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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806297
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880629
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880629
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-29
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1888
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TV8L betost Hab«, daß vo» Staudpuuete de« Ftteden«srruude« »icht da» Geringste dagegen eiuzuweude» sei. Freilich hört maa »och oft genug de» Vorbehalt, daß auch die friedliche Thronrede keine Bürg» schost biete» da auch io Thronrede» ausgesprochene Grundsätze und Versprechungen nicht immer erfüllt werde». „Somit wolle» wir u»S über die friedliche» Worte de« deutlchea Kaiser« sreuen und — unsere Rüstungen mit angeschwächtcw Eifer fortsetzea", heißt »« in eu,em französische» Blatte, das auf diese Weile die Grund- siioimllug der großen Mehrheit ganz richtig wiedergiebt. von den einzelnen Puucten der Lbrourede findet hier nament lich die Stelle über Rußland große Beachtung u»d maa sieht in ihr eiue» »eue» Annäherung-Versuch, dea man indessen ohne de- sondere Besorguiß betrachtet» da maa hier die feste Ueberzeuguug hat. daß Rußlaud di: gebotene Hand nicht onnehme, werde. Daß sowohl da« österreichische al« italienische Bündniß Erwähnung finde» werde, hatte maa vorautgesehru. maa ist aber sehr wenig entzückt, baß neben dem verhältniß zu Oesterreich auch da« zu Italien r» so warmen Worte» gefeiert worden ist. Mit dem deutsch-öfter» reichische» Bündniß hat mau sich gewöhnt, al« mit einer »nabiuder. licheu Lhatsache z» rechnen, wogegen mau aber durchau« noch nicht daraus verzichtet hat, die verlorene lateinisch« Schwester dea Armen de« Verführer« zu «»treiben. Ja dieser Berechnung würde mau «S gern sehr», wenn Italien von Deutschland eine abfällige oder doch minder aaszeichaeude Behandlung erlitte, und man s ieb» sich seit geraumer Zeit die größte Mühe, den Italienern be- , sich z» machen, daß sie al« Aschenbrödel de« Dreibünde« eiue weder beneiden«werth«, »och sehr ehrenvolle Rolle spielen. Man scheint, ich weiß »icht worum, die Hoffnung gehegt zu haben, daß Italien bei der Thronrede etwa« kurz wegkomme» werde, woraus mau nicht verfehlt haben würde, ihm vorzuhalten, wie viel bester e« behandelt werden würde, wenn er sich entschließen könnte, sich au die Seite Frankreich« z» stellen. Dann spricht man auch viel davon, daß England« iu der Thronrede keine Erwähnung geschehen sei, und sucht die« al« eia« Art beleidigender Beraachläisigung diese« Staate« hiuzustelleu. Wo« die innere Politik anlangt, jo sind die Blätter darüber einig, daß dir Regierung Wilhelm'« ll. der seine« Großvater« gleiche» werde, de» er sich alleia zum Beispiel gcuomme» habe. * Wie au« Belgrad gemeldet wird, bracht« König Milan anläßlich eine» am griechischen Pfingstsonntag, den 24. d.» zu Ehren de- CabinetS veranstalteten Fe st bin erS aus da» Ministerium und besten Präsidenten. Herrn Christic. einen Trinkspruch au», der wegen seiner politischen Be deutsamkeit iu allen Kreisen eineu außerordentlichen Eindruck hcrvorrief. Der König beleuchtete zunächst mit einem kurzen, wirkungsvollen Rückblick dea EntwickelungSgang der der» sastungSmäßigen Zustände in Serbien während der letzten zwanzig Jahre und erklärte sodann, daß die vor Kurzem er folgte Entlastung eine« aus die Majorität der Volksver tretung gestützten Ministerium» aus dea krankbasten politischen Zustand Serbien» zurückzusühreu sei. Dieser Zustand sei die Folge der während der letzten siebzig Jahre begangener» Jrrthümer; er fand in drei gewaltsamen Um wälzungen und iu der Ermordung de» edelsten aller ser bischen Herrscher eklatante» Ausdruck; er bestand aber schon früher und bildete auch den Grund de» Verfalls de« serbischen Zarenreiche», da er zum Theile in den Schwierigkeiten der ethnographischen und geographischen Stellung des serbischen Volke« wurzelt. Einst ein Schutzwall de« Byzantinismus gegen da« Papstthum, bilde Serbien heute die Grenzlinie zwischen occidentalischer und orientalischer Cultur. Um nicht, wie im Mittelalter, vom Schauplatze verdrängt zu werden, müsse Serbien der verläßlichste Träger abendländischer Cultur nach dem Orient werden. Diese» Ziel zu erreichen, sei aber nur dann möglich, wenn den Parteileivcnschasten in Serbien Einhalt geboten wird und der Bestand de» Staate» aus Recht und Ordnung beruht. Au» diesem Grunde Hab« er (der König) der, ehemaligen Rathgeber de» Fürsten Michael, einen Manu, der al« die Verkörperung der Gesetzlichkeit angesehen wird, an die Spitze der Regierung berufen. Umgeben von Männern der ernsten Arbeit, die von Thatkrast und auf opferndem Eifer erfüllt sind, werde