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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806247
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880624
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880624
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-24
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1888
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' » Dritte Mage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 178. Sonntag den 24. Juni 1888. 82. Jahrgang. Aus den Ehrentagen der Universität Lotogna. Boa Al. Litt». ' ' II. Während der Festtage in Bologna ist der Telegraph eisrigst geschäftig gewesen, Berichte über all DaS, waö sich de, jener Universitätöseier ereignete, in alle Welt zu entsenden. Und die Zeitungöberichlcrstatter entwickelten bei jeder Ge legenheit eine erstaunliche Geschäftigkeit. Sie sind auch wohl kaum zur Hälfte verantwortlich zu machen sür den mannig fachen Unsinn, den namentlich einige französische Zeitungen in ihren Spal ten abgedruckt haben. Manchmal allerdings, so bei dem edlen Berichterstatter deS edlen „Berliner Tage blattes", liege», auch offen Verdrehungen von Thatsachen in wyjorem glgrirrm Berlins vor. Doch das sind Kleinig keiten. Im Ganzen sind doch die Ereignisse berichtet worden, wie sie waren, aber auch nur die wirklichen Geschehnisse, denn von der Stimmung und dem ganzen Geiste deS groß artigen Festes ei n Bild zu entwerfen. daS hätte wohl auch der geschickteste R eporter nicht vermocht, während er inmitten all der brausenden Festfreude stand. Erst hinterher gewinnt der Geist eine Ulcbersicht, und die tausendfachen Eindrücke schließen sich zu s'.sten Bildern zusammen, welche im Gedacht- niß basten bleiben' sür alle Zeilen. Sonntag, den 10. Juni, war der erste ossicielle Tag der studentischen Fcstseftw; denn die Festlichkeiten der Prosessoren- kreise begannen erst am folgenden Tage. Die frühen Morgen stunden vergingen mit allerlei Vorbereitungen. Wir kamen endlich mit dem AuSpacken zu Ende, aber noch war cS nicht 1» Uhr, als uns schon eine befreundete Schaar abholtr zu einem kleinen Frühstück, das wir ja zeitig einuchmen mußten, denn um 12 Uhr sollten wir unS bereits im Hose deS ^rodigiunasio eingesunken haben, wo der Empfang der studentischen Vertreter der auswärtigen Universitäten statt» siiiden sollte. Aus dem Wege nach einem Wirthrhause trasen wir den Vertreter der Universität Straßburg, stuck, mock. Otto Nöther, der sich an uns allschloß und uns bald ein so lieber Freund wurde, daß wir künftig AllcS gemeinsam mit ihm unternahmen. Wir waren nun im Ganzen vierzehn rcichsdeutsche studentische ^Vertreter, und zwar drei von Berlin, drei von Leipzig, drei von Heidelberg, vier von Erlangen und einer von Straßburg'. Berlin und Heidelberg trugen VollwichS. d. h. hohe Sticst'ln. weiße Hose und Pckesche, wir andern trugen den Frack rinter unfern Schärpen. Berlin und Leipzig gingen in den Farben ihrer Universitäten, die Heidelberger gleichfalls, doch führten diese auch noch schwarz- wciß-rothe Schärpen bei sich. Unser Straßburger Freund trug immer die Neichssarbeu, rvährcnd die Erlanger jeder in den Farben der Vereinigung gingen, welcher sie angchörten. Berlin und ein Theit der Erlanger trugen CcreviS, die übrigen Erlanger und wir andc'r» alle schwarze Sammct- baretts mit bunten Federn, welche den Farben unserer Schärpen entsprachen. Es war »in buntes Bild, wenn wir vierzehn deutschen Eommililoncn d.rrch die Straßen zogen. Znni ersten Male waren wir alle am Sonntag Mittag im Hose deS ^.rcbiginnusio versam mclt. Dieser quadratsvr- inige Hos, welcher die Stätte aller größeren Feiern diese Tage über war, liegt inmitten dcü esroiiigimmsio und ist ein mächtiger Raum, wie geschaffen, einer großen Festversamm- luug zum Aufenthaltsort zu dienen. Ringsum schließen ibn mächtige Säulengänge ein. deren Bog-:u bis zur kalben Hohe deS Gebäudes gehen und auf sich