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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880704
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880704
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-04
- Monat1888-07
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1888
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4110 die gegenwärtige Lage de» Vaterlande» und die Aufgabe der Varl« schilderte, die übrigen Parteien kennzeichnete, sowie die Grenze klar zog, bis wie weit ein Zusammengehen mit den konservativen möglich und sür das Vaterland ersprießlich sei. An diese Darlegungen knüpfte sich eine Berathung. die theilS schon in die Schilderung der Verhältnisse in den einzelnen sichern oder hoffentlich zu erobernden Kreisen Übergriff. Der Bericht über die einzelnen Kreise gab im Ganzen ein erfreu liches Bild der Wablbewcgung und der Organisation in manche» Kreisen, ließ aber auch zum vollen Bewußtsein kommen, daß der Lauheit in manchen Orten entgegengearbcitet werden muß und namentlich dem Gedanken, baß» wo keine Aussicht aus Erfolg, man nicht« zu thun brauche; jeder Einzelne mllffe vielmehr schon vor seinem eigenen Gewissen Alle» ausbielen, der Partei so viel Stimmen zuzusühren. wie möglich. An der Erörterung betheiligten sich außer Dele- girlen und Comit^-Mitglicdern die Abgeordneten Seyssardt, Rumpfs, Haarmanil und Dünkelberg. Nach Erledi gung innerer geschäftlicher Angelegenheiten wurde ciu vom Vorsitzenden verfaßter Entwurf einer Zuschrift an die Ver trauensmänner verlesen, der im Ganzen die mit so vielem Beifall ausgenommenen Darlegungen seiner Einleitungsrede wiedergiebt und allseitige Zustimmung fand und demnächst mit Berücksichtigung einiger kleinen Aenderungen, die da» Ergebniß einer kurzen Besprechung waren, den Vertrauens männern übersandt und dann veröffentlicht werden soll. Zu letzt wurde beschlossen, mit Rücksicht aus den Parteitag für Rheinland und Westfalen und Len in Aussicht genommenen allgemeinen Parteitag in Berlin, keine» Parteitag im Rhein land zu halten, jedoch im Herbst in geeigneter Zeit vor den Wahlen wieder eine Versammlung des Central-ComitüS mit den Abgeordneten, Delegirtcn und Vertrauensmännern nach Köln zu berufen. Mil einem Wunsche aus da« weitere stetige Arbeiten im Dienste de» Vaterlandes und immer weitere Erfolge ward die Versammlung geschlossen. * Zu der Frage deSCartel» bringt heute die„Nord> deutsche Allgemeine Zeitung" folgende Auslassungen, welche sich wesentlich von den Darlegungen der „Kreu, zeitung" und aiiderer rxtrcmconservativer Blätter abheben: Ein Lartcl, welches nicht geschlossen wurde, kann! weder erneuert, »och kann ein solches Cartel gelöst oder gekündigt werden. Diese einfachen. Jedem verständlichen Sätze müssen dennoch betont werden, wenn von den Parteibeziehungen für die konimenden Laodtagswablcn die Rede fein soll, weil man sich von den ver- schiedensten Seiten bemüht, den an sich sehr einfachen Thatbestand zu verdunkeln, um aus diese beliebte, aber wenig ehrliche Weise ein seitigen und engherzigen Parteizwecken zu dienen. Gegenüber der lbalsächlich bestehenden, wenn auch nicht formal abgeschlossenen und öffentlich proclamlrten Wahlverbrüderuug der Gefolgschaften dcS Trifoliums Bebel-Windihorst-Richter schloffen sür die damals vorzuuehmeudcn ReichStagswahlen im Januar 1887 d e Parteileitungen der Natiouallibcraleo, der Rcichspartei und der Deutfchcouscrvativen ein Wahlcartel. Dasselbe hat sich bei den Wahlen vom 2l. Februar 1887 auf da« Glänzendste bewährt, und wurde vermittelst desselben der ongestrebte Zweck vollkommen erreicht. Seit jener Zeit wurde fortgesetzt an dem Bestände dieses Carteb Verhältnisses gerüttelt. Bon Seilen derjenigen Parteien, gegen die es geschlossen worden, war ja vollkommen begreiflich, daß sie AllcS ausbolcn, um Zwietracht bei den in der Hauptsache geeinten pol» liichcn Gegnern über Nebendinge hcrvorzuruseu. So war cs denn >n der Sachlage gegeben, daß die demokratische und Windthorst'sche Presse jede Angelegenheit, die inzwischen zur Erörterung kam. unter den Gesichtspunkt des EartelS brachte, bald dieser, bald jener der Eartelparteien beweisend, wie sie die von den anderen dupirte sei Auch im Lager der Eartelparteien selbst gab es Widerwillige, die aus ihre Eigenart mehr Werth legten als aus die Ziele, zu deren Erreichung und Festhaltnng das Cartel geschloffen wurde. Diese Widerwilligea boten fortgesetzt Stoff dar, vermittelst dessen die eigentlichen Todseiude des Lartcl» ihr Garn weiter spinnen konnten. Angesichts dieser Umstände stand sür die ^preußischen Landtags wählen die Frage nicht etwa so, ob das uur für die Reichstag», wählen uä boo