Christic die ihm ander» traute patriotische Mission erfüllen können. Brüsseler Blatte hier mttgetbeilteu an die Veite stelle». Solche» Erschein»»««» gegenüber bleib« eS eiuigcrmaßen unbegreiflich, wie e- z. B. iu unserer Nachbarstadt Dresden bi« jetzt den Grimme- Hempel'scheu Glasbildern noch nicht gelungen ist, die dort »och immer vorgezvzeneu Franzosen au« dem Felde zu schlauen. Adolf Weitke. Sterblichkeitsbericht. Neue Lunstsacheu. Boa d« zeitgemäßen Publicatioa der Gesellschaft für verviel- sättigende Künste iu Wien, »ämlich ihrer „Lhroaik für ver- vielfältigeude Kunst", liegen jetzt auch da« ztveite und dritte Hest vor. Diese beide» hatten in der Thal gar wohl da« Ber- sprechen, welche« da« erste Hest als da« Ziel der „Lhroaik" hin- stellte, nämlich: dem Kenner und Liebhaber graphischer Kunst, dem schassenden Künstler Ulld sorscheaden Gelehrten, dem Techniker und Kunsthändler eia Organ sek» zu wollen, bestimmt, sie mit allen wichtigen Ereignissen und Wandlungen im Bereiche vervielfältigender Kunst bekannt zu machen. Recht interessant ist schon die Frage, welche der erste Artikel der beiden vorliegenden Hefte behandelt: „Künstler drucke von Holzschnitten". Er weist nach, wie die Primadrucke von Holzschaittplatteu eigentlich, trotzdem sie vom Erzeuger de« Stiches selbst mit allem künstlerischen Feingefühl obgeriebene und somit hoch werthvolle Druckprobeu sind, doch im Grunde eigentlich noch gar nicht gewürdigt werden, während die Küustlerdrucke von Metall- platten genaa genommen säst ihren ganzen BorzugSwerth dadurch eingebüßt haben, daß man heute durch Herstellung eurer genügenden Anzahl galvanischer Eopiea der ersten Platte oder eigentlich schon durch galvanisches Berstähleu derselben die Blätter von der Beschaffen- heit der sogenannten „klpreuvea ä'artisto" in unbegrenzter, jedenfalls beliebiger Anzahl Herstellen könne. Hieraus wird ein sicher beglaubigte« Gemälde des bisher nur als Stecher bekannten Schelte a Bols- wert besprochen. Ein trefflich geschriebener Nachruf am Grabe deS geistreichen Pariser Illustrator« Edouard de Beaumont schließt sich an. Zahlreiche Neuigkeiten aus dem Kunst- und Buch Handel, darunter besonder« solche aus der Literatur über den spanischen Maler Goya, werden sodann eingehend gewürdigt. Im dritte» Hefte entwickelt Adolf Rojeaberg seine dem Künstler nicht günstigen Ansichten über Max Kliager'S Federzeichnungen. Recht interessant ist die DiScussiou von Max LehrS darüber, ob der Meister, der die mit einem I- «ad einem 6r ähnlichen Zeichen signirten Blätter geschaffeu hat, etwa» wie von gewisser Seite behauptet wurde, ein dritter Lraaach, d. h. der Bater de« älteren Lranach, gewesen sei. Ein Mailänder Kunstbries belehrt uns über den Stand der vervielfältigenden Künste in Italien. Zahlreich und die Beachtung fesselnd sind die Neuigkeiten, die sodann aus Buch- und Kunsthaudel, über graphische Sammlungen und Institute mitgetheüt werden. Die „Chronik" wird sich sicher bald in immer weiteren Kreisen Freunde uud Leser erwerben. Adolf WeiSke. * Gemäß den Veröffentlichungen de- kaiserliche» Grso»d- heitSamte« sind »n der Zeit vom 10. bi« 16. Juni cr. vou je lllOO Bewohnern, au, de» Jahresdurchschnitt derechaet, al« gestorbe» gemeldet: iu Berlin 18,6, in BreSlau 27,7, in Königsberg 84,3, iu Köln 18,7, in Frauksurt a. M. 17,8, in Wiesbaden 17,0, in Hannover 17,2, i» Kassel 12,4, in Mägde- bürg 21,6, m Stettin 22,6, in Altona 21,4, in Straßburg 26,5, iu Mktz 24,8. in München 27,8, in Nürnberg 21,2, in Augsburg 22.1, in Dre«d-u 16,3. in Leipzig 15,5, i» Stuttgart 17,6, in Karls- ruhe 22.5. iu Brannschweig 24,2, in Hamburg 89,8, in Wien 27,6 in Pest 33,4. in Prag 32,7. m Trieft 23,0, in Krakau 41,4, i» Amsterdam 21,7, in Brüssel 27,2. in Pari- 20,6, in Basel —, in London 14,2, in Glasgow 24,0, in Liverpool 15,7. iu Dubli» 24.7, i» Ldinburg IS,7, in Koveuhagen 19.0, in Stockholm 18,1, in Lbristiania 20,7, in St. Petersburg —. in Warschau 24,9. ,u Odessa 36.5. in Rom 23,2, i» Turin 22,2, in Venedig 27.6, ia Alexandria 3l,1. — Ferner in der Zeit vom 20. bi« 26. Mai er. iu New-flork 24,6, iu Philadelphia 19,0, in Baltimore lö^j, i» Kalkutta 28,4, in Bombay 25,0, in Madras —. Ia der Berichtsweche mar die Sterblichkeit in den meisten ruro« päiichea Großstädten wieder eine günstigere als in der vorherqe- gangenen Woche und wurden aus einer größeren Zahl von BerichtS- tädten erheblich niedrige StrrblichkeitSziffera mugeiheilt. So er- reuten sich einer sehr geringen Sterblichkeit (bis 1b,0 pro Mille und Jahr berechnet): Dortmund (10,5), Kassel (12,4), Münster, Lreseld, Larmstadt. Kiel, Brenien, London. Günstig (bis 20,0 pro Mille und Jahr) war auch die Sterblichkeit in Berlin, Leipzig, Dresden, Frauksurt a. O-, Frauksurt