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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880704
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880704
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-04
- Monat1888-07
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1888
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Erste Beilage rum Leimiger Tageblatt «ud Anzeiger. .1? 18K. Mittwoch ven 4. Juli 1888. 82. Zahlgang. Der Teufel in Monaco. Vo» HanS Wachenhuse». - Nachdruck verdaten. Der Teufel langweilte sich in seiner Hölle. Nachdem «r alle neueste» Bücher durchgelese», um sich zu überzeugen, wie eS mit der Moralität der Menschheit stehe, beschloß er, aus Reisen zu gehen, und zwar in die schönsten Gegenden, wo die Leute gewöhnlich am schlechtesten sind. AlS nun sei» Hofstaat erfahren, daß er durch daS Höllen- thor keS Vesuv abreisen wolle, veranstaltete» sie ein großes Fesiseuerwerk, in dessen glänzender Illumination er aus die Oberwelt hinaus fuhr. Die erschreckten Menschen nannten es eine Eruption. Unter dem Namen eine! Herrn von Calibani giug er in Neapel in daS erste Hotel, dann nahm er zunächst den Weg in die Buchhandlungen, um wieder nach neuen Büchern zu fragen, und verlangte das, waS am meisten von den Männern und Frauen gelesen werde. „Die Männer lese» gar nicht", hieß eS; „die gehen in die Wirthshäuser." „Und die Frauen?" „Die frage» immer zuerst nach Zola!" „Sehr gut!" sagte sich der Teufel und ging. Danach begab er sich in die Seiden- und Modemagazme, auch zn einer der begehrtesten Schneiderinnen unter dem Vor wand, er wünsche neue Roben für seine Frau. Man sagte ihm, die gnädige Frau müsse selber kommen, um sich Maß nehmen zu lasten, und so verwandelte er sich den» am nächsten Tage in eine vornehme junge Dame. WaS er bei der Gelegenheit sah und hörte, gefiel ihm „AlleS nur für mich!" sagte er sich, als man ihm die tbeucrsteu, auf der Brust und dem Rücken lies ausgeschnittenen Roben zeigte, die von Herzoginnen und Gräfinnen bestellt waren. Er ging zu den Juwelieren und erfuhr dort, daß man die blitzenden Steine mit den höchsten Preisen, sogar nut dem der Ehre und der Tugend bezahle. Danach ging er inS Theater, und da gab man eben ein französisches EhebruchSstiick. DaS ganze Theater war von Frauen und sogar jungen Mädchen gefüllt, die waren entzückt Von dem Stück. „Sehr gut!" sagte sich der Teufel. „AlleS arbeitet nur für mich!" Er las in der Zeitung von einer hochinteressanten Ge richtSverband'ung und mischte sich unter die Zuhörer, die zum größten Theil Frauen der besten Stände waren. Die Ver brecherin wurde freigesprochen, obgleich sie schuldig erkannt worden. „Sehr gut!" sagte der Teufel. „Die letzte Instanz bin doch ick!!" Er ging an den Kirchen vorüber und that nur einen Blick hinein. „Bei mir ist'S voller!" sagte er zufrieden. So kam er nach Nom mit der Absicht, den Papst Zusehen. Aber hier war'S ihm wenig gemüthlich. Er stopfte sich Watte in die Ohren, um nicht daS fortwährende Geläut der Hunderte von Kirchen anzuhören; aber eS tröstete ihn, als er auch hier trotzdem die vielen Kirchen leer sah. „Wenn ich ihnen ansspielen laste, kommen sie Alle!" sagte er sich. „Zu was also der Lärm!" Um den Papst zu sehen, fuhr er in die Haut eines der Pilger, die zum Batican zogen. Zwar drückte ihn daS Kreuz, daS er au; seiner Brust trage» mußte, aber er sagte sich: „So Mancher von diesen dient doch heimlich mir, waS kann eS da schaden!