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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880620
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880620
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-20
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1888
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* - SSO« Lik greise Müller de» Kaiser» Friedrich. Kaiserin August», hat «S sich nicht nehmen lassen, trotz ihre» ltidenvt» Zustande» and trotz des dringenden AbratyrnS drr Aerzte» au« Bodeo-Vadc» an den Sarg des einigen Sohne» »» «Üeu. Gegen Mittag trat Kaiserin August« trotz der grob«» Srschüpsuaa von der langeu «eise «U dem ka»!er und der Kaiserin, dem Großherzog und der Groß. Herzogin von Baden an die Bahre. Die Scene, während welcher dem Publicum der Zutritt zu dem Sarge versagt war, hat die greise Kaiserin im höchsten Muße ergriffen: sie »erweilte ongesähr eine Viertelstunde an den« Sarge, finmn. dir thrnren Züge de» über schwänglich geliebte.' Sohne» anstarrend. Sodann wurde sie ' on ihrem Enkel, dem Kaiser Wilhelm, und der Kaiserin ins Etadtschloß »nrückgcleitct, wosctbst auch »ach kurzer Pause die großherzogtrch badischen Hcrrsckasteu ei itrasen. Dir Großherzogin verblieb längere Zeit bei ihrer greisen Mutter. Die Kirchen in Berlin und Potsdam waren am So antag sämmtlich übersüllt. In allen Gottesbüusern in Berlin wurden Lraaerseierlichkeitca für den verewigten Monarchen abgehalteu, nnd eine theilaahmSvolle Menge lauschte in stummer Andacht den Geist lichen. die in bewegter Weile de» tiesschmcrzlichea Trauersalle» ge dachten. In» Dome wurde» auch llultiisministcr Gehler und viele hohe Staatsbeamte benrerkt. Potsdam sah ein« Menschenmenge wie niemals, vorher. Alle Gaslhösc daselbst waren übersüllt. Dust viele Hnydkne, Männer wie Frauen, welche keinen Platz im Gasthose bekamen, die Nacht am Knechtische verbrachten, ist nicht Wunder zu nehmen; aber selbst in den MrlhShäusern, war sür Alle, die in Potsdam übernachten wollstu, kein Platz, und so entschlossen sich Bits», im Frckü*zu camlstren. Nachtrag zum politischen Tagesbericht. * Der Reichstag wird am künftigen Montag, den 25. d. MtS., im weißen Saal des königlichen Schlöffe- von dem kdai'ser in Person mit einer Thronrede eröffnet »»erden. Zn einer unmittelbar folgenden Sitzung wird die lsonstituirung deS Hauses erfolgen und daran sich eine Er örterung über die Frage bezüglich des Erlasses einer Adresse zu schließen haben. Ob weitere Verhandlungen stattfiudrn und in welcher Richtung, ist im Augenblick noch nicht abzn- sehen. Drei Tage später wird die Berufung des preußischen Landtage- erfolgen. ES wird der Landtag zunächst durch einen seierlichen Act im weißen Saale eingeleitet, wobei der König vrn Eid ans die Bersaffung leisten wird. Auch hier läßt sich nicht aöjehen» ob und in welchem Umsanz etwa noch weitere Arbeiten erforderlich werken. * Generalarzt Do. Leuthold. welcher neben dem Gene ral-Stabsarzt v. Lauer langjähriger Leibarzt des verstorbenen Kaisers Wilhelm »var. ist auch von unserem jetzigen Kaiser zu seinem Leibarzt berufen worden. Dr. Leuthvld gehört als Professor dem Lehrkörper de» medicinisch-chirurgischcn Frie- drich-WilhelmS-InstitutS an und ist zugleich NegimentSarzt deS Garde-Kürassier-RegimentS. *->Die nach längerem Widerstreben endlich dennoch zuge gebene Section der Leicbe Kaiser Friedrichs, die sich allerdings nur aus die erkrankten Organe bezog, hatte ein nicht ganz unauffälliges Vorspiel. Zweimal halten sich die Chirurgen zum Zweck der Leichenöffnung nach Schloß FriednckSkron begeben und zweimal kehrten sie unverrichteter Sache zurück. Man hörte von Widerspruch, den die Kaiserin-Wittwe der Vornahme der Obduction entgegen setzte, man sprach auch von dem ausdrücklichen Verbot des hohen Verblichenen selber, dem ärztlichen Zank nach seinem Tode durch eine Section neue Nahrung zu geben, allein es begreift sich, daß daS wissenschaftliche Interesse, in einem so hart und heiß umstrittenen Falle, wie diesem, die Wahrheit zu ermitteln, mit persönlichen Gründen nicht leicht abzuweiscn war. Zn einer Audienz, welche die Professoren v. Bergmann und Bardelebcn Sonnabend Vormittag beim Kaiser hatten, scheint dieser der Erlaubuiß zur Feststellung deS LrichenbesundS geneigt geworden und nachträglich auch die anfänglich ver sagte Genehmigung der Kaiserin Victoria erlangt worden z« sein. * Die ..Kreuzzeitung" läßt sich über die Ansprache Kaiser Wilhelm'- H. an di« Armee in folgenden Worten auS: „Ter Armeebefehl deS Kaiser» Wilhelm ll. hat in der ganzen Bevölkerung einen überaus günstigen Eindruck gemcchl; der echt soldatische und deutsche Ton derselben hat bei Allen angeschlagen, die