geschloffene Cartel für die Landtag-Wahlen fort- bestehen» oder ob mau sich von demselben lossagen reiv dasselbe kündigen solle, sondern die Frage konnte nur lauten, ob da» Cartel aus die LaudtagSwahlcn ausgedehnt werden solle. WaS die Sache im Allgemeinen anbelangt, so haben wir schon gelegentlich eine« früheren Streite» um das Lartcl daraus hin- gewiesen, wie dessen Geltung und Fortbestand glücklicher Weise nicht davon abhänge, wie sich diese» oder jenes Prcßorgan darüber aus spricht. Wie die bisherige günstige Zusammensetzung des Abgeord lietenhauseS erhalten bleibt, ist gleichgiltig» denn die Hauptsache ist. daß sie erhalten bleibt. Die Wähler im Lande, welch- ihre Inter- essen in der Wahl zum Ausdruck bringen wollen und solle», werden, keß sind wir sicher, wenig aus das Preßgezänk über das Cartel g beu, und deshalb wird auch der Streit der Cartel-„Freunde" der Sache selbst kaum Schaden thun * Zwischen der rumänischen Regierung und der Firma Grusonwerk in Buckau-Magdeburg, derselben, welche bei den im Januar 1886 bei Bukarest abgehaltencn Panzerthurmprobrn mit ihrem flachkuppcligcn Drehlhurme in glänzender Weise als Siegerin dem von der französischen Actien-Gesellschaft zu Chaumond gelieferten Cylinver-Dreh ihurme gegenüber hcrvorgegangen ist, haben in den letzten Tagen Verhandlungen wegen Abschluß eines definitiven Ver trage« behufs Lieferung der Panzcrthurme sür die Bukarester Befestigungen stattgesunden. Die Regierung hat den von Major Schumann, dem Construcleur deS vorerwähnten flachkuppeligen Drehthurines, entworfenen Plan eines neuen, versenkbaren PanzerschirmcS, welcher. waS die Sicherung der Geschütze und der Bedienungsmannschaft anbelangt, dieselben Dienste wie der feststehende Drehthurm leistet, denselben aber an Manövrirfähigkeit weit übertriffl, im Principe genehmigt, und soll den« Vertragsabschlüsse selbst nur mehr eine kleine Differenz bezüglich des verlangten und dcS bewilligten Preises im Wege stehen. * Die Eröffnung der deutschen Abtheilung der Kopenhagener Ausstellung findet am 6. d. in Gegen wart de» Königs und der Königin von Sachsen statt. *AuS Sofia wird der „Frankfurter Zeitung" geschrieben Wenn die mir seiten» dcS Ministers Natjchewitsch gewordenen Mittbeilungen sich bestätigen, so wird noch heute Major Popow die Kcrkerzcllen, in welche» er seit drei Monaten schmachtete, verlassen dürfen. (Die Freilassung ist am 29. Juni erfolgt. Red.) Die Lösung dieser Frage ist durch ein Com pronitß zwischen Stambulow und Natschewitsch erreicht worden. Stambulow willigte i» eine sofortige Begnadigung und die spätere Rehabilitirung Popow's ein. wofür Ratsche witsch seinen Widerstand gegen die Unterzeichnnng dcS Ur- tbeilS durch den Fürsten aufgab. Ucbrr die Einigung der Minister wird wobl der Fürst selbst am meisten erfreut sein. Denn wenn der Streit im Cabinet nicht bcigrlegt worden wäre und eine der beiden Parteien hätte au-scheiben müsse», so konnte man sich auf einen Kampf aus Leben und Tod zwischen denselbm gefaßt machen, wobei der Fürst am meisten gelitten hätte. Wie lange die so mühsam angebahnte Ver ständigung dauern wird, 'ist allerdings fraglich. Da indessen sowohl stambulow, als Nalschewilsch davon überzeugt sind, daß sie nur durch friedliches Znsammcnarbcilen Bulgarien vor einer Revolution schützen können, so ist eS immerhin möglich» daß der Friede einige Monate anbält. Nicht un interessant ist auch heule noch eine Begebenheit, die sich vor wenigen Tagen hier zulruq. In einem größeren BergnügungS- lokal fanden sich mehrere Anhänger StambulowS' nnd Zankows' „zufällig" bei einer Tafel zusammen. Beim Champagner brachte der gegenwärtige Polizeipräsident von Sofia, BlaSmadschiew einen Toast aus die alte liberale Partei, welcher Zankvw und Stambulow angebörlen. und dann aus Zankow selbst aus. Dieser Trinkspruch wurde später von dem zankowistischen Depulirten und ehemaligen Prasecten von Sofia, Stantischcw, mit einem solchen aus vaS Wohl Stam bulow«' erwidert, worauf die ganze Gesellschaft sich umarmte und küßte! Lolonialpolitisches. * AlS io den Jahren 1884 und 1885 Deulfchland große tküsteustriche von Afrika in Besitz »ahm, als das überrasch!