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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806297
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880629
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880629
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-29
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1888
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Zweite Beilage M Leipziger Tageblatt mb Anzeiger 18l. Freitag den 29. Juni 1888. 82. Jahrgang Zur Lage. " Berlin. 27. Juni. Drei schwere Monate hat Preußens, hat Deutschlands Volk durchgemacht, schwer hat eS gelitten in dieser Zeit, aber eS ist ein Zeichen dasllr, wie fest die staatlichen Ordnungen bei un» gefügt sind, daß der zwei malige Thronwechsel innerhalb von drei Monaten die gesammte Nation zwar gewaltig ergriffen, aber keinerlei Er schütterung hcrvorgcbracht hat. Da» ist der Segen der Monarchie, und zumal einer Monarchie, welche so in der Liebe de» BolkeS wurzelt, wie die der Hohenzollern. Ein junger Fürst hat Preußens Thron bestiegen und mit ihm zugleich die Würde deS deutschen Kaiser» erlangt. Aber gleich die ersten Schritte, welche Wilhelm II. in die Oeffent» lichkeit thut, erweisen eS klar vor aller Welt, daß unser Kaiser in den letzten Monaten um Jahre gereist ist. daß er bei der Vollkraft der Jugend doch auch ganz erfüllt ist von dem Bewußtsein seine» hohen B-rusS. ganz gewillt, seine Pflicht zu thun. Den großen Friedrich und den großen Wilhelm nimmt er sich zum Muster und tritt an die große ihm gestellte Aufgabe, wie e» in der heutigen Thronrede heißt, heran mit der Zuversicht de» Pflichtgefühl». Die warmen Worte der heutigen Thronrede, welche da» eidliche Gelöbniß de» König» gewissermaßen umrankten, haben wie bei den Hörern im Weißen Saale überall im weiten Vaterlande die lebhafteste Befriedigung hervorgeruscn und da» Vertrauen, welche» dem neuen Regenten von vorn herein allseitig entgegengebracht wurde, gestärkt. Diesen edlen männlichen Zügen sieht man e» an, der Stimme hört man e» a», wie e» dem Kaiser heiliger Ernst ist, man ist davon durchdrungen, diese Worte werden in Tbalen umgeseht werden. Die deutsche wie die preußische Thronrede bezeuge» e» gleich lebhaft, Kaiser Wilhelm will ein Vater seines Volkes sein, kein Kaiser für irgend welche Partei, für irgend eine Confession. Sein Herz umschließt Alle, die ihr Vaterland lieb haben. Wa» u»S jetzt Noth thut, wonach ein dringende» Bedürsniß vorliegt, jetzt tritt e» ein. Wir brauchen eine Zeit der Ruhe nach den gewaltigen Aufregungen der letzten Tage und Wochen. Nach dem Schluß der außerordentlichen Sessionen von Reichs tag und Landtag kehren die Abgeordneten in ihre Heimath zurück. Sie verkünden zu Hause, wie sie den unmittelbaren Eindruck gewonnen, daß wir im Vertrauen auf Kaiser Wilhelm H. getrost in die Zukunst blicken können. Erst im Herbst wird die politische Arbeit wieder ausge nommen werden. Für Preußen stehen Neuwahlen bevor. Es ist dringend zu wünschen, daß die kaiserlichen Worte in alle Herzen dringen, daß daS Vertrauen, welches der Monarch seinem Volke entgegenbringt, von diesem ganz erwidert werde. Auch die nächsten Wahlen sollen erweisen, daß da» Volk satt ist aller FractionSpolitik. daß e» ein Parlament wünscht, Welche- wie der Kaiser lediglich da» Interesse und die Wohl fahrt de» Ganzen im Auge hat, welches sich fern hält von allen Extremen und nicht dem Kamps, sondern dem Frieden und der Vereinigung und Ucberbrückung der Gegensätze zu diene» strebt. Dann kann uns niemals bange sein um die Zukunft unsere» herrlichen Vaterlandes. Das eheliche Güterrecht im Lürgerlicheu Gesetzbuch. n. * Bon den verschiedenen Systemen de» ehelichen GüterrcchtS hat, wie bereits erwähnt, d.r Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch die BerwoltungSgemeiuschaft al» Grundlage sür die gesetzliche Gestaltung desselben erwählt, und zwar ist dabei maßgebend gewesen, daß es vorsichtiger und richtiger er scheint, die krast Gesetze» Mit der Eheschließung eintretende Aende runa in den Vermögen-Verhältnissen der Ehegatten auf daS geringere Maß zu beschränken und den Betheiligtrn die Erweiterung durch Vertrag zu überlasten, als umgekehrt. Die Bcrwaltungsgemeiuschait beruht (so führt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" des Näheren aus) aus dem Gedanken, daß die Zuständigkeit des beiderseitigen BermögenS durch die Ehe an sich nicht geändert, daß aber der Ertrag desselben und der beiderseitigen Arbeit zur