durchnäßte» Kleider zu entledigen, um mich zu Bett legen z» könne». Da vfferirle mir die gute Frau Sahra» eines ihrer Hemden, was ich natürlich auch dankbar annalnn. Nun zur zweit,» Episode: Wie verdienten abscheulich wenig, da wir nur Garten-Concerte gaben und von der Witterung abhingcn, und weil gerade an diesem Sommer sehr schlechtes Wetter war, so geschah es einmal, daß ich in einer Woche aus ineinen Theil nur einen Zwanzigkreuzcr erhielt. Daß man davon nicht setl werden kann, vielmehr tüchtig Hunger» muß. sicht wohl jeder Mensch ein. Eines Tages — ich besaß > nh nicht eine» Pfennig mehr und hatte den ganze,> Tng keinen Bissen gegessen — war Concert ft» Großen Garte» und ich mußte ein großes Solo aus der Posaune oorlragcn. Ungeachtet niemes leere» Magens gelang der Bortrag und ich erntete große» Beifall. Nachdem sch geendet, ließ mich ei» kleiner Herr zu sich kommen, um mir einige Elogen zu machen, wobei er mich emlud, ih» einmal in Paris zu besuchen (eS war der berühmte Mcherbeer), was ich auch spater anssührte. Das Concert danertc bi- Uhe und ich kam halb lodt vor Hunger »»!> Ermattung zurück zu iuein>r guten Sahra». Ach! Frau Sahran, sr»g ich sie: Habe» Sic nicht emen Bisse» Brod ? ich bin ganz verschmachtet, ich bin schon halb lodt. — Ach! Du lieber Gott! sagte sic: ich habe gar nichts und habe selbst auch nichts zu Abend gegessen. — Nu», haben Sic nicht wenigstens elnige Piennige, fragte sie weiter. Ich erwiderte: Ach! Du lieber Gott! auch nicht einen einzige». Ich überlegte nu». was z» Um» sei. Da fiel mir ein, daß manchmal in zerrissenen Westentaschen noch etwa- zu finden sei (ich hatte aber keine große Hoffnung), allein ich fiel über die zerrissenen Westentaschen her, und welches Wunder! In einer solchen, ganz in der Ecke, suhle ich etwas Rundes; ich ziehe es heiaus und Freude über Freude: eS war ein hannüverschcr Rösscl-Groschc». Frau Sahran hörte mein Jauchze» und kam a» meine Kammer und ich ries in meiner Freude: „Gerettet, gerettet! Fran Sahran: wir werden heute göttlich z» Abend speisen." Sogleich ging- fort in die Pirnaische Straße zu einem Bäcker an- Schaufenster. Es war schon spät; der alte Bäcker meister saß hinter dem Kachelofen und das Talglicht war weit bcrab- gebrannt; ich pochte mit dem Groschen ans Fenster und Boulanger erhob sich schwerfällig, öffnete das Fenster und fragte: Was wolle» Sie denn, mein gutes Herrchen! Sechs Psennigbredc, sagte ich — und meine Gedanken schweiften schon hinüber zu der Wurst sür 6 -H, welche ich zu den Pseunigbrodcn kauten wollte. — Daraus erhielt ich 6 Pfennigbrode und der Boulanger nahm den Groschen und betrachtete ihn mit der Brille beim Lichte, kam zu mir zurück und sagte: Nee, mei gutes Herrchen, der Groschen gilt nichts; da müssen Sic mir einen andern geben; — ich erwiderte: „Ach Gott! nch:.,en Sie ihn doch sür die 6 Pfennig- brode; ich habe heute noch nichts gegessen." Er entgegnete mir daraus: „Nee, mein gutes Herrchen, das geht nicht! geben Sie mir meine Pscnnigbrode wieder, hier Laben Sie Ihren Groschen." Hin war die Hoffnung aus das Abendbrod, aus Psennigbrod und Wurst, »nd ich mußte mich mit hungerndem Magen schlafen lege». (Schluß folgt.) verci» für Volksmohl. * Leipzig, 13. Juni. In schlichter, aber würdiger und er bebender Weise vollzog sich die gestern Abend stattgcsundcnc Frier- lichke t der Arundstei nlegung zn dem eignen Heim, das der
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