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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880626
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880626
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-26
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.06.1888
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stzz« ländlichen Bevölkerung ruhenden, durch Einführung der Branntwein« sieuer verschärstea Druck zu beseitigen?" reserirle zunächst Herr Polizeipräsident und RelLstogsadgeordnrter v. Rcinbaden (Wies baden). Derselbe hielt nur eine Umgestaltung des jetzigen Steuer systems sür geeignet, und zwar die entsprechend höhere Heranziehung LeS CapitalS. Gewiß sei die iudirecte Besteuerung nicht zu ver- meiden, wenn dieselbe auch vielsach den lleinen Mann allzu sehr belaste. Vor Allem sei der Gegensatz von „Capital" zu „unbeweg lichem Vermöge»" zu beachten und zu berücksichtigen, daß das letztere bereits schwer belastet sei. Die allgemeine AusmerksamkeU sei daraus zu richten, Mittel und Wege zu finden, um daS mobile Capital (— die „Couponabschneider", wie Referent scherz haft. ober zutreffend sagte) zur theilweisen Tragung der Staats- lasten heranmziehen. Hier empsehle sich auch für Preuße» daS Seldstemschätzung-.Tystem. Noch regte Redner unter trefflicher Be gründung die Einführung einer Reichs-Lrbjchaslssteuer und die Ec- Mäßigung des Jmmobilienstempels an. Von den Correserenten sprach sich zunächst Herr Landlagsabgeordueter Knobel (Edlen) dahin aus, daß die bisherigen „Steuer-Entlastungen" von der Landmirih- schast eigentlich wenig gefühlt würden, zumal die lästige Doppel- besteuerung eigentlich nach wie vor bestehe. Er beantragte, auch eine Bier- und Wein-Steuer einzusühren, die Grund- und Gebäudesteuer au die Kreise, bezw. Genieindcn abzugeben, für die Einkommensteuer die SelbstciaschStzung einzusühren, sowie die Einkommensteuer — Von 4000 Jahreseinkommen beginnend — mit 3 Procent, von Ab 000 mit 4 Procent, von 30000 mit 5 Procent, von 60000 mit 6 Procent heranzuziehen. Herr Landtags- und Reichstagsabgeordneter Seyffarth (Friedrich-Hütte) verbreitete sich noch über daS geringe Quantum Dessen, was aus der indirekten Steuer dem Landmann zu Gute kommt. Die Grund' steuer dürfe, wie bereits von dem Herrn Reichskanzler betont worden sei, gar nicht als Staats-, sondern als reine Coniiiiunalsttuer angesehen werden. Der legte Redner, Herr Reichstagsabaeordneiec v. Christen (Werleshausen), erklärte, daß die Branntweinsteuer, die ja nun einmal eine Nothwendigkcit gewesen sei, anerkanntermaßen der Land wirthschast »n Allgemeinen nicht einen Bortheil, sondern eher einen Nachtheil bringe. In der varaussolgenden Debatte sprachen sich die Herren Aba (Hünseld) sür die Entlastung der Grundbesitzer durch alle gesetzlichen Mittel und Stieb (Weimar) sür die Bier« (FabrikatS-, (nicht Consuni-) Steuer und die allgemeine Annahme de» im Großberzogthum Sachscn-Weimar gütigen Besteuerung-, gesetzes aus, während die Herrrn Oberamtmann Thon (Cassel), Bierscheck (Wichmannshausen) und a. m. sonst interessante Angaben machten. Beschlossen wurde, eine den Wünschen der vier Rejcrenten entsprechende Resolution an den Herrn Reichskanzler zu richten, dahin gehend, zur thunlichsten Beseitigung der jetzigen Doppelbesteuerung der Landwirtdslbast geeignete Borlagen zu machen. <5 Der Görlitzer Waareneinkaufsvcrcin vertheilt von seinem Reingewinne in Höhe von 166 329 ./L bei einem Umsätze von 3 945 847 an seine 888 Mitglieder 170 ./« Dividende. Die Errichtung einer Verkaufsstelle in Frankfurt a. O. ist von der Ge neralversammlung genehmigt und damit die Einrichtung von Filialen auch außerhalb der Provinz im Princip gutgehcißen. Z Am 25. Juni sendet die Görlitzer Waggonfabrik die letzten zehn der im vorigen Jahre bei ihr bestellten 250 Wagen sür die bulgarische Staatsbahn nach Sofia ab, so daß bei Eröffnung der Strecke Zaribrod-Vakarcl die Lieferung erfolgt sein wird. Bon den 1 250000 Frcs., welche für die Waggons zu zahlen sind, ver pflichtete sich die bulgarische Regierung, in Monatsraten von 150000 Frcs. den Rest von 950000 Frcs. zu zahlen. *—„Donnersmarckhütte", Oberschlesische Eisen- und Kohlen-Actiengesellschast. Wir machen die Actionaire diese» Unternehmens daraus aufmerksam, daß cs lediglich in ihrem Inter esse liegt, wenn die bereits von uns mitgctheilten Saniruagsanträge in der ain 12. Juli e. stattfindcnden außerordentlichen Gcneral-Ber- sammlung zum Beschlüsse erhoben werden, weshalb eine möglichst zahlreiche Betheiligung an derselben dringend geboten erscheint. Denjenigen Actionaire», welche nicht in der Lage sind, an der in Breslau abzuhaltenden Generalversammlung persönlich theilnebmcn zu können, bietet sich Gelegenheit, ihre Interessen im erwähnten Sinne kostenlos vertreten zu lassen, wenn sie ihre Actien (ohne Couponsbogen) bis spätestens den 27. d. M. an das Bankhaus Friedmann L Kaiser, Berlin, Commandantcnstraße Nr. 51, einsendcn. W Gefälschte Zehnmarkstücke in Polen. Wie die War schauer Blätter berichten, sind in Warschau