eine zweite mächtige Säulen- galcrie tragen, welche den Schönen Bolognas als Zuschauer- raum diente. Sonntag Mittag mochten — nack einer An gabe deS „Rests del Carlino" — etwa HOÜ Damen da oben versammelt sein, meist auS den vornebmsfen Geschlechtern der Stadt. Aus der einen Seite deS HoseS, dem großen Ein gänge gegenüber, warein hohes Podium ausgcrichtct, aus dem dcr Tisch des Festausschusses stand. Davor waren aus einer großen Tafel die Glückwunschadresfen der fremden Universitäten ausge stellt. unter denen sich eine mächtige erzgegoss:nc Tafel besonders auSzeichnete. Rechts und links vom Podiuin waren die Plätze der Professoren. Vor der Tafel mit den Adressen begann dann eine Anzahl von Stuhlreihen. Auf der ersten Reibe saßen wir Deutschen, dann folgten die Griechen und übrigen Ausländer, und' sodann die Vertreter der übrigen italienischen Universitäten. Außer uns Deutschen waren von Ausländern noch vertreten die Universitäten twii Athen, Bukarest, Holoz Svar (Ungarn), Graz, Edinburg, Aberdeen, St. Andrews, Dublin, Upsala, Princeton (Vereinigte Staaten), Salamanca und Sevilla. An italienischen Hochschulen waren vertreten Eagliari, Camerino, Catania, Ferrara, Florenz, Genua. Macerato, Mailand, Modena, Neapel, Padua, Palermo, Pavia, Perugia. Pisa, Rom. Sasse ri, Turin. Urbino, Venedig und Portici. Glückwünsche waren eingelaufen von Bern, Gent, Helsingfors, Jassy, London,.Oviedo, Prag, Utrecht, Würzburg u. s. w. Die Vertreter der einzigen französischen Universität, welche daS Fest beschickte, via Vertreter von Pari«, kamen erst am Nachmittag an. Außer unS Deutschen waren in eigener Studententracht anwesend die Engländer und Spanier. Ein junger adeliger Ungar war mit Urigäter HauSrath aus geschmückt; doch schien es mir, als ob es ihm unter seiner Pelzmütze urtd in seinem Pelzmantel unter den Strahlen der italienischen Sonne nicht sonderlich wohl fei. Wir Deutschen waren jedoch die Einzigen, welche Schläger führten und die- selben gebrauchten, d. b. natürlich zu äußerst friedlichen Zwecken, als da sind: Saluliren, Lusammenschlage» beim Hochrufen, Grüßen der Damen u. f. w. Da es in Italien verboten ist, irgend welche Waffen zu führen, machten unsere Paradedegen doppeltes Aussehen uuh nicht nur bei den Italienern, sondern eben so gut bei den Fremden. Noch vor wenigen Tagen ließ der „Figaro" eine äußerst kindische Ab handlung über unsere Waffen von Stctpel, in der er mit der Wahrheit etwas mehr als frei umging und unter Andern, sagte, eS sei kein Wunder, daß die deutschen Student,» in Bologna so freudig empfangen worden seien, da sie durch allerhand Aeußerlichkeiten, bunte Schärpen und vor Allem durch mitstesührte Degen, zu gefallen gesucht hätten, welch letztere bei den geringsten Anlässen auS den Scheide geflogen wären. Nun, ein Jeder betrachtet ein« Sache von seinem eigenen Standpuncte aus. Jedenfalls ist eine solche Aeu ßerung wenig höf lich gegen die Bologneser Studentenschaft, deren Gäste die Pariser Studenten ebenso gut waren als wir. Wir zweifeln auch sehr, ob derartige Albernheiten von diesen ausgegangcn sind; denn die Pariser Gesandtschaft bestand auS süns sehr netten und seinen Leuten. Dasselbe Blatt erzählt, »S seien einhundcrtundsünfzig deutsche Studenten in Bologna gewesen, während unsere Zahl immer nur vierzehn betrug. Auch eine Ar s Berichterstattung. Solcher Flunkerei gegenüber ist jeder »»„ständige Mensch macktloS. Als der Rector der Universität Edinburg. W. Muir, in den Hos eintrat, wurde ein mächtige« Bnsallsgetöse laut. Um ein Uhr begann die Feier. Giuseppe Pietri, der Vorsitzende deS studentischen Festausschusses, hielt eine ebenso schwungvolle wie begeisterte Red«, in der er .unS All« aus daS Herzlichste begrüßte. Ostmals unterbrach ihn der Beifalls sturm seiner Commilitonen, und als er gerudert hatte, wollt« daS Evviva-Rusen kein Ende nehmen. Er gav in großen Zügen ein Bild von der Entwickelung der Universität