jemals den Nock des Kaiser» getragen haben. Ueberall hört mau Freudcuvezeugungcu über diese Sprache und vernimmt den Ausdruck der Gewißheit, daß dieser Kaiser den „großen Reichthum", der uns durch die Einigung der deutschen Nation erwachsen ist, nicht „schmählich verthuu" wird. Nicht uur die Armee selbst ist begeistert, sondern ouch Me, die sich patriotischcn Herzens sreueu über unser herrliches deutsches Heer." * Zur Kaiserproclamation schreibt die „National Zeitung": Wie den Frieden zu schirmen, so verheißt die Proklamation, daß Wilhelm II. ein gerechter und milder Fürst sein. Frömmigkeit und Gottesfurcht vflcgen, die Wohlfahrt des Landes fördern, den Armen und Bedrängten eia Heiser, dem Rechte ein treuer Wächter sein wolle. Die letztere Versicherung schließt auch die Achtung de» Be» sassongsrrcktes des Landes eia. welche dcrKönig demnächst vordem preußischen Landtag eidlich geloben und die er — die Einberusuug des Reichstags aus den Sä. d. MtS. läßt e» erwarten — uoch dem Beispiel seines Vaters auch ohne ausdrückliche Vorschrift der Reichs» versassung dcr deutschen Nationalvertrelung zusichern wird. Diese Einbcrusung des Reichstag» gereicht uns zu besonderer Genug- thuu.iq. Vor drei Monaten wie jetzt haben wir e» als national- politisch unzulässig betrachtet, daß ei» neuer Herrscher sich etwa nur mittelbar an die nichtpreußischen Deutschen wendete, indem diesen überlasse» bliebe, die Proklamation au da» preußische Boik iadirect alS auch au sie gerichtet zu betrachten. Im März hat eine kaiser- tiche Bolschast aa den Reichstag die Lücke ousgesüllt; eine solche oder eine Thronrede de» neuen Kaiser- wird auch diesmal sosort beim Beginn seiaer Regieruag dessen direcle Gemeinschaft mit der deutschen Nation ihr und aller Welt vor Augen bringe», und der Reichstag wird Gelegenheit haben, sie durch eine Adresse z» bekräftigen. Die kurze Ansprache des Kaisers und Königs klingt in einer warmen Betonung der Zujammeagehörigkeit von Fürst und Boik in Preußen, der gegenseitigen Treue au». Da» Gelöbniß dieser Treue wird überall mit derselben Herzlichkeit erwidert werden, mit welcher es auS dcr Proklamation spricht. Nicht allein durch da- preußische Volk, durch die ganze deutsche Nation geht die Empfindung, daß dcr doppelte Verlust, den wir am 9. März und am 15. Juiri erlitten, nur ausgeglichen werden kann, wenn alle Faktoren uusere- StaatslebenS sich, jeden unnöthigeu Zwist vermeidend, eng zusammen, schließen, durch zielbewußte Einigkeit ersetzen, wa» uu» aa Antoritat zweier großer Namen durch den Tod genommen Word«». Noch Uehea der große Staatsmann und der große Feldherr, velche da» Reich begründen halsen, dem jugendlichen Herrscher zur Seite, der die ''lüget der Regierung ergreift; doch an zwei Kaiser-Särgen ist die Mahnung an die Nation ergangen, die staatlichen Kräfte zur Bewahrung dessen. waS unter der Leitung ungewSholichrr Männer errungen worben, so zu entwickeln, daß wir auch ohne solche selten« Gunst unseren Platz in der Welt behaupten können, sowohl durch die Gestaltung de» natioualea Lebens Im Innern als durch die Be deutung Deutichlands nach außeo hin. Daß preußisch« Volk, dir deutsche Nation wird dazu in bewußter Hingebang der Führung des neuen Herrschers folgen. * Die deutschfreisümiqe „Bossische Zeitung" bringt zur Kaiscrprcclümatiion folgende Auslassung: Wo» König Wilkelm II. seinem Volke gelobt. wird ungeachtet der Kürze seiner Worte allgcmeioe Bcsriedigang finden. WaS ka»a ma i Edlere» von einem Fürsten sagen, als daß er «in gerechter ugd milder Herrscher. e,a Schirmherr des Friedens, eia Förderer der Wohlfahrt des Lande», ein Helfer der Armen und Bedrängten, ei» treuer Wächter der Gerechtigkeit sei? Und waS kann rin Fürst seinem Volk; Besseres entgegentragen als Vertraue» und Anerkennung der Treu.', welche die Nation stet« bewahrt habe, der Hingebung aa das Vaterland, welche Fürst und Volk verbind«, der Liebe, welche eia unzerreißbares Laad zwischen Thron und Burgerthum schlingt? ES wäre verfehlt, in der religiösen Färbung des Aujruses ein Bekenntnis; zu etuec bestimmten kirchlichen Richtung zu suchen. Ist doch die. Frömmigkeit, welche der Köa.g pflegen will, die wahre Frömmigkeit. stet» gleichbedeutend mit jener „wahren Religiosität", vo/i welcher der glorreiche Großväter de» nun» mehrigen HerrjchcrSrgesagt Hot, daß sie sich „im ganze» Verhalte» dt« Menschen zeig«''. Kaiser Wilhelm hat auf den Eindruck verzichtet, de, sHa hoch. siUiger Later dnrch sciaea Erlaß an den RelchSkg»zser hmorxsef. jetzige Herrscher vertieft sich nicht in dir großen Probleme der atskunst, er zieht nicht da» Ergebuiß einer geschichtlichen Er- Der. Gtaat sorichung, er bezeichnet nicht