Bestreitung der ehelichen Lasten verwendet und zu diesem Zwecke da» Vermögen der Ehefrau in der Hand deS Ehemannes mit dem semigen vereinigt werden soll. Der Ertrag de» beider- seitigen BermögenS und der b idcrseitige» Arbeit wird, vorbehaltlich der bei dem selbstständigen Erwerbe der Ehefrau durch ihre Arbeit eintretende» Modifikationen, dem Ehemann als besten alleiniges Eigentbum überlasten, wogegen derselbe aber verpflichtet ist, die ehe lichen Lasten allein zu tragen. Durch diese Art der Gestaltung wird die Rothweirdigkeit, eine besondere ErrungenschaflSmassc zu bilden, mit allen sich daran knüpfenden Uebelständen vermieden und daS Lerhältniß unter den Ehegatten so einfach geregelt, wie dies bei Festhaltung deS Grundsatzes, daß an der Zuständigkeit der beider seitigen vermvgen nichts geändert wird, nur möglich ist. Aber, wir die Motive hervorhebcn, eS läßt sich auch gegen die Gerechtigkeit dieses PrincipS eine begründete Einwendung nicht er> heben. Dem Ehemann steht die Verwaltung der beiderseitigen Ver möge« zu; er ist auch unter den jetzige» wirthschastlichen Verhält nisten regelmäßig der hauptsächlich erwerbende Theil, während die Ehesrau ihn dabei meistens nur durch ihre Hilfe im Hause und im Geschäft unterstützt. Von ihm hängt also vorwiegend der Betrag der Einnahmen ab. Andererseits hat er kraft seines hausherrlichen Recht« die Art de- gemeinschaftlichen Leben- und das Maß der dafür z» machende» Aufwendungen zu bestimmen, eS hängt also von Ihm allein der Betrag der ehelichen Ausgaben ab. Bei solcher Sach- läge wird eS nur als natürlich und gerecht erachtet werden können, Ivran ihm allein auch die Verantwortung dafür auferlegt wird, daß die ehelichen Ausgaben durch die ehelichen Einnahmen gedeckt werden, und wenn er allein daS etwaige Deficit zu decken verpflichtet ist. Au» denselben Gründen muß ihm dann aber auch der etwaige lieber schuß »„fallen, denn, da er allein die Gesahr trägt, gebührt auch ihm allein der Gewinn. Die Frage, in welchem Maße dem Ehemann ein BcrfügungSrecht über daS seiner Verwaltung unterworfene Vermögen der Ehesrau eiazuräumkn ist, kann bei diesem System insofern leichter entschied«« Werden, wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft, als der Ehemann über sein eigene» Vermögen jedenfalls freier verfügen kann, und eine Beschränkung desselben in Rücksicht aus daS vermögen der Ehefrau Weit weniger bedenklich erscheint. DaS Verfügung-recht de» Ehe manne- kann also so geordnet werden, wie eS unter Abwägung der Sicherheit der Ehefrau einerseits und der Stellung de« Manne« andrrerseitS in Rücksicht auf die Erfordernisse de» Verkehr» am Zweckmäßigsten erscheint. Bezüglich der Schulden der Ehegatten sind die an- dem Princip der VerwaltungSgemeinschast sich ergebenden Grundsätze einfach und iklar. E» besteht kein Unterschied zwischen Eheschulden und Sonder- schuldea, sondern jeder Ehegatte haftet nach allgemeinen Grundsätzen für die in seiner Person entstandenen Schulden, und nur sür diese. Insbesondere läßt sich eine Haftung der Ehesrau für die Schulden de- Ehemannes au» diesem System nicht obleitea; eS entspricht an der geschichtlichen Entwickelung, daß e- dem RechtSbewußtsein de» Volke» widerstreben würde, mit dem System der Verwaltung-- gemeiufchaft die Haftung der Ehesrau für die Schulden de» Ehe mannes zu verbinden, denn mit verhültnißmäßig wenig Ausnahmen hat von jeher bei allen ehelichen Güterrechten die Haftung der Ehe srau für die Schulden deS Manne« einer Theilnahme der Ehesrau an dem Vermögen oder doch an dem Erwerbe deS Ehemannes ent sprochen, und eine solch- Theilnahme findet bei der Verwaltung», gemeinschast, wie gezeigt, nicht statt. Die Motive verkennen nicht, daß daS System der Verwaltung», gemeinschattwach Schattenseiten bat; so ist e» ein Uebelstand, dar bei Auslösun" d^Ehe die Aussonderung de» Vermögen» der Frau au» den: de» Mskrües und die Feststellung etwaiger Ersatzansprüche nothwendig wird. Wenngleich Lieie Aussonderung sich wesentlich ein facher gestaltet, wie bei der EriungenschastSgcmcinichaft, so können doch Schwierigkeiten entsteh,», die sür d.