- Aber als er mit den Anderen vor den heiligen Vater kam, fuhr er aus dem Pilgerkleid, daS leer am Boden liegen blieb. In Nom gefiel es ihm nicht und so reiste er denn weiter nach Deutschland. Hier gab er sich für einen reichen Musik Enthusiasten aus und mischte sich unter die Wagnerianer, die ihn mit offenen Armen empfingen. Er sah und hörte die Götterdämmerung, den Parsisal und schwärmte für den Tannhäuser. „Den Tert Hab' ich ihm geschrieben", sagte er beim Nach hausegehen, „die Musik hat er gemacht." Wohin er in Deutschland kam, ward Herr von Ealibani, dem der Ruf eines ungeheuer reichen ManneS vorauSging, mit Aufforderungen bedrängt, sich an Wohlthätigkeitsvcrenien zu bethecligen. zur Hebung der Arbeit, zur Förderung der Moral und der Menschenwürde mit beizutragen. ES kamen Arbeiter-Deputationen, die seine Hilfe gegen die AuSsaugung durch die Arbeitgeber verlangten, und er entließ sie mit salbungsreichen Worten. „Die Dummköpse!" rief er für sich. „Ick haben ihnen ja doch schon den Lastalle gegeben und den Most, den Hasen clever, den Bebe! und wie sie Alle heißen! Ich habe ihnen zu Liebe auch daS Dynamit erfinden lasten; waS wollen sie denn »och mehr!" Eine Deputation der Agrarier kam. um seine Unterschrift wegen abermaliger Erhöhung der Getreide- und Brodpreise zu bitten, da sic gehört, daß er bedeutende Landgüter besitze, und er sprach ihnen seine Ueberzeugung auS, daß die Semmel »och viel zu groß. daß man das Volk vor Ueberladung des Magens hüten müsse, au» dem alles Nebel in der Welt komme. Endlich kam eine Deputation hochachtbarer Damen, die seine Mitwirkung zur Förderung und Hebung der weiblichen Beschäftigung verlangte und ihm schilderte, wie bedeutend schon in den Bevölkerungsziffern der Uebcrschuß deS weiblichen Geschlechtes gegen daS männliche fei. Er versprach ihnen Alle». AIS sie fort waren, sagte er sich: „Welche Dummheit, mit solchen Sachen zu mir zu kommen! ES liegt gerade in meinem Interesse, daß weniger Männer als Frauen auf der Welt seien, und ich habe de» bald auch schon dem großen Strategen die Worte in den Mund gelegt, daß Kriege für daS allgemeine Volkswohl »oth- wendig seien. Ich laste deshalb auch dem Kaiser von Ruß land iäglich durch seine Umgebung einflüsteru, er solle doch Zuschläge»! Die Männer sind für mich wenig zu gebrauchen, sie vertrinke» fick ihre Sorgen in den WirthShäusern und vergest.-n sie dann, die Weiber aber haben mehr Schneid, sie Wiste» auch nickt, wohin mit ihren Nahrungssorgen. Ich habe ilmcn vorläufig schon den Rath gegeben, ungesunde Romane, Novellen und Theaterstücke zu schreiben, ich laste um ihret willen jedes J.ibr ein paar neue Modczeitungen gründen, immer tollere Moden erfinden, um sie zu trösten, laste immer fort neue Theater bauen, damit sie hineingehen und ihren Kummer vergessen können. Ich fördere den Luxu» nach Kräsle», sorge für alle möglichen Genüsse, gebe den Speku lanten Ideen für neue Gründungen und Börfen-Unterneh- mungcn, damit sie den Luxus bezahlen können, und da kommen sie mir noch mit Deputationen!" Als der Teufel so endlich auch nach Frankreich kam, da fand er Aller nach seinem Sinn. DaS war ein Volk, für daS er nicht erst etwas zu erfinden brauchte; da» ersand Alles selbst. Er laS mit Vergnügen in den Kaffeehäusern alle Boulevard-Journale, die ihm so ganz auS seinem Herzen schrieben; er hörte die VolkSsanger in den Oukäs ckuntant« nach Revanche verlangen, besuchte auch eine Versammlung der Patriolen-Liga, drückte hier Deroulede die Hand und sagte zu ihm: „Sie haben Recht, Monsieur, schreien Sie nur immer weiter; e» wird schon schief gehen, wen» e» endlich zum Kriege kommt!" — Und da hier Alles