« E»>la»d ein Gebiet nach dem andern ausgebro mußte» aus dessen zukünftigen Besitz e» mit Sicherheit gerechnet hotte, da schien e», ol» sollte das emporstrebe,,dc deutsche Reich an Stelle de» alternden England in Afrika die Führerrolle übernehme». Ja der That hatte Deutschland binnen Kurzem die weitaus größten Strecken an jenen Küsten erworben, welche die Piorteu zum besten Theile de« dunkeln Eoulinenls bilden, zu Centralasrika und dem Sudan. Nur durch die äußerste» Ansircngunge» gelang es den Engländern, noch einige Küstengebiete in jenen Gegenden der britischen Herrschaft zu sichern, so die Nigermündungen bei Kamerun, die St. Lucia-Bai ol« Hasen für Transvaal, den Bezirk von Momba» und Maliadi bei Zanzibar. Daneben blieb der vorherrschende Einfluß England» in Egypten bestehen trotz schwerer Niederlagen. Unterdessen hatte sich im Herzen von Centralasrika der Congostaat gebildet, eine Schöpfung der Hoch herzigkeit de» Königs der Belgier, welche, nach großartigen Plänen angelegt, eine große Zukunft nur in drn Händen einer mächtigen Nation verspricht. Diesem umsangreicheu Gebiete näherten sich als Nachbarn, von der Küge ans in« Innere vorschreitend, au einer Stelle, am untern Congo nämlich, die Franzosen und Portugiesen; an ein:r andern Steve, im Nordosten, berührten die Grenzen des Longosiaates sich fast mit dem Reiche de» Mahdi, dem ehemals egypti'chen Sudan; im Südosten bildete der portugiesische Zambesi eine Einsallspjorte in dar Gebiet de» ober» Congo. Drei Zu gänge zum Coiigolandc, im Nordweste», Südwesten und Osten, er- össiielen sich in deutschen Gebieten, in Kamerun, im Ovambolande (Südwestasrika) und vor Allem in Deutsch-Ostasrika. Aar e» da verwegen, zu hoffen, daß dereinst der vorwiegende Einfluß im Congo- staate und damit in ganz Centralasrika drn Deutschen zusallca würde? ES isi anders gekommen. Drei Jahre haben genügt, um d-n größten Theil unserer Boriheile un» wieder zu rauben, um den Engländern die Vorherrschaft in Jnacrosrika zu gebe» von Alexandrien hiiinb bis Capstadt. Zunächst warfen die reichen Briten sich als Noth- helser auf in den finanziellen Schwierigkeiten deS CongostaateS und gewannen dort den vorwiegenden Einfluß. Gleichzciiig verschaffte sich die National Asrican Company durch offenbare Verletzung de» Berliner Vertrags die wirthichastliche und politische Alleinherrschaft am Niger-Benne, der südwestlichen Pforte zum Sudan. Unmittelbar von Staats wegen drang England von der Capcolonie an» unausholtsam nach Norden vor und unterwarf Betschuanaland und die Küsten zwilchen Natal und der Delagoa-Bai seinem ausschließlichen Ein- flusse- Im vorigen Monat endlich erklärte es eine Art Ober herrschaft über das Land zwischen dem 22. Grab s. Br. und dem Zambesi. obgleich es sich in dem Grenzvertrage mit Deutschland ver pflichtet hatte, seine südafrikanischen Besitzungen nicht über den 22. Grad s. Br. hinaus auSzudchnen. Inzwischen hatte die Asrican Lakes Company sich die Ausgabe gestellt, das Flußgebiet de» Zambesi und seines nördlichen Nebenflusses Schire, lowir die Länder am Nyaffa- und Tanganjika-See in englische Hände zu bringen und so Deutsch-Ostasrika von seinem Hinterlande abzuichneidcn. Während diese Gesellschaft mit rvechielndcm Erfolge ihrem Ziele >m Süden zustrebt, versolgt denselben Zweck nördlich von Zanzibar, von Monikas aus, die „englisch-ostairikainsche Gesellschaft"; und es ist wahrscheinlich, daß sie am Bictorm-Nyanza-Sce und in den südlichen Nilgegenden die Oberband gewinnen wird. So waren denn schon die innerasrikanischen Länder in ununterbrochener Reihenfolge vom Copland bis an den Sudan der englischen Vorherrschaft so zu sagen gewonnen, als kürzlich die Nachricht eiiitrai, Stanley Hobe nörd lich vom Congo, om Bahr-el-Gajal» sür England ei» große» Reich gegründet. Bestätigt sich dies, so wäre damit das letzte fehlende Glied in der großen Kette, vom Capland bis zum Mittlern und untern Nil, eingeiügt. So sehen wir England eia iaoer- asrikauisches Reich gründen, das sich der Länge nach durch den ganzen Continent zieht» einstweilen erst in Form eines riesigen Rückgrats, von welchem zahlreiche Rippen nach der Küste hin auSlaufen: noch Alexandrien und Suakin, »ach Mambas, na» dem Zambesi und zu beiden Seiten dcS Transvaal, ferner nach Capstadt, nach der Congomündung und nach dem Niger-Bcnue. Zwischen diesen Rippen eingepfercht liegen die deutichen, jranzösischen, portugiesischen nnd italienischen Besitzungen, von jcdcr weitreichendeil Ausdehnung auSgcjchlosscn, scheinbar sür immer dazu vcrurihcilt, fremde Küstenbesitzungen an einem englischen Weltiheil zu sein. Sollen wir Deutsche angesichts dieser Rührigkeit Eng lands die Hände in den Schob legen? Evangelische Missions-Gemeinschaft. * Leipzig, 3. Juli. Am vorgestrigen Nachmittag fand die Einweihung des neuen Vereins- und Versammlung» localS der Evangelischen MissiooS-Gemeinschaft, selbst ständige Gemeinde, statt. Die Feier begann Nachmittags V,4 Uhr mit einem vom Sängerchor vorgetraqenen Choral, darauf folgte eia Gebet und dann hielt Herr MlisionSprediger Kücklich die Weihe, predigt, welcher er Psalm 84: „Wie lieblich sind Deine Wohnungen Herr Zebaoth!" zu Grunde legte. Die Predigt übte