-n überlebenden Ehegatten fdenn in den meisten Fällen wird die Ehe doch durch den Do» ge trennt) pei ilichster Art sind. Diesen Uebelstand sucht jedoch der Entwurf durch erbrechtliche Bestimmungen theil» durch den dem überlebenden Ehegatten krast Gesetze- zustchenden Voran» an gewissen Gegenständen, namentlich an dem zum Nachlaß gehörigen HauShaltSinventar, thrilS durch da» dem überlebenden Ehegatten in weitem Umsange einzuräumende Allcinerbrecht sür viele Fälle zu mildern. Vom praktische» Standpuncte au» scheint somit die Herstellung ein-S einheitlichen ehelichen Güterrechts am leichtesten aus dem Boden deS am wenigsten tief riugreisenden System» der LerwaltuugS- gemeinschas« zu erlangen zu sein, und e» mag als eine Bestätigung dieser Ansicht der Redactore» gelte», daß sich auch der 13. Deutsche Iuristentag für diese Art der Regelung ausgesprochen hat. Preußischer Landtag. Herrenhaus. 1. Sitzung vom 27. Juni 1888. Präsident Herzog vo» Ratibor eröffnet die Sitzung mit sol- genden Worten: M. H.l (Die Mitglieder erheben sich ) Nach kurzer Frist sind wir wieder versammelt. Was in banger Sorge befürchtet wurde, ist eingetreten. Se. Majestät Kaiser Friedrich ist nach langen schweren Leide», die von ihm in Geduld und Ergebung ertragen wurden, verschieden. Gewiß begleitet Jeder von un» mit treuem Mitgefühl die kaiserliche Familie bei dieser herben Prüfung, die Gott über sie verhängt hat. Die Gesinnung der Treue und Hin gebung, die wir dem hochseligen Kaiser stets bewährt, übertragen wir aus seine» Nachfolger, Se. Maj. de» Kaiser Wilhelm, unser» König, der die Regierung angetreten. und ihm gebührt die u»ver- brüchliche Treue durch den Ruf, der immer ertönte, wenn wir unsere A>beit begonnen, Se. Moj. unser allergnädigstcr Kaiser und König Wilhelm II., er lebe hoch! (DaS Hau» stimmt dreimal enthusiastisch in diesen Ruf ein.) Der hieraus vorgenommene Namensaufruf ergiebt die Anwesen heit vo» 151 Mitgliedern, also Beschlußfähigkeit des Hauses. Aus Voischlag deS Herrn v. Kleist-Retzow wird alsdann der Gesammtvorstand des Hauses durch Acclamation wiedergewählt. Das HauS beschließt demnächst die Thronrede mit einer Adresse zu beantworten und beauftragt das Präsidium mit der Abfassung deS Entwurfs, ebenso mit der Beileidskundgebung des Hause- an die verwittweten Kaiserinnen Victoria und August». Zur Beschlußfassung über die (telegraphisch bereits im AuSzuge mitgetheilte) Adresse beraumt der Präsident die nächste Sitzung auf Donnerstag 11 Uhr an. da die Regierung den Landtag um Uhr zu schließe» beabsichtigt. Vbgeordnrte»-Haus. I. Sitzung vom 27. Juni, 2 Uhr. Nachdem die Mitglieder deS Hauses sich zahlreich eingesunden, bestieg der Präsident der vorigen Session, v. Köller, den Piäsi- dentenstuhl und eröffnete die Sitzung mit folgende» Worten: Meine Herren! Ein ties schmerzliches Ercigniß (das HauS erhebt sich) ver- anlaßt daS Haus der Abgeordneten, sich schon heute hier wieder zu versammeln. Unser allergnädigster Kaiser und König Friedrich HI. ist aus diesem Lebe» geschieden. Binnen drei Monaten trauert z»m gveilen Male das Haus um einen geliebten König. Es ist dem verewigte» nicht beschicken gewesen, was er zum Wähle des Landes in der Stille geplant hatte, als Herrscher zur Ausführung zu bringen, aber die ganze Nation weiß, daß der hohe Herr in seinem edle» Herzen und seiner warmen Liebe zum Volke nur sür des Vaterlandes Wohl bedacht war und allein durch seinen frühen Tod verhindert wurde, dem Lande das Glück zu Theil werde» zu lasten, welches seine Weisheit erkoren hatte. Mit unauslöschlicher Dankbarkeit werden wir dem verewigten Kaiser und König ein ehrende- Ge- dächtniß bewahren, die Treue aber, die wir ihm zu Hallen gedachten, wollen wir in vollster Ergebenheit und Unterthänigkeit seincm Sohne und Nachfolger, de» jetzt regierende» Kaisers und Königs Majestät, widmen. Möge Allerhüchstdemselben eine lange und gesegnete Regierung beschieden sein. Se. Majestät der Kaiser und König, unser Allergnädigster Herr, lebe hoch! (DaS Haus stimmt dreimal lebhaft in dieses Hoch ein.) Der Präsident theilt hierauf mit. daß 388 Abgeordnete beim Bureau angemeldet sind, das Haus also beschlußfähig ist. Auf Vorschlag des Abg. Ile. Wiudthorst werden alsdann die früheren Präsidenten des Hauses, v. Köller. v. Heere man und v. Benda, durch Acclamation wicdergewählt, ebenso die Schrift führer Abgg. BothS, Jmwalle, BopeliuS, WarzewSki, Detten, l)r. Niethof und Frhr. v. Erssa. Auf Vorschlag de- Präsidenten beschließt daS HauS, die Thronrede mit einer Adresse an den König zu beantworten, und beauftragt den Präsidenten, den Entwuis einer solchen den, Hause in der nächsten Sitzung vorzulcgcn. (Der Telegraph hat diesen Ent Wurf bereits skizzirt.) Nächste Sitzung: Donnerstag 11 Uhr. (Berathung der Adresse.) Schluß 2'/, Uhr. * Au» der Feier im Weißen Saale de» königlichen Schlosse» sei nock