Bologna und schloß daran eine Begrüßung der Gäste im Einzelnen. Al« er der Fahnen von Rom. Venedig und Pisa gebuchte, welche um ihn standen und diese von ihren Trägern geschwenkt wurden, gab «S wieder uuendlicheu Jubel. Die Pisaner Fahne war ganz zersetzt; hatte sie doch die Täge vyn Eprta- tone und Montanarc! gesehen. Nach (Iiuseppe Pietri sprach der Vertreter der Universität Athen, vr. A. A Areali«, in französischer Sprache und dankte den Studenten von Bologna in herzlicher Weise sür die Einladung zu ihrem Feste und die Aufnahme bei dem selben. Der Rede folgte ein stürmischer Rus ovviva la 6rooia! Nach diesem Griechen erhielt der Sprecher der Leipziger Vertreter, stuck, pbarm. Johannes Lüttke, daS Wort. Er bestieg die oberste Stufe des PoviumS, in der Hand die Glückwunschadresse der Leipziger Studentenschaft, indessen wir anderen beiden Leipziger rechts und links vom Podium auf der untersten Stufe unS ausstellte» unv mit dem Schläger salutirten. Stürmisches ovvivu läpsia! Rusen, ehe er noch begann. Als eS still geworden war, hielt unser Genosse eine Rede in italienischer Sprache, welche durch fort währendes Beifallsrufen unterbrochen wurde. Sodann laS er die Glückwunschadresse vor. AIS er geendet hatte, brauste der Jubel vielleicht fünf Minuten lang durch den weiten Raum. Daraus hielt ein Vertreter Berlins. Otto SicgeSmund, eine knrze, schneidige, deutsche Ansprache, während welcher seine Genosse» gleich »»S salutirten. Er wies auf die Wichtigkeit und Bedeutung des Festes hin. kam zuletzt aus daü deutsch- italienische Bündniß zu sprechen und schloß mit dem Ruse ewiva Italic», indem er den Schläger zog. Wiederum brausender Beifall. Sodann sprachen nock der Vertreter von Rom im Namen der italienischen Universitäten, sodann der Vertreter von Parma, ein vr. TedcSchi im Namen der italienischen Studenten in Graz. Damit schloß die schöne Feier. Man zerdrückte u»S fast, und wir konnten nicht genug die Hände reiche». Im Vorübergehen lernten wir noch einen (üonto Oamillo Uaineri viscia k.'nnen, einen äußerst liebenswürdige» und geistvollen Herrn, der uns nochmals in sein HauS cintlid unv in dessen Familienkreise wir einige der schönsten Stunden verbrachten, welche wir in Bologna überhaupt erlebt haben. Aus dem Fcstsaal ging eS i» ein Nebeligem ach, in welchem ein großartiges Buffet ausgestellt war. au welchem wir uns an allem Möglichen erlabte». Hier bekamen wir auch zum ersten Male auS dem mächtigen Fasse zu trinken, daS die Turnier Slubcnte» oe» Bologneser Comniilitonen zum Ge schenk gemacht batte». Vv» allen Seilen reichte ma» »nS Ersrischunge» mannigsacher Art. weit mehr, als wir in Wirk lichkeit genießen konnte». Ja, Kälten wir nur vaS Zehntel zu uns genommen, wir wären sicher am Abend alle vier, d. h. wir drei Leipziger und unser Straßburger Freund, krank ge wesen. Wir flüchteten auS dem Jubel aus die Galerien hinaus und ließen unS dort einigen reizenden Bologneserinnei, vorstelle», mit Venen wir uns erst italienisch und dann sranzösisch unterhielten. Kaum war hier der Festjubel verklungen, da führte man unö schon wieder hoch zu Wagen nach dem Theater Brunctli. wo der berühmte Dichter Enrico Panzacchi eine Rebe halten sollte. Panzacchi ist ebenso wie der als Dichter noch berühmtere Carducci Professor an der Universität Bologna, und Beide werden von ihren Studenten aus den Händen getragen. In den Logen deS Theaters war abermals der Dameuflor Bolognas reich vertrete», während der ganze untere Raum von den Studenten mit ihre» bunten Mütze» auSgcsüllt war. Panzacchi sprach von der Bühne aus, aus welcher sich außer dem studentischen Ausschuß auch »och Carducci befand, den ma» durchaus dazu bringe» wollte, auch zu sprechen, der aber nur einige Worte sagte, kurz und treffend, die ihm einen ungeheuren Beifall eintrugen. Die Festrede, welche Carducci am nächsten Tage hielt, war abge sehen davon, daß sie zwei Stunden dauerte, gewiß