die Grundsätze, welch« für Gesetzgebung und Verwaltung maßgebend sein solle», er redet zu seinem Volke kurz, wie ein frommer Soldat. Vielleicht ist dies« Sprache die glücklichste für einen jugendlichen Fürsten; er vermeidet damit den -schein, als wolle er seine Vorgänger überbicten oder auch, als stehe er zu ihnen in irgend einem Gegensätze. So hat Kaiser Wilhelm nur mit großen Strichen seine (ßesinuung enaezeigt, um dann seine Lhate» sprechen zu lasst». DaS vrenßische Volk und die deutsche Naiion wird dem Herrscher bei Erfüllung dieser Ausgabe trru zur Seite stehen. Dcr Sohn d«S „königlichen Dulder-, dessen Herz mr alle? Große und Edle schlug", wird seine erhobenen Ziele zum Heil de» Lande- um so sicherer erreichen, je mehr er in dcr Herrscher- würd« zeigt, baß er Geist vom Geiste d.ffen ist, dem er in warm nnd lies empfundeuen Aorten in seinem Ausruf an da- Volt ein pietätvolles Denkmal setzt. * Ueber den Eindruck. Welchen das Ableben Kaiser Friedrich'- iu Ztalien gemacht hat, schreibt der italienische Corcespondent der „National-Zeitung'': Rom, 16. Juni. E» wäre ei» vergebliches Bemühen, den erschütternden Eindruck schildern zu wollen, den di« obgleich schon von vorgestern an stündlich erwartete Trauernachricht aus Berlin hier gemacht hat, uu- ich verzichte daraus um so mehr, als der Te!eg.apq meinem Briese vorangceilt ist. Jeder politisch gebildete Italiener süblt, dag sein Vaterland srinen besten und wahrsten Freund ia Kaiser Friedrich verlöre» hat, und wen» auch ganz Europa deo Verlust deS Manne» betrauern wird, von deffen Geist uud Bildung, politischer Erfahrung und humanitärer Gesinnung man sich eine rnkin- und segen-reich« Negicruug versprechen durste, wird ftiu Hingang außer Dcutjchluiiv uirgeuds so lies bedauert als in Italien. Ueber die Kund gebung dieses Gefühle» von Seile.-» der Regierung urd des Parlamentes ist man in Berlin bereits telegraphisch unterrichtet, und anderweitige Syuipatdiebezeugungcn aus allen Theilen Italien» werden sich daran anschließen, da die Trauer um den Liebling der Nation keine ossicielle oder künstlich gcmachlc, sondern eine allgemein tiej empsundrne ist. DaS Gerücht von dcr Absicht König Humbert'», an daö Todbett seines JrenudeS zu eilen, war ia der Thal begründet. Dcr König ging nach Monza, um von dort ans durch die Schweiz unbemerkt nach Berlin abrcisen zu können. I» Monza erwartete der König eia Telegramm LcS Grasen de Lauuay, welcher ihm m.tlheilc» sollte, ob »och eine Hoffnung vorhanden wäre, den Kaiser lebend zu finden. Der italieniichc Botschafter mar nicht ia dcr Lage, diese Hoffnung «uszujprcche», und in Folge dessen mußte König humberi aus seine pietätvolle Abstchi vrrzich:ea. Er wird im Lause des heutigen Tage» nach Nom zurückkegrea, um die durch taö traurige Ercizuiß uolhweudig gewordenen Lisprsiliouea zu treffen. 1) Lein Bild zeugt vou erhobener Menschlichkeit; S) Sein Thun bekundet Helden»»» und Tapferkeit; 3) Sela Dulden predigt edelste Standhaftigkeit. Ia dcr 2. Bürgerschule widmete Herr Bergmann dem verewigten Kaiser «inen pietätvollen Nachruf. Bon den übrigen Anstalten sind uns leider keine Berichte zugegangen, doch haben sie sicher alle den trüben Gejühlen und der ernsten Stimmung der Tages Rechnung getragen. Ja der 7. BczirkSschule sür Mädchen wurde der Traueriog durch Gesang und Rede gefeiert, in welch letzterer Herr Dir. Eise »reich an die Wehklage David'-: „Wie sind die Helden grsallen!", an die de» Hiob: „Wenn ich nieiaea Jammer wöge" — und an daS Saiscrwort: „Lerne leiden» ohne zu klagen!" anknüvste. Dubct wurde unter Bekundung der Trauer und de- Dankes die Bedeutung der großen geschichtlichen und volkSthümlichen Persönlichkeit des Entschlafenen in seinem Thun und Leiden, in leinen Eigen schaften und iu seinem großen Verdienste um das Vaterland hervor« gehoben. Grtskrankencasse. Universität. ' Leipziger Ehrendoctorcu der Universität Bologna. Die Universität Bologna hat bei ihrem 800 jährigen Jubiläum eine größere Anzahl meist auswärtiger Gelehrter zu Ehrendoctoren creirt. Dem Vernehmen nach wurden die Geheimen Hosräthc Professor Dr. weck. Karl Ludwig und Proscffor Dr. zur. Emil Friedberg dieser Ehre der Daurea" tbeilhasl. Letzicrcr vertrat in Gemeinschaft mit Proreckor Geb. Bergrath Proscffor Dr. z,li>I. Zirkel die Leipziger Universität bei jenem großartig gelungenen Feste. Zu bedauern bleibt immer, daß man italicnischerseirs anfangs ganz andere Namen als designirl veröffentlicht hatte. Die deutschen Hochschulen waren außerdem durch Abgesandte auS Berlin, Bonn. .BrcSlan, Erlangen, Frcidurg, Göttingcn, Greifswald, Hall-, Heidelberg, Jena, Kiel, Königsberg, Marburg. München, Rostock. Straßburg, Tübingen und