a. M, Wiesbaden, Hannover. StuII- gar», Köln, Barmen, Aachen, Elberfeld. Düffeldorf, Kopeadagen, Stockholm, Liverpool. Edinburg u. a. Auch in Magdeburg, Altona, Nürnberg, Amsterdam. Paris, Christiania war die Sterblichkeit eine mäßig hohe. Hohe Sterblichkeilsziffern (über 35,0 pro Mille und Jahr) wurden aus keiner deutschen Stabt gemeldet. — Sehr wcsent- lich vermindert waren ziemlich allgemein Todesfälle an acuten ent- züadlichen Erkrankungen der AlhmungSorgauc, während Darmkatarrbe und Brechdurchfälle der Kinder vielfach, nammentlich in Berlin. BreSlau, München, Hamburg, Köln, Straßburg, Pest u. a. etwas mehr Sterdeiälle veranlaßten als in der Vorwoche. Der Autheil des SäugliiigSalters au der Gelammtsterblichkeit blieb im Allgemeinen der gleich niedrige wie in der Vorwoche. Bon je 10 000 Lebenden starben ausS Jahr berechnet in Berlin 68, in München 116 Säuglinge. — Bon den Jnsectionskrankhelte» kamen Sterbefälle an Masern, Scharlach und Unterleibstyphus etwas seltener, an Diphtherie, Keuch husten und Pocken eiwas mehr zur Berichterstattung. — So sühnen Masern in Berlin, Straßburg, Prag. London, Paris seltener, in Wien und seinen Vororten hänfiger zum Tode. Sehr bösartig verricht die Epidemie in Hamburg, wo sie in der Berichtswoche 584 Erkrankungen und 44 Sterbefällc hcrvorrief; auch ans Berlin. Wien, Pest und ans den Regierungsbezirken Schleswig und Düsseldorf werden zakl- reiche Erkrankungen an Masern mitgetheilt. — Dar Scharlach- fieber verlies in Berlin, München, Wien, Pest, Prag, London milder, während in Warschau die Zahl der Sterbefälle eine größere wurde. Erkrankungen waren in Berlin, Hamburg. Wien, Kopcn- Hage» und Stockholm nicht selten. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Hamburg, BreSlau, London, Wien. Pest und Kopenhagen eiue größere, dagegen in Berlin und Paris eine kleiner« al« in der Vorwoche. Erkrankungen wurden au« den meisten Orten, ans denen Berichte völligen, in wenig gegen die Borwoche verminderter Zahl mitgetheilt. — Die Zahl der Sterbe- iälle au UuterleibSiyphus hat in Hamburg, Königsberg, London, Pari« abgenvmmen; auch Erkrankungen an Unterleibstyphus käme» meist in geringerer Zabl zur Berichterstattung. — An Flecktyphus gelangte» aus Prag 3 TodeSsälle und aus dem Regierungsbezirk Hannover 1 Erkrankung zur Anzeige. — An epidemischer Genick starre wurden ouS Rom und Kopenhagen je 1 Todesfall, aus Nürnberg 3, ans Kopenhagen 1 Erkrankung gemeldet. — Rolen- artige Entzündungen des Zellgewebes der Haut haben in London eiue größere Zahl von Opfern gesorderi. Dem Keuchhusten er- lagen in Berlin, London, Paris, Stockholm etwas mehr Kinder al« in der Borwoche. Vereinzelte TodeSsälle an Pocken kamen aus Königsberg, Wien, Pest zur Anzeige, aus Rom und Lyon je 2. anS den Vororten Wiens und aus Warschau je 3, aus Trieft 5, aus Pari« 8, aus Prag 14. Nene Erkrankungen wurden aus Berlin 2, auS BreSlau 1, aus Wien 5 berichtet. Der Gesundheitszustand in Berlin blieb auch in dieser Berichts- Woche eia günstiger uud die Sterblichkeit eiue kleine. Die Zahl der zur kenntniß gekommenen Erkrankungen an acuten Entzündungen der AthmnngSorgane erscheint zwar nur wenig im Vergleich zur Vorwoche vermindert, doch war der Verlaus derselben ein wesentlich milderer, und die Zahl der dadurch bedingten Sterbesälle eine kleinere. Dagegen sübrten Darmkatarrhe und Brechdurchsälle der Kinder in gesteigerter Zabl znm Tode. Die Theiluahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb säst die gleiche wie in der Vorwoche. — Auch das Borkomnien der InsectionSkranktieiten zeigte im Allgemeinen keine wesentliche Veränderung. Erkrankungen an typhösen Fiebern blieben beschränkt, auch die zur Anzeige gebrachten Erkrankungen an Scharlach und Diphtherie zeigten an Zahl keine erhebliche Verände ruug im Vergleich zur Vorwoche. Nur Masern gelangten häufiger zur Meldung und fanden besonders im Stralauer Viertel und in der diesseitigen Luisenstadt größere Verbreitung. — Ferner gelangten auch 2 Erkrankungen an Pocken znr Anzeige. Erkrankungen im Wochenbett, sowie an roscnariigen Entzündungen des Zellgewebes der Haut kamen etwas mehr zur Beobachtung; desgleichen waren Erkrankungen an Keuchhusten nicht selten, die Zahl der durch ihn bedingten Sterbesälle sogar eine etwas größere (12 gegen 10) als in der Vorwoche. Dagegen gelangten rheumatische Beschwerden aller Art io verminderter Zahl zur ärztliche» Behandlung. Die Grimme-Hempel'schen Glasbilder in Lrüssel. Es ist eine vielumstritteiie Frage» wie weit bei Kunst- und anderen Werken Ersetzung und Nachahmung eines edleren Stoffes durch eine billigere mit Wahrung des äußere» Scheines erlaubt und wünschenSwerth sei. Während z. B. die Marmornachahmung durch sogenannten „Stnoeo illuttro' auch