und Lublin zahlreiche falsche Zehnmarkstücke mit dem Kops Kaisesr Wilhelm'S im Verkehr. Die sehr mtnderwcrthigen Stücke sind dadurch kenntlich, daß der kaiserliche Kops sehr schlecht geprägt ist. Die Einschleppung nach Deutschland ist wahrscheinlich, so daß Vorsicht geboten sein dürste. Wien, 23. Juni. Wiener Börsenwoche. Im Weißen Saale des Berliner Königsschlosses wird sich am nächsten Montag ein welt geschichtlicher Act vollziehen. Der dritte deutsche Kaiser aus dem Hause Hohcnzollern wird mit einer Thronrede den deutschen Reichs tag eröffnen. Umgeben von dem ganzen Prunke des wiedererstan- denen Kaiserthums, wird der junge Fürst die Abgeordneten des deutschen Volkes begrüßen, und sein Herz mag höher schlagen in dem stolzen Gefühle der Macht und Grütze des ererbten Reiches. Wilhelm der Zweite wird nicht blos zu dem deutschen Bolke, er wird zu ganz Europa sprechen, das mit athemloser Spannung der Bot schaft harrt, welche vom deutschen Kaiserlhrone herab verkündet werden soll. Alle Welt hofft, daß es eine Botschaft des Friedens sein wird. Die europäischen Börsen haben die Thronbesteigung des zweiten Wilhelm mit einer wahren Begeisterung begrüßt, und in wenigen Tagen hat sich eine rapide Umwälzung der Effcctenpreise vollzogen. Dem neuen deutschen Kaiser wird ein ungestümer Thaten- drang nachgcsagt, die Börsen aber vertrauen daraus, daß auch er ein Fürst des Friedens sein werde, sie bauen auf sein inniges Ver« hältniß zu dem großen Staatsmanne, der das deutsche Reich ge schaffen und seit zwei Decennicn den Frieden Europas gehütet hat. Äar manche Gründe bestärken diesen Glauben, cs mehren sich die Anzeichen dasür, daß im Augenblicke die hohe Politik in einer fried licheren Phase sich befindet. Die Höfe von Berlin und Petersburg lauschen Versicherungen der Freundschaft aus, welche über den Rahmen der Etikettepflicht hinausgehcn. Gras Kalnoky, der vorsichtige Staats- mann, glaubt in der Delegation die Hoffnung andcute» zu können, daß cs gelingen werde, die Sicherung des Friedens auf eine breitere Grundlage zu stellen, und ossiciöse russische Stimmen sprechen sich vertrauensvoller über die österreichische Oricntpolitik aus. Zu alle dem kommen die Berliner Berichte, aus welchen hervorgeht, daß der neue Kaiser diejenigen Persönlichkeiten aus seiner Umgebung entfernt, von welchen man eine Störung der Friedenspolitik befürchten konnte; die unerschütterte Stellung des deutschen Kanzlers ist die wichtigste Stütze aller Fricdenshosfnungen, sic ist auch die Säule des Cours- gwmides, welches die Hausse der Esfectenmärkte auszurichten im Begriffe ist. — Creditactien 300! Nach langer Zeit wurde heute wieder dieses Ereignis) aus dem Speculatwnsgebictc ver zeichnet. Es bedeutet, daß der Kampf zwischen Hausse und Baisse zum Nachtheile der letzteren entschieden worden ist. Die Acne unseres größten Crcdit-Jnstituts ist in wenigen Wochen um vierzig Gulden im Preise gestiegen. Speciellc Momente mögen die intcr- nationale Spekulation veranlaßt haben, sich der unmodern gewordenen Creditactic wieder zu erinnern; der Zufall will cs, daß der zum Ballast gewordene Besitz der Creditanstalt an türkischen Tabakacticn wieder zu Werth kommt, und es scheint ein angenehmes Phantasie spiel zu sein, jeden Piaster, um welchen die Tabakregie mehr ein nimmt, in die Dividende der Creditanstalt umzurechnen. Wir sind in die Feinheiten dieser Rechnungskunst, die ja berechtigt sein mag, nicht eingcweiht, gewiß aber ist, daß der Eoursaufichwung der Creditactre nicht so stürmisch wäre, wenn nicht ein ausgedehntes internationales Baisse-Engagement in dieser Actie bestanden hätte. Man glaubt gar nicht, wie werthvoll rin Effect Demjenigen werden kann, der es verkauft hat, ohne cs zu besitzen. Die Spekulation liebte es, ihrem Mißtrauen gegen die politische Situation dadurch Ausdruck zu geben, daß sie Creditactien in binnen verlauste, und sie glaubte durch eine solche Operation eine Art Assecuranz ihres son stigen Effectcnbcsi-es für den Fall ungünstiger politischer Ereignisse zu erlangen. Die günstige Wendung in der Politik aber, welche nur langsam Glauben fand, hat nun die Contreminc zu überstürzten Rückkäufen veranlaßt. Jnsoferne kann der Courssteigcrung der Credit- actie eine symptomatische Bedeutung nicht abgcsprocben werden, indem sie den Umschwung in der allgemeinen politischen Auffassung drastisch zum Ausdrucke bringt. Allerdings tritt diese Wendung noch charakte ristischer in der Preisbewegung der russischen Valuta hervor. Für hundert Papier-Rubel erhielt man vor wenigen Wochen an der Ber liner Börse hundertsechzig Mark, heute werden sür denselben Rubel betrag um fast dreißig Mark mehr bezahlt. Das ist eine Ver- schiebung des Gcldwerthes, wie sie so bedeutend nur nach einem großen Kriege vorzukommen pflegt. Wenn die österreichische Baluta sich von ihrem heutigen Stande um denselben Procentsatz bessern würde, welchen die russische bis beute am Course gewonnen hat, so würde eine Reichsmark nicht viel mehr als fünfzig Kreuzer, das Zwanzig - FrancSstück nicht viel niehr als