Würzburg vertreten. Alle diese Hochschulen halten meist zwei Drputirte geschickt, so daß die deutsche Prosessorengruppe ganz imposant einige dreißig Vertreter zählte, als deren Sprecher dcr greise Chemiker August Wilhelm Hof mann erkoren ward, eine ungemein frische Gclehrtennatur, welche, von ihrer eigenen Bologneser Studienzeit her des Italienischen noch vollkommen mächtig, durch ihre Beredtsamkeit Alle» in Erstaunen setzte. Die deutsche Studentenschaft war durch etiva zehn Studircnde von Berlin, Heidelberg, Erlangen und Leipzig vertreten, die allcsammt an einem Abend von jenem Proscffor Dr. Hos- manii (Berlin) eingeladen wurden, an einem begeisterten deutschen Abendessen mit einer Anzahl Professoren Tbeil zu nehmen. Die deutschen Studenten und Proscssorejn wurden von der Bevölkerung Bolognas, namentlich bei dem großen Fcstznge am Dienstag (12. d.) mit dem größten Zubel begrüßt. Man schildert uns diesen Zug durch die „via Lundoui" über den NeptunSplatz u. s. w. an den italienischen Majestäten vorüber — der durch Liebreiz und wahrhaft königliche Haltung ausgezeichneten Königin Margaretha wurde bei einer Gelegenheit einer unserer Leipziger Tcputirten Prof. Dr. Zirkel, vorgestclll und einer Unterredung in deutscher Sprache gewürdigt — als einen wahren Triumphzug: man mußte, scheint eS, durch Blume» buchstäblich waten. Lvviva Itülia! Dr. Whistling. Die Trauerfeierlichkeiten iu -er Schule. n. Im Nicolaigymnasium fand an Slelle der Morgenandachh die sonst den llölu- Montags »in 7 Uhr in der Au!a zu vereinigen pflegt, der Anordnung deS RatheS dcr Stadt entsprechend, an» Tage dcr Beisetzung unseres hvchjeligen Kaisers Friedr.ch und zwar lediglich im Kreise (der Schule, ein jjcieriicher Tra»cr> actus statt, der durch Choralgesang «inqcleitet nnd geschlossen wurde und im Ucbrigca aus einer Gedächtnißrede des Herr» RcclorS Proscffor Dr. Mayhass und Schristverlcsung vebst Gebet des ersten ReligionslebrerS der Anstalt, Herrn Professor Dr.Rysjel, bestaub. Die Gedächtnißrede, welche ul» der Ausdruck wärmster Empfindung und tiesinaerster Ueberzcugung ihre Wirkung aus die jugendlichen Hörer nicht verfehlte. sah von einem umfassenden Lebcusbüde de- verblichene» Kaisers ab und war dafür beflissen, den Grund der heutigen Trauer unseres Volkes um einen Herrscher, der uur wenige Monate regieren durfte, den Gemütheru der Schüler »äher zu rücken. Sie durchmaß noch einmal das ganze letzte Jahr schweren Dulden», daS dem Hochseliacn beschicken war. mit all seinen Phasen deS m> gläubigen Befremden». deS ZweisclnS und Bangeus, dcr mehrfach eraeuteu Hoffnung und endlich der trostlosen Gewißheit im Volk. sowie mit den rührenden Beweisen heldcumülhiqer Standhaftigkeit vod unerschütterlicher Pflichttreue seitens des Dulders. Sic ver weilte bei de» Hoffnungen, die sich au di« herrliche Gestalt, die vor zuglicheu Eigenschaften deS Herzens und deS GisteS dieses Hohen zollecusprosseu geknüpft halten, uud schilderte, waS schon der Krön Prinz als siegreicher Feldherr, als warmherziger, liebenswürdiger Charakter und als hoher Gönner der Kunst dem großen Baterloude tn Nord und Süd geworden war, was er ihm bereit» geleistet, und was dcr Herrscher — ohne die unerbittlich« Krankheit und die kalte Hand deS Tode- — bei längerer Regierung zu schöner Vollendung zu führen sich vorgesetzt hatte. — Der Unterricht ward Lach dem ergreifenden Actu» sür den übrigen Tag auSgesetzt. Lei der Trauerseicr im Dr. Schuster'schen Privatinstitut schloß sich an den gemeinsamen Gesang die Gedächtnißrede de- Herrn Direktor Dr. Schuster. Derselbe gab in bewegten Worten cm Charakterbild des heimgegengeuea Kaisers, ia welchem besonders die menschlich schönen Seiten dieser Hcrrichergestalt herocrgehabea waren. Die Feier schloß ein kurzer Gesang. Anläßlich der 'Beisetzung Sr. Majestät deS hochscligen kaiftrS Friedrich Ük. saud gestern in der Tiktyner-Synagoge, hier (Brühl), eine erhrbeud« Trauerandacht statt. Nach Rccitirung mehrerer besonders zu diesem Zwecke von dem Rabb. Hurw, au-gesuchler Psalmen hielt gen. Herr Rabbiner eine im klassischen Hebräisch selbftversaßte wohlgelungeue Rede» worin er die hoh Vorzüge des höchsten Eatschlaseueu schilderte uua darzuthuo suchte wie viel nicht nur Deutschland, sondrrn die ganze cwilisicte Welt durch daS allzusrühe Hinschride» diese- erhabenen bochderzigcn Monarchen verloren uu- wie nur darin em Trost zu suchen sei, daß ja der edle Sproß Seine Majestät Kaiser Wilhelm ll. die Traditionen seiner höchsten Vorgänger weiterpslanzeu werde. Mit dem Gebete, daß der Allmächtige das deutsche Kaiserhaus schützen und dem jetzigen Inhaber des Throne» lauqe» Ltüeu und viel Glück schenken möge, schloß er seine von Thränen