bei monnmentalster Bauaus- führung ohne Nasenrümpsea und Ueberdieachselanschanen zugelassen wird, haben Manche bis jetzt noch GlaSmalereinachahmungen gegen über sich nicht auf einen gleich unbefangenen Siondpunct stellen lünnen, auch nicht den prächtigen Erzeugnissen de» hiesigen Grimme L Hempel'schen Instituts für Glas malerei-Nachahmungen (Kohlenstroße 181 gegenüber, cbschon eS sich hier geradezu weit weniger um Nachahmung handelt, als vielmehr um eine andere, zum Glücke einfachere und weniger kostspieligere Technik bei Erzielung nahezu gleicher, aus alle Fälle reichster und tadellosester Wirkung. Dieser sowohl wie ihrer un> verwüstlichen Dauerhaftigkeit verdankea sie e» aus alle Fälle wenn sie »icht nur hier am Orte, sondera auch auSwärt» sich bereit» einen breiten Boden erobert haben. Wie weit übrigen» nach auswärts sich die Anerkennung der Grimme Hemvel'schen Diaphaniea heute schon erstreckt, dazu giebt folgende Thatsache Beleg, die sich in Brüssel zugetragen. Die Firma Grimme L Hempel hat nämlich die gegenwärtig dort ftatlfiiidende ,. internationale Ausstellung" mit ihren Erzeugnissen beschickt. Diese Ausstellung wurde nun jüngst, wie die Brüsseler ..kioureller äu 2our" melden, vou ihren königlichen Hoheiten dem Graien und der Gräfin von Flandern besucht. Nachdem dieselben längere Zeit vor den anziehenden photographiichen Schaukästen von L. Rus in Mannbeim verweilt, wendeten sie sich mit gleichem Iuiereffe zur Schaustellung der Grimine-Hempel'ichcn Dmphanien. Da ries plötzlich, vor einem großen Fenster mit dem sarbenleuchtenden Heldenbilde deS greisen Kaisers Wilhelm stehend, der Gras zu seiner Fra» gewendet „Marie, schau da dies prächtige Bild von wunderbarster «ehnlich keil." Wie viel nicht reatstrirte, weil nicht so Hadem Munde ent flösse»» Ausdrücke von Bewunderung mögen sich diesem noch dem königliches Landgericht. ll. Strafkammer. I. De« Lergehen« gegen die Bestimmungen der Reichs-Gewerbe- Ordnung hatte sich Ler GeschästSsührer W. von hier schuldig gemacht Ter Angeklagte leitete seit Jahren dea gesummten Betrieb einer hiesigen größeren Wollwaarenfabrik und hatte in dieser Eigenschaft selbstverständlich auch hie Bcraiilwortiing sür alle verkommenden Fälle aus sich. In der Fabrik beschäftigte er Arbeiter und Arbeite rinnen. welche kaum der Schule enlwachsen, also noch nicht 16 Jahre alt waren. Da« Gesetz bestimmt nun für jugendliche Arbeit-r bcz. Arbeiterinnen unter 16 Jahren, daß dieselben nur 10 Stunden pro Tag beschäftigt werden dürsen, daß denselben ferner je eine halbe Stunde Frühstück- und Vesper«, sowie eine Stunde Mittagszeit ge währt werden muß. Ebenso wenig dürsen solche Arbeiter nicht zu sogenannten Ueberstundcn herangezogen werden, wenn gleich sic dafür extra gelohnt würden. Im eventuellen Falle der Zuwider- bandlung gegen diese Bestimmungen trifft die Straft den betreffen den Arbeitgeber, Jnspector, Verwalter oder Geschäftsführer, welchem die lleberwachung der Arbeit oblag, während der Arbeiter oder die Arbeiterin nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Der Uebertrrtuug dieser Bestimmungen hatte sich W. nun insosern schuldig gemacht, al« er in der Zeit vom 15. August v. I. bis 10. März er. die Arbeiterinnen R. und P., welche Beide da« 16. Lebensjahr »och nicht erreicht hoben, mehrere Male über die gesetzlich vorgefchriebene Zeit hinaus arbeiten oder sogenannte Ueberstunden machen ließ. Die Mädchen waren aus direkte Aufforderung bez. Anstellung des Angeklagten nach Feierabend im Fabriljaale verblieben und hatte» die ihnen zugelheilte Arbeit noch erledigt. Den Ihatbestand konnte W. ra Anbetracht der Zeugenaussagen nicht leugnen, er that die- auch nicht, sondern gab zu, den beiden Mädchen nach Feierabend noch ein Pensum Arbeit zugethcilt zu haben, ohne jedoch im Entftrntesten daran zu denke», daß er sich dadurch einer stras- baren Ucbertretung schuldig mache. Im Uebrigcn seien ihm die diesbezüglichen Bestimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter unbekannt oder doch weniqsieo« nicht zur Genüge bekannt gewesen. Bekanntlich schützt aber Unkcuniniß n.cht vor dem Gesetz, und da» erfuhr auch Lü, dena der Gerichtshos erachtete idn der Uebertretung der obengenannten GesetziSbestimmungen sür schuldig und verurtheilte ihn unter Annahme mildernder Umstände zu 60>i Geldstrafe (aefttzlich gelingst zulässige Strashöhe). Da» Gericht war bei Abweisung der Straft davon ausgeganqea, daß der An- geklagte nicht mit Vorwisjen gehandelt habe, deshalb also gelinde zu brslrasea sei. Die Handlung ist bis zu 3000 ^1 Geldstraft bedroht. II. Der Handarbeitcr Ferdinand Hermann Brockbaqen ouS Sckimiedeberg war deS TiebstablS im wiederholten Rückiallc be schuldigt. Im vorigen Jahre halte sich der