großartig, aber doch merkte man anS ihr, und namentlich auS der Art, wie sie vorgetragen wurde, deutlich eine gewisse theatralische Mache heraus, welche störte. Auch Panzacchi hatte die Absicht zu wirken, aber man merkte sic nicht, und darum wirkte er ties und nachhaltig. Und cs war wahrhastig kein Wunder, daß man ihn immer wieder unterbrach, bis er endlich erklärte, er werde nicht weiter rede», wenn man immer schreie; denn er sprach ein Italienisch, welches einfach hinreißend war. selbst sür unS, die wir die schöne Sprache erst seit wenigen Jahren a»S der Grammatik kannten und die sie erst seit wcnigen Tagen lebendig mit ihrem süße», schmeichelnden Wohllaut umtönte. Und er sprach so klar, daß man jeden Satz, jedes Wort deutlich verstand und bequem folgen konnte. Seine Worte klangen wie Musik und seine Bilder nahmen sörmlich gefangen. Es war eine Begrüßungsreve, und der Dichter bewegte sich vorzugsweise aus dem Boden der Literatur. Sein erstes Wort galt den italienischen Studenten. Dann sprach er von den GeisteShelden Italiens, von Dante, Galileo. Vico und Langrangia. - Von ihnen ging er über auf daS Geistesleben Griechenlands, um über CamoenS, Cervantes. Voltaire und Benjamin Franklin, über Spinoza. Shakespeare und Milto» aus Goethe und Schiller zu kommen, bei Venen er etwas länger verweilte. Er sprach von den geistigen Anregungen, die Italien dem Ausland gegeben hat uni» die ihm tausendfach zurückgezahlt worden sind, und von Italiens Stellung in der Weltliteratur. Ein unendlicher Beifallsjubel lohnte den Dichter, und er Halle ihn gewiß verdient. Die Presse Italiens berichtete sebr verschieden über all diese Begebenheiten. Um zwei Gegensätze zu haben, brauchte man nur den vorzüglich geleiteten „Resto del Carlino" und die „Italic»" zu vergleichen. Der „Resto del Carlino". daS erste Localblatt Bologna-, brachte all die Festtage über Aus sätze über die Vorgänge in der Stadt in seinen Spalten, um deren Eleganz manche große deutsche Zeitung Ursache hätte, jenes Blatt zu beneide». Von Blättern unserer Heimath oder von sranzösischen Zeitungen bekamen wir vcrhällniß- mäßig wenig zu sehe». Doch lasen wir im „Berliner Tage blatt" den Bericht über die Empfangsfeier am Mittag. I» diesem stand unter Anderem, nachdem gejagt war, der Berliner Vertreter habe zuerst gesprochen und e»ne flammende Rebe grbalten: daraus sprach der Vertreter Leipzig« einige wenige Worte in italienischer Sprache. Diese Darstellung lockte unS Alle», die wlr diese Vorgänge „unübersetzt iuS berlinische" erlebt hatten, «in Lächeln ab. Der Nachmittag krackte unö eine halbe Stunde Ruhe. Noch wa« es nicht vier Uhr» als einige Herren des studen- tischen Äu-schusieS bei uriS erschienen und uns auffordcrte», mit nach dem Balmhos zu fahren unv die sranzösischen und anderen fremden Studenten, welche um fünf Uhr ankame», mit zu empsangen. AlS Gäste hielten wir vier Anwesenden eS sür unsere Pflicht, dem Wunsche unserer Gastgeber Folge zu leisten; denn wir halten uns vorgenommeu, u»ü zu keiner lei Chauvinismus verleiten zu lassen. In zwei Wagen fuhren wir nach dem Bahnhof. Dort trafen wir die englischen Studenten bereits an und auch die andereu Fremden sauden sich bald ein. Ein Herr vom Festausschuß führte u»S aus den Bahnsteig, und bald brauste der Zug herein und brachte eine ziemliche Menge studentische Gäste nach Bologna. Darunter waren auch die süns Vertreter der Universität Paris, welche ihre Fahne mit sich führten. Bon unS Deutschen hatten Berlin. Straßburg nnv Heidelberg Fahnen mit in Bologna, aber natürlich nicht mit am Bahnhose. — stürmischer Jubel. Lvviva karigil Vielfache Umarmungen nach Südländerart. Bald ging« zu Wagen nach der Stad», voran die Franzosen unv die anderen neu Angekommenen. Un mittelbar dahinter folgten unsere beiden Wagen, in deren ersten, ich mit noch einem Leipziger Genossen saß. während der zweite den dritten Leipziger und unseren Straßburger Freund