oft uuterbischeue herrliche Rede Heraus folgte eia Geb.l sür den hochselig Entschlafene» und daS übliche Gebet für den LandcSoater, welche» de» Schluß der cr- hebenden Feier bildete. I» der »erekaigtenFreischule entwarsHerrDir.Dr.Helm ein uuvrrgeßklche» Lebensbild uoscreö ollgeliebteu uud allzufrüh «hffchjstlun» Kaiser-Friedlich, aakgüpsend an die" drri^jttz« Leipzig, 12. Juni. Tie Leipziger OrtSlraukencajie aylle am 31. Mai 4ä2ä? männliche und 11181 weibliche, in Summa also 57138 Mitglieder. Die ZnKl derselben hat sich im vergangene» Monat um 1372 Personen erhöht. AnM'ldnngrn gingen ein 12 358, Abmeldungen dagegen 10 Ik>2; schwächster Mcldc- lng war dcr 23. Mai mit 480. stärkster Meldclag der 2 Mai mit 1334 Meldungen. Mitgliedsbücher waren 3897 auSruiertigen. Krankmeldungen ersolgten von 1l3.ä männlichen und 368 weib lichen Mitgliedern (einschließlich 59 Wöchnerinnen). Der durch» schnittliche Krankenbestand an erwerb-unfähige» Mitgliedern betrug im rergangenen Monat 1,33 Proc. der sammtltchen Muglieder gegen 1,55 Proc. i:n April. Außer diesen enverbSuusälfige» Mit- gliedern wurd.'n 1013 männliche und 271 weibliche erlrerbssähigeMil glieder, sowie 721Eheftauc», 1399 Kinder mid29andcreAngchöcige. als är-tliche Behandlung getreten, zur Anmeldnug gebracht. Kranken- hauc-psleg: erhielten 194 Perionen, also uugelähr dcr achte Theil dcr jäniintlichcn crMirbSünsühigen Erkrankt-», gegenüber 169 Per- sonen im April. Im Ganzen waren im Mai 31199 .F an Krankengeld zu gewähren, daS sind 1545 mehr als im April. Dar gewährte Sterbegeld b-lies sich aus 3627^l; dasselbe vertheilt ich aus 35 männliche nnd 3 weiblich- Mitglieder, ferner aus 24 Lhesrauen und 149 Kinder vrn Mitgliedern. Die Zahl der ver- lorbcneu Mitglieder und der veciiorbeneu Kinder hat sich gegen April um 41 erhöht. Im Monat Mai rniiallen 1t55 Krankengeld aus einen Wochentag gegenüber 1186 im Monat April. An Mit glicder wurden aui ärztliche Verordnung noch gewährt: 81 Brillen. 73 Bruchbänder. 419 viksSiiedrae Bäaer, 34 Flaschen Wein, 23 Flaschen Mmeraiwasl'.'r und 89 verschiedene andere Heilmittel. AuS gesteuert wurden, d. h. es erhielten die rollen Leistungen der Cassc 26, bez. 13 Wochen lang sür eine ununterbrochene Krankheit, bliebe» aber darüber hiuauS noch krank 2? Mitglieder. In 3 Fällen hiervon übernahmen die weitere Fürsorge die Becu'sgcuoffcnschaften, da eS sich um Erkrankungen infolge von BciricbSuniällrn handelte. Von den 6 angcstellten Krankcncontroleuren wurden im Mai 4973 Besuche in der Stadt und 84 weiteren Ortschaften gemacht. Wegen Zuwiderhandlungen gegen das Statut, insbesondere wegen Ueberschreitu^g der Ausgebezrit, Wicdcraujaahme dcr Arbeit ohne vorherige Gesuüdiiieldimz rc., wurde» 295 Anzeigen erstattet uud in 50 Fallen Strafen im Betrage von 1—5 verfügt, in den übrigen Fällen dagegen Verwarnungen crttzeilt. » Am 9. Juni fand im Saale deS LehrervcreinShauscS eine Versa uimluna der au» dem Kreise der Mitglieder der Ons- kiankeacasie sür Leipzig und Umgegend entstandenen freie» Vereinigung unter Vorsitz dcs Arbeitnehmers Herrn Louis Haas statt. Die diesmalige Versammlung halte sich sowohl seitens der Caffenmiralieder als der Arbeitgeber eines sehr zahl, eichen BeiuchS zu erfreuen. Zur Besprechung gelaugte der jetzige stetig steigende Mitglieder Zuwachs der OrtScasse und der nviniale Kcankeubcstand. DeS Längeren wurde ein Angriff aus die OrtScasse seitens deS hicsigen BuchdruckcrjouraalS „Reform" erörtert, dessen Tendenz der Ver dachtigung dcr Caffcnvermal'ung allgemeine Bcrurthcilung fand. Im Anschluß hieran wurde über einige Cajjeuärzte Beschwerde geführt, dem gegenüber der Herr Borsitzeude de» Vorstandes die Ichwicrige Lage dcr Herren Caffenärzre bei den croßeu Ausoidc rungen, welche seitens ungeduldiger Patienten an dieselben gestellt würden, dervorhob und dazu ausjorderte, derartige Beschwerden zur Veranlassung genauer Untersuchung jeweilig möglichst rasch dem Vevollittächiigtea Herrn Secrelair Uhlmaun mitzutheilen Auch die Anregung deS Herrn Vorsitzenden zur Unterstützung des Instituts dcr freiwilligen Krankenbejucher fand Anklang. Es meldeten sich wieder mehrere Mitgliedir. die der Lasse ihre schätzen» wertheu Dienste zu dem gedachten Zwecke zur Verfügung stellten. Zum Schluß wurde auch diesmal dem Wunsche Ausdruck gegeben, solche Beriammlungea recht bald -u wiederholen und die Betheiligung au denselben wcitcrea Kreisen zu ermögliche». Musik. Zur musikulischen Erzichungslehre. Aus w nigeii W.sje»Sgebiktcn wird wohl heutzutage soviel exp.'rb meiitirt als aus d:m der Pädagogik: Manches Alle vermag sich nicht mehr zu halte», und neue Ideen können zuweilen noch nicht die ent sprechende Form finde». Unter