Angeklagte bei dem Glaser S. in Euiritzsch in Schlafstelle eing-mieihet und bewohnte eine Stube gemeinsam mit dem Dschlergesellen B. Brockhage» wurde i»i Novemb.r v. I. krank und blieb iniolge dessen zu Hause, an Krankengeld erhielt er pro Woche 9 Am '28. November. Sonntag«, ging B. aus Arbeit und ließ sein Portemonnaie in der an der Va»d hängende» Son»tag«-oft stecke». Die« hatte der An geklagte bemerkt, da sein Schlaicollege vorher brr Wirthia die Mielhr bezdhlt batte, kurz entschlossen, entnahm er dem Geldtäschchen I Nun fällt ihm seruer noch zur Last, daß er den Koffer seine» Schlascollegea Mittelst Nachschlüssel« zu öffnen versucht hat: er wollte sich aus diese Weise in den Besitz vo» B.'S Ersparnissen setzen. Als er gffund war, brannte ihm der Boden unter den Füßen; da er entdeckt zu werden fürchtete. Deshalb verließ er seine bis- bcrige Schlajstclle und ging aus die Wanderschaft, vorher sich noch B.'S Kamm und Kleiderbürste aneignend. Ia der Verhandlung gestand der Angeklagte diese drei Delikte ein, wenngleich mit »er- schiedeneu Abweichungen von der Wahrheit, und sührte als Grund seine damalige, durch die Krankheit herbcigesührte Notdlage au, La er mit 9 Krankengeld nicht habe auSkommea können. Das Gericht zog dieieu Umstand auch als ftrasniildcrad in Betracht und verurtheilte Brockhage» wegen versuchten schweren und vollendeten leichten Diebstahl« im wiederholten Rücksalle za 8 Monaten Ge- sänguiß und 1 Jahr Ehrverlust. III. Der bereit« mehrfach vorbestrafte Schmiedrgeselle Franz Robert Barth au« Wendisdeim kam am 28. Mai er. in die Werk- stelle de» Schmiedenicisters N. in Groitzsch, um zu betteln. Zufällig war Niemand darin anwesend, »ad so eigaete sich Barth ein Hus- mesftr im Werthe vo» 3 an. Er mochte sich damit ouS dem Staube, wurde jedoch ipäter verhaftet, da N. da» Fehle» de« Messer« bemerkte und Nachbarn einen HondwerkSburschea au« der Schmiede batte, herauskommen sehen. Der Verdacht lenkte sich aus diese», uud insolge der Persoiialbffchreibuug gelang e« dem Gendarm, Barth auj eer Chaussee sestzunehmeu. D-'S Messer fand sich noch bei ihm vor. Der Angeklagte war seiner That geständig und erkannte idm der Gerichtshos unier Zubilligung mildernder Umstände wegen Rück- sallsdiebstahls eine 4mooatliche Gesüaguißstrase und i Jahr Ehrverlust zu. IV. Unter Ausschluß der Oefftntlichkeit fand dir Verhandlung gegen den Kellner Friedrich Samuel GrüaewaldauS Oberröblingen wegen Verbrechens gegen ß. 176,3 des R.-Str.-Gej.-B. statt und wurde der Angeklagte zu 1 Jahr 6 Monate» Zuchthaus uud 5 Jahren Ehrverlust verurtheilt. Der Gerichtshos bestand au» dea Herren LandgerichtSdirector Sieder (Prüsid.), LandgerichtSrälhen Wolf, Meticb. Gruber und von Sommeilatt, die Anklage führte Herr SiaalSanwaltschastS« Assessor vr. Groß, die Verlheidigung zu IV Herr Referendar Staffel. In Bezug ans daS Referat über die Hauptverhandlung der oben genannten Strafkammer gegen Herrn Rechtsanwalt Ficker in LeiSnig geht uns von demselben eiue Erklärung zu, nach welcher er dcn Sachverhalt folgendermaßen richtig stellt: „Nachdem ich in, vorigen Jahre mit meiner Familie meinen Ferienaufenthalt in Pischwitz bei Döbeln genommen halte, wurde ich vom Mükleabesitzer Piper am 21. August telegraphisch ous- gcsorber», ihn Tags daraus in einer Wechselklaglache gegen Sieger vor dem Aiiilsgericbt LeiSnig zu vertreten und die der Klage bei- gesägte, auj seineo Namen lautende gefälschte Urkunde mit Beschlag belegen z» lassen. Diesem Auftrag gemäß reiste ich am 22. August von Pischwitz nach LeiSnig, wo mir an AmiSftelle eröffnet wurde, daß Rechtsanwalt Hering die Stcger'sche Klage unter Uebernahme der Koste» zurückgezogen bade. Ich reiste hieraus sofort nach Pischwitz zurück und berechnete später sür diese Reise die üblichen Tagegelder und Futirkosten, welche mir auch von Piper anstands los vcrwilligt und vom RcchtSanwalt Hering einige Zeit daraus mit dem Bemerken an Piper erstattet wurden, daß er diese Koste» nicht mit Ecsolg ansechtea zu können glaube. Wege» der erwähnten, der Steger'ichcn W-chselklage beigesügten, von Piper niemals unterschriebenen und vom Rechtsanwalt Hering wahrheitswidrig beglaubigte» Urkunde habe ich im Austrog Piper'S Strajantrag gegen Rechtsanwalt Hering gestellt, welches zur Ein- leituiig des ehrengerichtlichen Verfahrens gegen denselben sührte, dessen Ausgang »och bcvorsteht. Die in 8. 