Folgende» spccicller niitgethcilt: Lebhafte Zustimmung der versammelten Häuser des Laudtages fand besonders diejenige Stelle der Thronrede, welche davon spricht, in welcher Weise Se. Majestät der Kaiser und König die Rechte der Krone zu üben entschlossen ist; in gleicher Weise die Stelle, an welcher der erlauchte Monarch verspricht, „zu achte» und zu schützen" die in der Berjastung verbrieften Rechte. Ebensall wurde lebhafte Zustimmung laut, als Sc. Majestät versicherte, jedem religiösen Bekenntnisse freie Ausübung gewährleisten zu wollen, sowie als Allerhöchstderselbe seine Befriedigung darüber aussprach, daß die neuere kirchenpclitische Gesetzgebung dem kirchlichen Frieden im Lande zu Gute gekommen sei. Auch die i» Aussicht gestellte weitere Er leichterung der Steuern der unteren Elasten und die in Aussicht genommene Befriedigung bisher zurückgestellter Bedürfnisse des Staates wurde warm begrüßt. Lang anhaltender lebhafter Beifall durchbrauste endlich bei den Schlußworten den Saal, als Se. Majestät eS verkündete, daß nach dem Vorbilde Seines große» Ahnen Friedrich II. auch Er als Monarch und König der erste Diener d.S Staates sein wolle. Nachdem Se. Majestät die Thronrede verlesen und der Landtag der Monarchie das in derselben euthaltene, in der Verfassung vor- geschriebene eidliche Gelöbniß aus die preußische Verfassung ent gegengenommen hatte, trat der Reichskanzler, Ministerpräsident Fürst v. BiSmarck, vor den Thron, um aus den Händen Sr. Majestät die Urkunde der verlesenen Thronrede zurückzuempsangen. Se. Majestät drückte, Allen sichtbar, dem Reichskanzler bewegt die Hand, und der Letztere beugte sich nieder, um die Hand seines erhabenen Monarchen zu küffen. Nachdem der Fürst BiSmarck dann aus seinen Platz zurück- gekehrt war, erklärte er im Namen Sr. Majestät des König» aus Giund deS ihm von Allcrhöchltdemjelben hierzu erlheilten Auftrages die Sitzungen deS Landtages für eröffnet. Al- Se. Majestät vom Thcon herabgeschritteu war. brachte der Präsident de- Abgeordnetenhauses, v. Köller. mit lauter Stimme ein Hoch aus Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welche» die Versammlung wiederum dreimal mit voller Begeisterung ein- stimmte. Der königliche Zug verließ nunmehr unter großem Vortritt in derselben Ordnung, wie er gekommen, den Saal. Die Versammlung aber löste sich in Gruppe» aus, welche, nachdem die Allerhöchsten Herrschaften den Saal verlassen hatten, lebhaft die Bedeutung deS eben erlebten historischen Moment» zu besprechen schienen. In einem weiteren Berichte heißt e»: Kaiser Wilhelm verlas die ihm vom Reichskanzler übergebene Rede mit cin.r Stimme, die sich au» anfänglicher Unsicherheit sehr schnell zu großer Festigkeit und Vernehmlichkeit entwickelte. Die Stelle de» G-löbnisseS aus die Verfassung ward langsam, mit wahr nehmbarer Betonung jede» einzelnen Worte- gesprochen, ohne jedoch die äußere gewohnte Form des Eides, da- Erheben der Hand. Sieben Mal wurde die Rede durch lautes Bravo unterbrochen, besonder» die Stellen, welche von der Wahrung de- Recht» der LondeSvertretung und der Krone handelten, von dem Bestreben, den kirchlichen Frieden tM Lande zu erhalteu, von der erfreulichen Gestaltung der finanziellen Lage deS Staates und der Aussicht weiterer Entlastung der minder begüterten VolkSclassen. Besonder» lebhaft war die Zustimmung, al» die Selbstverwaltung al- eine werthvolle Errungenschaft bezeichnet wurde, und bei dem SchlußpassuS, in welchem der Kaiser, ankuüpseud an da» Wort Friedrich'- de» Großen, sich al» de» ersten Diener de» Staates bezeichnete. Die Gefangenen des Mahdi. nach Kairo gelangt und durch vr. W. Junker s Vermittelung zu unserer Kenntniß gekommen. Bald nacheinander trafen zwei Boten aus Chartum in Kairo ciu, welche kleine Zettel von Slatin-Bet, dem österreichischen Missionar Urwälder und von der Wittwe eines früher» egyptischen Beamten überbrachten: diese Zettel enthielten Anweisungen an die cgyptische Regierung und an die katholische Mission über Summen, welche die Aussteller von dein Boten ein psanaen halten; die Zahlung wurde anftaudslos geleistet, da die Briefe Urwalder'S und Slattn'S deutsch resp. italienisch geschrieben waren und die Handschrift der Verfasser erkannt wurde. So- 1 wohl aus dem Briefe Urwalder'S als auch aus den mündlichen »Berichten der Boten geht hervor, daß das Schicksal der Europäer ' in Lhartum ei» höchst trauriges, ja eigentlich ein entsetzliches ist. Tie Missionar« und Schwestern befinden sich in