diesem Ucbelstand leidet insonderheit auch säst die gesammie musikalische ErziehuugSlehre. An dcr nun seit 200Jahren traditionell gewordenen Schablone der Harmonielehre hatte zwar Mancher schon hier uud dort zu rütteln gewagt, bis M. Hauptniaun endlich sei» System der niuso kalijche» Th.'orie entwickelte, besjen consequcnte Fortbildung seine Schüler und Anhänger sich zur Ausgabe machten. WaS aus diese Weis« rein theoretisch sichergestcllt wurde, ist aber erst in geringem Umsange sür den Unterricht nutzbar gemacht worden; Len» noch staden sich Lehrbücher wie Projesjor Paul's: „Harmonik", weiche die Forschungen von Hauplmana unk Helmholtz systemalisch verlvcrthen uud sür die Erziel ung weiter entwickelu, nur vereinzelt in dcr m»fi kalisch-theoreüscheu Literatur. Dagegen macken sich noch immer die Vertreter de» allen, inimisicnlchaftlichcn Zopfes ungebührlich breit, weil es in tue cm Lager jeder Prwailehrer womöglich sür sei» Recht uud seine Psl cht hält, jcuieu Schülern ein eigen» im Schweiße des Angesichts zusammen geschriebenes „Lehrbuch dcr Harmonie" ia die Hand zu geben. Aehiilich verhält eS sich mit der Clavierpädagogik. Man nehme sich dech nur einmal die Mühe, einen Band dcr Hoimeister'jcheu Jahresberichte durchzublätlcrn, und man wird erstaunt fein, wie weit über das Bedürsniß hinaus dcr musikalische Markt allein mit Clavier- schule» oller Art über schüttet wird. Wenn — wie 1867 — die musikalisch« Welt sich nur mit einem halben Dutzend Clavierjchulcn beschenkt sicht, jo darj das »ech ein äußerst gnädiges Jahr genannt werden. Wie kommt eö denn nun aber, daß unter dieser Uebersülle vou Produo Konen auch nicht ein Werk sich befindet, welches allen rechtmäßig zu stellenden Ausordcrungcn w-uigsicns einigermaßen entspräche? Tie Anlwort aus Liese Frage lautet eiusach genug: weil eS noch immer an einer wissenschaftlichen Meihode hierbei fehlt. Die meisten Aniorcn der bisherigen Ciavicrschulen hatten ihr System aus eigenen und theilweise», zusällig-wadlloS zusammengclcjeueu, fremden Er sahrurgcu anfgebaut. Man siebt uun leicht eia, daß aus diese Weis« wohl subjektiv berechtigte, gewiß auck, sich viellach praktisch bewäh rende Lehrgänge zu Staude komme» können, nimmermehr aber eia aus wissenichaftlichcr Methode basircndcS, in sich fest geschlossenes System sich bilden wird. Denn soviel werthvollcS pädagogische» Material auch jcdcr ciuzclne denkeoüe Clavierleyrer beidringen mag. fo wenig reiche» Loch Liese vereinzelten persönliche» Ecfahruugcu au-, ein vorläufig endgilligc- System daraus zu gründen. Dieses kann vielmehr nur aus dem Wege allseitiger Induktion gesunde» werdeu, indem vor Allem erst die gelammte Literaiur über diese» Gegenstand gesammelt und kritisch gesichtet wird. Soda»» cber muß auch in der Musikpadagogik überhaupt mehr und mehr die historisch-ver gleichende Methode Platz greife», die anderweitig iu der Wissenschaft schau lauge angewandt Io herrliche Früchte getragen hat. Der syste matische Lehrgang wird sich nun jreilich uicht immer mit der histo risches Entwickelung unserer Kunst verirageu lönuen, nkchtSdesto weniger muß turchgäugiq das Bestreben der wissenschaftliche» Clüvierunterrichtimeihodr werden, den Schüler im Laufe de« Lehr gange« je nach Zweck und Ziel mit der gesammten Clavierlileratur nach ihrer historische» Eniwicklimg bekennt zu macke». Es muß einem anderen Anikel vorbchallen bic bcu, zu erörtern, wie der Unterriqt dem angegebenen idealen Ziele entsprechend eiugerichte» werden müßte; hier sc: uur da- »och bemerkt, daß in einigen ratio nellen Kopsen diese,. Gedanke wohl hiu und wieder schon aujgctooch» ist, daß seine eminente Wichtigkeit aber bisher uoch lange nicht hiu reichend bekannt oder gar gewürdigt und erwogru worden ist. Noch ein Piinct muß schließlich hervorgehobeu werden, der eben sosehr vou Bedeutung ist, als er Ie,dcr auch meist ganz vernachlässigt wurde, in Zukunft müssen die Clavierlehrer viel mehr Fühlung mit der musikalfichrn Theorie gewinnen uud behalten. Man hat ja glücklicherweise im Allgemeinen wohl des Borurtheil« sich begebe», alS köanesaur der der beste Clavierlehrer sei», «sicher selbst eiar bedeutende Fettigkeit aus diesem Iustrumrxte besitzt, wihrrsd doch gauj andere Vorzüge! unter deue» eben jene« durch die Theorie allfeitig geschulte musikalische Deakea uud Empfinden odcnansteht, dem Clavierpädagogen eigen sein müssen. Nachdem wir so unsere Ansicht über die Ausgabe« eiuer aus wisscnschaftlichca Princivien ruhendea Clavierschule angedeutet haben, wird es sich in dems Folgenden darum Handel», die unS vorliegende „Theoretlsch-praklüche Elavierjchulr, neues System des Herrn Bovrt"'! einer eingchendeu Besprechung zu