von selber ging, verließ er Frankreich wieder, um in ei»er seiner liebsten Unglück-Werk ställcn, in Monaco, „achzusehen, ob da Alles gut im Gange. „Mick kostet da» Alles hier rin Riescngeld", sagte er. die große schöne Treppe hinansteigend und oben aus die paradie sische Gartcnanlage blickend. ..Die Leute könnten glauben, sie feie» hier oben im Himmel, aber sie irren sich, und darin liegt die Pointe." Mil Befriedigung erfuhr er von der Direktion, daß sich in diesem Jahre bereits fiebcnzig Unglückliche daS Leben hier genommen und wohl anzunehmen sei, daß hundertfach mehr Andere durch ihren hier begangenen Leichtsinn zu anderen ver zweifelten Thaten getrieben worden seien. „ES hätten wohl noch etwas mehr sein können", sagte er achselznckend, „indeß daS Jahr ist ja noch nicht um!" Er verweilte in Monte Carlo einige Zeit, weil eS ihm hier ganz besonders gefiel Hier ging AlleS wie am Schnürchen. Alle, die hier täglich die schöne Treppe heranfzoge», waren ihm verfallen, und selbst von den harmlosen Neugierigen, die nur ein wenig an seinen Honig zu nippen kamen, die ver brannten sich sicher auch die Flügel, und dann hatte er sie. Wohl Tausende zählte er täglich, wenn er aus dem Platz an der Fontaine stand und sie in ganzen Züge» sich in die Spielsäle drängen sah, als könntcn sie waS versäumen. Seine größte Freude waren die Abende, nachdem die Spiel säle geschlossen, die Orgien im großen Restaurant des Hotel de Paris. Da lagen alle feine gefallenen Engel, die er auSgesandt! Sie trugen kostbare Roden, die schönsten BonguetS an der Brust, schwangen die Champagnergläser und sanken wohl trunken an die Brust ihrer Opfer, die natürlich auch zu spät auS ihrem Taumel erwachten. Es war eine Lust, schließlich, wenn der Nicsensaal sich teerte, alle die zerbrochenen Gläser und die zertretenen Blume istränße unter den Tischen liegen zu sehen. „Wenn ich nur noch mehr solcher schönen Plätze hätte!" sagte er sich. „Aber schließlich muß man zufrieden sein!" So ging er denn eines Morgens zeitig in bester Stimmung in den Gärten deS Plateau spazieren und freute sich, wie schön seine Palmen, seine Granaten und Myrten gediehen, als er an dem schroffen Abhang zum Merr hin einen jungen Mann stehen sab, der mit gekreuzten Armen vor sich hinauSstarrte. Der Teufel fühlte sich in seiner Stimmung ausgesordert, etwas zu lhu». „Sie freuen sich wohl über den herrliche» Ausgang der Sonne?- fragte er, hcrantretend. Der Andere biß die Lippen zusammen und starrte unver wandt weiter. Er war furchtbar bleich. „Mir scheint keine Sonne mehr, mein Herr!" antwortete er schroff. „Ich wollte, der Tcnsel bcAte die ganze Welt und zunächst diese verdammte Spiclbudc!" Herr von Calibani lächelte. „Hm", sagte er. „daS Wort ist hier ebenso geläufig wie daS Amen in der Kirche. Ich möchte errathcn, baß Sie Ihr Geld verspielt haben!" „Ja! die ganze Erbschaft meiner Kinder, die ich nach Hause tragen wollte! Ihre ganze Zukunft ist dahin, seit mich der Satan hierher geführt!' .Sie sollten sich nicht mit diesem erzürnen, denn er steht vor Ihnen! Ich habe die Ehre!" sagte Calibani, den Hut lüftend und sich vorstellend. Der Andere trat zurück und starrte ihn an. „Ich sckcrze nicht", fuhr der Teufel fort. „Bin sonst immer incognito, habe aber heule meinen guten Tag und lasse mit mir reden. Wie viel haben Sie verloren?" .Alle»! Zweimalhunderttausenv Franc» bis aus den letzten Heller! Kann mir nicht einmal eine Pistol« kaufen, um meinem Elend ein Ende zu machen!" „Bagatelle!" ..Hält' ich nur noch lumpige zehntausend Francs, um damit mein