aus alle An> wesende eine mächtige Wirkung aus. ES folgten dann einem Gebet noch einige Choräle mit Harmoniumbegleltung, sowie Bor träge des Sängerchors, woraus die erhebend- Feier nach 5 Uhr schloß. Der reichgeichmücktc Saal selbst macht einen sehr guten Eindruck, und Jeder fühlt sich al-bald darin wohl. Er saßt uugesähr 400 Personen und ist mit einem schönen großen Harmonium anS- gestattet. Die Gemeinde zählt gegenwärtig etwas über 100 männ> licde und weibliche Mitglieder, inactive inbegriffen, und hält ihre reli> giöicn Veriammlungcn jeden Sonntag Nachmittag '/,4 Uhr im Ber- einsfaol ab. Außerdem ist Donnerstags Abends */,9 Uhr Bibelstunde. Dieser Verein hat lediglich religiöse Tendenzen. Jeder mann »st als Gast willkommen, ohne indessen auch bei mehrmaligem Besuch des Gottesdienstes zum Beitritt, reip. zur activen Mitglied schast verpflichtet zu sein. Tie Evangelische Missions-Gemeinschaft ist übrigens sehr weit verbreitet und sind Dresden und Berlin Haupt sitze, erstere Stadt sogar mit eigener Cavelle, Stuttgart ist Sitz dir Lassen, und Bücherverwaltunq. Die Gemeinschaft ist, mit einem Worte gejagt, ein wohlorganijirtcs Ganzes, welches den christlich sittlichen Lebenswandel erstrebt, in einer Zeit, wo gerat»; in den Arbeilenclassen die Religiosität stark im Abnehmeu begriffen ist. also eine schwierige, aber desto hehrere Ausgabe, die sich die Herren Missionsprediger zum Ziel gesteckt habe»,. Zugleich sei noch erwähn», daß voraussichtlich End- August er. die DistrictSversammlunq säinnit sicher auswärtiger Missions-Prediger in dem Missionsbezirke Leipzig abgehalten werden wird. Lan-esverrathsproceß gegen Dietz u. Gen. (2. Tag.) Bei Beginn der heutigen Verhandlung ging eine Bewegung durch den Saal, als der am 19. Dccember v. I. wegen LandeSvcrrothS u. s. w. zu 10 Jahren Zuchtbaus vrrurtheilte Kanzleibeainte Paul Ca bann es als Zeuge vorgesührt wurde. Der Präsident vermahnt ihn. die reine Wahrheit ouszusagen und erhält von Cabannes die Zulage. Der Zeuge bestätigt, daß er mit Appell seit langer Zeit bekannt ist, näher >edoch erst seit eiwa einige» Monaten nach Ostern 1883. Um diese Zeit ist er in Paris gewcirn und Hot dann von Line,nt Grüße an Appell ausgerichtet. Mit Dietz hat er etwa von Ostern 1884 bis 1885 oder 1886 verkehrt. Bei einem späteren Anfciithalt in Paris hat CobanueS mit Vincent (vulxo Müller. Rue de Vareniic, Paris) über Dich gesprochen und die Vor, sichtsmaßrrgel» (keine Originals schicken, alles nur in Frank reich zur Post geben), sür Dietz in Empfang genommen. In einer Taverne hat er die 200 FrcS. sür Dietz in Empfang ge nommen und abgeliesert mit der Bemerkung, dies lei nur eme Abschlagszahlung. Die Pariser Herren hatten nämlich erfahren, daß Dietz die erste» 1000 Frcs. zu schnell au-gegeben hatte und befürchteten, Dietz würde Verdacht erregen; deshalb wollten sie ihm immer nur kleinere Summen zukommeo lasse». Die weiteren 400 Frcs., welche Dietz erhalten Hot, sind auch durch die Hände deS CabanneS gegangen, ebenjo die letzten 500 FrcS. Er macht sodann Mittbeilungen über die Art und Weise, wie er die Sachen, die er verrathen wollte, durch Appell bat befördern lasten. Er behauptet, daß Appell vollständig in da« Berrathssystem eingeweiht gewesen sei. Nachdem er Ansang 1887 in Paris gewesen, >ei Appell ebenfalls dorthin gereist und habe Sachen von ihm zur Beförderung mitgenommen. Appell bestellte ihm daun bei seiner Rück kehr, er jolle „plus cku «sie", mehr Eifer, zeigen. Dar auf habe er. Zeuge, sich dann wegen der Verwaltung» berichte an Clausinger (der bekanntlich durch Selbstmord geendet gewendet. Cabannes wird bei Elwähnung dieser Ihatiache» von einer weinerlichen Stimmung übermannt und ergeht sich in Lamentationen über sein Unglück. Das Geld dabe zwar für ihn eine Rolle gespielt, aber er habe die Nachrichten mehr aus Liebe zu seiuem Vaterland« Frankreich hingegcben. Er verwahrt sich dagegen, daß er den Appell ohne Grund dcnuncirt habe. Der Herr Präsident recavitulirt sodann da» Wichtigste aus dem Proceß gegen Cabannes, soweit cS sür die Bcurthcilung der vor> liegenden Stratiache von Bedeutung ist. Der Zeuge bestätigt dann noch, daß Appell um Ostern 1883 ihm etwa 400 FrcS. in einer Restauration (Stadt Basel) übcrbracht dabe, welche er als Reisegeld zu seiner demnächst auSgesührten Rei'e nach Paris ansaü. Ans Vorhalt re» Präsidenten berichligt CabanncS estrige Angabe», die er in seinem eigenen Procesje gemacht. So hat er z. B. damals behauptet, er habe dir ersten Verwaltung-berichre im Juli 1884 »ach Pari« geschickt, wahrend »r jetzt zugiebt, daß dte» sch«» i« October 1883 geschehen ist. Nach der schon erwähnten Zusammeukaust de» Labanue» mit