unterziehen, wobei eS sich heraus stellen wird, daß der Vcrsaffer zwar da- Ideal einer künftigen, durch auS wissenschaftlichen Clavierunrerrichtsmethode uoch nicht erreicht hat. daß aber sein Verdienst ia einzelueu piimipiellen und pädagogisch bkdculjamen Puucteu eia entschieden unleugbare« ist. Mit wie tiefem Ernste und vollster Neberzeugung-treue übrigens Herr Bovel seine Ausgabe in Angriff genommen hat. daS deutet bereit« daS Motto des Vorworts, jener schöne Ausspruch Schiller'- -»: „Zum Werke, das wir ernst bereiten. Geziemt sich wohl ein ernstes Wort" Ob und inwieweit aber die Ausgabe auch gelöst wordeu sel, da« eben muß eine einfache Darlegung des Inhalts mit besonderer Be- rücksichtiguug der vom Verfasser ausgestellte» oeueu Priucipieu erweisen. „In Folge der Ansprüche, welche mau in der Technik jetzt auch au Dilettanten stellt, ist der geistige Einfluß ter Musik, welcher durch Wiedergabe eiueS gemüthvollen Vortrags bewirkt wird, etwas — (nur etwas?!) — zurückgetretea." Mir Recht legt daher Herr Bovrt neben der erforderlichen Vorbereitung zur Technik das Haupt gewicht eben ous da- gemülhveredelude Moment der Musik. Ja steter Rücksicht aus den Zweck, welchen die Musikpsiege im Familien leben zu erfülle» hat, sowie vou dem Wunsche beseelt» den Sinn dcr Jugend von früh an aus die Einsachdcit auch in dcr Knast zu lenke», ist nun daS neue System aus dea Choral, als „daS Fun dament zur klassischen Musik" überhaupt und als „beste Vorbereitung zu den Tonschövsungen von Beethoven (Sonaten) und Mendelssoln (Lieder ohne Worte)" insbesondere (vgl. Seite 54. 88. Aamerk.), rrincipicll gegründet, sodaß das Kirchenlied 2-, 3-, 4 stimmig die ganze chule durchziedt. Wie sehr nun das Bestrebeo deS Herr» Bovet. die Jugend vor jeder verfrühten Beschäftigung mit Opernmusik oder — waS uoch schlimmer ist — mit den Eintagsfliegen unserer Dutzendcompofltionen im Salonstil zu bewahren, anerkannt werden muß. so darf doch nicht verschwiegen bleiben, daß dieses Princip wie viele der Nruzeit ungehörige, consequcnt durchgesührt, uothwendig zur Einseitigkeit führen wird. Wci.n auch der Vcrsaffer vermöge seiner langjährigen Praxis in jedem Falle so, wie in der vorliegenden Claviersckulc. dir rechte Grenze einzuhallea im Stande sein mag, wer bürgt denn dafür, ob ein weniger erjabreacr Lehrer nach dieser Metbode das vom Verfasser intendirte Ziel ebenfalls erreicht? Dcr Umstand, daß selbst viel geistreichere Leute, als sie sich unter den Musiklehrein unserer Tage noch nicht gerade zu häufig finden, ia eiu Priacip so arg sich verrannten, baß ihnen das unbefangene Urtkeil für viele» außer- halb desselben Befindliche verloren ging, dürfte auch hier zur Vorsicht mahnen. Anders verhält eS sich mit dersosortigenEinführung beider (VeS Violm- und Baß-) Schlüssel. Es ist wahr, daß bis jetzt fast durchgängig nach einer Schablone die Anlangsclavierstulen zuerst circa V, Jahr lang allein den B ol nschlüssel benutztca, um sodann erst den Schüler mit dem Baßschlüssel bekannt zu machen. Da muß eS nun sehr angenehm berühren, wenn hier dieser falsche, nur scheinbarlcichiere WegzuiEinführuug in daS Clavierspicl verlassen wurde. Unabhängigkeit beider Hände m melodischer sowie rhythmischer Be ziehung von den ersten Uebungcu (Nr. 1—50) mit stillstehcndcr Hand an: ToS ist eine weitere vou echt künstlerisckcm Gefühl eia- gegebene und dabei praktisch-pädagogisch äußerst wichtig» N.uerung des Herrn Bovet. Eine sorgsame Ausbildung bei Spiels hält ferner der Deriasser mit Recht sür so wichtig, daß er dasselbe (auch mit Doppel- griffen: Seite 24, 42 ff.) lange Zeit ganz allein üben läßt, indem erst mit Nr. 101 (Seite 57) die Einsüyrung des »taeearo-Spiels statlstndet. Einen wefteren Vorzug dieser Schule vor vielen andern bildet die conscquente Durchführung deS PrincipS gleicher tech nischer Ausbildung beider Hände. Herr Bovcr bat dies dadurch bewirkt, daß er bei fast sämmtlicheu, vou ihm selbst meist gut und geschmackvoll contrapunctisch gesetzten, instructivea Uebungsstücken die rhythmisch-melodischen Motive der rechte» Hand iu die linke und umgekehrt übergehen läßt. Durch frühzeitige Einführung der BersetzungSzeicheu (schon im ersten Lehrabschnitt Seite 19 ff. bei Fingerübungen, kurzen Liedern und Uebungsstücken im Umfang vou 5 und 6 Dönen) soll daS lind- I'che Gehör am alle Tonarten vorbereitet, und das Greifen der Obertasien erleichtert und ron vornberein gesichert werden. Auch das war bisher eiu Mangel der allermeisten ClavieraafaugSschuIen, daß sie sich in dcu Uebungsstücken nicht über höchstens 4 «rcuze und 3 Be hinauswagtcn. Da konnte eS dann leicht kommen, daß das musikalische specicll das clavierspielende Publicum vielfach eine uiiertärliche Scheu vor den Versetzungszeichen besaß, indem eS hinter denselben wohl ein undurchdringliches Gcheimniß vcrmuthctc, dessen Schleier zu lüsten nur dem Eingeweihten möglich sei. Nicht selten mögen daher in Musikalienhandlungen Cnmposiftonea verlangt werden „mit höchstens zwei Kreuzchen oder einem Be'chrn." Solche» Ucbclstäudea muß endlich abgeholsen werden, uud so hat denn ouch Herr Bovet sämmtliche Tonleitern je einmal mit mehrsacher Nntz^ anwendung gebracht. Mit besonders liebevoller Sorgfalt sind die Capitel über Phrasirung (Abschnitt 7. 