acht Gulden kosten; mit anderen Worten, unsere uncinlösbare Note wäre dem Golde gleich- wrrthig. Gewiß kann nian einwenden, daß eben ein furchtbarer Sturz deS RubclcourscS vorangegangen war, und daß die Ausbesse, rung von einem so tiesen Preisstand« sich viel leichter vollzieht als von einem namhaft höheren, aber immerhin sind solche Schwan- kunaen deS Geldwesens ganz abnorm. Man sagt, die letzte Ernte Rußlands sei sehr ergiebig gewesen und auch die diesjährige ver spreche gut zu werden, aber da< reicht nicht aus zur Erklärung der stürmische« Steigerung de» NubelcourseS. Die Wahrheit lst, daß )ie frühere Besorgniß wie die ictzigen Hoffnungen ans dem Gebiete der Politik in dem Rubelcoursc Ausdruck gesunden haben, und daß die Speculatioa daS Ihre dazu beiträgt, die Wirkung des jähen Umschwunges noch zu verschärfen. Der russische Markt hat durch den Sturz deS Rubelcourses enorme Verluste erlitten, »nd man sagt jetzt, das, auch der Aufschwung deS Rubels sich aus Kosten Ruß lands vollziehe, weil dort inzwischen der politische Pessimismus weite Kreise veranlaßt hatte, ihr Vermögen in fremden Wechseln zu iu- vestiren. DaS sind die Segnungen eines zerrütteten Geldwesens! — Der Ausschwuna der Course aus dem Effcctcnmarkte ist ein ganz bedeutender. Schon seit Jahren erinnert man sich nicht eines so bewegten Lebens an der Wiener Börse. Angesicht» der gebesserten polü,scheu Verhältnisse wagen sich wieder weitere Kreise an den Kauf von Effecten, und die abnorme Geldflüjsigkcit, welche trotz des hcranuahenden JuliterminS besteht, wirkt insbesondere fördernd aus den Rentenmartt. Gerade heute hat das Reichsgesctzblatt die Gesetze über die Branntweinsteuer und über die Zuckcrstener publicirt, und diese neuen Zuflüsse sür den Staatsschatz machen Stimmung für die Rentcncourse, nachdem die politische Beängstigung wenigstens iheilweise gewichen ist. Aber der Schwerpunkt der ganzen ungewöhnlichen Be- wegung liegt in Berlin. Der deutsche Markt, welcher die Creditactien und die Rubel steigert, kauft auch unsere Renten. Die Wiener Börse folgt nur zögernd und bet jedem Schritte vorsichtig tastend der Berliner Führung, nicht blos, weil sie der politischen Beruhigung langsamer Raum gicbt, sondern auch weil sie glaubt, den wirthschaftlichen Verhältnissen der Monarchie, die noch nicht die Spure» einer durch- greifenden Besserung zeigen, Rechnung tragen zu müssen. Darum läßt die rapide Steigerung der Course «inen großen Theil unserer Transportwerthe, unserer Jndustrie-Actien abseits liegen, ja einzelne dieser Wcrthe bringen durch ihre» scharfen Conrsrückgang einen Mißton in daS sreundliche Bild des Aufschwunges. Tie hohe Be- wcrilnmg, welche die österreichische Creditactic findet, ist leider kein Matzstab sür die allgemeine wirthschastliche Lage, sie beruht nur aus dem Tabakconsum der türkischen und nicht aus jenem der österreichi schen Bevölkerung. Der Aufschwung der Effectencourse mag seine Rechtser,igung tu den politischen, sogar in den finanziellen Verhält nissen finden, jedenfalls fehlt ihm noch die Ergänzung durch eine aussteigende wirthschastliche Entwickelung. Der D-lcgirte Chlumecky hat gestern im Budget-Ausschusse der Delegation aus daS Sinken der Zollcinnahmen hingcwiesen Aber nicht bloS die Einfuhr von Kaffee und Petroleum hat abgenommen, der jüngste Ausweis über den auswärtigen Handel der Monarchie zeigt, daß auch die Einfuhr wichtiger industrieller Hilssstoffe geringer geworden ist. Wenn weniger Baumwolle und Jute imvortirt wird, so steht dem nicht eine größere inländische Production gegenüber, da diese Artikel in Oesterreich überhaupt nicht erzeugt werden. Dabei sinkt die Aus fuhr unserer Fabrikate, vor welchen die fremden Länder ihre Grenzen schließen. Die Stadt Wien weiß ganz besonders von den Wirkungen des Protectionismus zu erzählen. Die Wiener Industrien find meistens auf den Export angewiesen, und die Acra des Schutz zolles hat der gewerblichen Bevölkerung der Hauptstadt manchen empfindlichen Schlag versetzt. Die Zölle haben Das vollendet, was das politische System begonnen hat. (N. Fr. Pr.) *— Schwinoel mit Prioritäten. „Schönberger's Börsen- und Handelsberich," schreibt: Es hat sich seit den letzten Jahren ein Schwindel mü dem Worte Priorität vorzüglich bei Eiscubahn-Av- leben eingebürgert, welcher einmal gerügt werden muß. Eine ge wöhnliche Eisenbahn kann nur einmal PrioritätS-Obligationen ousgeben; die später zur Ausgabe gelangenden Obligationen sind Seconde-Lbligaiionen und Obligationen dritten und vierten Ranges, je nacbdcm die Emission ersolgt oder der Bahnkörper gestaltet ist. Was soll man nun dazu sagen, wenn selbst die fortgesetzten Anleihen subventMnirter Eisenbahnen, welche nicht einmal die Zinsen der ursprünglichen PriorilätSschuld zu decken vermögen, als „Eisenbahn- Prioritäten" dem Publicum ausgetischt werden? Einen geradezu komischen Beigeschmack bekommt die Sache, wenn z. B. die Anleihe der ungarisch-galizischea Bahn, deren Einnahmen nicht einmal den Betrieb decken und nachdem bereits neben den vollständig ungedeckten