verhültnißmäßig erträglicher Lage, denn sie sind frei und können durch Arbeiten ihr Leben fristen; meistens kochen sie Bohnen mit Oel (?ool meüenuui»), welche sie dann auf offener Straße in der Nähe des Hause» de- Mahdi seilbieten. Man kümmert sich nicht viel um sie, weil sie schwach und vor allein sehr furchtsam sind. Luvton-Bei muß im Arsenal wie ein gemeiner Araber arbeiten und gerade die niedrigsten und schwersten Arbeiten verrichten, d. h. Lasten »ragen oder wälzen, schaufeln, ziehen, kehren re. Dabei ist er ohne Kleider und Schuhe, nackt, nur mit arabischer Unterhose (-Ibas) und Filzkappe bekleidet. Seit kurzer Zeit hat sich sein LooS etwas gebessert, indem er jetzt beim Geldmünzen beschäftigt ist. Europäisches und egyptisches Geld hat keine Giltigkeit, sondern der Mahdi läßt eigene Münzen prägen. Slat in muß den SaiS, d. h. Vorläufer, des Mahdi Scheich Ehalifa machen. Barfuß und halbnackt, nur mit kurzen Unterhosen und einen» Stück grünen Zeuges um die Schultern bekleidet, Lanze und eine kleine Fahne tragend, muß er dem Pferde des Mahdi vor lauten und diesem beim Aus - und Absteigen den Steigbügel halten. Bei jeder Gelegenheit hat er Beschimpfungen durch den Mahdi zu erdulden, welcher seiner Umgebung dadurch zu imponiren sucht, daß ei» Christ, ein früherer Gouverneur und Pascha, ihm, dem Mahdi und Propheten, jetzt den Steigbügel halten und den Tais machen muß. — Neuseld liegt in Ketten; zweimal bereits hat man ihn lkfesselt an den Galgen geführt, hat ihm eine Schlinge um den als geworfen und ihn dann, ans Niederträchtigkeit oder um ihm ngst zu machen und so etwas aus ihm herauszupressen, ein Stück in die Höhe gezogen und einige Sekunden in Todesangst hängen lassen. Dan» wurde er wieder heruntergezogen und unter Geschrei und Hohngelächtcr mit der Drohung, daß diese Behandlung noch öfter wiederholt werden sollte, wieder gefesselt ins Gcfängniß ge führt. Eine ähnliche Behandlung hatte ver frühere Diener Secken- dorfs's und einstmalige preußische Unterosficier Klotz zu erdulden, welcher vor ca. 12 Monaten gestorben ist. Die in Chartum zurück gebliebenen Griechen, Syrer, Kopte» und Egypter sind in traurigen und zerlumpten Verhältnissen und müssen die niedrigsten Arbeiten verrichte». Elend, Mangel an Geld, Kleidung und Nahrung herrschen in Chartum, dazu ist Streit und Zwietracht zwischen der Partei deS Mahdi und dem Anhänge anderer Großen ausgebrochen. Einmal hat bereits ciu Häuptling offen rcvoltirt, sich aber wieder unter worfen, als er, nachdem die beiderseitigen Truppen sich gegenüber- gestanden, erkannte, daß die Macht des Mahdi bedeutender und besser bewaffnet war als sein Gefolge. Nach kurzer Unterhandlung wurde Friede geschloffen, aber wenige Tage darauf wurde der be treffende Häuptling Nachts überfallen und ausgehängt. Ueberhaupt ist das Hängen und Morden in Chartum an der Tagesordnung. Wer Tabak raucht oder verkauft, wer Handel treibt, wer sein baares Geld nicht auslicfert, wer Getreide aushäust oder verbirgt — wird lkhängt. Durch derartiges Vorgehen wird die allgemeine Unzusrieden- eit natürlich gesteigert. Der Bote sagt: Wen» 500 Mann türkische oder egyptische gut bewaffnete Truppen ohne Engländer von Wadi Halsa an die feind liche Grenze rücken und den Beweis liesern, daß die Bekämpfung deS Mahdi ernstlich betriebe» werden soll, so würden ihnen am ersten Tage 3l>0 Rebellen, am zweiten Tage 1000, nach einigen Tagen bei weiterem Borrücken in Nubien ganze Stämme und Völkerschaften znfallen und bei der Ankunft vor Chartum würde ein Heer von 10000 Mann sich angesammelt haben; in der Stadt selbst würden sich Alle, mit Ausnahme des Mahdi und einiger hundert Fanatiker, ohne Schwertstreich dem anrückenden Heere ergeben. Schon vor einem Jahre hat Abd-el-Kader Pascha (von Mai 1882 bis März 1883 Generalgouverneur de- Sudan) sich erboten, mit 5000 Mann egyptischer Truppen und 20000 Pfund die Wiedergewinnung des Sudan zu unternehmen, und hatte seinen Einzug in Chartum binnen 3 Monate» in Aussicht gestellt. Aus politischen (?) Gründen wurde diese- Anerbieten abgelehnt und todtgeschwiegen. Mit Geld ist im Sudan nichts zu machen, d. h. Löscgeld wird nicht angenommen. Jedem, welcher mit Geld oder Waaren nach Chartum reisen wollte, einerlei ob Christ oder Moslim, ob Freund oder Feind, wird einfach Alles weggenommen, schon bevor er dort hin gelangt, durch die dazwischen wohnenden Stämme, welche unter der Schreckensherrschaft der Mahdisten verarmt sind und an Allem Mangel leiden. Ebenso