80 der Gebühren-Ordnung sür Rechtsanwälte ent haltene Beilimiiiung, daß dem Rechtsanwalt sür Geschäfte am Wohn- ort weder Tagegelder noch Fuhrkosten znsteden, bezieht sich nach meiner Ueberzeugung nur aus diejenigen Geschäfte, welche der An walt während seines Aufenthalts a» seinem Wohnsitz besorgt, indem er von einem Stadtthcil zum anderen oder vo» seiner Wohnung nach dem Gericht sährt, nicht aber aus einen Fall der vorliegen den Art." Uebr genS hat nach der Erklärung des Herrn RechtSanwalt Ficker derselbe gegen das lairdgerichlliche Urtheil Revision ein gelegt, über welche das Reichsgericht (nicht aber, wie cS in der uns zugegangcneu Erklärung he>ßt, LaS küuigl. OberlaudeS- gericht) zu entscheide» haben wird. Vermischtes. --- Coburg. 27. Juni. Die Herzogin vou Edin burg ist zu längerem Aufenthalt hier eiiigetroffen. ---> Wie die „Frankfurter Zeitung" einem ihr zur Verfügung gestellte» Privatbricse auS Alexandrien entnimmt, hat dort am 18. Juni zum Gedäcbtniß Kaiser Friedrich'« in der deutschen protestantischen Kirche ein feierlicher Trauergotteödienst stattgefunden. Der Khedive war durch seinen Ceremonienmeister Abderrhaman Pascha und seinen Secretair de Martina Pascha verlrelen, der Sultan durch Mukhtar Pascha. Ferner waren anwesend die fremden Ge»eralco»suln und Consuln, der Gouverneur der Stabt. Vertreter der englischen Armee und Marine und die Chefs der verschiedenen öffentlichen Verwaltungen, Alle in Gala- unisorm, so daß da« Schiss der Kirche, deren Wände mit schwarzem Tuch und Flor auSgeschlagen waren» einen glänzenden Eindruck machle. Die Capelle eine« englischen Jägerbataillon« und ein gemischter Chor trugen in wirksamer Weise dazu bei. die Feierlichkeit zu einer eindrucksvolle» zu mache». Die osficiellen Gäste wurden von Kanzler Scbinzinger cinpsange» und wieder zur Thüre geleilet, da der General konsul nach Kairo gefahren war, um dort eine osficielle Feier abzuhalten. — Ein weiblicher Ritter der Ehrenlegion. Pariser Blättern zufolge soll anläßlich des Nationalfestes vom 14. Juli Frau Drouan. die Canlinenwirlhin de« 59. In fanterieregiment«, vom Krieg-minister für da« Ritterkreuz der Ehrenlegion vorgeschlage» werden. Frau Drouan ist 1845 geboren und stammt aus Bayern. Sie betheiligle sich schon an dem Feldzüge nach Rom 1865—1867 und an dem deulsch- sranzösischen Kriege, wobei sie in Metz Kriegsgefangene wurde. Ihre hingebende und ausopsernde Pflege der Osficiere und Soldaten in den Kämpfen vom 14., 16. und 18. August wurde ganz besonder« gelobt. ---- Amsterdam. 21. Juni. Einer der hervorragendsten Führer der Orthodoxe» und Antirevolutionaire, zugleich Mit glied de« GemciiiberatbS in Amsterdam, richtet an die Studenten der freien (orthodoxen) Universität in Amsterdam beim Beginn der Ferien folgende Worte: .Die Vakanz ist die Zeit sür dcn Studenten, worin er dasselbe verrichtet, wa« die Kuh thut, welche ihr Futter bekommen hat. Dann legt sie sich ruhig nieder, um Wiederkäuen und durch diese Verrichtung die Nahrung geschickt zu machen, daß sie durch den Magen in Fleisch. Blut und MuSkeln umgesetzt wird. Denn ohne diese Verrichtung würde da« Futter, und wäre dasselbe im größten Ueberflufse dargereicht worden, den verlangten Zweck nicht erreichen. So gebt e« auch mit dem Slndenlcn. der seine Studien ernstlich aussaßt; während der Zeit ber CoUcgie» empfängt er so viel Nabrung sür Geist und Verstand, daß er nolhwcndig einer gewissen Zeit bedarf, um dieselbe zu verarbeiten und in sich auszunehmen." Da bekanntlich Homer in einem seiner Bilder dcn tapfern Ajax mit einem Esel verglichen hat. so kann der Vergleich mit wieterkäuenden Kübc» sür die Studenten der freien Universität sicher auch nicht« Beleidigendes haben. ---- Ucber den Schaden, welcher durch den .Dohnen- stieg" augerichtet wird, schreibt Herr Ferdinand Nudow in der „Monatsschrift de« Verein« zum Schutze der Vogelwelt": Einem junge» Forsimanne in Ostpreußen gab ich vorige» Jahr Auftrag, mir olle Vögel zu schicken, welche er im Dohnen- slicg fing und nicht verkauft» löanle. Während eines Monates erhie.t ich verschiedene Sendungen und darunter: 6 Sperber, 2 Stein- tanze (X. uoctual, 1 Rauchsußkauz (8'xc. ck-rszepu»), 1 Waldkouz (8xr. aloeo), 1 Lumpsodreule (Le. palustris krot ), wenigstens ein Dutzend Eichelheher, 2 Tannenbeher, 1 Grünipecht, 1 Biint'pcchi, 1 Baumläufer iOettbia tamiliarls), 1 Würger (I>. -reuI-iUir), 2 Jlngenjchiiävpcr (11. xiisol»), 1 Seidenschwanz, 4 Meisen, 2 Golv- dähiichcn, 6 Möachgrasmücke» i8. utrieapilla), eine Menge Roth- kehlcheu uud 10 Dompsaffe». Meisten« waren die Vögel sür dt« Gammluug unbrauchbar, da sie sich die Haut am Halft durch die Roßhaorschlinge zrrschuittea oder auch sich überhaupt zu sehr zerzaust hatten. Abgesehen vom Fange der weaigea schädlichen Raubvögel ist aber doch der Massenmord der Singvögel empörend. Wo» aus dieser eine» Stelle vorkommt, geschieht gewiß an vielea anderen Fangotten auch. ES muß angesichl« solchen Schaden«, aagerichtci von Forstschutzbeamten, mit aller Kraft an der Aushebung de- Dohncnstiege« gearbeitet werden. E« ist sehr zu wünschen, daß möglichst