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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806280
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880628
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880628
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-28
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.06.1888
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3SS2 Ihm vo» unserem volle getragen und «ltempsunde» find. war «» «i» Lrost, Alle einig zu wissen ln dem Bewußtsein de« Zusammen» stehenS sür Kaiser und Reich! Und der erste Act. welchen der neue deutsche Kaiser vollzog, indem Er dem Reichstage verkündete, nach welchen Vorbilder» Er des Ihm überkommenen hohen, aber auch schweren, veraatwortuugS- volleu Amts zu walten entschlossen sei — diese bedeutungsvolle, im Weißen Saale, dem Thronsaale de« preußischen KönigSschlosseS, de» gangen e Feier. — sie legte eben das vollgilttge Zeuguiß ab davon, daß Alle zusammenstehcn sür Kaiser und Reich. Die deutschen Fürsten, sie waren gekommen, um dnrch ihre per sönliche Gegenwart vor oller Welt zu bekunden, daß das neue deutsche Reich in sich gesestigt dasteht, getragen vou jenem Geiste, der 1871 in der Geburt-stunde des neuen deotscheu Reiche« seine Krast er wiesen hat. Und da« deutsche Volk, da» in setaer legalen Vertretung, dem Reich«tage, während der Eröffnungsfeier dem neuen Kaiser gegenübcr- staud, es bekundete durch die lebhafte, den einzelnen Sätzen der Thronrede entgegengebrachle Zustimmung, wie auch ihm da« Be» wußtsein de« ZusammenstehenS Aller sür Kaiser und Reich ein Element seine» politischen Empfindens je länger je mehr geworden ist, „So viel an Mir liegt", sagte Kaiser Wilhelm in der Thronrede, „bin Ich entschlossen, Frieden zu halten mit Jedermann", und da mit wurde von Neuem bekundet, wie das deutsche Reich auch unter Ihm ein Hort deS Frieden« sein wird, wie es ein solcher FriedenS- hort unter Seinem Vater und Großvater gewesen ist. Nicht nnr unser Volk, die ganze gesittete Welt wird Kaiser Wilhelm sür diese Verheißung danken. Da« deutsche Voll aber wird e« mit seinem Dank hierbei nicht bewenden lassen, e« wird nicht vergessen die Verheißung seines Mo» uarcheu, welche dahin geht, al« Kaiser und König dieselben Wege Wandel» zu wollen, aus denen Sein kaiserlicher Großvater das ver trauen Seiner Bundesgenoffen, die Liebe des deutschen Volke« und dir wohlwollende Anerkennung des Auslandes Sich gewonnen hat. Ja-besondere aber wird die Thronrede vom 25. Juni 1888 auch wegen ihrer Wiederankaüpfung an die in der kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 uiedergelegteu Grundsteine der socialen Reform zu einem Eckstein des vertrauen« zwischen Kaiser und Volk werden. Wa« der Großvater begonnen, der Enkel will e« im Anschluß an die Grundsätze der christlichen Sittenlehre vollenden: da« Werk der socialen Reform l Jene Kräfte de« chrift» liehen Volkslebens, von deren Mitwirkung der kaiserliche Großvater am Abend Seines Lebens die Gesundung der socialen Wirren er wartete, sie sollen in Fortführung des von Ihm in den ersten, ent» scheidenden Schritten durchgcsührten ResormwerkeS unter dem Enkel ihre volle Wirksamkeit zu entwickeln Gelegenheit erhalten. Das deutsche Volk wird seinem jugendlichen Kaiser tiefen Dank zollen sür den hohen Ernst, mit dem Er an diese allerjchwierigste der dem modernen Staate gestellten Ausgaben derantritt. Hierfür fordert der Kaiser „einhellige Unterstützung oller treuen Anhänger des Reiches": — wer diese Unterstützung versagt, hat sich damit selbstverständlich selbst sein Urtheil gesprochen. Die Worte, mit welchen die Thronrede Wesen und Umfang der kaiserlichen Rechte und Pflichten bezeichnet, mögen an dieser Stelle »och einmal wiederholt werden: „Die wichtigsten Ausgaben de« deutschen Kaisers liegen auf . dem Gebiete der militairischen und politischen Sicherstellung des Reiches nach außen und im Innern in der Ueberwachung der Ausführung der Rcichsgesetze. DaS oberste dieser Gesetze bildet die ReichSversaffung; sie zu wahren und zu schirmen, in allen Rechten, die sie den beiden gesetzgebenden Körpern der Nation und jedem Deutschen, aber auch in denen, welche sie dem Kaiser und jedem der verbündeten Staaten und deren Landesherren verbürgt, gehört zu den vornehmsten Rechten und Pflichten des Kaiser«." In diesem Pass»« liegt eine Bürgschaft für die Zukunft, wie sie zaverlässiger und klarer nicht gedacht werden kau». Die glänzende Versammlung, die gestern im preußischen KönigS- schloffe dem neuen deutschen Kaiser gehuldigt hat, sie hat nur gethan, wa« Millionen Deutsche gethan haben werden, sobald sie die Worte der Verheißung vernommen haben, welche Kaiser Wilhelm II. zu ihren Vertreter» gesprochen. Denn jener Lund zwischen Kaiser und Volk ist gestern erneuert worden, dessen Wesen ausklingt in dem Worte: - Mit fGoit für Kaiser und Reichs Telegraphisch wird un« noch gemeldet: * Rom, 26. Juni. Die Morgenblätter drücken sich über die Thronrede Kaiser Wilhelm'S in sympathischer Weise aus. Die „Opinione" sagt, die Thronrede Hove einen überaus friedlichen Lharakler, sie sei ein Programm des Frieden» und diene Denen zur Warnung, die ihn zu stören suchten. Italien gegenüber setze Kaiser Wilhelm die Freundschajt Kaiser Friedrich'S für dos lavohisch« Haus und Italien fort. Der „Diritto" erklärt den Eindruck der Throarede für hervorragend und für einen deutlichen Beweis der Friedensliebe de« Kaiser«. Die Stelle, die von Italien handelt, sei für dasselbe sthr befriedigend. Die „Tribuna" constatirt den tiefen Friedenshauch der Rede und den ouSgezelchnetel» Eindruck, den die, selbe aus die politische Welt Italiens gemocht habe. * Pest, 26. Juni. Sämmtliche Morgenblätter sprechen ihre voll» Anerkennung und Befriedigung über den Inhalt der deutschen Thronrede aus und über die Wärme, mit der das Bündniß Deutsch lauds mit Oesterreich-Ungarn in derselben Hervorgehoden sei. * Petersburg, 26. Juni. Blätter, welche bereits die Thron rede Kaiser Wilhelms besprechen, wie „Nowoje Wremja" und „Grashdanin". äußern sich sehr zustimmend zu der ansrichlig sricd- lichen Rede Kaiser Wilhelm'S. Die „Nowoje Wremja" jagt, der Wunsch deS Kaisers, mit Rußland gute Beziehungen zu unterhalten, könne zu sehr günstige» Resultaten sür Rußland führen, ohne daß diese« die Unabhängigkeit seiner eigenen Politik zu beeinträchtige» brauche. * Petersburg, 27. Juni. Das halbamtliche „Journal de Et. PeterSbourg" drückt betreffs der Throarede des Kaisers Wilhelm seine Anerkennung aus und begrüßt mit aufrichtiger Befriedigung den Friedenshauch derselben, wie die Bekräftigung der freandschaftlichen Beziehungen zu Rußland. Sir Morell Mackenzie. * Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bringt «ine höchst bemerkenSwerthe officiöse Kundgebung über daS Verhalten Mackenzie'«. Der bereits gestern durch Fern fprechmittheilung signalisirte Artikel hat folgenden Wortlaut: Die „National-Zeitung" hat eme Notiz überD octor Mackenzie gebracht, in welcher sie die sür weite Kreise interessanten Mit »Heilungen bespricht, welche der genannte Arzt kürzlich einem holländischen Journalisten gemacht hat. Die bezügliche auffällige Auslassung deS englischen MedicinerS ist schon vielsach in der sremdea und einheimischen Presse coinmentirt worden, unter Andern» in der „Daily News" und in der „Kölnischen Zeitung" vom 24. d. M. Auffälligerweise hat schon bTage vorher ein polni sicher Blatt, der „Kurycr Warschawski", eine ganz analoge Information gehabt, wie Doctor Mackenzie sie seinem Interviewer im Haag ertheilte. Es läßt dies daraus schließen, daß der polnisch-radicale Stab, mit dem der jetzt als politischer Agent erscheinende angebliche Heilkünstler Mackenzie sich hier behuss seiner eigenen lärmenden Preß-Glori. ficiroug umgeben hatte, sich theilwcise wieder m seine Heimath begeben hat. DaS genannte polnische Blatt schreibt: > „Wir glauben, daß vr. Mackenzie, als der berühmteste Laryngoskop in Europa, daS Leiden Kaiser Friedrich'S nicht später als Krebs erkannt hat al« vr. Schrötter und die übrigen Aerzte. — Er war aber nicht allein der Arzt, sondern auch der Vertrauensmann deS Kaisers und der Kaiserin, und es handelte sich darum, das Leiden de« Kronprinzen nicht vorzeilig als unheilbar zu erklären und ihm dadurch die Möglichkeit zu - rauben, den Thron zu besteigen. — Kaiser Friedrich wünschte in seinem und seiner Gemahlin Interesse, sowie aus „höhere» moralischen und praktischen Rücksichten wenigstens kurze Zeit zu regieren". Daß dies geschehen, hat man Morell Mackenzie zu verdanken." Hierzu möchten wir nur bemerken, daß der vorletzte Sas eine positive Fälschung enthält. Kaiser Friedrich, dem die denkbar höchste Auffassung von den Pflichten und der Sicklung de« Kaisertbums innewohnte, hatte keinen Zweifel darüber gelassen daß er die Regierung nicht antreten würde, wenn es außer Zweisel stände, daß er von dem Krebs unheilbitt befallen sei. ES entsprach die» seiner vornehmen und selbstlosen Denkungsweiie, während unter den dazu eventuell berufenen Persönlichkeiten Niemand war. der nicht von Hause aus entschlösse» war, deni leidenden Kaiser die Kränkung der Anregung der Frage zu ersparen, so lange er nicht selbst die Initiative ergriff. Da dies bekannt war, so wurde es die Ausgabe Derjenigen, welche den Kaiser Friedrich, aus sür uns nicht controlirbaren Motiven, auch bei vorhandener Reg erungsunsähigkeit aus den Thron bringen wollten, den hohen Herrn über seinen Zustand zu täuschen. Dem vr. Mackenzie liegt jetzt, nachdem er. wie die „National Zeitung" treffend bemerkt, die deutsche Grenze hinter sich hat. äugen scheinlich nur noch daran, von seinem ärztlichen Renommse zu retten wa« zu