Prioritäts-Obligationen I. Ein. noch zwei «bensalls gänzlich unge- deckle Emissionen existiien, die vierte splitternackle Obliqaiion — als zweifellose „Priorität" urdi et orbi angepriesen wird? Alle diese Anlehcu, welche unter falscher Flagge segeln und keine andere Deckung als die Staalsgarantie besitzen, sind nicht bester als Actien, welche die Staalsgaranlie genießen, oder gewöhnliche Staatsanleheu; sie sind deshalb um kein Haar besser, als Renten und insofern sind Renten vorzuziehcn. weil diese zu jeder Zeit einen Markt haben, während der Obligationcnmarkt an Schweriälligkeit leidet »nd früher oder später das Publicum zur Erkennung der wahren Sachlage ge- lange» wird. Wer also eine Capilalsanlage machen swill, begeht entschieden eine Tborheit, wenn er auch nur einen Kreuzer mehr alS sür Rente für ein Eiienbahnpapier bezahlt, welches mit einer Eiienbahnprioritäls-Obligaiion nichts Anderes, al- de« erborgten Titel gemein hat. *— Der Zuckerexport Oesterreich.Ungarns und Deutschlands in der Campagne 1887/88. Es liegen sür die ersten zehn Monate der gegenwärtigen Campagne die Ausweise über den Export Oesterreichs und Deutschlands vor und es ist demnach möglich, sich bereits jetzt ein Bild über den Verlaus der Campagne zu machen, welche die letzte ist, während welcher da- gegenwärtige Zuckersteuergesetz Geltung hat. indem bekanntlich bereits vom 1. August d. I. an das neue, aus gänzlich veränderter Grund lage beruhende Sleuergesetz in Kraft tritt. Was Oesterreich. Ungarn betrifft, so bezifferte sich der Export von Zucker gegen Stkuervergütnnq in den ersten zehn Monaten der lausenden Cain- pagne aus 1 585 400 Meterceiitncc gegen 2 531600 Mctercentner während der entsprechenden Periode des Vorjahres, was einem Aus fall von 948200 Metcrcentiier gleichkommt. Diese so bedeutende Verminderung deS Exports findet z»m Theil ihre Erklärung in der glrichsallS bedeutend eing-schränkten Production, eS betrug uämlich die Rübenanmeldung bisher 33 Millionen Mctercentner gegen 42,9 Millionen in der vorhergehenden Campagne. I» Folge dessen stellt sich die Steuervorschreitung, mit Rücksicht aut daS sür die Campagne 1887,88 bemessene Cvntingent von 12 800 000 fl. aus 26.4 Millionen. Nach Abzug der bisher geleisteten Steuercückver« güiuugen im Betrage von 16 100 000 fl. resultirt somit eine Steue» nachsahlung von 2.5 Millionen Gulden. Aber auch in Deutsch land ergiebt der Verlaus der jetzigen Exportcamvagne bedeutende Ausfälle. Von einzelnen Zuckerior.'en reducirle sich der Export sogar um nahezu 50 Procent Es wurden ausgesührt: Rohzucker von mindestens 90 Proc. Polarisation und Raffinade bis zu 98 Proc. Polarisation 244 500 Mtr.-Ctr. (gegen 463 200 Mtr.-Ltr.), Candis. Zucker in Broden und Krystallzncker 97,518 Mtr.-Elc. (gegen l24 900) und endlich sonstiger Zucker 7020 Mtr.-Ctr. (gegen 13 800). Auch in Deutschland tritt bekauntlich am 1. August ein neues Zuckersteuer- gesetz in Krast, da» durch die Gewährung einer größere» Export prämie der AuSiuhr neue Impulse verleihen soll. *— Österreichische Süd bahn. Die bisher auSgewiesenen Einnahme» der Ocsterreichischen Südbahn schließen mit einem PluS roa 544 000 fl. ab. Es zeigt sich hierdurch, daß mit dem Weg'all der außerordentlichen Hemmnisse, welche im Jahre 1886 de» Verkehr ungünstig beeinflußt hatten, die VerkehrSentwickelung der Südbahu wieder ihren normalen Fortgang nimmt. Hält der Verkehrsumsang in der bisherigen Weise an, waS im Bereiche der Wahrscheinlichkeit liegt, dann kann schon heute angenommen werden, daß daS finanzielle Ergebniß des lausenden Jahres jenes des Jahre« 1887 beirächilich ubersteigen werde und daß die Actionaire eine Dividende erwarten können, welche sich über daS bescheidene Ausmaß der letzten Divi dende um ein Beträchtliches erheben wird. Diese Erwartung findet übrigens ihre Begründung nicht allein in der Gestattung der Ein nahmen. sondern in d-m tortgeietzten Bestreben der Berwaltung, die seit einiger Zeit ins Werk gesetzten Ersparung-,naßregeln fort- zusetzen. Sind in dieser Richtung schon im Jahre 1887 be- deutende Erfolge erzielt worden, so wird auch da« lausende Jahr bei den Ausgaben weitere Ersparungen bringen» und eS ist überdies mit Rücksicht aus das im lausenden Iabre durch schnittlich etwas niedrigere Äoldagio zu gewärtigen, daß die in der Form des GeminnvortragS gebildete, sehr bedeutende außerordentliche Reserve nus dem Titel von Loursvcrlusten zum Mindesten keine Schmälerung erfahren werde, zumal die Verwaltung der Südbahn bei Beschaffung der zur Verzinsung ihrer Titres ersorderlichen Valuta seit jeher m-t größter Umsicht vorgeht. Was nunmehr sür die Gesellschaft von hervorragendsten Interesse erscheint, ist die Aus tragung der zwei wichtigen Angelegenheiten: der KoulschillingSsroge und der Steuersrage sür das ungarische Netz. Ja erster Beziehung ist eine neue Phase der zwischen der Südbalm und der Staat». Verwaltung vor nahezu einem Jahre eingeleiteten Ausgleich». Verhandlungen nicht z» verzeichnen, da die Studien dieser Frage im Schooße der Regierung noch nicht