trug. Während de» Zuges schoben sich jedoch mehrere Wagen da- zwischen hinein, so Paß wir getrennt wurden und nu» nur nn Ger R»ti» »wir» i-onuLuia, pvviv» lupiün, «wir» Ltrgsdurxo, «vviv» Lickeldergl umtönten. Da drängte sich ein Schwarm Studenten an unseren ersten Wage». Im Nu war der Gaul auSqespannt. der Kutscher vom Bocke entfernt, und von unseren italienischen Eo»ln»litonc» gezogen, ging» mit großer Geschwindigkeit vorwärts. Unserem zweiten Wagen tbat man daS Gleiche, und während die Kutscher mit ihre» Mähren hinterher trotteten, bogen unsere Freunde mit unseren beiden Wagen seitwärts auS dem Zuge und nun gingS aus der breiten Via Ualliora läng« des Zu.ieS hin, so daß wir bald an dessen Spitze angela»gt waren. Der erste Wagen führte die Pariser Fahne. Als wir bei ihr aiigckommen waren, betrachteten unS die Pariser mit erstaunten Blicken. Sie wäre» sichtlich verwundert über unsere im Fluge erworben« Beliebtheit. Doch sie kalten kaum Zeit, dies zu denken, denn schon dielt auch ihr Wagen, und man entfernte ihnen gleich falls VaS Roß, um sie bann gleich unS nach der Stadt zu ziehe». War eS nur die Höflichkeit der Italiener, welche fühlte, daß die Neuangekommenen fremden Gäste nickt hinter den bereits anwesenden zurückgesctzt werden dürften? Oder war cS eine politische Gegendemonstration einer sranzösischen Partei unter den Studenten? Und warum spannte man gerade bei», Empfang der Franzose» u»S zuerst die Gäule aus? Wir erfuhren nachmals, daß bei der Wahl deS studentische» Festausschusses politische Momente eine bedeut same Rolle gespielt hatten, und eö ist nicht unmög lich. daß hier dieser innere Gegensatz einen äußeren Ausdruck fand. Soviel steht fest, daß wir alle di« Festtage über immer von anderen Studenten begleitet wurden als die Pariser. Daß hierbei nicht allein die Sprcichkemiliiisse deS Einzelne» ausschlaggebend waren, beweist der Umstand, daß viele unserer Bologneser Conimili- tonen, welche sich unü anschlossen, auch französisch sprachen, und zwar meist weit besser als deutsch. Doch der Grund dieser Dinge mochte sein, welcher er wollte: jedenfalls war unser Zug durch die Straße» der Stadt ein großartiger. Bald flaute sich allenthalben eine gewaltige Menschenmenge an, so baß wir manchmal kaum vorwärts kamen. So ging cS durch die ganze Stadt bis nach den» Gasthaus vo» Cacciatvri, wo die Wohnungen der Franzosen waren und wo wir »ut unser«, italienischen Freunden ein kleines Abendessen ciiuialnucn. Es war eine Aufgabe, durch die dickte StuLenlln- und Volksmenge aus den» Wage» »ach der Thür des Gast hauses zu gelangen. Es glückte »>,S aber dock, »»b bald saßen wir oben bei», Chianti und anderen schönen Dingen vereint. Ungefähr gleichzeitig mit unö oder doch kur; nach unö begaben sich die Pariser in bas HauS. um dort ihre Zimmer auszusuchcn. Dieser Umstand mochte den anwesend«« Bericht erstatter deS „Resto bet Carlino", der osfenbar nachmals erfuhr, daß da oben ein kleines fröhliches Gelage statt- gesunden habe, die Bemerkung in den Mund lege», am Abend hätte ein fröhliches Banket die deutschen und src»>- zösischcn Studenten vcremt, oder eigentlich nur. die deutschen Studenten hätte» sich mit der größte» Herzlichkeit mit den sranzösischen zusanimengeschlossen in der gemeinsamen Absicht, Bologna eine Huldigung darzubringe». nnv diese Ver brüderung edler Jünglinge habe allenthalben Aussehen erregt. Das andere Lokalblatt Bolognas, die .Gazetta d'Emilia", brachte a», anderen Morgen die Nachricht, die deutschen und sranzösischen Studenten seien verbrüdert aus dem Balcon des Gasthauses erschienen, um de» Italienern nochmals sür ibre Liebenswürdigkeit zu danken; davon ist kein Wort wahr Der Balcon. auf den wir zu wiederholten Malen durch begeistertes ovviva 6ormr»uir»! herauSgerusen wurden. Halle nur eine» Zugang, unv zwar von unserem Zimmer auS. unv daß im Zimmer kein einziger Franzose war, kann ich ver bürgen, da ich die anwesenden