rette» ist. Er setzt deshalb alle Rücksichten, durch die er ia Deutschland gefesselt war, hintenan, nnr »m sich nicht dem Bortvnrf anSzusetzen, daß er al« Arzt vertrauen-unwürdig wäre: d« dnck tb« cdoio« ok dein? eitdar » kool or » lcuuve, sagt man in England. Nach seiner eigenen Aussage hat Mackenzie e« also als seine vornehmste Ausgabe angesehen, eine politische Rolle zu spielen, mit gänzlicher Veiseiteschiebung der ärztlichen» welcher er sich vielleicht nicht gewachsen fühlte. Im Interesse unserer Zeitgeschichte ist r« gut, daß die« seftgestell« ist: wir wissen nun, daß eia unvedeuteuder englischer Arzt von radikal politischer Gesinnung e« sich heraus- genommen hat. den Geheimen CabinetSrath spielen uud bestimmend in die Geschickt der deutschen Ration eiugreifeu zu wollen. Ferner bringt die von dem praktischen Arzte SanitLtS- rath vr. S. Guttmann berauSgegebene „Deutsche Medicinische Wochenschrift" eine Darlegung de« Ver fahren» und Verhalten» Mackenzie'», welcher wir in ihrem vollen Umfange um so »her Raum zu gewähren un» verpflichtet fühlen, al» der englische Arzt auch jetzt noch sein publicistischeS Treebcn sortzuspiunen bemüht ist. Da« weit über die medicinischen Fachkreise hinaus hochangesehcne Organ schreibt Folgende»: Der deutschen medicinischen Fachpresse ist der Vorwurf nicht er- part geblieben, daß sie theilnahmloS den Angriffen gegrnüberstehe, mit welchen die englische politische und medicinische Presse mit wenigen Ausnahmen uud selbst «in Theil unserer heimischen Presse die deutschen Aerzte. die Geheimen Käthe von Bergmann, Gerhardt und Professor Tobold verfolgte, denen die Behänd- lang de« Kronprinzen deS deutschen Reichs uud von Preußen im Beginne seiner Krankheit oblag. Wir können diesem Borwurse damit begegnen, daß wir als die Ersten dem auffallenden Gebabren deS Herrn Mackenzie eutgegeutraten, als derselbe ia der „Pall Mall Gazette" vom 15. Juni vorige» Jahre«, nach dem ersten Gutachten Birchow'S über die Natur der im Kehlkopfe de- Kron prinzen befindlichen Geschwulst, den eigeuthümlichea Bericht über das Kehlkopsleiden des Kronprinzen brachte. Hier setzte bereit« daS Gc- spinast von Verdrehungen und Verzerrungen de« Sachverhalt» ein, daS die deutschen Aerzte in den Augen der gesammten Welt zu rer- dächtigen und za brandmarken suchte. Davon nur einige Proben: In dem Bericht de- „Laazrt" vom 4.Juni 1887(der, wie alle folgenden, im Wesentlichen aus Mackenzie pirückzusühren ist) heißt es in der Darstellung der Vorgeschichte von Nacken zie's Berufung „die deutschen Aerzte hätten sich, alsv. Berg - mann ihreDiagiioie bestätigte, sür eine äußere Operation ausgesprochen, ob Excisiou (AuSschneidung) oder Thyreotomie (Spaltung de« Kehl kopfes), wurde noch nicht definitiv entschieden". Die Wahrheit ist, daß die deutschen Aerzte nie eine andere Operation als bje Tdureo tomie im Auge hatten. Dieser Punct ist besonders zu betonen, i denn Mackenzie hat eS verstanden, durch die Directive, w-lche er durch seine salichen und erlogenen Nachrichten der Presse gab, >n den weitesten Kreisen zu verbreiten, daß er die Totalexstirpation vcr- hindert habe. Auch die Darstellung der Gründe, welche Herr» v. Berg - mann zur Berufung Mackenzie'S bestimmten, ist durchaus schief und unrichtig. Dort wird auch vou der drohenden Lebensgefahr der Operation gesprochen, während heutzutage alle Chirurgen darüber einig sind, daß die Keblkopsjpaltung durchaus ungefährlich ist. Wir können alle die Verdrehungen nicht im Einzelnen aussühre». Man mnß «S als Arzt hier in Berlin erlebt haben, wie man zur Zeit persönlich mit dafür verantwortlich gemacht wurde, daß der Kronprinz beinahe ein Opser der salichen Diagnose der deutschen Aerzte und der geplanten Spaltung des Kehlkopjes (Tbyreoloniie) geworden wäre. Vergeblich habe ich damals in Nummer 25 dicier Wochenschrift vom 23. Juni 1887 aus die Widersiiiuigkeiten des Herrn Mackenzie hingcwiesen, vergebens habe ich hervorgehoben, daß Herr Mackenzie zuerst der Geschwulst nicht zuge hörige Theile entfernt hat, und nur solche zuerst der Untersuchung durch Birchow unterlagen. Aus Grund einer zweite» Untersuchung Birchow'S, welche, trotz des negativen Besundes in den der Untersuchung untcrmorsenen Stücken, die Frage der Natur der Krankheit im Gutachten offen ließ, berichtete seiner Zeit Herr Mackenzie der „Pall Mall Gazelle": „vr. Mackenzie bat keine Verantwortlichkeit übernommen und wird keine Verantwortung übernehmen in Bezug aus die Naiur der Geschwulst. Hierfür betrachtet er rchow als vollständig verantwortlich." Die Versicherung der „Pall Mall Gazette", daß cs sich um die Wiedergabe der eigenen Worte Mackenzie'- bandele, Hai in dem Umstande, daß Mackenzie in keiner Weise diesen Darlegungen enigegengetreken ist, und in seine» zahllosen späteren Auslassungen bis in die Zeit der Katastrophe hinein schon damals