abgeschlossen sind. Was die Lteuersrage des ungariichen Netzes anbelaogt, so ist sür die Lösung derselben ein bestimmter Präclusivlermin gegeben. Mit Ende 1889 läuit die der Slldbahn sür dos ungarische Netz von der ungarischen Regierung gewährte Sleuersceiheit ab, und die erste Steuer- vorichreibung wird somit bereit- sür das Jahr 1890 ersolqen. Nach de,» ungarischen Besetze wird die Steuerbemcssung aus Grund des ErträanisseS »eS letzten, dem Steuerjahre unmittelbar vorangehenden Jahre» bemessen. LS ist daher unerläßlich, daß sür da- Jabr 1889 bereit- eine getrennte VetriebSrechnnng sür da- ungarische Netz vor liegt. Die Verhandlungen wegen Trennung der Betriebsrechaungcn de« österreichischen und de» ungarischen Netze» werden übrigens be reit» seit länger all drei Jahren gesühr» «ad stehe» dielrlbra to keinem unmitteltaren Zusammenhänge mit der bevorstehende» Steuer« pflicktigkeit de» ungariichen Netze«. Die Südbahn ist die einzige tzon den gemeinsamen Bahnen, welche bisher keine getrennten Be- triebSrechnungen führte. Zwischen der ungarischen Regierung und der Südbahn wurde, wie die „Pr." mittheilt, bereit» ein Schlüssel zur Ausstellung eines sür da» ungarische Netz selbstständigen Rechnungs abschlusses vereinbart, welcher noch der Genehmigung der österreichi sche» Regierung bedarf. ES ist zu erwarten, daß die Durchführung der sür beide Netze gesonderten Betriebsrechnung schon sür daS J:hr 1889 geschehen wird, welches für die Bemessung der Ein kommensteuer deS ungarischen Netze» entscheidend ist. *— Vom „MaiSring". Meldungen auS Pest zufolge sind die Aussichten deS samosen „MaiSrings" noch immer sehr »weiset- hast. Der Ring besitzt jetzt 1'/« und wird bald 1'/, Mill. Metcr- centuer Mais besitzen. Dieselben find uuverhältnißmäßig billig an- gekauft, durch Spesen, Calo und den Kamps gegen die Conlremine beträchtlich verihcuert worden. Für die hochvermSgenden Speku lanten hängt Alles davon ab, ob die Coniunienten die neue Waare abwarten und ob die Ernte eine gute sein wird. Können die Con- sumeuten nicht so lange warten, oder fällt die Ernte schlecht auS, dann allerdings wird der Ring die Preise dictiren» bei zeitiger guter Ernte aber und AuSdaucr der Consumniten muß er capilu- liren. Vorläufig scheinen die großen Brenner noch mit ihren Surro gaten, zu denen sie in Folge der Verthcucrung deS Mais gegriffen haben, ihr Auslangen zu finde», daraus deutet wenigstens die große Flauheit des Mais per Juli-August. Bern, 22. Juni. Die Eisenhahncommiision de» SländeralheS hat sich mit der Frage der Fristverlängerung sür den Bau der rechtsufrigen Zürichseebah», welche in drr morgigen Sitzung zur Behandlung kommt, in drei Sitzungen besaßt. Der zweiten Sitzung wohnte auf ausdrücklichen Wunsch der Commission Bundes- raih Welti bei. Bezüglich der Fristen hatte die Commiision sich bald dahin geeinigt, daß die Erdarbeit am I. März 1889 beginnen und die Eröjsuung der Bahn am I. Juni 1692 stallfinden solle. — Bezüglich der von der Nordost bahn eingereichten Beschwerde gingen die Ansichten der Commission auseinander. Tie Mehrheit ist der Ansicht, diese Beschwerde sei nck «evaratum zu verweisen, die Minderheit dagegen vertrat den Stanvpunct, die Beschwerde solle dem BundeSrnth zurückgestellt werden, ans daß er Bericht erstatte und die Bundesversammlung in die Lage versetze, da- Tractandum materiell noch im Laufe der Seffiou zu erledigen. ES niuß hier eingeschaltet werden, daß der BundeSrath die Beickiwcrde der Nord- ostbahn den Rächen mit der Bemerkung überwiesen hat, er habe derselben nichts Weiteres beizusügen. Hieraus scheint von der Coinmissionsmehrhcit geschlossen worden zu sein, die Rückweiiung der Beickiwcrde an den BundeSrath zur Berichterstattung hätte kaum einen Sinn. — Die Commission beantragt bezüglich der L>nie Thalweil-Zug, es bleibe die B-Ickilußsaffung verschoben, bis sür die Strecke Sih!>"'ückc-Zug eiu Conccjsisusbcgehrca gestellt und ertkeilt worden sei. *— Von der Pariser Börse, 22. Juni. Auch hier hat, wie an andern Börsenplätzen, in dieser Woche eine entschieden stei gend: Richtung gih-rscht, sür welche außer der allgemeine» günstigen Strömung houptw blich die Panaina-LooS-Anleihc, deren Zcickinung nahe l-Vorsicht, als Ursache genannt werden muß. Daß d e große Bankwelt steigende Preise will, scheint ebenfalls klar zu sein. Wie sich die bevorstehende Monotsalw.ckelung angesichts der großen Preis- unterschiede gestalten wird, ist noch unentschieden; der Zinsfuß wird voraussichtlich niedrig sein, aber die „Ausgaben" werden vielleicht uicht unbestritten bleiben. Aus den Ablaus der vorgenannten Zeich nung ist man sebr gespannt, doch deuten alle vorhandenen Z.