Appell iu der „Stadt Basel" traseu beide sich öster au diesem Orte und vertraute» sich Alle« a», WaS zum „Geschäfte" gehörte. Appell hat dem Zeuge» gejagt, er solle von jetzt a» Alle«, wa« er nach Pari- senden wolle, durch seine, Appell'», Hände gehen lassen. Appell hat ihm auch geiagt. er sei ermächtigt, ihm Vorschüsse zu geben, was auch öfter« geschehen ist. Labanue« meint, Appell habe ganz genau gewußt, woiür er, Zeuge, da» Geld erhalte; manchmal habe er auch dem Appell speciell mitgelheilt, welche Sachen er verrathen habe. B>S December 1883, wo Labauae» von Lincent nach Lunrville bestellt wurde, hat Cabanne» olle Sache» durch Appell nach Pari geschickt. In Luneville hat Lincent ihm gesagt, Dietz habe eia Origmal-Actenstück geschickt, er solle aber nur Abschriften schicken und zwar durch seine, de» Zeugen, Vermittelung. Rach dieser Unter redung hat Appell dem Cabannes genau daffelbe in Bezug ans Dietz erzählt wie Binccnt. Bei dieser Gelegenheit hat Appell dem Cabannes 1400 FrcS. gegeben, von welchen er 400 FrcS. behalten, die übrigen 1000 Frc». aber an Dietz gegeben hat. Als Dietz die 1000 FrcS. erhielt, hat die Frau Dietz autgerufea: „Endlich, endlich komm» etw-S, wir haben lange genug gewartet!" EabanneS hat der Frau D,etz damals gesagt, das Geld sei ans Par»», und Dietz hat ihn noch ersucht, nicht» zu verrathen. Die Quittung, welche Dietz mit seinem wahren Namen unterzeichnet hatte, gab EabanneS an Appell. LabanueS hat dem Dietz auch gesagt, daß er daS Original, welches er nach Paris gesandt habe, in Luneville bei einem lewisien Martin wieder abholen könne. Frau Dietz erklärte dem Zeogeu pätec, sie habe da» Schriftstück geholt. Appell bestritt die» jedoch damals, und dann bat Frau Dietz zugegeben, daß sie nicht in Luneville gewesen sei, denn sür «in solches Lumpengeld könne man nicht noch Reisen machen. Einmal, vielleicht auch öfter, ist Zeuge ans eia Inserat hin zu Dietz gegangen, um Sendungen für Pari» in Em- psaug zu nehmen. Später hatte EabanneS einen Zettel bekommen, wonach in Pari» wieder „Proben" eingetcoffen seien. Darauf hat er. wie er sagt, von einem Kaufmann Büttner (angeblich vom Apo theker Streißguth) 200 Frc». für Dietz erhalten. Diese Summe, wie eine weitere in Höhe von 400FrcS. hat er dem Dietz'schen Ehepaar angekündigt. Daraus hat ihm resp. seiner Frau die Frau Dietz wiederholt Sendungen für Paris inS Hau» gebracht. Bon Appell bat er noch 500 FrcS. sür Dietz erhalten, die er gleichsallS gegen Quittung an Dich gab. Auch diele Quittung bat Cabanne« dem Appell übergeben. Cabannes hat die Sachen, die er von Dietz er hielt. entweder besonder» abgeiandt oder mit seinen eigenen Sachen zusammen verpackt abgeheu lasten. Appell soll beiderlei Arten von Sendungen von Cabanne» zur Beförderung erhalten haben. Cabannes behauptet, er so wenig wie Appell hätten im Besonder» gewußt, waS Dietz sür Sachen liefere (sie waren immer in ver- schloi'jcncm, jedoch nicht odressirtem Couvert), jedoch hätten sie ver» mulhet, daß eS wichtige Zeichnungen seien; Appell habe auch einmal gesagt: „WaS mag der nur sür Sachen schicken, daß er so gut bezahlt wird?" Eine Zeit lang lbat EabanneS seine Briese an den Apotheker Girard in Schirmeck gesandt, später ober hat er sich, da Girard sich etwa» blvßgestellt hatte, nur noch der Vermittelung deS Appell bedient. Als Cabanne- im Januar 1887 in Paris war. hat Lincent ihm gesagt. Dietz sei unersäitlich, aber er habe seit lange nichts geschickt; waS er schicke, sei Golde« Werth, er möge ihm mft- thcilen, daß Dasjenige, was er, Dietz, in einem deutschen Postamte a»sgebe, nicht bonorirt werden würde. Diese Mittheilung hat Cabanne« aut einen Zettel geschrieben, welcher durch Appell au Dietz gelangt ist und zwar nachdem Appell wieder i» Paris eine Sendung Sachen abgeliesert und die Genehmigung dcS Inhaltes jenes Zettel» mitgebracht batte. Dies war im Februar 1887. Nach dieser Zeit hat EabanneS noch «ne Sendung durch Appell nach Paris geschickt. Der Verkehr zwischen Cabanne», Appell und Vincent hat etwa drei Jahre gedauert. Wie ost Appell Sendungen von LabanneS befördert bat, weiß Letzterer nicht mehr genau anzugeben. AlS Appell im Februar 1887 von Paris zurückkain. hat er dem EabanneS 600 FrcS. „sür zwei Monate" mitgebracht. Außerdem hat EabanneS öfters noch 100 oder 200 Frcs. von Appell als Lohn sür seine Thätigkeit im Interesse der französiichen Regierung erbalten. Appell hat dann immer gesagt, er habe Geld sür ihn au- Paris erhalten. Im Lanke de- Jahre- 1886 hat EabanneS kein Geld erhallen. Der Präsident verliest einen Brief der Frau EabanneS, welchen diese nach Weihnachten an ihren Mann geschrieben hat. Sie theilt darin u. A. mit, daß