18, aus Seite 58, lOOff.) Verzierungen (Abschnitt 10, 24 aus Seite 68, 115ff.) vnd Fingersatz (Abschnil 4. 23. 25 ous Seite 36. 113, 117) behandelt. Lick Werth legt der Verfasser auch auf die Uebungcn mit ge fesselten Fingern (vergl. Seite 29, 73), weil dadurch eine bedeutende Unabhängigkeit derselben erzielt wird. Durch die mannigfachen theoretische» Erklärungen wird eine gründliche musikalische Bildung gesichert; vor allem aber ist durch kurze Definitionen und bündige Analysen einiger musikalischer Hauvt- sormen: Rondo (Seite 56). Variationen (Seite 72), Sonatinen (Seite 105), Tanzformea <S.-ite 108) und Fuge (Seite 133), sowie durch Erklärung der gebräuchlichsten musikalischen Ausdrücke (Ab schnitt 29 auf Seite 146) uud durch Borsührung des Wichtigsten aus der Nrcordlebrc (Abschnitt 30 aus Seite 150ff.) eine allseitge musikalische Erziehung angestrebt. Daß uun Herr Bovet schon eine — wenngleich noch dunkle — Vorstellung- von jener künftigen wiffenschastlichcn ElavicrunterrichtS- methode besitzt, bars man wohl o»S dcr Ankündigung (Seite 69) eines neuen Sonatinen-Album schließe», welches die Auslese der an- rcgcndstcu Sonotiucn zu 2 Händen und 4 Händeu, sowie leichte Fragmeute der alten Classiker enthalte» wird. An paffenden Stellen sind im Laufe des Lehrgangs Angaben über gute Literatur beigesügt. Eine wesentliche Erleichterung sür da» gleichmäßig sichere Zurechtfindea deS Schülers aus dcr ganzen Cloviaiur ist dadurch geschaffen, daß die vorkommenden vierhändigeu Stücke io dcr Prnno- und Secondopartje gleich leicht gesetzt sind, wodurch es möglich wird, dea Lernende» sowohl im DiScaut al- im Baß beschäftigen zu können. Es mögen nun am Schluß noch einige Ausstellungen folgen über Nebenpuncte, wenn eS solche überhaupt beim Unterricht geben dürste. Unglücklich gewählt, weil uicht lpecificirend genug, ist die Bezeichnung „Puncrnote" sür die beiden Noten unmittelbar uoter und über den Linien, denn die „Linien." und „Raum"-Nolca sind ja auch Punctnotcn. Bester wäre, wenn denn einmal von der Anschauung des Füns-Limcnsysteuis auSgegangeu werden soll, dcr Name „Grenz- uvten." Die Liebling-Phrase de» Verfassers: „Daß der Ton in abge rundeter Schwingung (!) erklingt" enthält eiaea mruseus und wird dafür, dem okustijch-vbysiologischen Sprachgebrauch entsprechend, richtiger gesagt: „Daß der Tou voll (d. h. mit alle» Obertönen vgl. Wuadt. Grundzüge der physiologischen Psychologie, dritte Auflage l. 422 u. ö.) und ruud (mit.Uebertraguug eines der Gesichts- empfindung eutnommcuenen Ausdrucks aui GehörSempfindungen) erklingt." — Deuo einfaches Kreuz und B' (vgl. Seite 19) durch die Silbe» is und es verirrten werden, so entsprechen dem Doppel- Kreuz uud Be doch nur die Silben reis und esea und diesen dan bloß einmal der betreffende Stammtonname vorgesetzt werden: alio z. B. uicht wie der Verfasser sagt trls xi», sondern richtiger gfisi» rc. — Sehr lobeaSwcrth ist allerdings der Grundsatz: „Jeder Schüler sollte dahin streben. Beethoven'S Sonaten spielen zu lernen und seine Sinfonien zu hören." Daß aber dieser Meister auch hier wieder einmal „der Fürst dcr Töne" uud „Löwe der Tounkuust" (unangenehmer Druckleusel!) genannt wird, ist so weder au sich richtig, deuu schließlich war von nnserea großen Tonmeistern jeder an seinem Platze ein „Fürst im Reich« der Töne", wie ja auch Herr Bovet gleich darauf „Sebastian Bach als den „größten Orgel fürsten (auch Orgclköaig genannt)" bezeichnet, noch auch im Sinne deS Verfassers, der damit Beethoven doch ab'olut obeaau stellen möchte, während man bei einem Fürsten unwillkürlich noch dem über diesem stehenden König fragt. *) Der vollständige Titel deS eigenartige» Werke» lautet: Theo- retilch-praktischc Clavierschule. Neues System, bei welchcm die Srkiäruageu dem Fassungsvermögen der Jugend angepaßt sind, von H. Bovet. Mil einem Vorwort der Proscssoren S. de Lange und Mertk», Lehrer am Coujervatorium der Musik ia Külo. Preis gebunden 6.75 gr. 4" 154 Seite». Verlag der Friednchstädiilchen > Buch- und Mssikalieuhaudlutzg (FHlx Vogel L «half Schaerder).
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