-iwen auf die W-Hrs.1icinlichkeit eines Erfolges bin. Nach Beendigung des ZcichnuiigsgcschästS wird wohl der Stand deS sranzösiichcn Staats haushalts von der Börse etwas mehr in Betracht gezogen w rden, als eS jetzt geschieht. Derselbe weist bekanntlich seit den Zeiten Gam- betta's einen ständigen Fehlbetrag au». Ter Voranschlag sür 1889 welcher im Wesentlichen eine Neuauflage desjenigen sür 1888 mit 50 Mill. Frcs. Mehrausgabenist, wird nur eine vorübergehende oder scheinbare E nnahnievormehruiig bringen, bestehend in erhöhten Taxen auS der kausniännischen Gcschäiisbemegunq anläßlich der Ausstellung und auS der Unterlassung von Tilgungen. Das Nnlcihebcdüriniß kan» auf diese Weise wohl ausgcschobcn, aber Nicht ausgehoben werden und der Stand der Dinge in unierin Staatshaushalte bleibt unbe- sriedigcnd. Dies ist gegenüber den B-strebunge» im Markte zu be achten . welche den Preis sür die 3 proc. Rente aus 85.87 oder gar 90 Proc. bringen wollen, wobei man sich aus den Preisstand aus ländischer StaatSrenten erster Sicherheit berust. Dieser Vergleich trifft nun aber sicherlich nicht zu. außerdem hat die Rente in ihren besten Zeiten, nämlich 1880 und 188t, de» Preis van 87—87,50 niemals überschritte», wohl aber war sie inzwischen »iitcr 60 und vorüb:! gehend — Mitte der 80cr Jahre — sogar aus 75 Proe. ge sunken »nd ist also bis heute, wo sie 83 Proc. steht, schon beträchtlich gestiegen. *— Krieg gegen die großen Pariser Modewaaren- Magazine. In einer Versammlung von Parft'er Kausleuten und Fabrikanten ist jetzt eine „Syndicats-Liga zur Bertheidigung der Interessen der Arbeit, deS Handels und der Industrie" — Pari- Hat also jetzt auch seinen „Verein mit dem langen Namen" — ge gründet worden, welche die Uebermacht der großen Mode- waaren-Handlungen, wie Louvre. Bon Mirchü, Printemps u. a. m., bekänipscn soll. Seit 1880 sind schon mehrfache Versuch: in dieser Richtung gemacht worden. Der Vorsitzende der Versamm lung führte auS, daß ein seflcs Zusammenhalten der Kansleutc und Fabrikanten vielleicht die Unterstützung der Regierung und der Kammern erwirke» könne. Die Geschäfte, gab er zu, gingen keines wegs schlecht; jedoch lockten die großen Magazine alle Käuier an, so daß die kleinen Leute, wenn sie auch »ach so wohlseil verkaufen, nicht einmal ihre Unkosten hcrauslchligcn können. Außerdem seien die Fabrikanten in Gesahr, immer den großen Magazinen tributpflichtig zn werden und um ihre Erzeugnisse abzuietzcn, zu immer niedrigeren Preisen zu kaufen, daß ihnen kein Nutzen mehr übrig bleibe. Der verstorbene Boucicaut, der Gründer des Bon Marchä. babe schon vor längerer Zeit gesagt, daß er die Geschäfte von 1500 kleinen Läden mache. Der FitcuS, nieinte der Vorsitzende, verliere durch diese Lage der Dinge ebenfalls, da etwa 18l«0 sür Handel-zweck: eingerichtete Läden und Magazine heute leer ständen. Es enllprickt allerdings der Thatiackie, daß die sogenannten „Grands Magazins" sich fast deS ganzen Kleinhandels bemächtigt haben. Alles, was der Mensch gebraucht, wird dort gelaust, nicht allein Kleiderstoffe und fertige Kleidungsstücke. Hemd-m. sonstiges Weißzeug, sondern auch Teppiche, Möbel, Porzellan. Eiie». und Kurzwnaren, Parfümerien, sogar Bücher, kurz Alles, mit AuSnabme von Speisen und Ge- t änkcn, und zu so billigen Pressen, daß Niemand mit ihnen wett eifern kann. Zum Beweise des Gesagte» sei angesübrt, daß Bücher, für welche die kleinen Buchhändler dem Verleger 1 Franc- bezahlen müssen, im Louvre sür 80 Centime» seilgeboten werden und daß die von Hachette verlegten Werk« dort wohlfeiler zu haben sind, als der Buchhändler sie bei diesem Verleger bezahlt, daß man selbst die berühmten Parsümerien von Lonbet in den großen Magazinen billiger kaust als bei ihm selbst. Und dennoch verdienen die Be sitzer der „großen Magazine" ungeheure Summen. An den neueste» Mode-Nrtikeln gewinne» sie von 50 bis zu 100 Proc.; bei den übrigen Maaren, die sie in Masse zu Spottpreisen erstanden haben, ziehen sie allerdings geringere» Nutzen; aber die Menge bringt'S. Ihre besten Bundesgenossen haben die große» Magazine an den Fronen, die fast ihre» ganzen Bedarf dort einkauscn. Wenn sie auch nur eine Kleinigkeit, ein Paar Handschuhe, kaufen wollen, so steht idnen der Anblick der dort ausgestellten Herrlichkeiten scei — und nicht ohne Gefahr begiebt man sich in solche Versuchung; — außerdem können sie sich noch an einem Buffet unentgeltlich erfrischen. 88 Petersburg. 23 Juni. Die Regierungsblätter veröffent- lichen einen Ukas des Kaisers an den Finanzminister, betreffend die Einführung deS neuen Papiergelde». Die Ilmwechslung soll stufenweis erfolgen nach dem Wertbe der BankbilletS und mit den 25-RubeIschei»en beginnen. Den Umtausch der alten Lredit- scheine gegen die neuen soll ansangS die Reichsbank und die Comptoire derselben bewerkstelligen, sodann die Schatzkammern und Bankfiliale». Der Uniiauich beginnt im Jahre 1888 und wird sür die Billcls von allen Werthen bis zum 13. Januar 1890 andauern. Für die gänz liche Außercourssetzung der allen BilletS ist eine Frist von drei Jabren festgesetzt, vom 13. Januar 1890 bis zum 13. Januar 1893. *— Weltvroduction von Rohstabl. Nack einer Zusammen- stcllung des „Jronmonger" belief sich die Production von Rokstahl in den acht hauptsächlich in Betracht kommenden Ländern im Jahre 1887 aus 1690340t (gegen 1 2l)0 921 t im Jahre 1886) E« ent- sallen hiervon aus Großbrilannien 981 104 t (1886 694 150 t), Ber einigte