Geld wieder zu gewinnen!" „Darüber ließe sich reden. Unterschreiben Sie mir aber erst die» hier! Ich habe daS immer in Blanco zum Aus süllen in der Tasche für solche Fälle." Der Teufel zog ein kleines Blatt Papier hervor. „Unterschreiben Sie!" Der Andere laS. „Mit Blut?" fragte er bitter. „Nein! DaS ist veraltet! Nehmen Sie hier diesen Anilin- stist, der schreibt ebenso." Der Teufel leckte an dem Stift und reichte ihn ihm. „Meine Seele?" lachte der Andere. „Daran haben Sie nicht viel, denn ich bekenne Ihnen, daß ich schon immer ein leichtsinniger Patron gewesen hin!" „Thut nicht»! Ich nehme auck Seelen, die schon etwa» ramponirt sind . . . Unterschreiben Sie!" Der Andere unterschrieb mit zitternder Hand. „Heut Abend finden Sie mich am Spieltisch, denn bei Tage kan» ich nichts machen. Ich gebe Ihnen da» Geld und Sie spielen, aber nur wie ich Ihnen rathe! Also aus Wieder sehen !" Der Teufel lüftete den Hut und ging. „War mir sehr angenehm!" Der Andere schaute ibm nach und setzte sich dann auf den Rand deS Plateau. „Bm doch Neugierig!" sagte er. „Also giebt eS dock noch solche Teufels Verschreibung! Der Satan scheint er aber wirklich zn sein, den» ich merke an ihm etwa» vom Pferdefuß, obgleich er Lackstiefel trägt." Am Abend stand der Unglückliche in der Vorhalle des Casino deS Spielhauses, auf seinen unheimlichen Gönner wartend, an eine der Säulen gelehnt. Ihm war recht bang zu Muthe Dieser Pact, den er geschloffen, machte ihm Herz klopfen, und wiederum: wenn sich der Fremde nur einen Scherz mit ihm erlaubt hatte, WaS ward daheim auS Weib und Kindern, die seiner Rückkehr mit dem Gelbe harrten und in diesem ihre einzige Rettung sahen! Er war ein leicht sinniger Mensch gewesen, seiner Frau zu Liebe, um seiner Kinder willen hatte er sich Jahre lang wacker gehalten, bis er diese große Summe in die Hände hatte bekommen muffen, die ihn in Versuchung geführt. War'S nur ein bitterer Scherz, was ward au» ihm und den Seinen? Lieber wollt' er sich selber opfern! Aber da kam er in leichtem, elegantem Sommer-Paletot, aus dem Kops den blanken Cylinder, den er mit ganz neuen Handschuhen artig grüßend vor ihm lüftete. „Sie sehen, ich halte mein Wort!" lächelte er. „Gehen wir nur gleich ans Werk! Ich bin später noch beansprucht!" Zitternd vor Erwartung folgte ihm der Unglückliche in die schon sehr gefüllten Säle. „WaS ziehen Sie vor — trontö vt gurrants oder Roulette?" „Mir gleichgiltig! Wenn ich nur mein Geld wieder be komme!" antwortete der Andere zerstreut. So führte ihn dann der Gönner an da» erstere, setzte den Hut auf einen der Divan-, trat mit ihm an die Stelle, die eben von zwei anderen Herren am Spieltisch geräumt wurde, zog ein Portefeuille hervor, drückte ihm eine Anzahl Banknoten in die Hand, griff dann in die Paletottasche und zog eine Land voll Röllchen mit Goldstücken hervor. „Sie spielen aber nur, waS ich Ihnen andeute!" sagte er und stellte sich dann hinter ihn. Al- gleich darauf der Em- ployL rief „kUtes lg joul« beugte er sich an sein Ohr und flüsterte ibm zu. Der Unglückliche that, wie ihm geheißen, und gewan«. „Nur weiter!" flüsterte der andere b« der nächsten Taille, während e» dem Unglückliche» schwarz vor den Augen ge worden. al» er de» Gewinn «»ziehen wollte, denn damit war der Vertrag perfect. „Nicht einziehen! Ich sorge für eine Serie; damit wir bald fertig sind!" flüsterte Herr von Calibani. „Nach der Serie einige Male hinter einander daS Maximum und dann ist AlleS gemacht!" Aber zn seinem eigenen Befremden kam die Serie nicht. Der Unglückliche verlor und verlor