von allen seinen Freunden nur „Färber gemeint ist Appell) ihr thatkräslige Tröstung habe zu Theil werden lasten. Cabannes behauptet aus Vorhalt, daß Dietz und Appell während der ganze» Berrathsthätigkeit von einander nicht» gewußt haben. Befragt, weshalb er den Dietz und Appell denuncirt habe, sagt Cabannes weinend, seine Familie habe ihm näher gestanden als eine Freunde; ihm habe uur daran gelegen, Gnade zu erlangen CabanaeS verwahrt sich mit Entschiedenheit gegen die Zumuthiing, daß er drn Appell ohne triftigen Grund augezeigt habe. Der Zeuge agt dem Appell inS Gesicht, daß er jene Handlungen begangen habe, ober Appel leugnet hartnäckig Alles, was ihm zur Last gelegt wird. Aus Vorhalt deS BertheidigerS Appell'S giebt EabanneS »u, einige Male durch Check-Geld aus Paris erhalten zu haben, ferner daß er, wenn auch nicht jetzt, so doch später unter Umständen Mittheilungea über in Frankreich nächst der Grenze gelegte Minen mache» wolle. Der Herr Präsident theilt. nachdem Cabannes wieder obgesührt ist, mit, daß die Frau EabanneS, welche als Zeugin geladen werden öllte, vor Kurzem nach Frankreich verzogen ist. Herr Landrichter Munzinger erzählt aus Befragen, daß Fron CabanncS sich an Vincent gewandt und von ihm, resp. dessen Nach- olger, 600 Fr. erhalten hat mit den, Bemerken, daß diese Summe eigentlich noch ihrem Manne zugedacht worden sei. Zeugin gesch. Froh Sahn, war mit der Familie CabanncS be- kann». Frau Cabannes habe ihr bis kurz vor ihrem Fortzuge von Etratzburg nichts von ihren AuSwanderuugSabsichten erzählt. Wohin Frau CabanncS gezogen, wisse sie nicht, es scheine ihr aber, daß sie geglaubt habe, in Frankreich eia bessere» Fortkommen zu finden Die Zeugin bekundete. Frau CabanncS habe zur Zeit, als ihr Mann in Straßburg war. Februar dS. IS., einmal gesagt, sie würde lieber in» Wasser gehen, als einen falschen Eid leisten Die Angeklagten Dietz und Appell behauptet die Zeugin nicht zu kennen. Zeugin Frl. Dsaier hat bei der Frau EabanneS zu Mittag gegessen und von ihr ersahren, sie habe noch Geld erhalten sür die Briese, welche ihr Mann nach Frankreich geschickt habe. Frau Ca banne» habe ihr, der Zeugin, gesagt, Appell habe gewöhnlich die Sendungen sür Cabannes befördert und habe ihr dann noch nach und nach die Summen ouSgehändigt. Am 7. April sei Frau CabanncS sortgcreist und habe noch von ihr Geld geliehen. Als sie zurück gekommen (etwa am 17. April), habe sie Geld aus Paris milgebracht. Ende Mai oder Ansang Juni sei Frau Cabanne» definitiv mit de» Kindern nach Frankreich gezogen, weil sie hoffe, sich dort besser durchzuschlagen. Eiwa zwei Wochen vor ihrem Fortzuze habe Frau LabanneS einen Theil ihres Mobiliar- verkauft. Zeuge Kern, SecretariatSassisteut beim Amtsgericht in Strass bürg, hat ein Gespräch, welches dein UnteriuchungSgesaogeaca Appell mit seiner Frau gestaltet war, mit angehört. Beide sagten zu einander, daß es nicht» Neues gebe. Be, einer zweiten Unter reduvg flüsterte die Frau dem Manne etwa» zu, worüber dieser, cbenio wie am Ende der ersten Unterredung, sehr beruhigt schien. Appell sagt dazu, seine Frau habe ihm nur einen Kuß gegeben und dabei vielleicht gesagt „Patience, coursgs", weiter nichls. Die Aussage der Frau CabanncS zu verlesen» beantragt der Herr Oberreichsonwalt. Der Gerichtshof tritt darüber in Berathung Inzwischen wird aus die Vernehmung der Zeugen Staatsanwalt Stadler von allen Seiten verzichtet und er selbst entlassen. Gegen 'i.1 Uhr tritt eine halbstündige Lause ein. Nach Beendigung der Pause, welche sich bi» '/,2 Uhr hinzog verlas der Herr Präsident die unbendrte Aussage der Frau LabanneS, welche am 17. Februar d. I. erstattet ist. LS geht daran» hervor, daß Appell mit Cabanne» unter einer Decke steckte und den Verkehr sowie die AuSzahlnug de» GeldcS vermittelte. Im klebrigen enthält die AuSioge solche Thalsachen, die schon im Lause de« Proc-ffes anderweitig bekannt geworden sind. Sie sagt n. A. auch, daß sie unter den Freunden, an die sie sich aus Anratben ihre» Manne» wenden sollte, nur den Appell verstanden habe. An diesen habe sie si» auch gewendet und mehrmals Geld von ihm erhalten. Herr Land- richter Munzinger hat dazu schriftlich bemerkt, daß die Zeugm ohne Zögern ihre Aussagen gemacht, nachdem ihr ein Zettel ihre» Manne» vorgelegt war. worin er ihr schrieb „Ha eköro 41 an«! tu peni äir« I» vvrit«. tont« l» vSrit« et rieu qn» l» värit«. Lmdr»«« me» evtcuita. Don wiükeoreur Okarle, '. Line zweite Ver- nedmnag der Zeugin sand am 2. März statt. Bei dieser Gelegenheit wurde sie dem Appell gegenübergepellt. Frau Cabanne» bat ihrer Aussage nach einmal 200 und ein andermal 500 Frc». von Appell erhallen Am S. März bekannte