gewissermaßen sein programmatisches Borgeben gegenüber de» deutschen behandelnden Aerzte» klargelegt. BcrcitS in dem ersten Bericht deS „Lanzet" vom 28. Mar 1887, dem Mackenzie gleichfalls nicht widersprochen hat. heißt es: „Wir freuen un», zu hören, daß sein (Birchow'S) Bericht dahin ging, die Neubildung nirtn bösartig ist", — trotzdem Birchow in dem Schlußsätze seines Gutachtens ganz klar ausgejührt Hai: „Ob ein solches Urtheil in Bezug auf die gesommt« Erkrankung berechtigt wäre, läßt sich aus den beiden exstirpirten Stücken nicht ersehen" — und dieses Gutachten war erst vom9. Juni 1887 datirt. Wir weisen ferner darauf hin, daß Herr Mackenzie selbst in ieinein Buche über Hals- und Nasenkrankbeilen p. 437, I. Theil, eS ausgesprochen hat, daß der mikroskopische Bejund sür die Diagnose der Denigniiät oder Malignität einer Geschwulst nicht ohne Weiteres maßgebend sei. Aber auch unter den Landsleuten Mackenzie'S hat eS nicht an warnenden Stimmen »esehlt, die dem versrükten Triumvhgeichrei wegen Mackenzie'S Sieg über seine deutschen College» und der englischen Kehlkops- chirurgie über die deutsche nachdrücklich entgegentraten: wir nennen nur die wohlbekannten KebikovjSärzte Bull in und Semon in London (Brit. med. I.). Wir haben seinerzeit aus den eben dar gelegten Widerspruch hmgewiesen und hervorgehoben, daß ein solches Vorgehen Mißtrauen bei den Aerzte» erzeugen müsse, und daß wir den Verdacht nicht unterdrücken können, als wolle Herr Mackenzie sich dadurch in bequemer Weise den Rücken decke». Nichts Schäd licheres giebt eS, führten wir weiter aus, alS dergestalt bei einem verwickelten KrankheitSvorgange jede andere nicht ausgeschlossene Eventualität mit solchem Bewußtsein gegenüber dem von den deultchen Autoritäten festgestellten Besunde von sich zu weisen — ferner, daß »in solches Vorgehen gegen die einzig richtige Handlungsweise des ArzteS verstößt, der stets nur der reinsten Objektivität sich be- fleißigen soll, und wir sagten, daß sein Vorgehen ein ganz un passende« sei. Die deutschen Aerzte haben es damals und bis in die jüngste Zeit verschmäht, außer in den vrm ihnen gesorderiea osficicllen Gut achten in die Oeffentlichkeit zu treten. Trotz dieser Gutachten der deutschen Aerzte sehen wir Herrn Mackenzie in de» von ihm au- erkannt bedienten Zeitungen seinen an den merkwürdigsten und widerwärtigsten Windungen reicheu Weg wcitergchcu. Unwahrbeilen und Widersprüche häuften sich von Tag zu Tag. die bedrohlichen Erscheinungen, welche der Verlaus der Krankheit mit sich bringen mußte, da die einzig richtigen Mittel, ihnen Einhalt zu lhun, seiner Zeit verwehrt waren, wurden einsach weggelogen. Zum Beweise vergleiche man die Berichte des „British medical Journal" und des „Lanzet" vom 11., 25. Juni, 2., 9. Juli, 6. August, 3. September, 19., 26. November, 3., 24., 31. Decemder 1887. Sie sind alle voll der rosigsten Hoffnungen und Versprechungen. Um ein Beispiel zu bringen, heißt eS in dem Bericht vom 11. Juni, es sei ein langer Aufenthalt aus der Insel Wight in Aussicht gc iiommen, so daß Vr. Mackenzie die Behandlung seines hohen Patienten zum Abschluß bringen könne. Die traurig vollendete Thatsache hat zugleich mit dem SectonS Protokoll die irregeleitete öffentliche Meinung belehrt. Die ossiciellen Darlegungen, welche demnächst erscheinen, werden weiteres Lcht darüber verbreiten. Wiederholt habe ich mündlich und schriftlich vo» den behandelnden deutschen Aerzte», den Herren Geheimen Räthen v. Bergmann und Gerhardt, erfahre,i niüssen. daß eS nicht in ihrer Macht läge, Wandel zu schaffen, da ein öffentliches Enlgegentreten einem Bertrauensbruch gleichkäme gegen die bei der Behandlung jeder Krankheit übernommene Pflicht des Arztes, zu schweigen, die namenrlich iu diesem Falle, wo eS sich um die theurc Person des deutschen Kronprinzen handelte, doppelt schwer wog. Und jo mußte die den behandelnden Aerzteu auserlegle Reserve auch uns ouserlegt bleiben. ES ist nicht unseres Amtes, zu entscheiden, wie bei der so frühen Diagnose des tückischen Leidens hätte gehandelt werden müssen, um die voraueznsehenden Leiden und grenzenloien Beschwerden LeS hohen Kranken nicht zu einem solchen Grade ansteigen zu lassen, wie sie uns in dem ScctioiiSbesonde in so erschreckender Wei>e entqegen- starren. Aber wohl wissend, führt Villroth kürzlich eigenthüm licherweise ans, daß das Leiden der KrebS jei, habe Mackenzie von den mannigfachsten Rücksichten geleitet, doch wohl so handeln müssen, wie r. gedanoelt hat, um dem hohen Patienten die Hoffnung aus seine Wiedergcneiung nicht z» rauben. Ein einziger Blick aut die Reihe der „ichrsach von uns erwähnten Be richte, ihren innerlichen Zuianimendaiig und stetig wiedeikehrende» Gedankengang lehrt, daß Mackenzie trotz aller Ericheinungen sich dis znm letzten Augenblick de» gröbsten Täuschungen in Bezug aus die