wieder. „DaS Maximum!" flüsterte der hinter ihm sehr erregt, und der Spieler anuoucirte daS Maximum. Aber auch daS schlug fehl. Donnerwetter, WaS heißt daS?" Herr von Calibani ward unruhig. Er drückte dem Spieler heimlich immer wieder neue Goldrollen in die Hand, und inuner wieder gingen sie verloren. Lasten wir eS heute!" ries der Teufel endlich. „ES muß hier heute irgend eine heimliche feindliche Gegenkraft am Tische wirken. Gehen wir an den andern!" Aber auch da Feblschlag aus Feklschlag. Calibani zog seinen Schützling vom Tische fort, als wieder dessen Hände leer. Ich habe heule nicht meinen jour", sagte er verlegen. „Morgen ist der Dreizehnte; der gehört mir! Treffen wir unS morgen Abend hier wieder!" Halb getröstet durch den Gedaukeu, daß eS doch nicht der Gottseibeiuns sein könne, halb verzweifelt über seine Zukunft, »venu ibm nicht geholfen ward, warf sich der Unglückliche auf einen Divan in der Ecke und dachte an all die schönen Gold- rollcn, die eben wieder die Spielbank verschlungen. Es mußten wohl Hunderttauscnde gewesen sein. Er war Wohl klug genug gewesen, eine der Tausend-FrancS-Rolle» beim Spiel heimlich in seine Tasche gleiten zu lasten, aber was halsen ihm die! » » » Inzwischen war auck Herr von Calibani in ganz ärger licher Stimmung. Er hatte sich zum Abend einige junge Damen mit aristokratischen Namen in einen Privatsalon de» „Hotel de LondreS" cingeladen, mit denen er Wichtige» zu sprechen hatte, schöne, verführerische Helscröhclserinneu von ihm, die hier ihre Opfer zur Schlachtbank führten; er schaute unzufrieden nach der Uhr deS Casino, als er aus den Platz trat. „Was heißt daS nur?" ries er heftig vor sich hin. „Bin ich noch der Teufel oder nicht? Ich. der ich selber dieses Spiel ersonnen, der die einzige schwache Seite dieses Systems kennt, über die sich schon so viel Speculanten vergebens den Kops und schließlich den Hals gebrochen, um mit ihrem Gegeu- system die Bank zn sprengen, ich habe Zug für Zug verloren! Wo Hab' ich denn meinen Kops gehabt?" Er setzte sich vor da» Kaffeehaus und grübelte vor sich hi», überlegend, »voran das nur gelegen haben könne. Aber er sann und sann; cs war so lange her, seit er im Palais Royal in Paris, der ursprünglichen Geschästöstättc deS Hazard- spiels, von wo dies zunächst nach Deutschland getragen wurde, diese so complicirte, für die Spiclpäckter unfehlbare Berech nung erfunden, eS mußte an einem Räbchen oder Häkchen in diesem geheimnißvollen Uhrwerk liegen, daS er vergessen hatte. .Den Schlüssel!" rief er endlich aus. „Den Schlüssel muß ich haben! Ich werde mich doch vor diesem Menschen nicht blamiren!" Er sprang aus, trat hinter daS amerieLi» Usr im Garten an einer einsamen Stätte, schwang den Spazierstock hin und her in der Abendlust und stieß ihn dann vor sich in die Erbe. Gleich daraus erschien ein elegant gekleideter junger Mann. alS sei er a»S dem Boden herausgewachsen, vor ihm. .Majestät befehlen?" Er zog unterlhänigst den Hnt. „Sagen Sie meinem Oberstkämwerer, er möge mir un verzüglich au» meiner geheimen Registratur vom Jahre 18-13 den Schlüssel zum Uonge et uoir schicke»; ich erwarte ihn noch heut Abend. Sie wissen, wo Sie mich finden werden!" Der junge Mann verschwand, und Herr von Calibani sckritt beruhigt vom Casino-Platz zum Hotel, wo er seine schönen weiblichen Dämonen zum Souper erwartete. . . . Die MitternachtSstunde war schon angebrochen, al- er noch mit den beiden reizenden, hoch elegant und sehr decolletirten jugendlichen Versuchen»,leu beim Champagner saß. Sie hatten ihm so viel zu erzählen