Italiener sämmllich Person l,ch kannte. Ich glaube nicht, daß bei den Austritten vor dem Gast HauS Cacciatori ein Berichterstatter einer anderen oder gar einer ausländischen Zeitung anwesend war. Bei unserem kleinen Gelage war sicher keiner. Also konnten andere Zeitungen »ur auS jenen beiden Bologneser Localblättern ge schöpft habe», wen» sic von den, Unsinn eines „Fratermsirciis' zwischen deutschen und französischen Studenten sprachen. Man hat unS nachher in den Zeitungen noch manches Andere an- gedichlct. Emmcil sollte» wir bei», Empfang der Franzosen aus dem Aalinhos mit den Schlägern salutirt haben, ein anderes Mal Arm in Arm mit jenen durck die Straßen ge zogen sein; daS „Journal des DsbatS" hat uns sogar den Parisern gegenüber ansdringlich gesunden, und noch Keule findet sicher hier und da das Märchen Glauben, daß wir mit jenen an gestoßen hätten: Vivo Ir» kruueol und unö einer geantwortet Kälte, er könne nicht wieder rusen: Vivo LAllemaguo! Die EinbildungSkrast bat in solche» Fällen immer euren weile» Spielraum, und eS ist ihr gewiß nur zu danken, wenn sie die Fälle erörtert, welche hätten cintreten können, wenn näm lich rc.; aber sie bars diese ihre eigenen Ereignisse nur nicht sür baare Münze ausgebrn. Einige Zeitungen haben unS unsere« Verhaltens wegen sogar bittere Vorwürfe gemacht. Den Pariser Studenten sind dieselben auch nicht erspart ge blieben. Ich weiß nickt, ob man von unS erwartet hatte, daß wir u»S mit den sranzösischen Studenten in den Straßen von Bologna berumschlagcn würden. Manchmal schien eS mir säst so. Glücklicherweise waren sowohl wir Deutsche» als die Franzose» zu anständig, um unS irgendwie heraus fordernd zu benehmen. Als mir am Montag zum ersten Male wirklich zusanimcntrafen, sagten wir unö gegenseitig, daß wir u»S Mühe geben wollten, hier, wo wir beide als Gäste auf »cutralem Boden weilten, unseren liebenswürdigen Wirthen keinerlei Anstoß zu geben; aber daS ändere natürlich au unser«» sonstige» Gesinnungen nicht LaS Mindeste. Und aus beiden Seiten ist Wort gehalten worden. Wir sind die Fest tage über nebeneiuanver hergegangen, haben mit einander höflich, aber kühl verkehrt und sind dann ebenso von einander gegangen. Einmal schien eS, als ob ein Zu- snmmenstoß erfolgen werde, und daS war aus dem Banket zu Casalechio. Aber auch dort wurde er durch unseren beiderseitigen Tact vermieden. Von der be geisterten Versammlung wurde uämlich vorgeschlagen, ez» Telegramm an Kaiser Friedrich III. zu senden. Die Franzosen schwiegen natürlich dazu und beantragten dann ihrerseits ein Telegramm an Sadi Carnot, welches ebenfalls zu Stande kam und zu welchem wir schwiegen. Znrückgekehrt in ihre Heimath und wieder umgeben von dem Pariser Chauvinismus, finden eS unsere sranzösischen Comiuilitonen am Platze, sich gegen die Verleumdungen der Presse zu vertheidigen. Sie thun dies mit vollem Rechte, nur stellen sie sich selbst schlimurer dar, a>S sie gewesen sind. Sie thun dieS jedenfalls nur, um di« Schrei« zum Schweigen zu bringen, welche ihnen Vorwürfe mache» über ihr „unpalriotrscheS" Austreten. Daß man ihnen einen Vorwurf daraus macht, daß sie unS, als wir unS gegenseitig vorstellten und die Karten tauschten, die Haub gegeben haben, wie daS doch unter jungen Leuten allgemein üblich ist, daS ist eben nur ft, dem heutigen Frankreich möglich. Sie mögen übrigen- heute „Tagebücher" veröffentlichen, soviel sie wollen. Thatsache wird e« immer bleiben, daß w»r zbnen gegenüber artig gewesen sind, und ihnen zur Ehre sei eS gesagt, daß auch sie uns mit keinem Worte und keiner Thal irgendwie heraus gefordert oder die Gesetze der Höflichkeit gegen u»S verletzt baden. Daß zwischen un» kein „herzlicher" Verkehr stat finden werbe, war mir wenigsten» von vornherein klar- Aber Härte er auch stattgesuudeu, so würden die französischen Blätter trotzdem kein Recht haben, darüber in solcher Weis« lo-zuziehew Denn da- ganz« Fest trug »»»«» durchaus »«tee- nationalen Charakter und wir waren dort als Vertreter unserer Hochschulen, al« Jünger der Wissenschaft, und standen nicht Vorposten an der deutsch, sranzösischen Grenze. Als solche scheinen einige französische Zeitungen die Pariser Abge sandten lhatsächlich ausgesaßt zuchabcn, denn wie könnte» sie sonst über daS „bedenkliche Fralernisiwn" schimpfen. Bei uasercm kleinen Gelage war eS dunkel geworden und cS war Zelt zum Ausbruch, deun um neun Uhr begann die Galavorstellung im Theater, welch« zu Ehren der Studenten statlfand. Man gab „Tristan und Isolde". Die Vorstellung dauerte vier volle Stunden und wir waren schon einigermaßen ermüdet von den Anstrengungen de» Tage» hin- gekommc». ES war entschieden zu viel der Feiern an eineni Tage. Die Darstellung de« Stückes selbst blieb weit hinter Dem zurück, waö ich vorigen Sommer in Leipzig gesehen hatte. Wir erfuhren, daß die Oper in Bologna außerordentlich zejalle und daß man von weit und breit zusammenaeströmt ei, un, sie zu sehen. Vielleicht war eS die Müdigkeit, die u»ö nicht zun» vollen Genuß der Musik kommen steh, aber Keiner von unS war von der Vorstellung sonderlich entzückt. DaS Orchester mochte sehr gut sein, aber eS war sehr unruhig, die Sängerinnen batten nicht sonderliche Stimmen und sie beherrschten sie auch nicht ganz. An da» Theater schloß sich «ine kleine Kneipe im engen Kreise, bei der es sehr feucht fröhlich zuging. Dann geleitete man un« heimwärt«. Ai» frühen Morgen deS Montag rief un» die Ankunft deS KönigSpaareS aus den Bahnhof. Um acht Uhr war bereits Alles zum Empfange bereit. An der Stelle, an welcher der königliche Wagen halten sollte, waren Teppiche gelegt, welche sich bis zum Bahnhofsgebäude erstreckten. Unmittelbar neben dem Gleise waren wir vierzehn deutschen Studenten mit unseren Fahnen aufgestellt, u»S gegenüber standen Veteranen, weiter nach dem Bahnhose zu die anderen Fremden, gleich uns Spalier bildend. Der Raum zwischen den beiden sich gcgcnüberstehcnden Gliedern war nur lose auSgesÜllt durch die obersten Beamten der Stabt, Capellini, de» Rector der Universität und mehrere Professoren, darunter Carducci und Ceneri. Im Wartesaal erster Classe standen die Damen deö hohe» Adels von Bologna bereit, bas KönigSpaar zu empsangen. Gegen halb neun Uhr kam der KönigSzug an. Die königlicheFamilie wurde mit donnerndem Gruße empfangen. 4 DaS KönigSpaar stieg rasch aus und wandte sich zurrst zu unS deutschen Studenten, die wir in schnurgerader Linie mit dem Schläger salutirten. während über uuscren Häuptern unsere Fahnen wehten, in der Mitte daS prächtige UmversitätSbanner von Berlin. Der König und die Königin reichten unS die Hand, und während Elfterer mit den Berlinern französisch sprach, unterhielt sich die schöne Königin Margherila mit unS Leip zigern in drutscher Sprache und war sehr erfreut, al» zwei von un« ihr italienisch antworteten. Das erste Wort, welches sie an mich richtete, war eine Frage nach dem Befinden niisereS Kaiser». Bald saß daS KönigSpaar im Wagen und wir deutschen Studenten folgten zu Fuß unmittelbar hinter dem Wagen, geschaart um die Heidelberger Fahne — denn das Berliner Banner mußte seiner ungeheuren Last wegen heimgesahren werde». Um un« brausten fortwährende Ruse: ovvivc» U Uv und ovvivc» Ir» bollc» rvinc» Llurgftoritc»! Dazwischen klang« dann wieder einmal: ovvivc» Roäelieo III, evvivn l'im- poi-cüoio cli Coimuuic», ovvivc» Liclolberg, ovviva I-ipsw! Wir geleiteten das KönigSpaar nach dem Schloss«. Im Schloß- Hose stellten wir fremden Vertreter unS in einen großen Halb kreis aus. und kaum war die Ausstellung beendet, so erschien von stürmischen Hurrah! Hoch! vivo Io rcü-Rusen da« KönigS- paar am Fenster. Daraus gings nach der benachbarten Lcnalc» ck'sxplicitliono, wo ein Bologneser Student Namens Breuna eine kurze Ansprache hielt. Darauf ging die Menschenmenge auseinander. Im Zuge waren wir deutschen Studenten die