die Zeugin, nicht 700, sondern SOO Frc». von Appell erholten zn haben. Herr Landrichter Munzinger bestätigt die Richtigkeit der ver lesenen Au-sageu, welche er hat Protokoll»«» lassen. Aus Befragen seiten« de« Herr» Rechtsanwalt vr. Rcmbard giebt der Zeuge an, daß LabanneS am 9. März noch i» Straßburg war (seit dem 19. Februar 1888), ober noch keine Znsammeukuus« mit setaer Frau gehabt habe. Der Herr Oöerretchganwalt stellt den Aalrag, je« Herrn -auptmaiin Budde als Zeugen zu vernehmen. Die Latlchlressung sterübcr wird Vorbehalte». L« tritt zunächst al» Zeuge auf Herr Bürgermeister Bane al iS. Derselbe ist al» Entlastung«, rüge von Appell vorgelchlagen und soll bekunden, dass der Letztere ich von ollen deuffchseindlichcn Bestrebungen fern gehalte» Hab«. Der Zeuge giebt an. er habe mit Appell zusammen die Schale de- sucht, kenne dessen LebenSgang und habe nicht» deutschfeindliches bei Appell bemerkt. Appell habe mit ihm viele Jagd«» besuch» uud sowohl im Reich-lande ol» iu Baden viele Freunde gehabt. Er, Zeuge, genieße seit 7 Jahren da» Vertrauen der deutschen Regierung und bekleide da- Amt eine« Bürgermeister» in Wertheim; er könne versichern, daß er sofort jeglichen Verkehr mit Appell abgebrochen haben würde, sobald er nur da» geringste Verdächtige erfahre» haben würde. Appell befinde sich in guter Vermögenslage, Hab« einen guten Charakter und habe sich der allgemeinen Achtung erfreut. Zeuge Apotheker Klein, gleichfalls Eutlastung-zeuge für Appell, spricht sich sehr lodend über den Lbarakter und die politische Stel- lung de« Angeklagten an». Er selbst sei in der Wahlbewegang sür die Regierung eingetreten and habe Appell nie unter seinen Gegnern bemerkt. Appell sei mit besonderer Vorliebe seinen Einladungen zu Iagdvergnüguagen gefolgt, obgleich er wußte, daß er dort eine Reiye hochgestellter reichsländischer Beamten treffen würde. Der Angeklagte sei bei solchen Zusammenkünften immer sehr sympathisch von allen Gästen ausgenommen. Der Zeuge bekundet außerdem noch, daß Appell sehr viel Medikamente gegen Wechselfieber voa ihm de- zogen habe. Zeuge Gutsbesitzer Zorn von Bulach (früher ReichStag«- abgeordneter), ebrnsall» von Appell ol» Entlastungszeuge vorgelchlagen, äußert sich günstig über die Vermögenslage und den Charakter dr« Augeklagtea. Soviel ihm bekannt, habe Appell sich politisch nie compromittirt; Handlungen, auS welchen eine deutschfeindliche Ge- iunung Appell'« gefolgert werden könne, seien ihm uicht bekannt geworden. Soweit ihn, da- Gegentheil nicht aachgewirsen werde, halte er de» Angeklagten für eine» offeuen und ehrlichen Charakter. Gesangenenoderaosjcher Löw auS Straßburg bekundet, daß Appell in Straßburg, als er ta Hast war, während deS Spaziergauge« einer Frau, die ihn erwartet hatte, pantomimische Zeichen ge- macht habe. Cr vermulhet, daß Appell damit sagen wollte, er habe nicht» verrathen oder gestanden. Appell hatte ihn er- ucht, nach seiner Absühruog nach Leipzig seine Kleidungsstücke einer Frau zukommen zu lasten. Er habe den Rock genauer untersucht und >m Untersutter desselben eine Menge Zettel gesunden. Der Zeuge hat den Rock mitgebracht und erklärt genauer, aus welche Weiie seiner Ansicht »ach die Zettel versteckt worden sind uud wie er ie entdeckt hat. Er erklärt es sür gänzlich unwahrscheinlich, dass die Zettel unabsichtlich in da» Untersutter gerathcn seiet». Nur am Kragen, wo gewöhnlich da« Futter nie zerreiße, sei die Lücke i» der Naht gewesen, durch welche die Zettel befördert sein müssen. Der Zeuge bestätigt, daß Appell während der Untersuchungshaft vielfach am Fieber gelitten und dagegen Medicameute genommen habe. Appell bemerkt, er bade die Zettel zwar in den Kragen gesteckt, aber die» ganz vergessen, als er den Löw ersuchte, seine Kleider seiner Frau zu übcrieubeu. Die pantomimische Mittheilung vom Gesängmßhose auS erklärt er als eine Kußhand. Herr Landrichter Munzinger bezeugt sodann noch, daß Appell ihm einmal den Berrath eines großen Geheimnisse» in Aussicht ge stellt habe, wenn er dadurch Straflosigkeit erlaogea könne. Er habe ihm enlgegengehalten. daß ein Unschuldiger keine Straflosigkeit zu erbitten brauche; daraus habe Appell gejagt, '/»»von den Angaben de» Cabannes seien erlogen. Bei einer späteren Vernehmung habe Appell von jenen Aussagen nichts mehr gewußt. Daß Appell zu jener Zeit an krankhafter Störung der GeisteSthätigkeit gelitten habe, hat Zeuge nicht bemerkt. Herr Hauptmann Budde auS dem großen Seneralstabe, ist aus Ansuchen Appell'S nach Straßburg gekommen. Ihm hat der Ange klagte mitgetheilt. in den Vogesen sei voa den Franzosen eine Ein- richtung getroffen, wonach von der Ferne auS eine Explosiva herbei, geführt