von GeschästSangelegenheilcn und buhlten wetteifernd mit verführerische» Blicken um die Gunst ihres Gönner», der ihnen seinerseits die ausgesuchtesten Artig- keilen sagte, während er zuweilen ungeduldig nach der Uhr blickte. Da ward ihm gemeldet, ein junger Herr verlange ihn im Nebenzimmer zu sprechen. .Endlich!" Herr von Calibani entschuldigte sich bei den Dame» und trat hinaus. Derselbe junge Elegant, aber jetzt i», Gaslicht mit ver lebten. unheimlichen Zügen, begrüßte ihn mit tiefstem Respect. „Majestät", meldete er, „zu meinem größten Bedauern läßt der Oberstkäminercr melden, daß er die ganze Registratur durchsucht habe, der bewußte Schlüssel sei aber nicht zu finden." „Verflucht diese Unordnung!" Calibani stampfte mit dem Fuß aus de» Teppich. „Man soll »ock einmal nachsuchen! Ick habe hier wichtige und dringende Geschäfte, sonst käme ich selbst." Der junge Mann zuckte die Achsel. „Der Obcrslkämmerer ist verzweifelt, sich Ew. Majestät Ungnade zuziehen zu müssen. Er vermuthet. daß der Schlüssel entwendet worden, denn man hat bei dieser Gelegenheit die Entdeckung gemacht, daß in der Hölle auch schon heimlich Hazard gespielt wird. Es sind in letzter Zeit so viel falsche Spieler da, die können eS nicht lassen." Herr von Calibani gab ihm erzürnt einen Wink, und der junge Mann verdunstete im Gaslicht. „Verdammt! ries Calibani, noch dastehend. „Muß ich mich vor diesem einfältigen Menschen blamiren, denn daS Spiel kann ich nicht zum zweiten Mal erfinden! . . ." Un willig kehrte er zu seinen Damen zurück. * * >» Der arme Spieler erwachte im Morgengrauen au» un ruhigem Schlummer, laut jammernd, denn im Traum hatte er sich schon in der Hölle braten gesehen. Er betastete sich am ganzen Leibe, aber e» war noch Alle» heil an ihm; nur die Angst wollte nicht von ihm lassen. Er war ja ein Ver fluchter, ein Verlorener, wenn er heimkehrte, er durste nicht mehr wagen, sein zunge» Weib, seine Kinder zu umarmen. Da sah er aus seinem Nachttische ein blutrothcS Couvert liegen. Er starrte e» an mit Entsetzen. Vielleicht schon eine Ordre, sich zur Reise in die Hölle fertig zu machen. Mit zwei zitternd au-gespreizten Fingern nahm er da» Couvert, noch unangekleidet, und mit laut klopfendem Herzen zog er rin weiße» Papier hervor. Mit halbgeblendeten Augen aber sah er zwei Banknoten au» demselben herau» und vor seine Füße flattern. „Geld!" ries er; wie erstarrt und schwindelnd blickte er vor sich hinab. Hunderttausend Franc» la» er aus jeder Banknote! Ab« da» beruhigte seinen Herzschlag keineSweg», denn jetzt, da « da» Geld hatte, jetzt war ja der Vertrag Perfect! .Mag'« denn mn mich geschehen sein!" ries er mit von Angstschweiß triefend« Stirn. .Ich rette wenigsten» mein Wnb, meine Kind«, denn ich hätte ja nicht« mehr, um sie zu ernähren l" In da» Schlimmste «geben, öffnete er da» Papier, und da fiel ihm au» demselben noch ein andere» herau» und in die Hand — der Höllenvertrag mit feiner Unterschrift in blntrother Anilinfarbe! . Seine Unterschrift! Er jubelte; er batte sie wieder! .... Aber waS stand aus dem Zettel? In großen lateinischen Buchstaben la- er: „Mein Herr! Inliegend die Zweimalhunderttausend Francs, die ich Ihnen versprochen, damit Sic sehen, daß der Teufel sein Wort hält. Die tausend Francs, die Sie heimlich eingesteckt, seien Ihnen geschenkt als Reisegeld, da« jedem unglücklichkn Spieler hier verabreicht wird. Nehmen Sic da» Geld ohne Bedenken von mir, denn e» ist ja nichts als ein Taufchmittcl, daS heut in der Hand eines Guten, morgen in der eine» BösewichtS ist. Z» meinem