würde es vollständig nutzlos sein, Verhand lungen über die Auslieferung der Gefangenen auch nur anknüpfen zu wollen. Selbst wenn der Mahdi seine Einwilligung geben sollte, so würde der ihn umgebende Große Rath seine Zustimmung ver weigern. So soll im vorigen Jahre, wie Slatin dem Boden mit theilte, der Mahdi nicht abgeneigt gewesen sein, den Vorschlag eine» Scheichs aus Berber, welcher ans Wiedcranknüpsung von Handels verbindungen mit Egypten abzielte, anzunchmen: der Große Rath hat aber denselben energisch und mit Abscheu zurückgewiesen. Ein Zweifel an der Wahrheit aller dieser Mittheilungen kann heute nicht mehr bestehen. Die egyptische Regierung und der eng lische Geschäftsträger haben anstandslos die überbrachtcn Anweisungen ausgezahlt. Der erste Bote, welcher mehrere Wochen in Kairo sich aufgehalten hat, konnte am 5. Juni seine Rückreise nach Berber an- treten; außer einer bedeutende» persönlichen Belohnung empfing er größere Summen für die Gefangenen, für deren Betrag er in Berber Waaren kaufen und welche er, als Derwisch verkleidet, nach Chartum schaffen wird, um aus dem Erlös den angewiesenen Betrag auSzu- zahlcn. Außerdem ist er Ueberbringer von je einem kleinen Zettel au Slatin, an Lupton und an die Missionare; diese Zettel, welche nur etwa viermal so groß wie eine Briefmarke sind — größere Schriftstücke wagte er ebensowenig nach Lhartum zu bringen als von dort mitzunehmen — und nur Angaben über die gesandten Gelder und Anfragen über frühere Sendungen enthaltend, hat der Bote in seine Kleider eingenäht. An Versuchen, die Befreiung der Gefangenen herbeizu- sühren, hat es allerdings nicht gefehlt, dieselben sind jedoch lediglich von Privatpersonen ausgegangen und ganz besonders ist die katho lischt Mission »ach dieser Richtung unausgesetzt thätig gewesen. Sie sogar die Vermittelung des türkischen Sultans und de» GroßscherifS von Mekka angerufcn, jedoch ohne Erfolg, weil eS erwiesen ist, daß der Mahdi, welcher sich für den wahren Propheten hält und des halb als über Sultan und Scherif stehend betrachtet, auf deren Empfehlung gar nicht» geben würde. Eine solche Vermittelung könnte höchstens eine Verschlimmerung in der Behandlung der Ge fangenen herbeiführen. Noch verbängnißvoller würde die Ausrüstung einer neuen kriege rischen Expedition, die den Gewalthabern in Chartum nicht unbekannt bleiben könnte, für die Gefangenen werden. Im günstigsten Falle, d. h. wenn die Expedition Erfolg haben und bis nach Chartum Vor dringen sollte, würden sie als Opfer sür die Wiedergewinnung des Sudan fallen. Der wahnwitzige Fanatismus der Mahdisten würde eine Auslieferung der Gefangenen, selbst um de» Preis der Milde runa ihres eignen Looses, nicht zugeben. Die Befreiung de Gefangenen muß unbedingt icdcm Versuche der Wieder eroberung des Landes vorausgegangcn sein. ES kann somit einem Zweifel nicht unterliegen, daß die Be freiung durchaus keine leichte Sache ist; es sind Schwierigkeiten zu beseitigen, welche nur der gründliche Kenner der sudanesischen Ver hältnisse zu würdigen weiß. Aber noch sind nicht alle Mittel er schöpft, auf friedlichem Wege die Befreiung der Gefangenen zu er möglichen; eine öffentliche Besprechung dieser Mittel kann nicht angebracht erscheinen, da dieselbe jedenfalls die Haltung des Mahdi, welcher durch seine Anhänger und Spione über alle Vorgänge in enau unterrichtet ist, beeinflussen und somit das Gegcntheil bei gutem Wollen ein Leichtes wäre, daS ganze Land «iederzu- gewinnen und eine ganze Reihe von tüchtigen Europäern au- schwach- voller Knechtschaft zu befreien. Lupton ist Engländer, Neuseld Deutscher, Slatin Oesterreicher, die 3 Missionare und 4 Nonnen sind Oesterrcicher und Italiener, auch mehrere Griechen weilen noch in Ehartum; also verschiedene Culturstaaten Europas sind unter den Gefangenen des Mahdi vertreten, und doch rührt sich keine Hand zu ihrer Befreiung. Bor 20 Jahren ließ das britische Reich eine Reihe von Europäern durch Rapier s berühmten Feldzug aus der Gefangenschaft deS Königs Theodoros von Abessinien befreien, heute schmachten Europäer seit 4—6 Jahren in der Gefangenschaft unter einem fanatischen Feinde, und gerade England ist es jetzt, welches Gordon geopfert, das Egypten zur Ausgebung des Sudan gezwungen und damit die Erlösung der Gefangenen verhindert hat. -eS I Kairo gi der Absicht erzielt werden würde. Ist es aber der egyptischen oder richtiger der englischen Regierung, deren Beseblc in Egypten maß- nd sind, ernstlich darum zu