Staaten 322 069 t (1888 216 973 t), Frankreich 128 806 t (1886 89 755 t), Deutschland (schätzungsweise) 1100(10 t (1886 95 000 t), Belgien (schätzungsweise) 7000 t (1886 5800 l), Rußland 70 000 t (1886 65 000 t). Oesterreich-Ungarn49 000 t (1886 36 OM t), Schweden 82 361t (1886 26 743 t). Technisches. Arnrrschntz und Ltcherhrttseiurichtungen der Neuzeit. IV. Fenertelegraphen-Anlagen für Städte und Ort- schäften. Die verheerenden FenerSbrünste, welche nicht nnr in früheren Zeiten vorkamen, sondern sich auch heute noch leider häufig ereignen, hängen meisten« mit dem zn späten Entdecken und dem zu lang- samrn Bekanntwrrdea eine» Schadenfeuer« zusammen. Da» beste Mittel zum Schutze größerer Städte schien früher die Anstellung von Thurmwächtern» welche beim Erspähen von Rauch oder Flammen durch Lauten oder Anschlägen der Kircheaglockcn die Bewohner alarmirtcn und eine Fahne oder bunte Laterne zur un- gefahren Bezeichnung der Richtung des Brandes auShingen. Feuergefährliche öffentliche Gebäude und Theater wurden unter besondere Obhut von Nachtwächtern gestellt, welche aber bei einem entstehenden Schadenfeuer vielleicht gerade am anderen Ende der Straße sich befanden und oft das Feuer erst sahen, wenn schon die Flammen hell leuchtend emporschlugen. Erst dann wurde zum Horn gegriffen oder sonstwie Lärm ge schlagen, um die Löschmannschaft an- dem Schlafe zu erwecken und zur Hilfe herbeizurusen, wodurch freilich oft unnöthigerweise die ganze Einwohnerschast au» ihrer Nachtruhe aufgeschrcckt und viel lästige Zuschauer herangezogen wurden. Seitdem ober überall das Streben nach einer besseren Organi sation deS Feuerlöschwesens sich geltend machte und die meisten der größeren Städte Berufs- oder Pslichtseuerwchren erhalten haben, konnte man nicht umhin, zur Anlage von Fenertelegraphen zn schreiten. Dieselben haben den Zweck, ohne unnöthigen Lärm, schnell und sicher die Meldung vom Ausbruch eines Feuers von verschiedenen Punclen der Stadt nach einem oder mehreren Orten zu machen, welche mit permanenten Brandwachen versehen find. Sind in den Städten freiwillige Feuerwehren vorhanden, so können nur solche Apparate zur Anwendung kommen, deren Be dienung keine besondere Einübung für den Gebrauch erfordert, wahrend in den Städten mit Bcrusssenerwchr eine Anzahl der ständigen Wachmannschaft leicht sür das Arbeiten mit Morseapparaten eingeübt werden kann, so daß dann ein auSgcbrocheneS Feuer durch schriftliche Zeichen gemeldet wird. Bet diesem Schreibtelcgraphcn werden auch zuerst Lärm- oder Glockenzeichen gegeben, welche das Feuer anzeigen. Während sich die Mannschaft zum Abrückcn fertig macht, wird die Depesche, welche besagt, wo und welcher Art das Feuer ist, ausgenommen, so daß der während dieser Zeit zum 'Aus bruch gerüsteten Mannschaft der Ort bezeichnet werden kann. Dabei ist in allen größeren Städten principiell angenommen worden, daß die nächste Feuermeldestelle von keinem Puncte aus über drei Minuten entfernt sein darf. Dieses auch in Leipzig erstrebte Ziel war aber durch die bestehende Einrichtung der Meldestationen mit den veralteten Zeigertclegrapheii- Apparaten wegen des ungeheuren Aufwandes für die Wachtlocate und die Bedienungsmannschaften nicht durchführbar. Das einzige Mittel, um den berechtigten Anforderungen der Ein wohnerschaft in Bezug auf schnelle Hilse bei Feuersgcsahr nacki-u- kommen, boten die zuerst im Jahre 1853 von der Firma Siemens L Halste eingesührten automatischen Melder, welche, seit dieser Zeit vielfach verbessert, sich in fast allen größeren Städten Ver breitung verschafften. Man hat nun in neuerer Zeit zwar vielsach daS Telephon zur Feucrineldung empfohlen, alle Sachverständigen in Fcuerwehrkreiscn erklären sich jedoch dagegen, weil wegen der gewöhnlich schwer zu gänglichen Tclephonstatio» und wegen des aus der Brandstelle herr schenden Lärmes eine schnelle und sichere Verständigung nicht möglich ist, vielmehr Mißverständnisse sehr häufig Vorkommen, welche des daraus entstehenden Zeitverlustes wegen oft sehr vcrhängnißvoll werden können. So haben sich denn auch derartige Anlagen in Magdeburg, Köln, Berlin, Frankfurt a. M., Düsseldorf rc. zur dirccten Feiiernicldung wenig bewährt. Auch die kaiscrl. Ober-Post- dircction erklärte ausdrücklich, daß das Telephon nicht den Zwcci verfolge, die etwa vorhandenen Feuermeldestellcn zu ersetzen oder die Anlegung bezw. Vermehrung derselben überflüssig zu machen, und übernimmt daher die Reichspost- und Telcgraphen-Verwaltung keine Gewähr sür die unbedingte Betriebssicherheit der Telephon- Einrichtungen, sondern lehnt namentlich jede Verantwortung sür all: aus einem Versagen derselben etwa herzuleitenden Schäden ab. Der Rath der Stadt Leipzig hat sich deshalb auch für die An lage automatischer Feuermelder entschlossen und hat wegen seiner Einfachheit und Billigkeit daS vcroollkommnete Doehring'sche System gewählt. Daraufhin hat die Firma Carl Gust. Hoffman», welche das alleinige Ausführungsrecht obigen Systems besitzt, in Leipzig und dessen Vororten ca. 100 Gebäude, theils