Natur de« Leiden» dingegeben hat. (Schreiben von, 18. August an die Kronprinzessin, Schreiben vom 25. Ociober an Oeriel ähn lichen Inhalt«.) Unsere« Erachten- hat sich der Arzt von seiner Pflicht «nd »icht vo» anderweitige, Rücksichten kette» »» lasse» n»d nicht ia starrem Festhalten eine« verwerflichen Programm« die Tbat- sachen einfach zu verleugnen, wenn ihn nicht der Lorwurs der Ua- kenntniß und der Unehrlichkett treffen soll. Mackenzie durste nicht, um daraus den vorliegenden Fall anzawenden, die Laryngofinur verhülea, die doch bei der vollen Lrost de« Patienten am so uogesähr- licher und um so angezeigter war. als Mackenzie zudem noch zur Zeit aller Welt die Gutartigkeit der Geschwulst demonstrirte. Nein! den Eingriff stellie er trotz aller Proteste der chirurgischen Fachmänner als einen lebensgefährlichen dar — darüber werden uat die ossiciellen Berichte noch näher auskläreu —, mit Finger» wie- die gelammte Presse aus unseren berühmten Chirurgen v. Lergmau», uud Mackenzie ließ sich al- Retter d«S deutschen Kronprinzen au« den Händen des operation-süchtigen Chirurgen preisen. Welche Verwirrung dieser Mann in deutschen Kreisen aagerichtet, davon weiß bei den von Tag zu Tag erlogene» guten und immer besseren Nachrichten am besten jeder Arzt zu erzählen, dem gewissermaßen «in Vorwurf mit zu Theil wurde, daß die deutsche medicinische Wissenschast sich so im Argen belände. Damit lockt man wahrlich keinen Hund vom Ofen, daß Herr Mackenzie, wie Bilkrath au-sührt, von der Diagnose Krebs von vornherein durchdrungen gewesen sei und nur, um da- Vertrauen de- hohen Patienten zu sich selbst zu beleben, gewissermaßen ein Ouu» aus sich genommen habe. Nun, diese- Onus Hütte Heer Mackeozie mit leinen deutschen Collegen tbeileu, er hätte mit ihnen den einzig richtigen Weg gehen und im Verein mit den deutsche» Aerzten da« Vertrauen des Patienten stärken können. Wer als angeblich einzig Wissender die Welt in so srivoler Weise daranguirt, hat kein Recht. Anerkennung zu verlangen sür seine di« ganze Zeit bewiesene Hingebung, wie die sympaiische Redewendung lautet. Eine Hingebung, die sich iu dem systematischen Verdrängen seiner College» und in Verleumdungen derselben in den Augen der Welt darftellt und sich mit einem Wall von Unwahrheiten und Entstellungen umgiebt, erweckt den Verdacht, daß die Motive denn doch nicht einzig aus jo edler Basis ruhen, wie Billroth sie annimmt. Die Thal- fachen reden eine andere Sprache. Die deutsche» Aerzte wurden von Mackenzie einer nach dem andern planmäßig verdrängt. Wir dürfen uns die Auszählung der einzelne» Thatsachea ersparen, sie sind bekannt uud werden ja noch eingehend beleuchtet werden. Die deutschen Aerzte wurden erst wieder zngelaffen, um bei der unver meidlich gewordenen Katastrophe, wo eS uur anging, al- bequeme Deckung zu dienen. Wir sind mit diesem Manne fertig. Noch bleibt nn» in einer der nächsten Nummern eine Analyse der in kürzester Zeit zu er wartenden ossiciellen Darlegungungrn über das Vorgehen dieses Mannes Vorbehalten, der bis zum letzten Augenblick ohne Diagaose hin und herschwankte. (jui bene cliaxnoseit, beim meäebitur! Der Leidensgeichichte unseres bochjcligen Kaisers solgie die Welt mit ängstlicher Spannung vom Frühjahr 1887 an. Durch das unheilvolle Eingreisen Mackenzie's und die von ihm geschaffenen Täuschungen ist uns nicht tripart geblieben, was vielleicht ohne da von ihm herbeigesührte Unterlasse» nach menschlicher Vorauesicht und nach ärztlichem Können, Wissen und Gewisse» hätte erspart bleiben können. Doch wir wollen, wie wir bereils hervorgehoben haben, die Verantwortlichkeit nicht discutiren, nicht die Diagnose, nicht die Behandlung, das wird in den ossiciellen Darlegungen leinen Platz finden. Wir wollte» nur den Vorwurf zurückweijen, al« habe die Fachpresse sich theilnahmloS verhalten; sie war gleich den be handelnden Aerzten, welche ihre Bertheidiguiig selbst in die Hand nehmen, durch die Macht der obwaltende» Verhältnisse daran ver hindert. Die Trauer um den dahingeganqenen Kaiser ist eine Welttrauer, und wir Aerzte stehen vor der schicksalsschweren Frage, warum unser Kaiser dort mit seinem Vertrauen hinueigie, wo, wie die Thalsachen lehren, da« Handeln incorreci und planlos war. Man darf daraus gespannt sein, wie sichHcrrMackenzie diesen Kundgebungen gegenüber verhalten wird Militairisches. Der Landsturm tn der Schwelg * DaS gegenwärtig überall sich kundgebendc Bestreben, sämmt liche irgend verfügbaren Kräfte zur Verstärkung der HeereSniach» beranzuziehen und deren Verwendbarkeit im Kriegsfälle schon im Frieden vorzubeceiten, hat auch in der Schweiz zur Einrichtung eines Landsturmes gesührt. DaS Ergebniß der »»nmehr zum Ad> schluß gekommenen Verhandlungen i» Betreff der Organisation des' elbe» ist t»e „Verordnung über Organisation, Ausrüstung, Aus gebot, Conirolsiibruiig