thun, Slatin, Lupton und die übrigen fer englischer Politik aus ihrer traurigen Lage zu de cd man sich über diese Mittel und Wege mit den Sudan leicht verständigen. für ganz Europa — in erster Stufe natürlich sür Eng . ES 'st . „ . . lieber das Schicksal von Lupton, Slatin und der übrigen Ge-1 land — entwürdigend, daß solche Zustände im Sudan herrschen »nd fangenen des Mahdi berichten „Petermann'» Mittbeilungen'": I unbeachtet bleiben, daß ein Land, welches seit 30 Jahren dem Handel Aus Lhartum sind endlich im Mai d. I. sichere Nachrichten I und einer gewissen Livilisation und Cultur erschlossen war. ohne in Gefangenschaft zurückgehaltene» Europäer * Grund aufgegeben und der Barbarei preisgegebcn wird, während eS über dt« Lage der dort 39. Jahresversammlung Leipziger HauptpereinS Ver Gustav-Adolf- Stiftung in Kirchberg. * Kirchberg, 25. Juni. ES war eine große Anzahl von Ver tretern der Gustav-Adols-Zweigvereine hin und her aus den SreiS- bauptmannschasten Leipzig und Zwickau, die mit dem Einsender Dieses Montag, den 25. Juni, AbeudS in dem freundlichen Kirchberg anlangt n. Am Bahnhöfe wurden wir von Mitgliedern de» Fest- ouSschuffes empfangen und in unsere Quartiere geleitet. Für den Transport de» Gepäcks sorgten die Schüler der obere» Classen der hiesigen Bürgerschule in anerkennenswerther Weise. Die Stadt ist Prächtig geschmückt, von vielen Häusern wehen die ahnen in den Landes- und ReichSsarben; weithin sichtbar ist eine hrenpsorte ausgcbaut. durch die sich der Festzug nach der Kirche bewegen soll. Kurz gesagt, auch äußerlich ist Alles ausgeboten, de» Gästen den Ausenthalt in der freundlichen, inmitten bergiger und waldiger Umgebung gelegenen Feststadt so angenehm wie möglich zu machen. Nach kurzer Rast in den Quartieren begab nian sich i» de» Garten des „Deutschen HauseS", wo die Vorverjamnilung stattfinden ollte. War der Garte» auch anfangs noch ziemlich leer, so füllte er sich doch bald rasch. Leider waren die Frauen und Jungsiauen der hiesigen Stadt nur spärlich vertreten, hoffentlich leisten sie jedoch der Aufsorderung deS Herrn v. Pank Folge und erscheine» heute Abend zur zweiten Versammlung recht zahlreich. Der erste Theil der Versammlung bot musikalische Genüsse. Recht lobenSwerth brachte die Capelle des Herr» Musikdirektor John die Jubelouverturc von L. M. von Weber, sowie die Fantasie aus der Oper Tannhänser von Richard Wagner zu Gehör. In, osficielle» Theile folgte nach dem vo» Musikdirektor Fr. Joh, dem Gustav. Adolf-Vereine gewidmeten und von seiner Capelle :»m Vortrag gebrachten Festmarsch über den Choral: „Ei»' este Burg ist unser Gott" und dem vom Mäniiergesangverein gesungenen Abt'jchen „Bott grüße Dich" die begrüß »de Ansprache des Herrn Bürgermeister Schiefer. I» zündender Weise gab der- elbe der Freude Kirchbergs Ausdruck, den Gustav-Adols Verein in einen Mauern begrüßen zu können, und schloß mit dem Wunsche, daß die Vertreter der einzelnen Zweigvereine nur ongenehme Erinnerungen von der freundlichen Stadt mit hinwegnehmen möchte». In seiner gehaltvollen Erwiderung wie- der Herr Voisitzende des Leipziger Hauptvercins Superintendent V. Pank daraus hi», daß es sich wohl zieme, auch in dieser sür uns Deutsche so schmerzliche» Zeit Gustav- Adols-Feste zu feiern, den» eS ist genugsam bekannt, daß die beiden verstorbenen Kaiser treue Mitglieder und Schützer de» Gustav-Adolf- Vereins waren. Kaiser Wilhelm I. hat al- der erhabene Piotector de- Gustav-Adols-BcreinS Deutschland- manches Kirchlein mit bauen helfe» und mancher Feier de» Vereins sein Interesse ge- chenkt, und Kaiser Friedrich lll. ist ihm auch darin ein würdiger Partner gewesen. Noch als Kronprinz hat er der deutsch-evaugelischeu Gemeinde zu Jerusalem zu einer Kirche verholsen, an der Jubel- eier von Luther'» Geburtstag zu Wittenberg im September 1883 uohm er persönlich theil, und noch sind in Aller Lriuueruag di« herzlichen Worte, mit denen er da» Protrctorat über die Sustav- Adols-Vereine der preußischen Monorchie vor wenig Wochen über nahm. Darum bleibt beider Gcdächtniß auch im Gustav Adolf- Vereine in Segen. Die Tage, in welche unser Fest dirsmal fällt, ind auch reich an historischen Erinnerungen. Am 25. Juni 1530 legten unsere Väter ihr tapfere- Bekenntmß zu Augsburg ab, und ein Jahrhundert später, am 24. Juni 1630, landete der edle Held, dessen Namen unser Verein trägt, an der vorpommerschen Küste. Angesichts sicher Erinnerungen sollen wir nicht verzogen, im Kampfe mit dem Geiste der