Einzigen gewesen, welche Ordnung gehalten hatten und in sestgeschlossenen Reihen gegangen waren, jetzt waren wir die Einzigen, welche ihre Fahnen anständig nach Hause begleiteten. Denn während die Pariser und die anderen Fremden ibre Fahnen eiusach in einer Nische de« Schulhofe» zusammenstelllen, krackten wir unsere Fahnen, eine jede in Begleitung von zwei Mann, in voller Ordnung durch die Menge, welche unS ehrerbietig Platz »>achte, nach unserer Wohnung. Und laute BelsallS- bczeugungcn begleiteten uns aus dem ganzen Wege. Unterdessen war eS Mittag geworden. Nach einem kurzen Mahle holte man un« gegen halb zwei nach dem mächtigen Gebäude der MusikauSstellung ab, wo wir einem sehr schönen Concert beiwohnten. Nugöherum in den Logen saßen die Damen von Bologna, unter denen wir so manche wieder erkannten, die wir bereits am Sonnabend gegrüßt und die unS von hohem Balcone freundlich gedankt hatte. Auch am Morgen beim Empfang deS KönigSpaareS waren alle Tribünen und Fenster dicht besetzt gewesen und wir hatten e« au unS auch nicht fehlen lassen. Kaum hatten »vir unS nach Schluß deS ConcerteS in die AuSstellungsgebäude begeben, um uns dort ein wenig u»i- zusehcn und uns einigermaßen zu erfrischen, als wir auch schon abgeholt wurden zu dem Fest zu ge, der sich nach dem Victor EmanuelSPlahe begeben sollte, wo um süns Uhr da« mächtige Bronzeguß den kmal des Schöpfer« der Ein heit Italiens enthüllt wurde. Der Festzug befaß eine unendliche Ausdehnung und der mächtige Platz war ganz voll Menschen. Gleichwohl erhielten wir einen trefflichen Platz unmittelbar »eben der königlichen Tribüne oder vielmehr noch auf derselben. Es war ein großartiger Augenblick, als sich die »nächtigen Leinwandstücke seukle» und all' die Tausende, welche aus dem Platze versammelt waren, VaS Reiterstandbild ihre» verstorbenen Königs grüßten. Alle Mnsikcorpö sielen ein, eine mächtige Glocke läutete, die Bcmncr lenkten sich zum Gruße, Tausende von Hüten flogen in die Lust, w»r Deutsche» zogen unsere Schläger, und wie daS Brausen eines Stromes, der brandend gegen seine User schlägt, klang «S an» tausend und aber tausend Kehlen: Viva U La! Viva la Region! Viva Italic»! Für Giulio Mouteverde, der das Deukmäl geschaffen und welcher anwesend war, muß es «in überwältigender Augenblick gewesen sei». Die Tri bünen deS großen Platzes boten einen herrlichen Anblick dar, besonder» aber die eine, aus welcher mehrere Hundert der anmuthigsten Mädchen auS den ersten Häuser» Bologna« sich befanden. Ring« die Balcone der Häuser waren dicht besetzt und auf dem Platze konnte kein Apfel zur Ezde fallen. Nock nach einer Stunde, wo wir zufällig de» Platz entlang gingen, hielt sich die Menschenmenge dort auf, wenn auch nicht so dicht gedrängt wie vorher. A»> Abend war ganz Bologna festlich erleuchtet. Tausende und Abertausende von Lichtern flcunmteu in den Fenstern, in den Säulcngängen täng» der Straßen und aus den Höfen heraus. Und sie schienen gar freuublich aus un« nieder, während wir in Gesellschaft unserer italienischen Freunde in größeren und kleineren Gruppen in Gasthäusern und öffent lichen Gärten unS aushieltcn. um den mächtigen Fackelzug nach allen seinen Schönheiten würdigen zu küunen. Derselbe endete in den großen Garten, in welche» die Ausstellung statt- faud nud welch« hell erleuchtet waren. Eine gewaltige Menschen menge wogte auf den breiten Kieswegen hin und her. und besonders viele Damen waren zu sehen. Dort laßen wir in der heitersten Gesrllschast im Freien unter tze« dunkelblaue» Nachthimmel, von dem herab unzählige Stzra« lenchtele». bi« spät nach Mitternacht die jsc»np«n erltzschen. Indessen gab man drinnen in der Stadt zu Ehr«, der Profess»«» „Tristau und Isolde", ein Schrecklich, das bereit- hinter un» lag und n dessen Bewältigung wir au diesem Abend« sicher u»ch eniger tauglich gewesen wären al» am vorhergehenden.
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