und Verwendung des Landsturmes" vom Decemder 1887. Die Allgemeine Schweizerische Militairzeitung giebt dieselbe in ihren Januarnunimer» vom Jahre 1888 im Wort, laute wieder. Die wesentlichsten Bestimmungen sind die nach stehenden: Jeder webrsähige Schweizer Bürger (wer erstereS nicht ist. bezahlt eine Wehrsteuer!), welcher nicht dem Auszuge oder der, dre Wehrfähigen schon srüher bis zun, 44. Lebensjahre ausneb. wenden Landwehr angehört, ist verpflichtet, vom vollendeten 17 bis z»m zmückgelegten 50., Lsfiriere bis zum 55. Lebensjahre im Landsturm zu dienen. Freiwillige finden in demselben schon vor und bezw. nach Erreichung dieser Altersgrenze» Ausnahme. Die Laiidsturiiipslichtigen zerfallen, je nach Aller und Wehrpflicht, in zwei Elasten, von denen die eine die unter dem web, Pflichtigen Aller von 19 Jahren stehenden, die andere die altern Mannschaften begreift. Die beabsichtigte Verwendung dieser beiden Clasjeu ist eine verschiedene. An- den geeigneten Bestandtheilen der elfteren werden Rekruten bataillone gebildet, welche zum Ersatz sür den Auszug dienen, während die sür diese» Zweck noch nicht Taugliche» den weiter unten z» erwähnenden „HilsSlruppen" überwiese» werden; aus veränderen Elaste werden der „bewaffnete Landsturm" und jene HilsStruppen gebildet. Der bewaffnete Landsturm besteht natürlich vorzugsweise aus Infanterie; eS werden ihm die mit dem Gebrauche der Handfeuerwaffen am meisten vertrauten und namentlich alle als gute Schützen bekannten Maiiiijchastea zuqewiescn. Diese werden in Bataillone zu 4 Compagnien zu 4 Sektionen gegliedert Die Stärke der Compagnien kann, je »ach den örtlichen Ver hältnist'en, zwilchen 80 und 200 Mann wechseln. Das Bataillon commandirt ein Major, die Compagnie ein Hauptmann, die Sektion ein Lieulenanr; jede Compagnie erhält einen Feldwebel einen Fourier, 16 Unteroificiere und einige Spiclleute. Außer dem wird in jedem Divisionskreise aus gedienten Kanoniere» eine 300 Mann starke Artillerieabtheilung gebildet, welche in erster Linie zum Ersätze der Bedienungsmannschaften von Positionsgejchützen bestimmt ist. Die Gesammistärke des bewaffneten Landsturmes soll etwa 30 Proc. aller Pflichtigen betragen. Alle andere» Mannschaften werde» den HilsStruppen über wiesen. Aus diesen werden theilS Pionier-, theils Sonderabidei lungen für die Arbeit in militairijchen Werkstätten, sür den Gesund- he»«-, den Verpflegung«-, den Transpori-, den Nachrichtendienst rc> gebildet, theils auch finden die Mannichaslen Einzelverwendung: die persönliche» Eigenschaften und die bürgerliche Tätigkeit sind maß gebend sür die Dienstbestimmung des Einzelnen. Pionierablbeilunqen werden in den BataillonSbezirken je »ach dem Vorbandensein einer größeren oder geringeren Zahl geeigneter Mannschaften m einer Stärke bis zu 200 Köpfen, in größerer oder geringerer Anzahl ausgestellt; sie können zu größeren Abtheiluugen, bis zu Bataillone« zusammengezogen werden. In jedrm Divisionsdezirke ernennt der BundeSrath einen Land sturmccnimandanten; die Osficicre werden durch die Regierungen der eiiizelnen Cantone bestimmt. Osficicre, welche auS dem Anszuge oder aus der Landwehr zum Landstürme übertreten, sollen in letz terem womöglich in ihrem früheren Grade verwendet werden. Der bewassnete Landsturm erhält einen Capotrock, eine» weichen Filzhut mit der Cocarde des betreffenden CaniouS und der Corpsnummer und eine Feldbinde: außerdem kann ein zwilchener Rucksack zur llnlerbringung von Wäsche, Mundvorrath und Schieß bedarf gegeben werden. Die Waffe wird ein kleinkalibriger Hinter Iader(Milbank-Amsler oder Mehrlader) sein; wer ein eigene« Gewehr bat. welche« Ordonnanzmunition schieß», bringt dasselbe mit. Oificiere und Unterosficiere dürien ihre bisherigen Waffen führen; erstere sind unberitten. Die HilsStruppen tragen bürgerliche Kleidung, den Jilzhut mit Cocarde und eine Feldbinde. DaS Aufgebot des Landsturmes erfolgt in der Regel durch de» BundeSrath; dasselbe kann aber in dringenden Fällen auch in den Gemeinden erfolgen. Ferner könnrn die Mililairbehörden er- niächiigt werden, einzelne Theile de« Landsturmes auiznbietcii. Die Aufgebote»«-!, treten sofort unter militairische GcrichlSl'arkcit und tn Eidgenössischen Sold und Verpflegung. letztere bat jcder zunächst gegen spätere Vergütung aus zwei Tage mitzubringen. Den Stand der Laadsturmpflichtiqen zu controliren, ist Sache der Gemeindebehörden; jenen selbst liegt eine An- oder Abmelde- Pflicht nicht ob. Ter Landsturm ist nicht bestimmt, dem Gegner im freien Felde >m offenen Kamvse entgegen zu treten. Wird er bei Eintritt der Mobilmachung ausgeboteu. jo ioll er zunächst durch Besitzung der brdiohien Grenze de» Feind verhindern, daß er erstere stört. Während des Krieges löst er in der Hochebene in Massen über BaiaillonSstärke nicht verwendet werden. Seine Hauptaufgabe sür de» Kamps