viel Erfahrungen i» dieser Beziehung bekauut gemacht werden und zur öffentlichen Keautaiß komme». Die Lutheraufsühruagrn z» Herarauastadt tu Siebenbürgen. ** Hermanaftadt, im Iuai. vr. Devrient'« .Luther", da» große historische Charakterbild, da« in Jena 36 Mal, in Chemnitz 8 Mol mit ungeheurem Ersolg über die Bretter ging, ist ebeu ietzl in Hermannstadt ausgesührt worden und hat in der alten Sachsen- stadt Siebenbürgen» die Herzen der protestantischen Sachse» erhoben. Da mag «< denn den Lesern dieser Zeitung nicht unwill kommen sein, die von den Lutheraufführnugen m Chemnitz, in dem eigenen Lande, schon Manche« gehört, nun etwa« über die Wirkung derselben in Hermoanstadt zu vernehme». Dieselbe läßt sich schon daran« entnehmen, baß die nrspüuglich geplanten acht Vorstellungen »icht hiareichten. so groß war der Zu- orang zu denselbe» au« allen Theile» de- Laude«, »ud daß noch >wei hinziigesügt werden mußten. Maßgebender al« der äußere Be- uch ist die innere Erhebung, die sich daran knüpfte. E« war in der That eiue einzigartige Erscheinung: im alten Etaditbeater, da« vor hundert Jahren au« einer alten Bastei der Stadtbesestigung gemacht wurde, und in dessen Umgebung die ehemaligen Wälle mit prächtige» Alleen bepflanzt sind, von denen der bewnudernd« Blick hinüberschweisr zu den Vergriffen der Südkarpatdea, lauscht zehnmal nach einander, ast an der Grenze deutschen Lebens, eine audächtige Schaar deutscher Männer und Frauen dem deutschen Geistetwerk. da«, au« der ErinnerungSseier im Jahre 1883 geboren, Luther'« Geist der Gegen wart in ergreifender Gestalt vorsührt, und jene Sachsen, die in schwerem polnischen Kamps sür ihre höchsten Leben-güter seit einem Meuschenalter keine Ruhe finden, stärken ihr protestautische« Bewußt- ew an dieser reichen Dichtung i Eie ist mehr als eine dramaüfitte Biographie Luther'«. In leben Abihcilungen führt der Dichter dem Zuschauer Luther'« Leben vor: I. Erfurt (Universität und Kloster) 1505 bi« 1508; 2. Witten- bcrg (Anschlägen der Thesen) 1517; 3. Worm« (der Reichstag) 152t; 4. Wartburg 1522; 5. Kloster Nimbsiben 1523; 6 Wittenberg (der Bcrspruch) 1525; 7. Luther'« letzte Weihnacht 1545. Wohl sind es die Hauptereignisse aus Luthcr's Leben, die hier dramatisirt wurden; ober im Rahmen derselben hat der Dichter mit Meisterschaft nicht nur ein Bild der Resormationszeit, sondern vielsach deS Menschen leben» überhaupt gegeben und vor Allem auch den Gewinn gezeichnet, dea das deutsche Volk, dann aber die Menschheit aus diesem Leben und Kämpsen und Arbeiten gezogen. Aus breitem Hintergrund baut sich da» Stück auf. Die huma- nistiiwen Gedanken an der Unioeffilät Erfurt, da» Siudentenleben, die Stimmungen dieser Kreise erfahren wir in der 1. Abtheilung; dann — ein Gegenstück — Lutber's Anfechtungen in, Kloster. Der erschütternde Seelinkampf, in dem er sich zur Sicherheit des Glaubens durchringt, ergreift dea Zuschauer mit Naturgewalt. Der Mann, der in sich fertig ist mit sich, der in Zweifel und Seelenangst innerlich die Macht und Kraft deS Glauben- rrsahrcu bat, kann Las nicht in sich verschließen, er muß dea Kamps mit der Welt ausnehmen. Dir sehe» LaS in der Theienscene. Der Dichter hat, vertrau» mit de» Forderungen dcS ThealcrS. hier eine VolkSsceae geschaffen, die ihre- Gleichen sucht. Die ganze Volksseele öffnet sich u»S. wenn wir hier sehen, wie sich Bürger und Studenten, Frauen und Männer an die Kirchenihür drängen, wie das erlösende Wort, daS Luther gesunde», in tausend Herzen Widerhall findet — wie er selbst die Aus- schreilungen der Menge zu bändigen weiß, es ist gerade diese Abtheilung von gewaltigster Wirkung. Ihr macht die folgende den Rang streitig, der Reichstag in Worms. Wie der Dichter hier, immer im engen Anschluß on die historischen Thaisache» vor unseren Augen mit dramalischer Spannung daS Ganze sich ent wickeln läßt, wie Freunde und Feinde im Reichstag einander arge», übersiehe» bis zum historischen Moment der entscheidenden Worte Luther'S. das ist ein Meisterstück seiner Charalterffttk, psychologischer Eulwickffung. Der Kamps gegen die feindlichen Gewalten des Lebens hat dcn Höhepunkt erreicht: daS alte Gebäude katholischen Denkens uud mittel- allerlicher Empfindung ist ziiiommcngcbrochen, jetzt soll der Neuban beginnen. Zu unsreiwilligcr Muße und stiller Sammlung, die wieder »icht ohne innere Kämpft sich vollzieht, bietet di« Wartburg Ge- legenheit. Die Bibelübersetzung wird begonnen, von draußen dringen böse Nachrichten über die Wirren in Miltenberg herein, da läßt'« ihn nimmermehr dort weilen, er geht trotz Acht und Bann zurück. Die Aenutznng des bekannten BriescS, den Luther von der Re-se an dcn Kursürsten Friedrich sendet, zeugt, wie das ganze Stück, von der seltenen Kraft, wie