aufrichtigen Bedauern muß ich Ilmcn nämlich erkläre». Laß ich unfern Vertrag nicht zu Hallen im Stande bi», de»» gegen dieses Spiel hier kann selbst der Teufel nichts ausrichte,i!" Als der Abend gekommen, dampfte der unglückliche Glück liche schon durch den Sanct Gotlliardlunml und athmeie erst froh wieder aus, als er ven vaterländischen Boden erreicht Socialpolitisches. * Die Ausschüsse deS BundeSrathS, welche mit der Vorbcrathung, betreffend die Alters- und Invaliden versicherung der Arbeiter, betraut sind, bade» >bre Arbeiten soweit beendet, daß morgen die Schlußsitzung sta-t- findeu kann, in welcher die endgiltigc Fassung tcö Gesetz entwurfs in Paragraphen fcstgcstellt werden wird. Wie bereits antcrweitig bekannt geworden, baden die Ausschüsse wesentliche Aendcrungcn deS ursprünglich in seine» Grundzüge» bekannt gewordene» Entwurfs vorgenommcn. inSbcsondcre >>r die berusSgenossknschastl.che Organisation für die AlterS- »nd Invalidenversicherung nicht aufrecht erhalten, sonteru die territoriale Abgrenzung für die einzeln zu errichtenden Versicherungsanstalten augeuommen worden. Man wirk kaum sehlgkhen, wenn inan annininit, daß die Organisation in äbn-, sicher Weise gedacht ist, wie die für die landwirthschaftliche Unfall versicherung. Die territorialcAbgrcnzung ermöglicht naturgemäß die Einrichtung einer geringeren Anzahl von Versicherungs anstalten, als dieselben bei der berusSgenossenschastlicheu Or ganisation nothwcndig gewesen wären. Ebenso dürste sich damit eine Vereinfachung de» Markensystems und auch die Einführung gewisser Abstufungen, etwa »ach Gefahrenklassen, ür die zu erhebenden Beiträge ermöglichen lasse». Selbst redend würde der Gesetzentwurf, wie schon die Grundzüge eö thaten, die sämnitlichcn Arbeiter und Arbeiterinnen Deutsch lands umfassen, tvrnn auch der in Aussicht genommene Gesetz entwurf, welcher de» »och nickt bernfögenossciischaftlich orga- nisirten Rest de» arbeitenden ThcileS 0cr Bevölkerung an die Unfallversicherung anzuschlicße» bestimmt ist, vorerst noch nickt ertiggestellt werde» würde. Eö ist kaum zu zweifeln, daß in Preußen die Organisation für die AlterS- und Jnvalidcnversichc- rung sich an die Communalverbände angliekern ließe, somit viel leicht für je eine Provinz, mitunter auch vielleicht für zwei eine SersicherungSanstalt zu errichte» wäre. Für die größere» Bundcs- taatcn wird wohl je eine Versicherungsanstalt, für die kleinere», wie vielleicht die thüringischen Staate», zusamniengenommcn e eine zu errichten sein. WaS die Rente betrifft, so soll dic- clbe, dem Vernehmen nach, mit >20 uach einer Carenz- ;eit von fünf Jahren beginnen und bi- zu 25V austeigen. Die Nachricht, daß der von den Ausschüssen festgestellte Gesetz entwurf jetzt schon vor das Plenum de» BundeSrathS gelangen oll, wird al- nicht zutreffend bezeichnet; da» Letztere folterst im Herbst in die Beratbung dcö Entwurf» einlrcten. Jn- Hwischen soll der Entwurf, sobald die Redaktion «»dgiltig fest- gestellt ist, publicirt und so der öffentlichen Begutachtung übergeben werden. vermischtes. — Kaiser Friedrich hatte in Erinnerung an die Ver dienste de» Schöpfers des preußischen LandrecbtS, Svarez, beschlossen, dem Justizministerium eine Büste desselben zu schenken, welche un Saale des Ministeriums ausgestellt werden sollte. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" ist in der Lage, die betreffende Ordre zu veröffentlichen. Dic- elbe ist an den Justizministcr Dr. v. Fricdberg gerichtet und lautet: AuS den Mir während einer langen Reihe von Jahren vo» Ihnen gehaltenen Borträgen über Unser vaterländisches Recht habe Ich die Verdienste kennen und schätzen gelernt, welch« sich Karl Goitlieb Svarez um die Gesetzgebung Preußen» erworben hat. Oil habe ich seitdem de- hervorragenden Manue» gedacht und Mich inS- besondere gern der warinenipsuiidenen Worte erinnert, in denen Mein in Gott ruhender Herr Großvater jenem Mann, als dem Schöpfer des allgemeinen Landrecht- und der Gerichtsordnung, dieser unvergänglichen Denkmale der Weisheit und Gerechtigkeit Seiner Vorsauren ln der Regierung Seinen Dank dargebracht und der Zu versicht Ausdruck gegeben hat. daß „noch die späteste Nachkommen schaft Svarez' Andenken segnen werde". Ich wünsche Meinerseits eine» fichibaren Beweis dasür zu geben, daß diese Gesinnungen sich unvcrändect aus Mich vererbt haben; Svarez' Wirksamkeit gehöit dem Justizministerium an, und Ich will deshalb seine Räume not einem Zeichen der Erinnerung o» ihn schmücken. Zu diesem Ende beauslrage Ich Sie, für die Herstellung einer würdige» Marmorbüste für den Sitzungssaal des Justizministerium- Sorge zu tragen. Gegeben Charlottenburg, den 23. Mai 1888. gez. Friedrich li. — Breslau, 1. Juli. Unschuldig vcrurthcilt. Am 5. Novcmbcr v. I. wurde vor der l. Strafkammer deS hiesigen Landgerichts der bis dahin völlig unbeschvltenc Gärtnergehilfe Ernst Weber von hier wegen schweren Dieb stahls, verübt in der Nackt zum 18. Juni v. I. durch Ein bruch in eine verschlossene Bude, nachdem er eine Unter suchungshaft von 14 Wochen erlitten, unter Zubilligung mildernder Umstände zu 9 Monaten Gesängniß vcrurthcilt. Am 2V. Juni d. I. ist Weber aus staatSanwaltlichc An weisung als völlig unschuldig an den ibm zur Last gelegten Verbrechen aus dem Gesängniß entlassen worden. Der Zusammenhang ist folgender: Die bei jenem Einbruch ent wendeten Kleidungsstücke wurden am 19. Juni v. I. einem hiesigen Trödler zum Kauf anaebotcn, welcher die Verkäufer einem Schutzmann UberwicS. Die Verkäufer bezeichnet«:,! alS Eigenthümer der Sachen einen auf dem hiesigen Ncumarkte aus sie wartenden jungen Mann, der sich als Ernst Weber, Gärtnergehilfe, bezeichnete. Ohne zur sofortigen Verhaftung zu schreiten, machte der Schutzmann Anzeige, und als darauf hin später nach einem Gärtnergehilfen Ernst Weber gesucht wurde, fand man auch einen solchen in der Person eines jungen Menschen, von dem jener Schutzmann und jener Trödler vor Gericht alS Zeuge übereinstimmend behaupteten, er sei derselbe, der am 19. Juni v. I. alS Eigenthümer jener gestohlenen Sachen auf hiesigem Neumarkt ermittelt worden sei. Weber betheuertc seine völlige Unschuld, indem er daraus hinwieS, daß er daS Opfer einer Verwechselung fei. Ein ihm ziemlich ähnlich sehender Stubengesährte habe rhm neben anderen Sachen auch seine Papiere gestohlen und die gegen ihn erhobene »»klage sei nicht anders zu erklären, als dag jener Spitzbube der Mensch gewesen, der sich aus dem Neumarkte dem Schutzmann geaenüvcr für den Gärtner Ernst Weber auSaeacbcn habe. Daß Weber mit dieser Auf fassung Recht gehabt und daß er unschuldig im Gesängniß gehalten worden ist, ist durch die Ergreifung des falschen Weber jüngst an den Tag gekommen. ---- Strehlen (Schlesien). 3V. Juni. Der Bürger meister unserer Stadt, vr. Ossig, hat derselben ein eigen artiges Geschenk gemacht. Da eine Communalsteucr in diesem Jahre anfänglich wegen verspäteter Bestätigung de» Procent- satze» nicht erboben werden konnte, hat Dr. Ossig die Mittel zur Deckung der laufenden Ausgaben au» seiner lasch« hergcgrben.
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