ist, den Mangel an eigener Reiterei dadurch au-zugleichen, daß er die de« Feinde« durch Hemmung der Verbindungen und dnrch set, F««r t, threr Beosallchkett behindert. Größer, Senkungen erwartet man von seiner Betnelliguug am Kampfe im Hochgebirge. Eine seiner wesentlichsten Obliegenheiten werden da» Etappenwesen und der sonstige Dienst der BesatzuugSIruppea sei», vo» denen die Landwehr möglichst befrei» werde» soll- * Da« Bnlgarlsche Hrerbesteht ant 1L Infanterierrgimentern. von denen 8 au« den nördlichen und 4 an« den südlichen Distrikten ihren Ersatz beziehen; jede« Regiment hat 4 Bataillone, im Kriege werden 16 Reservebatailloue gebildet. Die Jusaaterie ist in 6 Brigaden eingetheill. deren Stäbe sich in Sofia, Rustschuk, Schumlo, Philippopel, Widdin und Slivno befinden. In letzterer Stadt soll noch ein neue- Regiment gebildet werden. Die Artillerie besteht aus 3 Regimentern zu ze K Batterien mit je 8 Geschütze», die- elben goruisonireu in Sofia, Schumla uud Philippopel. Außer, dem steht eia Regiment Genietrupven, sowie eine Telcgrapden- obtbeilung i» Rustschuk. Die Friedensstärke de« Heere- beträgt 25 000 Mann, die Kriegsstärke 60000 Maua Jasauterie. 1500 Mann leichte Lavallerie und 168 Beschütze. Hierzu kommt noch die Miliz io Höhe von etwa 50000 bis 60000 Mann. * Am 1. Oktober 1887 zählte die griechische Armee im Ganzen 1801 Ossiriere, darunter 1 Division-general, 7 Brigade- generale, 38 Obersten, 44 OberstlieoteuantS, 131 Majore, 332 Ca- pitainS, 370 Lieutenants und 878 Unterlieutenant». Nach Wusse», gattungen gerechnet gehörten 6 Oificiere dem Generalstabe, 1l? der Gendarmerie. 943 der Infanterie, 89 der Lavallerie. 123 der Artillerie, 83 dem Jagenieurcorp« und der Rest dem Hilfsdienste des HeereS an. Königliches Landgericht. IU. Strafkammer. I. Der beim hiesigen Siadtbau-Amt al- Expedient «»gestellte Gottlieb Wilhelm Hermann Reiner» hatte sich des Bettugs und der Urkundenfälschung in einer bedeutenden Anzahl vou Fällen chuldig gemacht. Im Lause der Zeit desraudirte Reiner», der bis her noch völlig unbeicholten war, die Summe von 2759 Mark 50 Pj. Allerdings muß erwähnt werden, daß den Angeklagten die Roth dazu getrieben hat, während es viel Läufiger vorkommt, daß Mancher durch Genußsucht oder übermäßigen Aufwand zum Betrüger wird. Reinen hatte die Material-Rechnungen auszuschreibea und dieselben seine», Vorgesetzten, dem Buchhalter S., vorzulegen, wonach alsdann aus Prä- jeniatio» die Stadtcasse die jeweilig saciurirten Beträge auszahlic. Vorher mußte jedoch jede Rechnung bez. Quittung von Herrn S. abgestempelr werden. Für diesen Fall wußte der Angeklagte bald Rath; er stellte nämlich Rechnungen bez. Quittungen auf eigene Faust aus, nahm de» Stempel des BuchballerS und ließ sich dann die betreffenden Beträge an der Stadtcasse auSzahleu. Daß dicS keinen Verdacht erregen konnte, ist leicht erklärlich, den» der Skemvel war unzweifelhaft echt, so daß Reiner» das Geld stets unbeanftaiid.t crbielt; denn daß Letzterer mit dem ihm zugänglichen Stempel der artigen Mißbrauch treiben würde, konnte Niemand vermutben, um so weniger, als sich Reiner» stets alS pünktlicher und solider Arbeiter gezeigt hatte. Durch diese betrügerischen Manipulationen verschnjs:e er sich Beträge vo» ca. 20 bl- 200 >l, die er in seinen Nutze» verwandte. und zwar »hat er dies in vierundzwanzig verichie- denen Fällen. Außerdem fällt ihm noch ein Betrug zur Last. Aus bereits vo» Herrn S. abgestcmpclten Quittungen nahm der Angeklagte Aenderungen vor, d. h. er corrigirte die B - lege derart, daß ein Mehrbetrag herauskam, den er sür sich behielt, und zwar hat rr die- in 2 Füllen gethan Daß er die Siadtcasse durch solche Manöver erheblich benachtheiligle, wußte Nemert, doch hat er Ersatz sür die erschwindelten Gelder nich: zu leisten vermocht. Auch hier trifft wieder das alle Sprichwort: „Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er zerbricht" zu, denn bei einer Revision kam die ganze Schwindelei an den Tag. und den Schluß bildete Reinert's Verhaftung. Ter Angeklagte hatte pro Woche 24 >l Lohn, doch mußie er von diese», Verdienst seine Frau und Kinder, Mutter und zwei Schwestern er- nähren. Daß es unter solchen Umständen zu». Mindesten sehr schwer war, ehrlich durchzukommeu, wird Jedermann begreiflich finden, und der Kampf ums Dasein trieb auch Reinert ichließlicy dazu, die rauhe ehrliche Bahn zu verlassen und den glatten, aber gefährlichen Weg des Verbrechens zu betteten. Eingeschaliet werden muß noch, daß der Angeklagte durchaus keinen unnützen Aufwand gemacht, sondern im Gegenthcil solid und ordentlich gelebt und durch Schreiberei sich noch nebenbei einige Mark verdient hat. Es qnalificirt sich sonach sein Vergehen nicht als das eines gewöhnliche» Betrügers, sondern als unüberlegrer Schritt eines Vecuniär hart bedrängten ManneS. Der Angeklagte