der Dichter daS historische Maierial zu verarbeiten verstände» Hai, das zuweilen in Kleinigkeiten sich äußen, die nur der Spccialsorjcher versteht, aber nirgends aufdringlich archivalische Weisheit zun, Verständniß ersordert. Die drei letzten Abihcilungen bilde» zusammen wieder eine gewisse Einheit, wie die drei ersten; während dort die zerstörende Thäligkeit de» GvItesmanncS gezeigt wird, die allerdings auch dabei eine lebenqebende ist, tritt im andern die ausbauende in den Vordergrund. Sie zeigt sich zunächst im Kloster Nimbschcn. Lulher'S Wort ist bi» dabin gedrungen; es giebt den gebrochenen Seelen neuen Halt, neue Hoffnung. Wie die Rciormalion im Herzen der Frauen wirkte, wie da« weibliche Gemiith sich derselben bemächtigt, das rst in Käthe wie in den übrigen Ordensschwestern ergreifend zu sehc». Der Unterschied, wie der Dichter dcn Seelcnkamps deS Mannes und der Frau behandelt, in wie ganz anderer Weise das angstcrfüllic Herz hier und da Ruhe findet, daS ist von meisterhafter psycho logischer Wahrheit. Der Zuschauer bekommt jetzt schon eine Ahnung davon, welch einen Segen die Resormalion gerade jür die Frau in sich schloß. Dieses Segens reichste Fülle kann sich nur entfalten in der Ehe. Im „Verspruch" sehen wir die beiden Herzen sich finden, die nun jenes Hau- gründen, dos ein Vorbild sür alle Welt geworden ist. Auch hier ist die psychologische Zeichnung meisterlich. Alle Gründe, die Luther bewogen haben, den entscheidenden Schritt zu thun. hat der Dichter benutzt, und die Seeleiivorgäng« bei Katharina v. Born sind so menschlich tief und ergreiseud ersaßt, daß die Scene stets von uuwidecstelllichcr Wirkung ist. In der letzten Abtheilung wird Luther'S Familienleben vorgcsührt, aber nicht beschränkt aus den engen Kreis desselben, sondern er- weitert durch die Theiluahme am gesammte» öffentliche» Leben, dos in dasselbe hiaeinspielt. Er und Käthe sind älter geworden, da« Leben bat manche Härte und Unebenheit abgeschliffen — aber im Herzen sind sie jung geblieben. Alle«, waS den gute» Mensche» bc- wegen kann, klingt hier wider: häusliche Sorge, stiller Schmerz, kindersreude, Freundesliebe und FreundeSunmuIH. DaS Leben liegt vollendet da, eine stille Entsagung schwebt über demselben, aber sie ist ohne Groll uud Neid, denn da« Große, da- de», Leben seine Weihe, da« Gute, das ihm seinen Werth gegeben, erhellt uud er wärmt auch den Abend. Ueberall empfangen wir auS dem gedankenreichen Werk dea Ein- druck dessen, daß Luther'S Arbeit mehr war als «ine Arbeit für die Kirche, die nach ihm sich nennt, daß sie dem gancen Volk, der W.lt zugute kam, und überall klingt durch, daß diese ResormaliollSacbeit auch heute noch nicht vollendet ist. So wird da» Bild von Lulher'S Leben zu einem flammenden Ausruf an die protestantische Welt, nicht in die Zipftl seiner Lebre sich einzuwickel». sonder» weiter zu ringen, zu streben, zu arbeiten, baß jene Glavbcnsmächte und jene sittlichen Kräfte, die die Rcior« maiion erweckl, nicht wieder verloren gingen, sondern lebenerweckend thatenreich bnS Göttliche in der Well fördern möchten. Die Wirkling deS Glückes läßt sich daran ermessen, daß alle Volkskreise, alle die darin gewesen — und da- sind in 10 Vor- stellungen über 5000 Menichen gewesen — erhoben worden sind. Dazu trägt nun selbstverständlich daS Spiel selbst viel bei. Alle Rollen, mit Ausnahme der beiden Hauptrollen Luther'» und Käthe'«, liegen in den Händen von Dilettanten, unter denen auch in Hermann- stavt alle Stände und jedes Aller vertreten waren. Den Luther giebt vr. Devrieat, der Verfasser, selbst und die Käthe Frl. Wilh. Kuhlmann. großherzoglich oldenburgische Hosschauspielerin. Di« beiden Künstler wissen da« Persönliche und daS allgemein Menschliche so wunderbar zo gestalte» und zur Darstellung zu bringen, daß mau die Tieft »nd Innigkeit, die große Auslassung und die Darstellung de- Kleinsten in gleicher Weise bewundern muß. Ob die verhaltene Leidenschaft sich nur in den Mienen oder Bewegungen spiegelt oder die volle Kraft derselben mrßvoll zur Geliuiig kommt, eS ist immer derselbe künstlerische Eindruck. Die Beiden — sie sind unS rasch liebe Freunde geworden — haben in selbstlosester Weise diese Reise unternommen, sich auch hier io den Dienst der evangelischen Sache gestellt. DaS sächsische Volk wird ihnen nie vergessen, was sie ihnen damit gebracht: eiue Erhebung daucinder Art in schweren Tagen, eine Stärkung beS protestautische,> Bewußtsein«, die in vielen Einzelzugc« den großen Eindruck erkennen ließ »ns wohl sv-iier noch in der Arbeit sich zeigen ioll. Möge die Aussübrung überall von demselben Segen begleitet sein, dea Herr vr. D:vr>cnr und Frl. Kuhlmana hierher gebruch».
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