Privatgrundstücke (Fabriken und Brauereien, Banken, Hotels, Börse, Neues Concerthaus), theils Grundstücke kaiserlicher, königlicher und städtischer Behörden (Gerichts- gcbäude, Bahnhöfe, Lottcricdircction, Conservatorium der Musik, Heilanstalten, die beiden Stadttheater) telegraphisch direct mit dein Hauptseuerdepot verbunden und können deren Bewohner ohne Kenntu g deS TelegraphirenS durch eine einfache mechanische Verrichtung, bc stehend in der Umdrehung einer Kurbel, die Feuerwehr zur Hilse Herbeirusen. Je nachdem Klein-, Mittel- oder Grobfeuer gemeldet werden soll, wird ein-, zwei- oder dreimal am Meldeapparat gedreht, welcber durch seinen Mechanismus automatisch die jeden Melder kenn zeichnenden Buchstaben 4, 8 oder 12 Mal aus dem Morseapparat der Ccntralstclle abgiebt. Von hier aus erhält der Meldende ein Glockenstgual, welches ihm sagt, daß seine Meldung verstanden und Hilfe aus dem Wege ist. Diese ca. 100 automatischen Feuermelder sind vertheilt auf vier Linien, wovon jede ihren eigenen Morseapparat zum Empfang der Meldungen aus dem Haupt-Feucrwchrdcpot hat. Bei jedem Morse- Apparat ist eine Tabelle angebracht, woraus der Ort, an welchem sich jeder einzelne Melder der betreffenden Linie befindet, mit An gäbe des entsprechenden Morsebuchstabens verzeichnet ist. Die Stadt Leipzig ist eingethcilt in 3 AuSrückbezirke mit je einer Telegraphen- linie. Sümmlliche Feuermeldungen gehen direct in dem Haupt-Depot (1. Bezirk) ein; außerdem aber sind in der 2. und 3. Bezirkswach: Svrechstationen mit Morseapparaten eingeschaltet, welche die Mel dungen aus ihrem Bezirk gleichzeitig mit erhalten. Bon dieser BczirkSwache aus wird sofort die erste Hilse ertheilt, bis der Löschzug vom Haupt-Devot eintrifft. Die 4. Linie schließt die Vororte Gohlis und Eutritzsch ein, welche ebenfalls Svrechstationen mit Morseapparat besitzen, so daß bei einem ausbrechendcn Brande gleichzeitig die freiwillige Feuer wehr dieser Vororte und die Leipziger BerufS-Fcuerwchr alar- mirt wird. Die Constructipn der Meldeapparate ist derart, daß niemals von 2 verschiedenen Apparaten ein und derselben Linie gleichzeitig gemeldet werden kann, so daß also eine gegenseitige Verstümmelung der Meldungen nicht möglich ist. Von jedem automatilchen Melder können auch vermittelst eines Morsetasters dienstliche Depeschen nach dem Haupt-Depot abgegeben werden, was im Falle eines Brandes wegen Nachsendung von Mannschaften und Gerüchen sür den Branddircctor von großem Werthe ist. Die ganze Leipziger Feuertclcgravheiianlage steht unter der Verwaltung und täglicher Controle der BerufSseuerwchr und ist, nachdem sich diese Einrichtung gut bewährt hat, die Vermehrung der öffentlichen Feuermeldcstellen seitens des RathcS beschlossen worden. Diese, gegen muthwilllge Beschädigung und WitterungSeinstnss: durch gußeiserne Gehäuse geschützten, öffentlichen automatischen Melder werden in den Straßen und auf freien Plätzen angebrach!, so daß Schutzleute und Hausbewohner im Nothfall die Fenerwelir alarmiren können. Die den Privatleuten vom Rathe überlassenen Schlüffe! zu den öffentlichen Meldern sind mit Nummern gezeichnet und werden durch eine besondere Vorrichtung nach dem Melden im Apparat fest gehalten. Ta nur Rathsbeamte vermittelst eines 'Nachschlüssels den mit Nummer versehenen Meldeschlüsse! befreien können, so ist der Meldende jederzeit leicht zu ermitteln und wegen etwaigen Unfugs zur Verantwortung zu ziehen. Gleiche Anlagen sino von der Firma Carl Gust. Hoffman» in Leipzig in den Städten und Ortschaften Chemnitz, Cöthen, Dessau Reudnitz. Eutritzsch ,c. hergestellt worden und haben sich in vielen Brandsällen bereit» ausgezeichnet bewährt. Im Bau begriffen sind die Feucrtelegraphen-Anlagen in Dies- baden, Frciberg rc. und haben wegen der Zweckmäßigkeit und Ge meinnützigkeit dieser Einrichtung noch viele andere Städte und Ort schäften, dem Beispiele der vorerwähnten Plätze folgend, die An lage Doehring'schcr Feuermelder beschlossen. In Anerkennung der durch Feuermelde-Apparate bewirkten statistisch nachgewieienen Ab- nabme der Großseuer, bewilligen sowohl die sächsische LandeSbrand- casse, als auch die staatlichen Feuersocietäten in Preußen den Orts- seuerlüschanstalten besondere Beiträge nach Einrichtung derartiger Anlagen. Seine Erfolge verdankt das Doehring'sche System aber auch dem Umstande, daß die Fcuermeldc-Apparate den örtlichen Verhältnissen entsprechend verändert und vereinfacht werden können, so daß auch kleinere Städle und selbst Dörfer mit wenig Kosten sich einen durch ans zuverlässigen Fenertelegraphen beschaffen können. Interessenten finden Näheres hierüber in der von Carl Gustav Hoffman» in Leipzig verfaßten und vom LandcSausschuffe sächsischer Feuerwehren preisgekrönten Abhandlung über die Frage: „Die ist der Alarm in Brandsällen in Großstädten, Mittelstädten, Klein städten und in Dörfern am zweckmäßigsten und billigsten herzustellen?" welche durch den Verlag von G. Nowak io Leipzig, Nittelstraße, 20 zu beziehen ist. . - :
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