legte in der Ver handlung tiefe Reue an den Tag Und gestand rückhaltslos olles ihm zur Last Gelegte ein. Die königliche Staatsanwalt- schast gab ,n ihrem Plaidoyer die Annahme mildernder Um. stünde dem Ermessen deS Gericht-Hoses anheim. DaS Ger cht billigte dem Angeklagten solche auch zu und verurtheilte ihn wegen schwerer Urkundenfälschung und Betrugs , » 26 Fällen zu 3 Jahren 6 Monaten Gesänqniß und 5 Jahren Ehrverlust unter Anrechnung von 6 Woche,» der erlittenen Untersuchungshaft. Als strafmildernd hatte der Gerichtshof die bisherige Unbescholtenheit, die Nothlage und die günstige Gelegenheit zur Untreue in Berücksichtigung gezogen, während ondererseiis der grobe Verirouensbruch und daS Fortgesctzie der Handlungen als sttaserschwcrend in Bewacht kam. II. Am bellen Tage emzubrechen, erfordert gewiß eine gute Dosis Frechheit und Entschlossenheit-, doch brachte dies Kunststückchcn der bereit- mehrfach vorbestrafte 20jährige Handarbeiter Carl Friedrich Eduard Luther aus Gabescc fertig Von Erfurt kommend, wo er kurz vorher eine längere Freiheitsstrafe verbüßt batte, passirlc der Angeklagte am 1. Juni da« nabegelegene Barneck. Etwas ent- sernler vom Dorse liegt das Häuschen de« Waldarbeiters Loicnz und in dieses verschaffte sich Luther nun dadurch Zugang, daß er mittelst eines Ziegelsteines eine Fensterscheibe einjchlug, durch die entstandene Oeffnung daS Fenster aufwirbeltr und ins Par terre einstieg. Er trat daraus in die Wohnstube und stöbe, te nun Alles durch, jedoch fand er nur einen Geldbetrag von 93 AlSdann erbarmte er sich über den Kleidrrschraiik und hatte sich schon einen Bündel Garderobe zurecht gelegt, alS die Frau Lorenz zufällig nach Hause kam und den eingelroffencir unliebsamen Besuch bemerkte. Luther wartete jedoch nicht lauge, ließ die Kleider zurück und war mit einem Satze zum Fenster hinaus. Obwohl er in den Wald flüchtete, mittelte ihn der Gendarm aus Grundder von der Lorenz gegebenen Personalbeschreibung bald au«. Ter Angeklagte leugnete in der Verhandlung seine Tbat nicht, nur wollte er die Kleider nicht haben stehlen wolle», sondern behauptete, »nr in das Haus eingebroche» zu sein, um sich etwas zu essen zu hole». Die königl. Staatsanwaltschaft gab die Annahme mildernder Um stände dem Ermessen des Gerichtshofes anheim, welcher solche dem Angeklagten auch zu Theil werden ließ, mit Rücksicht aus sein offenes Gesländniß. seine Noidlaqe und den nicht erhebliche» Werth des ObjeclS. DaS Urthcfl lautete wegen schwere» Diebstahls im Rück fälle aus 1 Jahr 3 Monate Gefünguiß und 3 Jahre Ehr verlust. III. DeS Verbrechens gegen § 176,3 des R.-Str.-Ges.-B. war der Glasergehilse Ernst Hermann Oette auS Weida angeklagt. Die Verhandlung fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. Es erfolgte jedoch nur Bestrafung wegen Beleidigt,»g zu 4 Monaten Gc- fängniß. Der Gerichtshof bestand aus den Herren Landgerichtsdirectoc Lehman» (Präsid.), LandgerichtSräthea Sachße, Trüber, v. Sommer- latt und vr. Fleischer: die Anklage führten die Herren Staats anwalt vr- Nagel und StaalSanwaltschastS-Affeffor vr. Dürbig. Zwei jungen Leuten, Lurt D. uud Wilhelm M., wurde jüngst vor Gericht recht deutlich klar gemacht, daß mau ungestraft weder die Nachtruhe der Einwohner stören, noch gar einen ruhe- gebietenden Schutzmann beleidigen darf. Die beiden Herren wählten sich den BerS: „Schon vr. Martin Luther spricht, Wasser thm'S freilich nichts" zum Motto. Sie hatten schon ei» hübsche« Quantum „hinter die Binde" gegossen» als sie in der zweiten Morgenstunde die Turnerstraße passirtcn, waren jedoch mit ihren Leistungen noch nicht zufrieden, so daß sich zwischen ihnen eine sehr lebhafte Debatte entspann, wohin nun die Fahrt gehen sollle. Wie lebhaft diese gesührt wurde, bewies da« Ruhegebol de« Schutzmanns N., welcher jedenfalls »icht ohne Ursache da- Be- nehmen der Beide» als nächtliche Ruhestörung aussaßte. Der Schutz mann erhielt allerdings eine recht merkwürdige Antwort ans seine Intervention, denn M. ries ihm zu: „Sie haben mir gor nichts zu sagen» wa« wollen Sie denn? u. s. w." Aus diese beleidige»?« Aeußerung hin erklärte der Schutzmann M. sür arretirt, wo gegen nun D. seinerseits unter großem Scaudal Protest ein- legte. Nunmehr wurde auch er arretirt und unter zahlreiche», Geleit sümmtlichcr Nachtschwärmer marschirte da« Pärchen mit dem Schutzmann zur Wache. Nachdem die Namen Beider sestgestellt waren, ries D. den Schutzleuten noch entrüstet zu: „Na, Euch will ich den Schwindel schon anstreichen l" Ia der Verhandlung wurde der Thaibcstand wie vorstehend sestgestellt und, trotzdem beide Ange klagten die nächtliche Ruhestörung entschieden bestritten, D. zu 30 M zu 40 ^ Geldstrase, evcnt. 4 bez. 6 Lage» Gesängaiß wegen veanttenbclcidigung and nächtlicher Ruhestörung verurthcilt.
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