Gegenreformation und dem Geiste der Revolution, dem Geiste der schwarzen und der rothen Internationale. Unser Kamps ist ein ehrlicher Kamps, denn wir wolle» nicht angreisen, sonder» chütze». Darum aber gilt c» mit Kaiser Wilhelm keine Zeit habe», müde zu sein, und mit Kaiser Friedrich keine Zeit haben, zu klagen, wenn wir die Früchte unserer Arbeit erutea wollen. Darum wollen wir beten und kämpfen, daun werden wir siegen, denn: „Ein' seste Burg ist unser Go!l". Rauschender Beifall lohnte den verehrten Herrn Redner sür seine begeisternde Ansprache. Nach weiteren musikalischen Darbietungen, aus denen der vom Handwerkergesangverein gesungene Festmarsch „Mit hohem Feier- klang" hervorgehoben sei, ergriff Herr Pastor Johanny aus Deutsch- Gablonz in Böhmen daS Wort zu einem Bericht über die Zustäkde der ihm unterstellten Diasporagemeinden. Deren Zahl ist sür die eine geistliche Kraft sehr hoch; allein 8 Predigtstalionen hat Johanny neben seinem Kirchspiel zu versorgen. Aber das Be- wußtseiu, einer gute» Sache zu dienen, giebt ihm den Muth, in all den Kämpfen gegen die priesterlichen Gewalten, die die ihnen von dem paritätischen Staate gezogenen Grenzen weit überschreiten, geduldig auSzuharren. Eine weitere Ansprache hielt Herr Superintendent Ine. vr. Groß- mann-Brinima. Sie richtete sich vor Allem an die Frauen und Jungsrauen, indem sie ihnen drei Frouengestallen vorsührte, die theil» gegen den Gustav-Adols-Verein. theil- sür ihn gewirkt haben. Die erste war eine vornehme Dame, die sich zu hoch dünkte, sür den Verein zu wirken, die zweite ein armes Dienstmädchen, daS freudigen Herzens ihr Scherslein zu dem LiebeSwerke beisteuerte, und die dritte die edle Gattin de- Erzherzog« Johann Spalatia von Oesterreich, die Herzogin Dorothea von Württemberg, die sammt ihrem sriedlieben- den katholischen Gemahl der evangelischen Kirche reiche Unter stützungen zuwandte. Auch diese Ansprachen waren von BeisallS- bezeuguugen begleitet. Noch längere Zeit blieb man bei dem Herr- lichen Abende »n Garten de» „Deutschen Hauses" vereint, b:S die eintretende Kühle dazu nöthigte, de» Heimweg anzutreten. Doch die biederen Gustav-Adols-Leute wollten sich noch lange nicht trenne». Deshalb wurde noch mancher gemüthliche Knipp in den Gasthäuser», deren Kilchberg trotz seiner geringen Einwohner- zahl (etwa- über 7000) nicht wenig zählt, veranstaltet. E nsender diese» hatte die freudige Genugthuung, in der Gaststube des Gast- HauseS Brühl Zeuge der Verlesung der durch Extrablatt bekannt ge. wordenen Thronrede Kaiser Wilhelm'» II., die einen wahren Beifalls sturm hervorrief, zu sein. Erst spät trennte man sich, um am an deren Tage in de» geschäftlichen Theil der Versammlung einzutreten. * Kirchberg, 26. Juni. Am 2. Tage deS Feste-, den 26. Juni, fand früh S Uhr im festlich geschmückten, großen RathhauSsaale die beralhende und beschließende Versammlung statt. Eröffnet wurde dieselbe durch Gesang zweier Verse des Liedes: „Ach bleib mit Deiner Gnade" und einem Gebete deS Vorsitzenden, Super- intendent 11. Pank. Zum stellvertretenden Schriftführer wurde gewädlt Herr Obcrpsarrer Friedrich, der nach dem Gebete die Versammlung im Namen de» festgebenden ZweiqvereinS und der Kirchgemeinde Kirchberg begrüßt hatte. Zu Schriftführern wurden durch Zuruf ernannt die Herren Bezirksschulinspector vr. Böhme- Rochlitz und Rechtsanwalt Hosmeister-Limbach. Nach der von Herrn ArchidiakonuS Vr. Suppe, dem Schriftführer de» Vorstände-, verlesenen Präsenzliste sind al« Abgeordnete de» Leipziger Haupt- Verein- vertreten die Herren v. Pauk, vr. Suppe, v. Hölscher, Amtsrichter Weidauer-Nossen, k. Echmidt-Schöneseld, al» solche vom Leipziger Zweigverein Schulrath vr. Hempel, Direktor Alberii, Direktor Thomas, Pastor Sorge-Lindcnau. Pastor Hosmann-BaalS- dorf, sowie als Vertreter de» siudentischen Verein» Herr »tuck. tkeol. Sachse. AuS der Diaspora sind anwesend die Herren p.vr. Johanny- Deutsch-Gablonz, ?. Molna-Pilsen, ?. Müller-Rumburg. Erwartet wird noch Herr V.Strinkborn-Pofen. AIS Stellvertreter de» Dresdner HauptvereinS wird am 27. Juni bei der gottesdienstlichen Feier Herr Superintendent v. Richter-Freibcrg die Glückwünsche desselben überbringen. Aus dem Berichte des Schatzmeisters Herrn Richard Land mann. der leider durch Krankbeit verhindert ist, ihn selbst zu ver lesen, geht hervor, daß die Mehreinnaimien der Zweigvereine gegen dis Vorjahr 3336 betragen, so daß sich die Gesammteinuahm«
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