werden könne. Er habe dem Appell daraus gesagt, da» sei nicht» Neues, da die Entzündung von Minen durch Elektricilät längst angewendet werde. Aus den Zeugen hat Appell nicht den Eindruck eines Geisteskranken gemacht. Entlassen werden nunmehr die Zeugen Kern, Löw» Frl. DSaier, BancaliS, Klein, Zorn von Bulach, Frau Sahni. AageN. Appell erklär», daß er an dem Tage, als ihu Herr Landrichter Munzinger vernahm, vollständig wahnsinnig gewesen sei. Um 3 Uhr verkündet der Herr Präsident nach einer kurzen ge heime» Berathung des Gerichtshofes, daß sür die nunmehr ersolgeude Erörterung über den Inhalt der verrathenen Schriftstücke uud sür die Begutachtung derselben die Oeffentlichkeit ouSgeschloffen sein werde. Daraus schließt er für heute die Verhandlung uud theUt mit, daß dieselbe morgen früh 9 Uhr fortgesetzt werden solle. Ob morgen überhaupt ein Theil der Verhandlung öffentlich sein wird» läßt sich heute noch nicht übersehen. Musik. Neues Theater. Leipzig, 3. Juli. DaS waren gestern nicht die ironisch kichernden Geigen Ossenbach'S, des ungezogenen Liebling« der dramatischen Kamönen; daS waren nickt seine den Olymp und den deutschen Märcbenhorl verspottende» Parodien, wa« uns gestern nn Neue» Theater geboten wurde- das war der artige Komponist graziöser Sing- und Liederspiele der fran zösischen Schule, der sich gleichsam böslich vor dem Publicum vc> beugte. ES ist ja bekannt, daß Offen bach vor den großen Operetten, die ihn in der ganzen Welt bekannt machten, melodiöse Einacler und Zweiacter compouirt hat und daß ihm auch nebenher noch dieser oder jener dramatisch-musi kalische Schnitzel von der Hobelbank fiel. Die beiden gestern aufgesührlen Operetten deS Meister» der Laustes karisionnes', „Fortunio's Lied" sund die „Schwätzerin von Saragossa", sind solche Kleinigkeiten, wie sie die Franzosen zu gestalten verstehen. Die letztere ist etwa» gedehnt; in der elfteren verpufft die Handlung: e« sind eben dramatisch« Seifenblasen. Der Notar Forlunio mit seiner jungen Frau Marie steht in der Mille einer üder- müthigen Sckrciberwelt; einer dieser Schreiber, Baleutin, liebt Marie schwärmerisch; ein anderer, Paul Friquct, ver- Hilst ihm durch allerlei Kriegslist zu einer ungestörten Begegnung mit der Geliebten. Der eifersüchtige Notar bat aber auch Anleredentien, er hat mit einem Liede da« Herz der Frau seine« AmtSvorgängerS erobert. Dieses Lied finden zwei junge Schreiber unter den Acten, und daS Echo seiner Vergangen heit tönt alsbald dem eifersüchtigen Notar sehr mißliebig in die Ohren. Die Operette hat etwa« UnauSzegohrcneS in der Handlung; die Melodien aber sind anmulhiz und ansprechend. Frl. An de« als Valentin war ebenso schwärmerisch wie unternehmungslustig und sang wie immer dramatisch lebendig und dabei mit guter Schule. Frl. Barlay svielte den Tausendsassa Paul Friquel mit der nöthigen herausfordernden Verve. Die junge Darstellerin befleißigt sich jetzt eine« recht degagirten Spiels; vielleicht ist hier und dort ein zuviel coquetter Beweglichkeit zu vermeiden. Nachrühmea muß man ihr die Deutlichkeit der Aussprache in Gesang und Eonver« sation: sie bleibt so leicht mit ihrem sonoren Organ dem Texte nicht» schuldig. Den Fortunio spielte Herr Müller al« eifersüchtigen Philister nach berühmten Mustern; Frl. GöhrS mit Anmuth die Marie, von der man uicht recht weiß, ob sie zu den iemmes incowmises gehört. Fräulein von Nomberg (Eduard) und Frl. Schwarz (Max) waren zwei stattliche Schreiber, denen ihre anstrengende Beschäf tigung ganz gut angeschlagen war; sie sowohl, wie Frl. Zöbisch (LouiS) und Frl. Gradl (Earl) waren ganz flotte Bursche, sattelfest in Spiel und Gesang. Da» Motiv der Operette „Die Schwätzerin von Saragossa" ist vielsach in neue Lustspiele üdergegangen; wir erinnern nur an daS Moser-Benedix'sche „Stiftung-fest". Die Heldin de« Stückes, die durch ihre Schwatzhaftigkeit dem Gatten eine unerträgliche Last ist wird von dem Matador Roland, der ihr darin noch „über" ist, zu Tode geschwatzk. eine „Schwatzleiche", wie eS in der Operette heißt. D» ohnmächtigen Versuche, sich gegen diese Ueberlegenheit zu wcbren, erinnern an die Schwatzscenen im „Stiftungsfest". Frl. An de« war ein schmucker und gewandter Matador Roland nnd auch ihr Gesang war schmuck und gewandt. An Leichtflüfsigkeit ließ sie eS in ihren Schwatzeraüffen nickst fehlen, aber sie hat den Dialekt in der Eonversation nicht ganz überwunden und so blieb Vieles undeutlich im raschen Fluß de« Echwatz-nS. Frl. GökrS ol« Ine« unterstützte i» den LiebeSscenen Frl. LndeS in Spiel und Gesang aus« Beste Frl. Bus« (Beatrix) al« Litrlheldin sprudelt« unerschöpflich
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